Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 21, 1920, Image 7

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AZtat Frei, $ tcf.)
Wien. 6. Dezember.
Wenn (in Lustspiel mehr alt zwei
MtnschenaUtr hinter sich hat, wenn eine
Zeit voll großer lind furchtbarer Ereig
nisse, eine wahre Windsbraut von neuen
.Richtungen" undLiteraturmoden an
ihm vonibssgssaiischt und der leichtk, Ins
t!ge Bau nach solchem Sturm trotzdem
' noch aufrecht dasteht, da! Werk nicht
. zur alten Scharteke verknöcherte, da!
Vusispiel noch immer ein Lustspiel ist.
der Mt noch immer sein alte, Gesicht
zeigt, nämlich bei junge von Anno da
' zumal dann schickt I sich wohl, vag
man den Hut lüfte vor einem so juaend
v frischen Altertum, ja, dann ist auch die
- Wißbegierde begreiflich, mit der manches
von dieser hochbetagten Jugend da Ge
'hcinmit ihrer Dauerhaftigkeit erfrage
möchte. Schließlich ist ja ein Lustspiel
keine menschenfresserische Sphinx, die den
' Neugierigen, der ihr Nätscl nicht zu 13
. ' sen vermag, mit Haut und Haar auf,
frißt, eine Spinx freilich immerhin,
wen auch eine lachende,' gleich jedem
i diiljahrigen Kunstwerk ein verschlossenet
Etwa?. daZ , den letzten Grund seiner
Lebenkkraft nicht gutwillig preisgibt.
Am gestrigen Abend es hätte auch
vor zwanzig, vor dreißig Jahren ge
schein -sönnen wurde im Burgtheater
Strh(i fliifffhi.T TI
aufgeführt. ES geschah bei auszerordent
, Zichem Anlaß, mit ungewöhnlicher Be
setzung. wir möchten im! heute "nur
mit der Tatsache dieser Aufführung be
,, schäftigen, eben nur mit dem an sich er
staunlichen Fall,, daß ein Tlzcaterstiick.
da! eine ganz erhebliche Anzahl von
Jahrzehnten auf den schmalen Schultern
-tragt, sich noch imtnfr als lcbenesahig
erweist, unter UmstäMn dem roken
Publikum sogar alZ ine Art Fcstge
schenk dargeboten werden kann. Gustav
. Freytag schrieb da! Stück" im Iah
1852. Leise Nachklänge aus dem Sturm
I jähre entgehen darin keinem üufmerk
! samen Ohre. Parlamentswahlen, Preß
sreiheit, Zeitungspolemik das ist Acht
undvierziger-Luft. hier fühlt man die.
große politische Erschütterung, die unter
den Hochgeborenen so diel Schrecken der
..reitet hakte, unverkennbar Nachbeben.
Der Dichter selbst war sich dessen ie
1mifcr. AIS er fein Lustspiel Nach Wien
schickte und zur Aufführung om Burg
iheater empfahl, tat er es nicht ,-chnt
' heimliche Angst vor der berüchtigten Lster
reichifchen Zensur, glaubte er, sein Werk
1 schützen zu müssen, indem er selbst, ihm
ein WohlverhaltenSzeugniS ausstellte:
ti bringe Dinge und Figuren ausS
Theater, die hier völlig unbekannt, als
völlig unschädlich seien. DS Stück",
schrieb er an Laube, .schildert Personen,
welche in dem gegenwärtigen Oesterreich
- unmöglich sind, und Verhältnisse, die
do den Ihrige so weit abliegen, wie
der Zobtenberg von Sibirien." Mit
. einem Wort, da Lustspiel sei dollstän
dig bühnengerecht, dabei jedoch durch
ul .unschuldig". Leider dachte man in
Wien übet literarische Unschuld von jeher
ganz ander? als in der Übrigen Welt.
Schon den Titel fand man hier an
stößig. Journalisten! DaZ war ix so
zusagen eine verfemte Zunft. staatZge
sährlicheS Federvieh, zu - dulden hoch
sienS, wenn S nach Vorschrift gackerte
und seine eintönige Melodie treugehor
famst aus dem Ministerium bezog oder
von irgendeiner Hosstelle sich einblasen
ließ. Auch in Berliner Hofkreisen, nur
In Hofkreisen, war man ungefähr dersel
den Meinung, in alle deutsche Hof
kreisen. Der Dichter hatte sein Werk
auch dem Herrn v. Hülsen, dem mäch
' tigen Generalintendanten an der Spree,
- zugeschickt, und auch dieser bekreuzte sich
schon vor dem Titel. DieAourttalisten",
rief er auS,' .ärger mich vhnehin bis
aufS Blut, soll ich sie etwa noch aus dem
Hoftheater ansässig machen?" Er gab
das Stück erst, nachdem ein andere! Ver
, liner Theater monatelang bei .vollem
Hause gespielt, den Rahm gründlich ab
geschöpft hatte.
Dieser Umweg blieb Z?m ln Wien,
dank den Bemühungen des Burgtheater
direktorS, erspart. Heinrich Laube war
ja im Grund ei ungemein findiger
Kopf, ein feiner Diplomat - mit deU
kiauigkeiten einer Kratzbürste, und er be
wie! eS auch in diesem Falle. Sein Bor
gesetzter, der Oberstkämmerer de! kai
serlichen Hofel. wollte von-dek Aufjllh
tiina des Stücke! schleckterdina! Nickt!
wissen. Um aber diese! stärkste Hinder
' nis zu überwinden, holte sich der Direk
. tor seinen wirksamsten Beistand au!
dem Stücke selbst. Kein anderer al!
. rrt't . .f i. rr ! -t m
scymocr, aiuiaiotiiti oe, ,,orio,an ,
, wurde sein Bundesgenosse, der unsterb
7-. lieht Schmock. der Journalist, wie, tt
nicht sein soll, der Tausendkünstler, dem
jede Richtung geläufig, ' der da kann
schreiben nach recht!, und der da kann
schreiben nach links, der Vielseitige, der
"sich aus Kommando trivial oder genial
zu geben vermag, neben da! Gewöhn
liche immer seine guten Einfälle,-seine
Brillanten" setzt, leider jedoch erleben
muß, daß ihm da! Gewöhnliche regel
: mäßig gestrichen wird und nur die Bril
kanten, stehen bleiben. Diesen drollige
Zeilenschinder jeder Witz zehn Pfen.
ige wählte sich Laube zum Eekun
danken in dem Zmeikampf zwischen bü
kratischer Rückitändigkkit und litera
" rischem Fortschritt, da! beißt er ging
' mit dem eingeschickten LuMiel zum
Oberstkämme, blättert, dieSzene auf,
rso dieser Schmock seine zweideutige,
obwohl gutmütige CSarskterlosigkeit am
anschaullchstea offenbart, und la! die
Stelle Seiner Gestrenge vor. um zu
beweisen, daß da! Stück Nicht blo! für.
, daß ! auch gege die Journalisten ye
schrieben sei. namentlich gegen. Der
Hochwürdentrüg dürfte über diese!
.namentlich" gelächelt haben. Er ab
nun da! Stück srei. Wohl selber froh,
durch eine anständigen Rückzug den
unangenehme Handel beende z !ön
et, defass jedoch Einsicht gernifc m U
a von Hngs tvlttmann
ttkknne, baß in diesem Werkt nicht ge
ge dir Zeitunge gckämpft,, vielmehr
für die jetzt erst aufblühende sechste
Großmacht manche Lanze gebrochen
wurde.. In diesem flotten Konrad Bolz
hatt ja der Dichter offenbar sich selbst
gezeichnet. . '
Gustaö Frehlag war ln ver Tat da
mal! Journalist. Mit Julian Schmidt
redigierte er I Leipzig die .Gnnzbo
ten", die .grüne Blätter", wie man sie
dort nannte, kleine Hefte mit grünem
Umschlag, die In ganz Deutschland ge
-lese wurden, al! willkommene Schmug
gelwar heimlich auch durch ganz Ocster
reich wanderten. Ein Oesterreicher hatte
sie ja gegründet: Jgnaz Kuranda, mit
dessen Name ein groe! Stück Wiener
Vergangenheit aufwacht. Einst war
hier dieser klug 'Kopf mit dem scharf
gezeichneten Gesicht, dem Ine Riesennas
wie in FestungLturm zwischen den hel'
len Augen saß, überall zu sehen. 1m Ge
rinderst, im Landtag, im ReichSrat,
überall, ws für Freiheit und Freisinn
geritten wurde. Er land im Bor
märz mit dem einen Fuß, im Rochmärz
mit dem andern. Erst als sich ihm in der
Heimat in politische! Arbeitsfeld auf
tat, verzichtete er auf die ,Grenzboten".O
wo dann Freylaz tn seinem Sinne, aber
mit ungleich größerer schriftstellerischer
Begabung waltete. Die Typen, die er
in- seinem Lustspiel flüchtig schildert.
Bellmau!, Kämpe, Körner, während
dieser redaktionellen Tätigkeit mögen sie
ihm begegnet sein. Der unvergleichliche
Schmock abkr hat seine besondere Le
gende. Sein Urbild war ansang! Al
sred Meißner! geistige! Eigentum. Der,
hatte ihn dem Präger Lebe abgeguckt,
da Original vielleicht Zn einer deutsch'
böhmischen Nedaktionsstube aufgestöbert,
und al! er an einem gemütlichen Kneip
abend seinem Freunde Gusi, Freytag
davon erzählte, war dieser so entzückt
von den GestaltungSmLglichkeiten, welche
die Figur darbot, daß er Meißner um
Ucberlassung deS glücklichen FundeS bat.
Gegen zwei Flaschen Rheinwein, denen
man sofort die Hälfe brach, soll der
Handel abgeschlossen worden sein, und
hoffentlich bezahlte Freytag mit einer
besonders stolzen Marke, denn eS war
ein hübsche! Klößchen Ton. wa! ihm
der Zufall da zur Behandlung in die
Händ spielte, eine köstliche Lustspiels!
gur. die durch diese? kleine Tauschge
schäft zwischen zwei Dichter für die
deutsch Bühne gewonnen wurde. Durch
Meißner wäre sie am Ende gar nicht
zur Reife gelangt, vielleicht im Entwurf
stecken geblieben, und so hatte der ge
mütliche Kneipabend jedenfalls gute
Früchte getragen . . .
Die Journalisten wurden 1
Deutschland 1852. gleich im folgenden
Jahre am Burgtheater aufgeführt. Noch
am Tage der ersten Borstellung hörte
man . UnglücksdSgel krächzen, die einen
Durchfall mit Pauken und Trompeten
dorauSfagien: da Treibe und Reden
dieser Tintenfische fei den Wienern völ
lig fremd, hier gar kein Boden, gar kein
Publikum ir ein solche! Werk. Auch
von " auswärts ließen sich warnende
Stimme vernehmen.. Der Schriftstel
ler Bayer.Bürk. Gatte der berühmten
Schauspielerin, schrieb an Laube: .Frey
tag! Journalisten sind gut, obgleich da!
Thema nicht mehr zeitgemäß ist." Acht
undvierzig war dorbeigestürmt, aller
wärt! saß wieder die Reaktion im Sat
tel, und die! wohl der Grund, warum
dieser Mann ei Stück, darin noch ein
bißchen Freisinn atmete, schon veraltet
hielt, bevor e! noch zur Welt kam. Doch
nicht zum erstenmal geschah t!. daß
statt der angekündigte Niederlage die
Siegesgöttin mit dem Lorbeerkranze
heisoprat. Der Lorhang ging auf,,
und schon nach dem ersten Akte war der
Erfolg entschieden. Den Bolz spielte
yichtnet. Fraulein Neumann, Tochter
der Haizinger, die Adelheid, den Schmock'
aber ei junger Schauspieler, der für
die Rolle wie geboren, dem sie auf den
Leib geschrieben schien. Karl Meizner.
Seitdem sind sechZundsechzig Jahre da
hingegangen, und innerhalb diese! be
trächtlichen Zeitraume! gab e! kein
Jahrzehnt, kein Jahrfünft, wo da! schon
vor der Geburt totgesagte Stück nicht
seinen Weg zur Bühne dc! Burgtheater!
zurückgefunden hätte. Unsere große
Schauspieler langten begierig nach diesen
Rollen. Sonnenthal, wag für in Bolz
neben Meizner, der sei Lebtag den
Schmock picht loSließ! 'Den Piepenbrink
spielte Baumeister noch kurz vor seinem
Tode. Und wie die Schauspieler, so
blieben die Zuschauer dem Stück getreu.
Wa! d! Eroßdate, ergötzt hatte, dessen
freuten sich die Enkel. Der Erfolg ver
erbte sich vn Geschlecht zu Geschlecht.
Da! best deutsche Lustspiel de! neun
zehnten Säkulum!, so hieß ! allgemein.
Da! Jahrhundert, darin sie zur Welt
gekommen.' reichte . den ' .Journalisten"
seinen erste Prei!. -
Offenbar steckt in dem Werke der er
haltende Kraft ti reichliche! Maß.
S! ist vor allem in gut .gemachtes
Stück, vortrefflich aufgebaut, klar und
durchsichtig k allen feinen Teilen. Die
tüchtige ZimmermannSarbeit verbürgt
aber natürlich Noch lange nicht da!
dauerhafte Lebe, luch Kotzebutzk Lust,
spiele wäre gut gemacht, und seit wann
Ist dieser Schnee schon geschmolzen! Nach
de, Handwerk mußte der Künstler
sprechen, und hier spch er. Da! Stück
schildert v lebenlsoll Charakie: all
PtkfsNt. di da mitspielen, habe The
aterblut und sind doch keine leere The
atermenschen. kein angekleidete Pup
!en, sonder Menschen, wie sie sind, wit
ie wenigsten! sein sollten und sein konns
en, wi man sie sich leiblich und seelisch
gestaltet wünscht. Sin prachtiger Kerl,
dieser Bolz, ein Tausendsassa auch er.
abe tlttn von ber Besten Sorte, der Be
rufen Wortführer , der Vernunft, der
guten Laune, dek politischen Rechtschaf
stnheit, aber kein geschwätziger Raison
tut feen c ti ottut, flteiXt i ftck
,
in den Gang der Handlung in. Seine
Mitarbeiter stehen aus dem rückwärtigen
Plan, doch ist jeder wie au! dem Leben
gegriffen. Gut gezeichnet ist auch die
(et Herr v. Berg, der Oberst a. D., der
jetzt zwar im Zioilrock steckt, den steife
Militärkraaen aber immer noch an der
Kehle zu spüren scheint und strammen
Schritte! dem Kommanzvruf seine! &
wissen! folct. Neben ihm Piepenbrink.
der wackere deutsch Philister, tüchtiger
Geschäftsmann, echt bi! in! Mark hin
in, naturwüchsige! Spießertum, dem
unsichtbar der altrtZopf, au! Beschrankt
hcit und Biedersinn gestechten, gemüt
ich im Nacken baumelt. Dann diese!
Fräulein Adelheid Nuneck, da! ollein
ieheirde Mädchen, tapfer, weltgewandt,
b! Glücke! Schmied, durchau! leib
tändig. von den Lustspleldainchen jener
Zeit teincSweg! abgepaust. Sie tritt
nicht frauenrechtlerisch auf, verschont
unk mit den Wunderlichkeiten der
.Emanzipierten", pit sie damals schon
die deutschen Bretter beunruhigten, und
ist doch schon wit eine Vorahnung mo
dernster Weiblichkeit. Kurz, der Mann,
dem wir Die Technik deS DramaS" Her
danken, hier bewährte er sich als Meister'
der von ihm gelehrte Bllhnenkunst. hier
zeigte er, daß sich bei ihm der Praktiker
nicht vor dem Theoretiker zu verstecken
brauchte. Dabei ist alle S! so gründ
deutsch in seinem Stück. Reinste Heimat
luft weht durch jede Szene, keine Groß
stadtluft, nicht der giftige Qualm mil
li ,!enhafter Menschenanhäufung, eher
die Atmosphäre einer Kleinstadt, wo
jede Straße in Freie führt urcd di
Natur nicht in kaum erreichbarer Ferne,
weit draußen vor den Toren, aufgesucht
werden muß. 1851 kaufte Freytag in
Siebelcben bei Gotha ein kleines
Bauerngut, in der Nachbarschaft unter
dem Namen .zur guten Schmiede" be
kannt, und dort vollendete er sein Jour
nalistenstück im Sommer 1852. - Im
Garten, unter wirklichen grünen Diät
tern, "nicht unter pcrpiernen. ist eS ge
schrieben worden, und ein starker Hauch
würziger Landluft mischt sich denn auch
in dieses kleinstädtische Getriebe. Der
Dichter mag dabei an Leipzig gedacht
haben, nicht an das. heutige Groß-Leip
zig. sondern an das jener Zeit, da!
kaum 60,000 Einwohner zählte. Et
selbst nennt e! als Ort der Handlung,
bloß .die , Hauptstadt einer Provinz".
Welche Provinz, weiche Hauptstadt, die!
zu suchen, bleibt dem Zuschauer über
lassen, und jkdem steht tl frei, di Bor
gange de! Stücke! ns seine eigene Stadt
zu deuten. E! spielt in hundert deut
schen Städten, in jeder deutschen Ge
meinde, und so fand e! übe-.-.ll eine neue
Heimat. Wo immer eS aufgeführt
wurde, !bi patria. .. . ,
Wie der Schciuplatz nicht genannt
wird,' so verschwelt der Dichter auch
die Namen ,der politischen Parteien, die
hier gegeneinander kämpfen. Konrad
Bolz ist nach Angabe feine! Dichter! der
Co5n ineS Landpfarrer!, einer jener
dcussen Pastorssöhne, die Grillparr.
daS Kind einer Großstadt, um ihre Ar
beitZfreude und unverwüstliche Nerven
kraft beneidete, und die .Union", für
Kelche der warmherzige Mann arbeitet,
ist offenbar ein liberale! Blatt, kein
Weltblatt, denn S zu schreiben genüge
drei, vier Federn, sonder eine echt pro
vinziclle Pärteizeitung. Doch . welcher
f artet sie angehört, wird an keiner
telle gesagt, da! Wort .liberal" im
ganzen Stück Nicht einmal auögespro
chcn. Diese Namenlosigkeit deS OrtcS.
der Handlung, det politischen Bestrebun
gen war offenbar beabsichtigt, vielleicht
auch eint von den geheimeren Ursachen
de großen Erfolges. Der Dichier wollte
kein politisierende! Werk schreiben, sich
nicht verlieren im Wirrsal det Partei
kämpfe, wollte eben nur Menschen dar
stellen, die ttrschiedene Ziele verfolgten,
Menschen mit gegensätzlichen Interessen,
mit widerstreitenden Weltanschauung
gen. Mochten sie dort unten hadern und
zanken, kr verließ nicht die neutral Höhe
deS Gemeingültigen und Reinmensch
lichen. Die Neutralität war allerdings
nur fcheinbar, denn wer kannte nicht die
politische Gesinnung de! Dichter!, wer
fühlte nicht, wenn er dieses Stück fah,
wie innig e! mit dem Tag zusammen
hing, wie getreulich eS Zeit und Welt
widerspiegelte. Sache de! Publikums
blieb ! eben, da und dort den Punkt
aus da! I z, setzen. Ja, diese Namen
lostzkeit, die so viele unbestimmt läßt
und dadurch alles verallgemeinert, hat
sicherlich bei dem großen Erfolge dieses
Theaterstückes erheblich mitgeholfen . . .
Heute-gehört e! zu den wenige klof
Mischen Lustspielen. die wir ' haben.
.Minna von Barnheim , .Weh dem,
der lügt". .Die Journalisten", wa!
öch? Vielleicht streiten sich gegenwärtig
in paar Lustspiele um den vierten Platz,
vielleicht ist daS Werk, dem er zufallen
jDttfi), noch nicht geboren worden. Den
Franzosen lebt ihr MliSre, den Eng
ländtt ihr Shakespeare, groß auch im
Komischen rt unser Lustspielbesitz ist
ein bescheidenes GZrtchen, ws allerhand
Grünzeug gedeiht, aber nur wenig im
mergrüne Gewächse. Eine! davon hat
dieser schlestsche Dichter gepflanzt. Bor
der rsten Wiener Aufführung wurdt
da! Stück, wir haben eS gehört, al!
.nicht mehr zeitgemäß" bezeichnet und
daraufhin unzählige Malt im alten, fast
ebenso oft im , neuen Burgtheater ge
spielt, und heute noch erscheint e! immer
nnd immer wieder auf den Brettern.
Da! unzeitgemäße Stück hat sich al!
ei Stück für alle Zeiten erwiesen. E!
kam aber auch wie hieß doch Frey
tag! Landhau! in Siebelcben? ti
kam eu! tlner .guten Schmiede".
Die Schwierigkeiten für die erst
Fran im englische Unterhaus. Be
erste englische Frau ist in daS Unterhau!
eingezogen: Lady Astor. die sür ihre i
da! ObtrZauZ iiteziretindeu Man, fie
ante
Ich hätte nein sagen sollen oder daß
-ich etwa! vorhätte, l! mich meine
Tant Dorchen Faßbender am Eingang
de! amerikanischen RieseN'Warenhause!
mit Beschlag belegte und mich bat, sie
za begleiten: sie müßt sich nur eben
ine Bluse kaufen, erklärt sie obenhm.
Ein Bluse lausen, da! war ja schließ
lich in insache und schnell erledigt
Sache, dachte ich mir und ging' mit.
Außerdem hatt die Tant mir scho
häufiger Rechnungen meine! Schneider!
bezahlt, da! war entsprechend zu.be
achten. ,'',
Der Scharfsinn einet Indianer! ge
hört dazu, um sich in einem modernen
Warenhau! zurechtzusinden und noch
zu Lebzeiten den begehrten Gegenstand
zu kaufen. Die Tant fagte, sie wisse
Bescheid, und drängte sich durch die
Menge, di sich in den Gängen zwischen
den Verkauföständen hin und herschob.
Sie trat energisch auf sie hindernd
Füße und stieß Langsame mit der Krücke
ihre! Zancllaschirme! verstohlen in de
Rücken. '
.Da drüben bekommen wir da! Ge
wünschte." sagte sie mit. Bestimmtheit.
Ich vertra'ite-der Tante. Wir schoben
nach drüben. -
Wir ' blieben einen Augenblick am
Berkaufsstand für Emaillegeschirr
stehen. .Was darf sein?" fragte der
Kindlich ein Rotbackiges Fräulein.
O, ws finde ich Blusen?" erkundigte
sich die Tante, die scheinbar doch nicht
so ganz und gar Bescheid wußte.
Bitte, rst Etage, Aufzug." war die
Antwort. , Die Tante, zog vor. . die
Trepp zu benutzen, au! Borsicht. E
sei inmal in junger Mann im Aufzug
zerquetscht worden. Diese Legende geht
von jedem Auszug.'
Musen bitte rechts und dann
links." wieS uns ein Herr in mittleren
Jahren, den man Herr Markuse nannte
und der scheinbar eine Rolle spielte.
Wir waren geschmeichelt und gingen in
drr bezeichnete Richtung.
.Nein. nein, nein." schrie die Tante
plötzlich unwillig, alS sie 'an, dem ge
suchten Stand von Blusen ankam und
die Auslagen musterte. -.Ich will keine
fertige Bluse, ich tvill Stoff für eine
Bluse, im Hau zu nöhen. Da steht
man sich billiger," raunte si mir er
klärend. -
Ich fand daS sehr unangebracht, so
eine Blv'. erst Ml mit großen Um
ständen zu nähen, wo man sie doch Per
s!- seriig zum Anziehen kaufen
konnte. Uebnhaupt bereute ich ein we
nig meine Bereitwilligkeit, die Tante zu
diesem Blufenkauf zu begleiten.
.Ah.' Stoff für eine Bluse für die
Dame?" sagte verstehend Herr Markuse.
der un! gnolgt wat. .Bitte, bemühe
sich die Herrschaften nach det vierten
Etage, dort finden Sie. was Sie wün
schen."
Wieder mühselige Treppen, trotz de!
Asthmas der Tante.' Solche Aufzüge
bleiben schon mal stecken, dann verhun
gern die Insassen. Da! ist auch so eine
Legende, die man sich von jedem Aus
zug erzählt. ' , - '
Natürlich entsprach der Stoff, den
man der Tante aus der vierten Etage
vorlegte, keineswegs ihren Wünschen'und
Absichten. Was man ihr da zeigt, war
doch Wolle. waS' füt Dienstboten zu
Weihnachten, aber nicht für eine Staats
bluse der gnädigen Frau zu gebrauchen
war. ' -
.Wolle hält aber doch warm,' meinte
ich schüchtern. ' . '
.Ist aber nicht schick." straste mich
die Tanke. .Ich will die Bluse für da,
Zoologische Garten-Konzert; Frau Ben
der soll die Platze kriegen." lachte sit.
hämisch. ,
Jetzt kam e! hetau!; die Tante wollte
eine seidene Blust dezm. den Stoff da
zu. ' ' .
.Det müssen Sie sich nach untc be
mühen, dort rechts ' vom Haupteingang.
etwa vierzig Minuten weit, ist die Sei
denabteilung," klärte man sie auf. .Dort
ist der Auszug." Sie begann von der
150 Meter hohen Bierten-Etaqen
Treppe den mühevollen Abstieg. Da!
Seil konnte reißen uns der Abzug her
unterrasen und zerschmettern. Das
war auch se eint Legende, die die Tante
bewog, da! gefährliche Behikcl nicht zu
benutzen. ,
Ich sagte leise da! Einmalein! aus
und berechnete au! dem Wachsen mei
ne! Bartes, wie lange wir unZ bereit!
hier in dem Warenhause befanden. Durch
da! Treppensteigen bekam ich ein Müde
Gesübl iit den Kniekehlen, wie wenn ich
dreimal hintereinander da! Matterhorn
bestiegen hätteein Klavier mit Lehrer
im Rucksack.
Tante Dorchen war von der stillen
Ncsignation eine Menschen der weiß,
wa! er will.
Ich war so zerstreut, daß ich die
blondlockige Verkäuferin der Parfüme
rieabteilung, wo ich imnur meine Seif
kaufte, in Gedanken auf da Ohrläpp
chen küßte. .
wühlt worden ist. Während in Deutsch
land sich der Einzug der Frauen in da!
Parlament ohne alle Schwierigkeiten
vollzog, macht den Engländern die Eti
kettenfrage sehr diel zu fcbaffen. Be
kanntlicl, verlangt da Zeremoniell von
den englischen Unterhausmitglicdern, daß
sie bei bestimmten Gelegenheiten den Hut
aufsetzen und dann wieder abnehmen.
Wird do! auch Lady Astor tun? Bor
läufig hat sie erklärt, fit würde einen Hut
tragen, wann eS ihr paßt, und ihn ab
nebmen, wenn e ihr nicht zu beschwer
lich sei. Muß Lady Astor in große
Toilcttk scheinen, ist in anderes viel
erörterte! Problem. Sie wird in einem
einfachen schwarzen Kostüm öuftreten.
Angeredet wird sie al! .Die edle Dame'
oder .Da! edle Mitglied für Sutton.
Ein besonderer Raum ist sür sie im Un
terhau! eingerichtet worden mit der Auf
schrift: ,DamenM!tglieder". und auch
im Restaurant erhält si tin besondere!
ZIrnmzr, - -
Dorchms
Eine Groteske von ermann ZZarr Schmktz.
.Seide dort, Blusenseide dort," zeigte
in anderer Herr Markus, der Cohn ge
nannt wurde, auf eine lange Reihe The
ke, hinter welchen himmelhohe Regale
standen, wit ln einer Bibliothek. Die
Fächer waten angefüllt mit Stöße von
flachen Paketen. Zwischen den Regalen
und den Theken waren Fräulein in
Schwarz, nette und weniger nette, wit
Scheren an Bändern um den Hal! und
an der Seite eine baumelnde Abreih
block, eingesperrt. Manche aßen ' det
stöhlen aus einem verborgenen Lutter
brotpaket. ,, .
' Da! durfte Herr Lohn' nicht sehen.
Au! dem Gesicht det Tant entnahm
ich, daß wir nun endlich am Ziel tinge
kommen waren. Meine, Lethargie wich
ein wenig. E! war aber noch nicht aller
Tage Abend. O. ich Kleingläubiger!
Sobald die Tante kurz den Wunsch
nach Blusenseld geäußert hatte, kletter
ten husch, husch! entzückend Lack
füßchcn auf gelben Leitern an de Bib
liothekrcgalen hinaus., 'Oft blieb der
auf dem Markt, lötest Fäschen. englisch
Malhcurchen ein graziöseS Beinchen mir
entgegenkommend dekolletierte. Die Tante
holt ihre Brille hervor, die sie au!
einem Lederetui hervorzog. Da! Etui
machte beim Abziehen deS Deckels .pff",
die Tante fetzte die Brille auf. nicht der
Beinchen wegen, fondern u den. Stoff
zu prüfen. Ich putzt meinen Kneifer
hm, hm. ich mußt doch der Tante
behilflich feinl
Stöße von flachen Paketen warfen die
Fräulein in Schwarz klatschend auf die
Theke und entrollten sie zu Streifen
Seide in allen möglichen Farben. Da
bei priefen sie in überschwenglich Weise
die Ware: .Prima, prima, daö , beste
aus dem Markt, leitest Fäschen, englisch,
fabelhafte Verbreitung, Frau Bankier
Saft (sprich: SäwZ nahm zehn Meter
für ine Robe, doppelte Breite, mit
Selfkante, gut zu verarbeiten und halt
dar, Sie glauben ! ' nicht, gnädige
Frau'." Immer neue Pakete wurden
aufgerollt. Ein Meer von Farben tr
goß sich über dit Theke. Dik Tttite
war in fieberhafter Tätigkeit, ihr. sonst
bleiches Gesicht war hektisch gerötet, die
Warze an der Nase war zu einem Apfel
angeschwollen, mit zitternden Händen
wühlte sie Zn der Seide, prüfte den Stoff
und die Farbe, bat daS Fräulein in
Schwarz, 'mit dem betreffenden Stück
auf die Straße zu gehen, um die Far
ben bei Tageslicht beurteilen zu kön
nen. " Etwa 1200mal lief sie, begleitet
von einer Verkäuferin, die immer durch'
eine neue ersetzt werden mußte, da sie
haufenweise vor Ermattung zusammen
brachen, die Strecke von der Seidenab
teilung bi! zum Ausgang. Ich rannt
im Anfang getreu als Sachverständiger
süt Farben mit, verlor dann aber die
Lust zu rennen, ahm mir ein Auto
und fuhr nebe der Tante hin und her.
Die Tante konnt, nicht schlüssig wer
den, hin und her raste sie. den armen
Verkäuferinnen , zum Verderben. Die
Haarnadeln der Tante wurden weiß
glühend.
Alle Farben dc Welt Zogen dorbeZ,
nur kein Blau, wa! iie Tant von
vornherein Mt wünschte. Nun fiel ihr
ein, daß eö ein bestimmte! Blau gebe,
das ihr sehr gut zu Gesicht stehe. Ob
man picht, diese! Blau habe? Einigt
der Verkäuferinnen, die ouZ den Stra
pazen der Rennerei ihr fchwacheg Le
ben gerettet hatten, schleppten sich an die
Regale und erklärten mit müden Stim
men, blaue Stosse seien äuf der zehn,
ten Etage. Die Herrschaften möchten
sich hinaufbemühen. .Ich habe mit dem
Nordpolfahrer Coo! den Mount Mae
Kinley in Lackschuhen bestiegen; jetzt
schauderte wir vor der zehnten Etage.
Die Tante war nicht zu bewegen, den
Lift zu benutzen. Sie machte sich, trotz '
ihrer geschwollenen Ballen, an de Trep
penaufstieg zur zehnte Etage. Ich
drückte mich in den Auszug und war
schnell Und mühelos bald oben. Drei
Wochen später kam die Tantt an, die
alte eiserne Energie. Stoff für eine
Blust zu kaufen, in den Zügen. Sie
erinnerte an Bismarck, wenn tt ktwa!
durchsetzen wollte.
Pfadfinder wiesen un! den Weg zum
blauen Stoss. Der Stand besand sich
LI Kilometer von de Treppe und dem
Lift. Ja, diese! Warenhaus wat von
enormen Dimensionen; e! stellte Mit sei
ner bebauten Fläche ElsaßLothringen
in den Schatten.
Sk gab etwa zehn verschiedene Blau.
Natürlich mußten diese Stücke auch wie
der dem Tageslicht suszcsetzt . werden.
Da! hätte Monate gedauert, wenn die
Tante die zehn Treppe hin und her
gestiegen wäre. Sie wurde .chlorofor
miert und mit dem Auszug befördert.
Endlich -' ( war eint Erlösung,
etwa wie der Friedensschluß zu Mlln
fcr Nach dem ZOjahrigen Krieg um
64z üblich fand die Tant da!
Blau, daj ihr so gut zu Gesicht stand.'
Sie brauchte zwei Meter fünfzig. Eil
fertig nahm tin Fräulein in Schwarz
einen Zollstock, um dieses Quantum ab
zumessen. Natürlich war da! borhan
dene Stück (donr' Fachman Coupon ge
nannt) etwa achtzig Zentimcte zu
kurz, v
Die Tante stach dem Fräulein eine
langt Hutnadel ,in da! linke blaue'
Auge. Aber eS schadete nichts, denn da
Auge war aul Gla! - Gott sei Dank!
Ich kniete, als da endlich gefundene
. Stück von der blauen Seide, deren Blau
die Tante so gut kleidete, zu kurz war.
nieder und bat de Himmel 'Und alle
Götter, sie möchten doch die fehlenden
achtzig Zentimeter blauet Seide be
schaffen. .Nehmen Sie grün anstatt
blau, grün ist der- Frühling und die
Au." sagte eine belegt Stimme von
oben ziemlich gereimt. .
Die Tante war, weil ti wie tin
Offenbarung war, mit Grün nunmehr
tnverstanden. Man flieg hinab in da!
Unterhaus, ws di bunten Seiden wa
ren. Nach einem dreiwöchigen Sucht
und Prüfen kntfchloß sie sich fü Spi
natgrün, Zgu!q ZFerkäueriime, I
Muje.
gen toi am Boden, vier Ressottchcs! wa
ren Völlig pathologisch gewvrden. Ein
Elektrotechniker sraß Glühbirnen.
Die Tante forderte noch rote Seide
al Besatz. Tableau! Ich legt mich
aus . den Bodea und biß i di Bla
sen, die sich im Linoleum deS Boden
delagS gebildet hatten. Die Verkäufe
rinnen flüchteten mit Grauen vor dein
Wunsche der Tante.
Ich machte mein Testament. '
- Man probierte. DaS Rot paßte nicht
auf daS Grün. Zehn Browningschiisse.
Zwei Verkäuferinnen tot.
Bier Jahre später fand man ein pas
sende! Stück roter Seide. Die Ver
käuferin, die da Stück fand, war eint
Waise. Die Tante schenkte ihr aufge
weichten Lakrig aus der warmen Ta
sche. .
Meine Augen hingen sehnsüchtig an
den Lippen der Tante: Der Blus'
kauf war beendet, muhte sein Ende ge
,nun fcslfan. stA Tor. Ich war ein
I alter Mann geworden, und ein langer
f Bart, hing mir über die Brust. Die
I - . . iv . it..,.
Fräulein, die die vurcy vie ,amt q
aufbeschworene Katastrophe überlebt
hatten, waren teilweise Urgroßmutter,
andere Großmutter. , t
Der Schlag foll mich treffen! Dik
Tante öffnete ihr karatige! Gebiß und
ftieß daS eine kurze, knallende Wort wie
einen gellen Flintenschutz - hervor:
.Knöpfe!" ' :'.
Der Schlag traf mich Nicht Ich war
verblödet und erwartete nichts anderes.
Mein Bart wuchs mir in die Stiefel. ,
Knöpfe waren auf der achten Etage.
Nach - zwei Wochen krochen 400 Ange
stellte deS amerikanischen Warenhauses
auf dem Boden der achten Etage wie
Ameisen, auch unter die Schränke, um
die wie Konfetti auf der ganze Etage
fußhoch durch da! hysterische Herumwer
sen der Kartons und durch das Platzen
der Böden auf die Erde gefallenen,
Knöpfe aufzulesen.
Die Tante trieb Nagel durch die Oei.en
bestimmter Knöpfe und nagelte sie auf
die stramme Uniformbrust . eines Lift
boyö fest. So konnte sie sehen, wie die
.Knopfe wirkten.
' . Ich war so alt geworden, daß ich von
einer Foghurtsabrik al! Reklamepkeis
zu Propagandazwecke photographiert
wurde. '
Die Tante konnte den gewählten
Knopf nicht nehmen. eS fehlten vier am
Dutzend. Sie spuckte ihr Gebiß aus.
Der Boy fand einen mühelosen Tod.
Die Liftführer, zehn an der Zahl, ver
koren den Verstand und ließen sinnlos
die Aufzllgt auf und niederrdfen, daß
die Splitter flogen. Mechanische Spiel
werke zogen sich selbst auf und liefen
verhetzt herum. Angestellte kletterten
verstört auf die Regale und die Säulen.,,
Andere fraßen in ihrer seelischen' Not
Pottasche. ' ' -;
Als die Tante nun noch Schweiß
Blätter verlangte, die gerade ausgegan
gen waren, weil eZ eisiger Winter qc
worden war. erhob sich ein wildes To
huwabohu. da! elektrische Licht, ging au!.
Alles stürzte zu der immensen vierteilt
gen Drehtur deS Haupteinganges, und
ein wildeZ Rasen und Drehen, in da!
ich auch gerissen wurde, begann. - Mit
einer surchtbaren Schnelligkeit drehte sich
die Tür, Ohren und Finger wurden von
der-. Zentrifugalkraft abgerissen. Mir
flogen die Nippen weg. das war mei
Tod. .
Da! letzte Wort der Tante gellte mir
in den Ohren: .Häkchen für hinten muß
ich noch haben!" ' ' .
Das amerikanische Riesenwarenhau!
ist eingefallen. Nur die rasende Dreh
tut mit Klumpen unzähliger Menschen
lciber dreht sich noch in ihrer wilden
Fahrt, und unaufhörlich gleiten in ge
fährlicher Schnelle in ihren eisernen
Führungen, die wie Türmö auS dem
Schutt emporragen, unzählige Auszüge
sinnlos aus und niedet.
Frau Vettder konnte die Platze wegen
her neue Bluse von Tante Dorchen
nicht kriegen; sie Ist i der Zwischenzeit
an tiner Bauchfellentzündung gestorben.
von den Lübecker Alu-
seen.
Die Arbeiten an den Lübecker Museen
wurden im letzten Jahre tmpsindlich durch
die Preissteigerungen aller Löhne uns
Materialien beeinflußt. Daher kam es
auch, daß dit Bauarbeiten im Museum
am Dom, für welche bereits im März
1S17 die Mittel bewilligt wurden, weiter
zurückgestellt werden wußten. Auch die
Herrichtung der kirchlichen Halle für das
Museum für Völkerkunde blieb ein untt
füllte? Wunsch. Dem Museum sür
Kunst und Kulturgeschichte waren nur
wenige Neuerwerbungen möglich. Im
merhin bilden die Büste einer Heiligen
auS Eichenholz, eine kleine .Piekagruppe
und eine halb-lebensgroße Madonna aus
der Mondsichel, die früher in mecklenbut
zischen Landkirchen standen, eine wert
volle Bereicherung der vorhandenen Be
stände. DaS gleiche gilt von einer auS
Dabel in Mecklenburg stammenden und.
von Dr. Gottschcwski In Hamburg gk
schenkten weiblichen Gewandstatuette, die
auS einer Lübecker Werkstatt vom Enr
deS 14. Jahrhunderts stammt. Die be
s deutendste Erwerbung des letzten Fahrs
ist die eines silbernen DeaeipokalS von
78,5 Zentimeter Höhe, der einst dem Amt
der Lübecker Lohgerber al Willkomm
diente. Der Pokal ist vom Senat an
gekauft worden und dem Museum 'ls
Leihgabe übergeben. ES hat sich auch
die Rechnung seine! Verfertign! ange
funden. Im Jahre 1751, fo bescheinigt
der Meister, habe ich vom Lohgerberamt
59 alte Meisterschilder von 142 Lot Sil
ber erhalten. 178 Lot habe er selber
hinzugefügt und darau! denneue Will
komm verfertigt, für den er im Mai 1752
143 Mark al! Entlohnung erhielt. ES
klang auch, von einem Münchener Alt
handlet eint zierliche Bergkristalluhr zu
erwerben, die auf der Rückseite de! Wer
ke! di voll Bezeichnung ihre Vnsu
iEüJ
tigtt! Mathia! Menz, Lübeck' Ma
Auch fönst sind noch allerlei willkom,
mene Sachen erworben worden. Di
Sammlung von Gemälden, Kupferstl,
chen und GibSabgüsse konnte durch E
mäld dc! Lübecker Maler! Herman
Linde und de! im Kriege gefallenen LU
becker Maler! Karl Säger und solche dt!
Maler! Karl Fricke bereichert werden.
Da! khemalige Offizierkorp! de! IP'gl
MkNt! Lübeck lieh dem Museum tin Gk
mälde von Han! am Ende: .Die Bimy
Höhe", nd au einem Nachlaß erhielt et
ein Farbskizze eine Italiener. Man
vermutet, daß sich um ine Arbeit
von Giovanni Lanfranco handelt, der
1017 in Rom gestorben ist. Die veran
staltete Estland-Livland-AuSstellung gab
den Anlaß, diese Sammlungen weit
iZzubancn. Der Konservcitnr niste tw
September bi November 1518 in Es!
land, und e! gelang ihm, eine bemerkenS,
werte Sammlung von 113 Gegenstände
estnischer Kunst zusammenzubringen, .
'" " i
Daniel Sanders.
.Nicht mit ihn Tchwert nur lnMderR
Lerliaut den Gsrd'Ichen Knoten man.
Mir eigl da &ütterbii4 bau anfiet,
Saft uu L,duid ihn lösen la,,.'
So besang Juliu! Rodenberg dk
wissenschaftliche Großtat de! vor hun
dert Iahten, am 12. November 1819,
in Alt-Strelitz geborene Sprachst,
scher!. Daniel Sanders, da! große, in
den Jahren 1859 bi! 1865 ist die!
Quartbände erschienene .Wörterbuch
der deutschen Sprache", sein bedeutend '
ste! Werk, aber nicht da! einzige, da?
dieser Forscher dem Studium der deut
schen Sprache gewidmet hatte. Als Sohrr,
eine wohlhabenden jüdischen Kaufman, '
nes geboren, hatte er in Berlin Und?
Halle studiert und trat 1842 an die
s?t,ito d?r jüdischen Kemeindescbule bis
Alt.Strelitz. der er selbst seine stj
lr r? Wn 4i lifurCtl KrS .
?llNv.VUIg 3U i)ivu"'f j
aber nach etwa zehn - Jahren einging'
Seitdem widmete er sich nur noch seine
li?klinaS!kfsn nls Nrivataelkbrt,
,emsig sammelnd, sichtend, sorschend und
vie Jruchle vieler ra,lwien Arveir
zahllosen Aussätzen, Büchern, insbeson
dere Wörterbüchern, herausgebend, bi!
an fein, Lebensende. daS am 11. März?
1897 an seinem -Geburtsort erfolgte.
. Insbesondere hat er auf dem Gebiek
der Sprachreinigung als einer der Reg
ften und Eifrigsten gewirkt, auch sprach
schöpferisch, indem er in seinem .Fremd
Wörterbuch" viele Verdeutschungen vor
schlug, die seitdem Gemeingut deS deut
schen Volkes geworden sind. Bon den
Besten wurde dies Wirken anerkannt.
Jakob Grimm hatte bereits dem jung
Forsches als er noch mit seinen Borar
beiten zu seinett Hauptwerk beschäftigt
wav, brieflich die Anerkennung für die
Sorqsamkeit dieser Arbeiten auSge
drückt; Alexander von Humboldt schr'.ei
nicht minder achtungsvoll über ihn; Du
bois-Reymond nannte ihn scherzhaft in
tinem Vergleich mit Leibniz die ,Aka
demie 'der deutsche Sprache". Der
witzig? JuliuS Stettenheim aber. besang
ihn als Herkules, der den .Augiasstall
der deutschen Sprache" reinigte:
Mn soff An nach unterlassnem ege
War nl're Svracke lkider lang genug.
Drin bat auch ungcmeln M Mist elefl
Der ttand in einem schrecklichen Geruch.'
Ferdinand Freiligräth aber nannte
diese Herkulesarbeit deS Forschers Da
niel Sanders ein Denkmal deutsche
Fleißes, deutscher Gründlichkeit, wi ti
wenige gibt." . ,
Die letzten deutschen Forschungen
überNeu-Gumea.
' !2ie letzten wissenschaftlichen Arbeite
deutscher Gelehrter Zn Neu-Guinea. diez
jetzt veröffentlicht werden, befaßten sich
mit der geographischen Erforschung de
Westhälfte deS Lande und haben beson
ders den Sepik oder Kaiserin Auguste
Fluß zum Gegenstand. Wie in den Nai
turwissenschaften' mitgeteilt wird, han
delt e! sich um eine in den Jahren 1912
und 1913 unternommene Ezpeditivn, die
den Fluß sowie den mit ihm parallel
verlaufenden Gebirgszug in ihrer gattzett
Ausdehnung untersuchte. ,
EZ ergibt sich hier daS bezeichnende G
samtbild eines regenfeuchten Tropeng
birgeö und eines großen tropischen Nie
derungsstromeS. Im östlichen Teil der
Niederung sieht der Sepik mit dem ihm
nahe mündenden Nadu in eigenartige
bifurkationsähnlicher Verbindung. De
den- Rh?in an Ausdehnung vergleichbarez
Ticflandflufj wird während desgr'oßten
Teile! feines Laufe! von Waldsumpf
und weiter von schwer passierbarem
Grassumps mit schwimmender Decke get
säumt. Die allein von Süden zuströ
mendert Nebenflüsse führen zum urwalt
bedeckten Gebirge hinauf. Der Weg
durch diese hochinteressante Vegetativ
lief; sich nu, unter großer Mühe ndi
Zeitaufwand mit dem Buschmesset er,
kämpfen. Mit den geographischen E
gebnissen sind landeskundliche Forschu
gen verknüpft, die sich mit dek eingebor
nen Bevölkerung beschäftigen' und unt
noch in der Steinzeitkultur lebend.
Stämme zeigen.
Irischer Witz. 1
Zwei Isländer arbeiteten an tlne
Neubau. alS der eint einen . Fehltritt
machte und abstürzte.
.Lebst Du oder bist Du tot. Mitel",
rief der andere noch vom Gerüst herab.
' .Ich lebe noch", antwortete Mike.
'.Du bist fo'n gottverdammter Lüg
ner, daß .ich jetzt nicht weiß, ob ich Dik
glauben foll." ,
,Vat. Ich bin doch wohl tot, denn wenn
tch noch am Leben wäre, würdest ia'!
nicht wagen, mich einenLügnek zu nen
nen."
Da! Auch ist der Antipode de
Leben!. Wer sich an da! Buch derttert,
wird dem Leben entfremdet; wer sich
ganz dem Leben hingibt, pflegt sich dom
Buch zu entfernen.
Wie kann man sich selbst kenne
lernen? Durch Betrachten tiien
wohl aber durch Handeln, Versuche, dek
flicht tv. und du KilU a'tli vi
dir UL