Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 03, 1920, Image 6

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Tlzttchk Omaha TrZb5t
Der Segen der Krankheit.
Von Dr. Wilhelm Stekel.
Zausend ftetU fesseln un! n de
Alltag. Nach ZZttiheit durste w und
sind doch unsre Hörig. Unser Tyrann
ist da reden. Wir baden un! kinge
fügt in den Kreislauf bei Leben und
dünken uns dessen unentbchrlichc! Stück.
Wir können den Gedanken nicht aus
denken, da! Leben könnte ohne un wel
terbrausen. Wir stellen unl vor, ei
wiirdk eine klaffende LiM entstehen.
uneriegucy: leine im yat vie
se! Wort eine so tiefe Bedeutung gehabt
als für unsere. Der ullurmensch ist
von der Wichtigkeit seiner Aufgabe so
durchdrungen, daß er diese! Gefühl der
.Unersktzlichkeit rmmer nur mit ftu)
herumtragt, bald wie eine stolze, sun
Iclabt ürone. bald wie eine schwere, nie
derdriickcnde Bürde. Mca rote ihm,
, fich Ruhe zu gönnen 'und auSzuspan
rien". wie der treffliche Aufdruck lautet.
Er schreit auf wie ein verwundtteZ Tier.
Was? Ich (da! .Ich' dreimal unter
strichen) und ausspannen? Da! ist m
möglich: Ich bin unerstdlich. Wer
könnte meine Arbeit leisten? Wer mich
ersetzen? Niemand. Nein, nein, ich bin
schon dazu bestimmt, mich mein ganze?
Leben lang n dieser Tretmühle c&z
rackern."
So und ähnlich lauten seine Awiwor
ten auf den wohlgemeinten Rat eineS
Freundes oder des Hausarztes, der ihn
Müde, abgespannt, gereizt, schlecht aus
sehend findet.
Allein es gibt eine Königin in, diesem
Leben, vor der wir uns alle beugen
muffen, die mit einer leisen Berührung
Ihres Zepters die tausend Ketten bricht.
daß sie abfallen wie düues Laub und
den .Unersetzlichen frei machen von
aller Hörigkeit. Diese Königin ist die
'Krankheit. Warum ich sie Königin
enne, da alle Welt sie als böse Zaube
ftin, als Hc?e, als Trägerin alles Elends
und aller Schmerzen betrachtet, da man
sie überall beschimpft und sich einbildet,
am Tage, da sie endgültig enttront sein
,werde, sei die Zeit eines ungetrübten.
schier endlosen Glückes gekommen? Wa
kum ich sie Königin nenne?
Weil ich sie verehre und mich vor
ihr beuge, feit, ich sie und ihr mild
.tätiges Wirken ganz erfaßt habe. 'Zu
! fji flüchten Kummerbeladene, Sorgen
chwere, Verbrecher, vom Bösen Gehetzte,
n den Tod Gejagte, Krieger wider Wil
Im, vor Liebesgram oder erzwungener
Liebe Vergehende und alle nimmt sie
auf und gewährt ihnen Schutz in iljreni
unermeßlichen Reiche.
Die Krankhcitl Ist sie uns nicht noch
immer trotz aller glorreichen Entdeckun
gen der Wissenschaft ein Rätsel? , Wa
turn erkrankt der eine und nicht der an
dere? ' Worin besteht das Geheimnis
her Disposition?
Wer diesen Fragen nachgegangen ist,
der muh sich sagen, daß die psychische
KompMcnte bei Entstehung aller Krank
heit eine ungeheure, bisher sast gar nicht
jgeahnte Rolle spielt. Deutschen Mi5i
tararztcn ist es schon im Frieden aufge
allen, daß vor der Beurlaubung vor
e- großen Feiertagen iehr feiten ein
ann sich marod meldete. Fliegen um
iefc Seit weniger Bazillen in der ?fi -
herum? Ist das Wasser um diese Zeit
reiner, sind die Bakterien zahmer, ge
dissermaßen n Feiertagsstimmung? Hat
kns nicht Kant gezeigt, daß matt' mit
fcr Macht seims Willens Krankheiten
überwinden kann? Und ich sage: Es
kommt ebenso häufig das Gegenteil vor.
Der Mann, der da sagte: Ich habe keine
Reit, krank zu sein, hat sein Gegenspiel.
Der Flucht vor der Krankheit entspricht
ein psychisches Aequivalent; die Flucht in
die Krankheit.
Im Kriege haben wir die Flucht in
die Krankheit als Segen der Krankheit
kennen gelernt. . Aber auch den Stolz
aus die 5lrankheit. Denn Krankheit
Kar vielen gleichbedeutend mit Lebens
rettung. Mancher Kranke führte mit
seinen' Militärärzten einen erbitterten
Kampf um sein Leiden auf. , Unzähli
xen wurde die Krankheit ein Segen, der
je zeitweilig freimachte und den Scher
en des Militarismus entriß. Wie
glücklich -und geborgen fühlte sich man
per durch die ganz Hölle des Milita
rismus gehetzte, Soldat in seinem Spi
al, zumal wenn er menschenfreundliche
letzte und Pflegerinnen gefunden hatte!
Sie mag er in seinem Innern vor dem
Tage gezittert, haben., an welchem das
chreckliche Wort genesen diensttaug,
ich" ertönte. Schon aus diesen Motiven
zeraus verzögerte sich die Gesundheit,
sollten die Wunden nicht heilen, hörte
ai Zittern nicht auf. kam', die kranke
unge nicht zur Ruhe. ' - : ,
Diese Flucht in die Krankheit kommt
euch bei Menschen vor.' die im Kleinkrieg
des Alltags ermüden und nicht die Kraft
haben, sich aus der gewohnten Befchäf
igung herauszureißen. '-
Freilich, eines ist zu bedenken. Die'
Flucht vor der Krankheit ist das Werk
bei Bewußtseins. Die Flucht in die
Krankheit bezieht ihre treibenden Kräfte
Ums dem Unterbewußtsein, aus jenen ,
dunklen Tiefen, wo ' alle begrabenen
wünsche schlummern, die nur im Traum
Ihre unheimlichen Totentanz aufführen,
ßlber sie schlummern ur scheinbar. Nur
scheinbar sind sie kraftlos. Wer die Fä
hn verfolgen kann, die die Taten des
Bewußtseins mit dem 'Unbewußten ver
Kinde, der wird erstaunen ob der ' ge
palt, gen Macht der unterirdische
Mächte. Eine begrabene Stadt, Vinera.
lebt in unserer Brust. Wir werden
kränk, wenn wir des Abends ihre Glocke
Jausen hören. " .
, Wer mit Bewußtsein in diese Krank
eit flüchtet, der ist ein Simulant. Wer
:doch nichts von den geheime Motive
einer pfnchischen Erkrankung ahnt, der
ii ein echter Kranker. Und doch ein Si
illlont! Wer weiß, ob er erkrankt Ware,
wenn er die psychische Komponente hätte
usschalten können oder wolleg, wen er
5 h die Ohren verstopft hätte, um die
blocken von Vineta nicht zu hören, gleich
Odyffeus. der dem Sirenenjaube ent
k-'ben wollte. Doch wie wäre da! mög
:4? Wie vor fch selber flüchten, wie
dem NZanze der &vtm züA
lauschen.wena sie im igenen Innern tu
tönen? , t
Ei geschieht da, Wmiderba: Der
Mensch st trank und frei, während er
vorher gesund und hörig war. Und siehe
u merir mix Alaunen, vag da!
Leben seinen Sang welker nimmt, daß
die Räder sich drehen, die Zeitungen er
scheinen, die Leute gesund werden und
kl i. . M . ..
iiciocn. juci itcnett Gesuhl der llner.
setzlichkeit in ihm wird erschüttert. Er
steht leine ( eigene Ohnmacht, seine
ivaiqe. leine ticykigreit m. Waj ist
tx denn? Ein Atom in einer Masse von
Billionen Atomen. Ud doch ist er sich
der Mittelpunkt der Welt, ihm allein
blühen die Rosen, ihm allein strahlt die
Sonne, ihm leuchte alle Wunder der
Natur.
So ist die Stimmung, iu der ei Ee
nesender wird. Jetzt ist er von der
Krankheit weich gemacht und sieht seine
widersinnige Lebensweise ein. sieht, wie
blind er dem reichen Zauber gegenüber
gestanden ist. Er beschließt, ein anderer
zu werden. Die Krankheit hat ihre
dankbare Rolle als Ar,t besonn,, k?i.
-führt sie zu Ende. Er soll sich nach der
ranlheit erholen. Er muß wegfahre
und nur für sich leben.
Ist es möalick? Er brinat e ,uw,
Ein Genesender, ein fast Gesunder fährt
er in ein niues al oder an daS Meer
oder ins öockiacbirae. Wie ifcm hn
alles schöner und erhabener vorkommt!
Wie frei er sich als einen Teil der Natur
fühlt, da alle Latten und Soraen hi-8
Alltags von ihm genommen sind. Wie
kindisch ihm jetzt feine kleinen Kümmer
nisse, seine täglichen Reibereien vor
kommen.
Es ist ihm. alZ würde tt tilöhli
sehen und er könne erst tefet hh nrnfi
Torheit seines Handelns htarAten ?NI
ein Blinder ist er durch die Wunder die
,er Wei: gelaufen, immer nur seinen EV
ruk bedenkend, immer in Soraen um den
Kleinbetrieb der, Familie.
Tag um Tag m der Freiheit fühlt er
um narier uno ruviaer. und hnus hm
liehe Gefühl, gesund zu sein! WaS weiß
ein !,unoer von ver elundhelt? Was
ein Schmerzfreier von der Schmerzlosig
keit? Nur auf Konfrnfti'it fipnifif n
Lustwirkung. Er empfindet die Gesund
heil wie einen körperlichen Segen, wie
einen warmen Strom, der drn-rf, nIT
Adern rieselt.
Jetzt wird es ihm klar. Er war gar
nickt aeiund vor seiner Krnnkk?it. W
jähre-, jahrzehntelang war er krank ge
wefen und die Krankheit war eigentlich
der Anfang seiner Genesung.
Wie unglücklich war er früher, wenn
er einen Tag seine Zeitung nicht lesen,
wenn er etwas von dem wilden ?riiZvl
des Weltgetriebes nickt von Stunde zu
Stunde miterlebt hätte! Wochenlang
nimmt er jetzt keine Zeitung, kein Buch
in die öand. Alles kommt ikm fn
nichtig, so schal vor. seit er sich gesund
suml. ä)aiz vre Speisen heute beim
Mittaastisch herrlich acraten waren, haft
er morgen einen Ausflug in eine roman
iil Eegeno machen zoll, daß er wieder
ein iiograrmn zu oder abgenommen
bat. das ist kür ib iptei wicks!??
als der Weltkrieg ,nd das Weltenelcnd,
als alle Morde und Sensationsprozesse.
Und wie er beimkekrt. da stn?n nss.
Menschen, die ihm begegnen. Ist das
oericioe wn,a, ver so schwer krank ge
Wesen? Er siebt ia iünaer. eneraisck,??.
fröhlicher, blühender aus. Er ist ja viel
rumger. gungcr, gesaßter, entgegcnkom
menver aeworden. -
Labe ich nickt reckt, wenn ick tieh.
ranryeit eine gütige. Königin benannt
habe? Lat üe ibn nickt in ibr 3Mck K?.
rufen, um ibn aus der &iabnt hrt
srniXai f.ia.n..:.. . . .. : . ... .
intiiti i;nuusutciijcu UHU U)II! nocy
einmal Die kcyonyeiten dieser Welt zu
Zeigen? Ihn gesünder, tatkrättiaer und
sehender zu machen? Die Aerzte er
zahlen viele Wunder, die die Krankheiten
verrichten können. Ein Rotlauf zerstört
einen Krebs, der sonst den Tod des
Ziranlen yerdeigesudrt hatte; im Fieber
oer rankoelt können w, ,n rmrm gtvf-
ofen Schlacken rückständiger Stoffmech
leivrooutte verbrannt iverdn? mM-.
kranke haben ihre Gicht, Lungenkranke
ihre zerstörenden Keime erlr,n.
Krankheit gegen die Krankheit auszu
Istieien, iu za eigenliicii oas Wesen eines
ieden Serums. Anck in Wiesen
üffltn tritt die Krankheit als Arzt auf.
. -man verneye micy aver recht. Jcy
will diese Anickauuna aus alle Krank
heiten übertragen. So wie die großen
uno kleinen Lseucyen vie Menschheit ge
wissermaßen regenerieren, indem sie un
oarmycrzig ore levenöschwaclien Aeste am
Baume der Mensckbeit tu. Boden sckleu.
dein, so wirkt die Krankheit auf das
einzelne Znswiduum. .
, Darum lasst iin3 die Mrn,m,n t
achten, die ein gütiges Schicksal in Form
Von Scknren und Krankk,it?n s,nit.
Haben wir nicht einmal gesehen, daß die
men es Alltags zernffeu sind, daß
die Welt nickt stillestebt. wenn wir einiae
Wochen nicht arbeiten, wir nicht zu
grunoegeHen, wenn anderen aus unseren
eriunen Lsegen ermacyn, o lassen wir
es nicht ein zweiteSmal auf eine Krank
hcit ankommen. Wir können es ja auch,
wenn wir nur wollen. Der strengen
Königin, Beherrscherin aller irdischen
Welten, wollen wir ein dankbares Ge
denken oewahren. Du strafst ja nur
unsere Torheit und versuchst unsere
Weisheit zu beleben. Dürfe wir dir
zürnen, wenn du einmal zu weit gehst?
Wenn die Krankheit als Arzt die Krank
heit hervorruft? Oder wenn du schließ
lies den größten Arzt aller menschlichen
Beschwerden alS den Erlöser herbeirufst?
Der Tod ist für die Menschheit daS, was
die Krankheit für den Menschen bedeutet.
Er trifft mit grausamer, unbarmherziger
Hand eine, strenge Auslese zwischen Gut
und Böse im Sinne der Entwicklung!
fähigkeit. Der Tod ist der Arzt der
Menschheit., .
Iß es nicht traurig, daß wir erst den
Umiveg der Krankheit benötigen, um
Zu Segen der Krankheit z gelangen?
Könnie der Mensch nicht krank fein ohne
i trank? Daß EH pLtzUch
MitdenerjlenAuswattderernnachLrgenliiliett
Von
1
tet 0ifslct, d aus dem hol
lZiibiiche,, tavyUt .tiltlia" m
firoa 40i uwn,ukrn oii Itllljch
lauft und Oküermck pnch ,!.
ntrn aubueittft ifl, fntt 's t'ue.
tu ittitt einen lunuiun4ctiail.
Die langt Seefahrt ist nun Überstan
den. Vueno AireZ liegt vor un. Oede
und langweilig vergingen die Tage der
Seereise. DaZ allzu enge Zusammen
kben so vieler hundert Menschen, vom
völlig mittellosen Gelegenheitsarbeiter bis
zum verhältnismäßig begüterten Arislo
Katen, bot Anlaß zu mancherlei Unzu
träglichZeitcn, Neid, Mißgunst und
Streit; doch tröstete sich jeder mit dem
Gedanken, daß es ja nur un paar Wo
chcn sind, die man auszuhalten hat.
Fragt man nun den einzelnen, warum
er auswandert, so wird man fast stets
die Antwort erhalten, daß ihn die ''an
zen Verhältnisse, wie sie sich in Deutsch
land gestaltet haben, an feinem Fort
kommen zweifeln ließen. So unwahr
scheinlich es aber klingt, es sind tat
sachlich die wenigsten, die von vorn
herein wissen, was sie draußen anfan
gen wollen. Die meisten verlassen fich
auf ihren Stern und suchen daher ir
gendeinen Anschluß.
Neben diesen Auswanderern auf gut
Glück gibt es aber auch einzelne oder
Gruppen, die mit festem Programm eine
neue Heimat suchen." Auf dem mittle
ren Zwischendeck hat sich eine Gesell
schaft von "zwanzig Familien mit Sack
und Pack häuslich eingerichtet, deren Ziel
die Provinz Misiones im nördlichen Ar
'gentinien ist. Sie sind die ersten einer
Gesellschaft von etwa achtzig Familien,
die sich in Deutschland zu einer Koloni
sationsgescllschaft zusammengetan haben,
mit dem Ziele, in Misiones eine ge
schlössen deutsche Kolonie zu gründen,
in der Oliven und andere Südfrüchte
angebaut, auch Olivenöl, hergestellt wer
den sollen. Die argentinische Regierung
hat dksen achtzig Familien, wie einer
von ihnen, ein ruhiger und Vertrauens
würdiger . Motorschlosser, mir sagte,
freies Land in Aussicht gestellt und steht
dem Unternehmen freundlich gegenüber.
Die Leute sind sämtlich Handwerker, die
schon in Deutschland nebenbei ihre kleine
Landwirtschaft betrieben haben; sie be
sitzen bis auf wenige, Ausnahmen ein
kleines Kapital von 5 bis 10.000 Mark
als Rückhalt und haben den festen Wil
len, es in der Fremde durch tüchtige
Arbeit zu etwas zu bringen. ,
Ein anderes Kolonisätionsuntcrneh
men sendet zunächst nur einen Beauf
tragten hinaus, der die Verhältnisse er
künden, Land in Paraguay aussuchen,
Verträge mit der Regierung abschließen
und dann über das Erreichte berichten
soll. Dieser Gesellschaft gehören gegen
hundert Familien aus den verschieden
ften Schichten an, die einen Beitrag von
mindestens je 50.000 Mark zu leisten
haben; auch hier sind Handwerker jedes
Fachs sowie Kaufleute für die Vermal
tung und Landwirte für die Leitung
des dazu gehörigen Lehrbetriebes vorgc
fehen. Hat der Beauftragte das Land
gcfuMe und die notigen Bertrage o
geschlossen, fo benachrichtigt er die Lei
tung in Deutschland telegraphisch, die
dann sämtliche Gesellschafter geschlossen,
nach Paraguay fuhren soll.
Zu meiner Ueberraschung habe ich
überhaupt festgestellt, daß unter den mit
mir reisenden Deutschen der größere Teil
nach Paraguay strebt. Es herrscht die
Meinung vor, Argentinien biete den un
Weimar verließ und nach Italien wie
im Fieber eilte, war eS Krankheit oder
schon Genesung? Wir müßten olle' die
Kraft haben, uns auS dem Alltäglichen
herauszureißen. Unser Leben geht den
gewohnten Schritt und der kleine Urlaub
ist schon ein Teil deS Alltags. Dieses
Leben ist dielen nur eine Krankheit. Sie
kranken am Leben und suchen nach
äußeren Borwänden, um , ihre Unzu
friedenheit zu erMren. Wäre die ganze
Menschheit nicht krank gewesen, es wäre
nie zum Weltkrieg gekommen. Das heißt
nach meiner Auffassung: Die Menschen
waren zu gesund. Sie hätten kränker
sein sollen, verfeinerter, empfindsamer,
von leichten Fieberschauer aufgerüttelt.
Der Weltkrieg war ihre Krise. Nun
muß es anders werden. Wir haben die
Schönheiten der Welt entdeckt, feit wir
sie verloren haben. Wir werden uns auf
un! selbst besinnen und da Leben wird
einen tieferen Sin haben. Die Welt
und mein kleines nun, ach, so arme!
Vaterland werde genesen. Wir
hab de Fluch deS Kriege! genügend
kennen geiernt. Unsere Nachkommt
rzerdm die SegnaF genießen ...
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Aapktättleutnant a. D.
bemittelten Einwanderern kine genügen
den Aussicht auf schnelle Vorwärts
kommen. Einige wenige gehen auch nach
Brasilien, darunter eine Gruppe von
etwa vierzig österreichischen Ofsizieren,
Beamten und Unteroffizieren, die, durch
den Frieden ihrer Stellung beraubt, sich
zu einem großzügigen Kolonisation!
unternehmen zusammengeschlossen haben.
Es sollen annähernd tausend Familien
dazugehören, von denen unsere vierzig
als erste den Sprung wagen. Eine
Wohltätigkeitsvereinigung soll mehrere
Millionen Krone zu diesem Zweck zur
Plaza 5 de Mario, Buenos .Aires.
Verfügung gestellt haben. Die Gesell
schaft wird in Brasilien zunächst von
einem Kloster in Empfang genommen,
d,z.i Mutterhaus sich in Oesterreich be
findet.
Handwerker, die ihren Beruf, in Ar
gentinien oder Paraguay fortsetzen wol
len, befinden sich nicht viele auf .er
.Frisia". Die meisten wollen ihr Hand
werk nur zunächst ausüben, um allmäh
lich in die Landwirtschaft oder einen an
deren Beruf überzugehen. Auch die In
telligenz ist stark beriretdn. Aerzte. In
genicre. Chemiker, Balltechniker. Archi
testen, Philologen in bunter Reihe, selbst
ein Privcrtdozent zieren unseren Kreis.
Mancher ist auch unter den Leuten, der
sein Baterland nicht unbedingt freiwil
lig verlassen hat. Ein Monarchist au!
Portugal will nach dem Mißlingen des
letztm Putsches in Brasilien günstigere
Zeiten abwarten. Ein deutscher politi
scher Flüchtling, der von ungefähr allen
Regierungen der Erde, einschließlich der
deutschen, gesucht wird, zog es vor. sich
seiner Aburteilung wegen mehrfacher Ur
kundenfälschung. Meineides, versuchten
Mordes sowie Bestechung und Gesänge
nenbcfreiung duich die Flucht zu ent
ziehen und will nun in Argentinien ein
neues Leben anfangen, ein liebenswur
diger Mensch mit fast schüchternem Auf
treten der mit Ausdruck und Gefühl
Körners .Aufruf" vorzutragen weiß und
den ich zunächst für einen Pfarramts
kandidaten hielt...
Bald nachdem ich an Bord kam, wa
ren mir zwei baltische Familien ausge
fallen, die nach Paraguay gehen, um ihr
Leben von vorn zu beginnen Es sind
Aristokraten, die ihren riesigen Grund
besitz und ihr großes Vermögen durch
den Krieg und durch die Bolschewiken
völlig verloren haben. Seit Jahren ent
weder als Deutsch auf dem Schub
durch das zaristische Rußland oder spä
ter auf der Flucht vor den Bolschewiken
durch das Land gehetzt, haben sie jetzt
endlich Ruhe und Frieden im Zwischen
deck der .Frisia" gefunden und sind froh,
wenigstens daS nackte Leben gerettet zu
haben. .Was auch kommen möge", sagt
mir der eine, .nur fort, weit fort von
diesen Bestien, den Bolschewiken! Nur
wieder einmal in Verhältnisse kommen,
in denen wir nicht täglich und stundlich
sur unser und unserer Familie Leben
zittern muffen, nd sei es auch unter
Indianern." '
Da ist noch ein Aristokrat, ein meck
lenburgischer Landjunker, der auch fei
nen Besitz verloren hat; doch diesmal hat
der Krieg nichts damit zu tun. Herr
v. D. denkt sich sein zukünftiges Leben
überaus einfach und angenehm. ' Ein
kleines Häuschen, ein kleines Stückchen
Acker und Gartenland für den HauS
gebrauch, das von der Gattin bearbeitet
wird, ein paar Kühe, die von. der Gat
tin gemolken werden, einige Schweine,
die von der Gattin gefüttert und wahr
scheinlich auch geschlachtet werden, und
..dann gehe ich den ganzen Tag auf die
Jagd". Es gibt doch noch unkompli
.zierte Naturen... :
. II. '' . '
Zn VuenssAirss.
Wie die Teutschen dort den Krieg
überstanden.
Schon in Rio de Janeiro, der Pracht
vollen Märchenstadt mit der herrlich
schönen Umgebung, hatte das Landfic
ber in mir zu wühle begonnen, und
die letzten Tage an Bord hattm sich
unerträglich gedehnt. Endlich liescn
wir an einem schönen Morgen in den
riesigen Hafen der Stadt der guten
Winde" ein. ' Die Ausschiffung ging
ohne jede Schwierigkeit vonstatten, uch
die Zollrevision war bald erledigt. Nach
dem ich ' zwei Kofferträgern, die den
.Gringo" die jeder Landfremde hier
genannt wird unverschämt schröpfen
wollten, in ihrem eigmen Jargon einige
Freundlichkeiten gesagt hatte, entführte
mich ein Auto in da! Hotel de Efpana.
Da aber gerade die LckerbauauSftellung
pattfand, war d Loiel jbcfcfek ebkkzso
Verg.
in zweite und dritte, und erst im
siebenten sid ich in Zimmer im fünf
ten Stock für die Kleinigkeit von 22
Peso täglich, ohne Pension. Bei einem
urssianv von 13,20 M., den wir vor
wenigen Tagen noch hatten, ein ganz
hübscher Prei. Ein paar Tage später
gelang et mir. in einem anderen Hotel
ein ganz flute Zimmer für 3,50 Pcso!
zu sl.nvcn.
Man siebt, dak keder. der nn R,
noi Aires gehen will. Geld in seinen
Beul iun muß. Buenos Airc! ist
nicht nur eine der größten und modern
sten, es ist auch eine der teuersten Städte
teuerste," schrieb E. V. Hesse-Wartegg
der Welt, wenn nicht überhaupt die
schon 1914. Seitdem ist es noch schlim
mer geworden; daß der Krieg auch hier
die Preise sehr stark in die Höhe getrie
ben hat, spüre ich bei jedem kleinsten
Einkauf. Nach den Feststellungen deS
Statistischen Amtes der Republik sind die
Preise für Lebensmittel von 1914 bis
1917 um 38 v. H., für Kleidung und
Beleuchtung um S8 v. H. gestiegen, wäh
rend allerdings die Mieten, die früher
schon ungewöhnlich hoch, warem, eine
Senkung um 10 v. H. erfahren haben.
Mit 30 bis 4 Pesos muß man auch
jetzt noch monatlich für das Zimmer
rechnen.
In den sechs Jahren meiner Abmesen
heit hat .sich , Buenos Aires nur wenig
verändert Dem an europäische Groß
städie Gewöhnten fällt zuerst die Engig
keit der Straßen in der inneren Stadt
auf, die sich rechtwinklig kreuzen und
einander gleichen wie ein Ei dem an
dern. Der Waaenverkehr ist nur in
einer Richtung Mglich. Dabei herrscht
in diesen engen Straßen ein Leben und
Treiben wie etwa am Potsdamer Platz
in Berlin; dank der vorzüglichen Ver
kehrspolizei gehören trotzdem 'Straßen
Unfälle, wie man sie eigentlich jeden
Augenblick erwartet, zu den größten Sel
tenheiten. Den Mittel und Ruhepunkt
in diesem Straßengewirr bildet die
prächtige, 30 Meter breite Avenida de
Majo, die auf beiden Seiten von hohen
Prachtgebäuden. Hotels, Zeitungspalä
sten und Theätern eingefaßt ist. Am
östlichen Ende schließt sie die Placa de
Majo mit der Easa rosada. dem Regie
rungsgebäude, ab, während das andere
von dem unlängst vollendeten, großarti
gen Kongreßgebäude mit einer die Um'
gebung beherrschenden hohen Kuppel be
gre,nzt wird. Um in die Enge der in
neren Stadt etwas Luft zu bringen, hat
die Stadtverwaltung vor einigen Jahren
begonnen, Diagonalstraßen hindurchzu
legen, ein kostspieliges Unternehmen, hat
doch die erste "cuadra", ein etwa 100
Meter lange! Stück, gegen 15 Millionen
Pesos erfordert.
. Ein Eindruck von großem Wdhlsiand,
ja Reichtum, und fleißigem, mit üppi
gem Genuß verbundenen Geschäftsleben
geht von der Stadt aus. . In den letz
ten Jahren ist eine prächtige neue Pas
sage, die die beiden engen Hauptver
kehrsadern verbindet, entstanden und in
ihr ein 15 Stock hoher Wolkenkratzer mit
einem 90 Meter hohen Turm, von dessen
Plattform man einen unvergleichlichen
Rundblick über die ganze Stadt, den
Hafen und die weite Flußmündung hat.
Die alte Holzbaracke, die früher den
Hauptbahnhof darstellte, bat einem gro
ßen modernen Gebäude Platz gemacht,
daS den neuesten europäischen Bahnhö
fen nichts nachgibt. Auch die Unter
grundbahn, bei deren Bau die Deutschen
die Leitung und Aufsicht hatten, ist jetzt
auf der ersten Strecke in Betrieb; zur
zweiten Strecke fehlten die meisten Ma
terialien, die wir lieferten wann wer
den wir wieder in der Lage sein, diese
und andere stark begehrte Waren hin
ilberzuschicken?
Einer meiner ersten Besuche galt den
Herausgebern der beiden größten deut
schen Zeitungen in Buenos Aires, der
La Plata-Zeitung" und deZ Argen
tinifchen Tageblattes". Ich fragte sie
ou! über da! Schicksal der Deutschen im
Lande während deS Krieges, über da!
Ergehen der deutschen Presse, wie über
Haupt über alle Dinge, die un! von
unseren Landsleuten zu erfahre am
Herzen liegt. Beide Herren gaben mir
bereitwilligst Auskunft und unterl'llbt:
mich in jeder Weise mit Rat und Tat.
Wa! sie mir erzählten und wa! mir
auch andere hervorragende Vertreter de!
Deutschtum! berichteten, gewährt im
ganzen ein trübe! Bild. E verdient
aber unsere volle Anerkennung, ja Be
wunderunz. wie sich die beiden deutschen
Blätter allen Schwierigkeiten zum Trotz
tapfer aus ihre Vofk gehalten und
der seitlhi fcMada-d jrn'
geboten tjaUn. Der Herauszeber der
Deutschen La Plata'Zeitung hat e
sogar fertiggebracht, l Gegengewicht
gegen die Lügenbenchte der hiesigen alli.
'irrten Zeitungen, ein neue!, in spank
scher Sprache erscheinende Blatt. .La
Union", in' Leben zu rufen, da bei
den Argentiniern rasch bekannt und be
liebt wurde, und zweifellos viel dazu
beigetragen hat, dem weitschanenden und
energischen Präsidenten Jrigoye die
Beibehaltung der argentinischen Neutra
lttät gege, andere Einflüsse zu rleich
kern.
! Im Anfange de Kriege bestand ge
gen Deutschland durchaus kein allaemei,
ner Haß. Dieser wurde erst künstlich
geweckt und genährt durch die fortge
setzte geschickte Hetzpropaganda der alli
lerten Presst, besonder! der englischen.
Es wäre den deutschen Zeitungen gewiß
gelungen, die Wirkung dieser feindlt
chen Hetze aufzuheben, wenn sich nicht
die beiden unglücklichen Zwischenfälle. die
Bersenkung de! argentinischen Dam
bfer! ,Mo,nte Proteaido" und die un
vorsichtigen Aeußerungen de! damaligen
Gesandten Grafen Luzburg, der da!
Land verlassen mußte, ereignet hatten.
Diese beiden Dinge versetzten da! Volk
so in Aufregung, daß an einem Abend
die Menge vor die beiden deutschen Rc
daktionen zog und sie zu zerstören suchte.
Bei der La-PlataZeitung" wurde mit
Benzin Feuer angelegt, doch gelang e!
schließlich dem Personal im Verein mit
der Polizei, die Menge zurückzudrängen
und zu zerstreuen. Der Herausgeber de
Argentinischen Tageblattes", Dr. Ale
mann konnte den Sturm durch eine List
beschwören, so daß jeder Schaden ver
mieden wurde. Am selben Abend wurde
der Deutsche Klub gestürmt und die un
teren Räume seines prächtigen Hause
verwüstet, bis die Polizei Herr der Lage
wurde. Die Zeiten wurden ' für die
deutsche Kolonie aber immer schwerer,
je mehr sich die Wirkung der schwarzen
und grauen Listen fühlbar machte, von
denen noch die Rede sein soll, und be
soziderS die Zeitungen begannen an Pa
Pierknappheit zu leiden.
Die argentinische Presse war gcspal
ten. Während die bedeutendste Zeitung,
die .Prcnsa", für Neutralität war und
die .Razon" ihr darin beiftand, waren
die Nasion", die Ario" und .Epoca"
deutschfeindlich und machten Stimmig
für den Abbruch der Beziehungen mit
Deutschland. Ebenso geteilt war die
Stimmung des Volkes, und es wurde
dem Präsidenten Jriqoyen zu Zeiten
nicht leicht, seinen Neutralitätsstand
Punkt gegen Presse, Volksvertretung und
sogar feine eigene Partei aufrechtzucr
halten. Einmal war er schon nahe da
ran, dem Druck der Oeffentlichkeit zu
weichen, als noch in letzter Stunde eine
von den Deutschfreunden veranstaltete i
Riesendemonstration, ein Zug von 40,
000 Mann, am Regierungsgebäude vor
überzog und der bekannte Redner Bett
fario Roldan eine Ansprache hielt und so
die Situation gerettet wurde, indem der
Präsident sich überzeugte, daß er sich
aus eine zahlreiche Anhängerschaft , bei
seiner klugen Politik stützen konnte.
Eins der wertrwllsten Elemente der
deutschfreundlichen Bevölkerung waren
dabei hier wie in ihrem Mutterlande die
Spanier, denen sogar in vielen Fallen
von alliierten Häusern ' wegen ihrer
deutschfreundlichen Gesinnchig die Siel
lung gekündigt wurde.
In den ersten Kriegsjahren erhielt die
deutsche Presse direkte Nachrichte über
die nordamerikanischr Station Sayville;
sur die Einrichtung dieses Dienstes hat
sich besonders der Herausgeber der deut
schen La-PlataZeitung , Tiarks, ein
Verdienst erworben. Mit dem Eintritt
der Union in den Krieg hörte aber auch
diese letzte Verbindung mit der Heimat
aus, und die deutschen Zeitungen waren
fortan ledialich auf die Nachricht: der
englischen und französischen Kabelges ll
chaften angewiesen. Sie kamen da
durch in eine recht üble Lage; indem
sie diese Meldungen aber mit dem ge
übten Auge des Redakteurs ansahen, den
Kern herausschälten und offensichtlich
Falsches ausmerzten, bekamen die fc'..d
lichen Telegramme dock ein anderes Au!
sehen als in der übrigen Presse,' und
die deutsche Kolonie wurde im ganzctzi
zuverlässig unterrichtet. Wenn dann die
Sckweizer Zeitungen eintrafen, konnte
mit einiger Verspätung manches noch
richtig p-stellt werden.
Die Stimmung der deutschen Kalo
nie ist fo bis zum Schluß gut und hoff
nungsvoll geblieben, und sie wurde durch
den völligen Zusammenbruch Deutsch
landS auf das schmerzlichste überrascht.
a man versteht hier bis jetzt noch nicht,
wie, ein derartiges Ende möglich war.
da man dem Hunger und den seelischen
Leiden, die da! deutsche Volk durch
machte, ferner steht und sich nicht recht
in seine Lage versetzen kann. Ueber die
StaatSumwälzung sind die Meinungen
naturgemäß geteilt; jedoch begegne ich
überall einer Verurteilung der.kltremen
politischen Richtungen, wie sie sich in den
Spartakisten und Bolschewisien verkör
pern; für diese fehlt hier jede! Ber
tandnlö. Auch in der deutschen Kolonie
gab- es neue Strömungen und Reibun
gen. al jetzt ist eine ruhigere und ver
ähnlichere Stimmung zurückgekehrt.
Ebenso ist ein Riß. der sich in bet
Schweizer Kolonie gebildet hatte, da die
Deutschschweizer und auch viele Tessin
schweizer . zu Deutschland, die Welsch
sckweizer aber zur Entente hielten, fast
völlig wieder verschwunden. -
Selbstversiändlich hat sich der Zusam
memhang mit dem geistigen Leben der
Heimat während de Kriege! stark ge
lockert, ganz verloren ist er nicht.
Früher erhielt man jede deutsche Neu'
erscheinung vier Wochen später in den
deutschen Luchhandlungen, in den letz
ten Jahren wurdm aber nur weige
deutsche Bücher eingeschmuggelt und von
der zu diesem Zwecke neugegrllndeten
Union de libreroi alemannei und auch
von Martin Schneider neu verlegt. Hier
werden die Verbindungen bald wieder
geknüpft fein. Deutsche Theater und
Operettengesellschafte, wie sie i fröhe
ren Zeiten alljährlich einige Monat her
überkamen, sind natürlich auch fern ge
blieben, aber man . hat Hoffnung, daß
ein Unternehmer bald wieder der deut
schul KÄloi die. euejN HkUtimiM
d deutsch Theater und der Mus
vorführen witd. Der hiesig Deutsche
Theaterverei, bat während de
ge nur wenige Wohltätigkeitaufsich
rungen veranstaltet, wie überhaupt, vo
einigen Basaren zugunfteit de Note
Kreuzt abgesehen, keine deutschen Ffi,
lichkeiten stattfanden.
Neber selne Erlebnisse '
In Deutsch'Neu-Gumett
sprach kürzlich in der Berliner Gesell,
schaft für Erdkunde Hauptmann Txtz
ner, der sich während des ganzen Krie
ge! biö zum November 101H in der ge
nannten deutschen Südscekolonie be
hauptete. !l7it nur 3 Europäern, 27,
Soldaten, 44 Trägern hatte er sich am
3. Juli 1S14 auf eine Forschungsreise
in! Innere begeben. Vom 4. August
1ö14 av hatte Detzner keine rückiva
tig.'N Verbindungen mehr. Am 31.
Ott. 1914 nahmen säe Leute , einem
sterbenvea Träger einen schmierigen Zet
tel ab, und Detzner, der seinen Auge
nicht trautes fand darauf die Mittci
lung eines englischen Offiziers vom
Kricgsausbrsich und zugleich die Aus
forderung. sich als Führer der deut
schen Streimacht" zu ergeben. Er hilt
die Nachricht nicht für wahr, eilte de
Offizier nach, der sich aber nicht stelle
ließ, und bat ihn schließlich durch Eil
boten um eine Unterredung; sie wurde
nicht gewährt.' Von nun an begann
ein kühne., romantisches Hin und Her
ziehen, ein Versuchen, auf holländische
Gebiet durchzubrechen, oder ein deutsche
Schiff r erreichen (Seeadler". Wolf' ).
Es war vergeblich. . Einmal kam e! zu
einem Zusammenstoß mit der englischen
Macht, dh sich wieder zurückzog. Noch
drückender als das Gcsühl, nicht, von
dem großen Kriege zu erfahren, ' war
für Detzner der Gedanke, eS könnte schon
Friede fein, während er noch im Ür
Wald zwecklos herumirre. Nachdem er
einen Btutsturz erlitten hatte und schon
barfuß und in ganz kurzen Hose gehen
mußte, kam doch endlich von einer Mis
sion dh Nachricht vom Frieden. Erst
glaubte er bestimmt an den deutschen
Sieg, bis die Nachricht vom Abfall Buk
gariens und der Türkei seine Hoffnun
gen zerschmetterte, Die australisch
Soldat.'ska. die die Missionsstation
ausraubt:, hat leider auch seine For
fckungiergebnisse gestohlen. Der engli
sche General hatte ihm dkrsprochen, in
der Kolonie bleiben zu dürfen. Als die
Eingeborenen der schon nach kurzer Zeit
furchtbar heruntergekommenen Kolonie
ober h sehr ihr Dcutschfreundlichkeit
zeigen, wurde er nach Australien ge
schickt. Ueber die Treue der Schwär
zen, di dankbar sind, daß die Deut
schen ihnen innere Werte bringe, ist
Hauptmann Detzner voll Lobe. Sie
riefen ihm zu: Kommt bald wkx,
wir warten auf euch!", und gaben ihm
Geld für ein deutsche! Kriegerdenkmal
mit. weil die Deutschen ja auch fl die
Schwarzen gekLmpft hätten.
Herders Liebe.'
Es ist immerhin recht bemerkenswert.
'daß n weimarische Geniehof selbst der
lanMyrig verheiratete Generalsuperm
tcndent Herder verliebte Worte ta Prosa
und Bersen drechjcite, um sie einer der
eirateten Frau zu senden. Sophie vo
Zchardt, war diese Auserkorene Her
der, d Schwägerin der Frau vo
Stein, und der hundertjährige Todestag
dieser Frau sie starb am 80. Juli
1819 gab Anlaß, dieser immerhin
oemenenswerten Frauengeflalt Alt-Wei
mars zu gedenken. Sie entflammte der
bekannten, weitverzweigten Familie Bcrn
storffs. war früh verwaist und im Haufe
ihres Vetters, des bekannten Grafen Jo
hann Hartwig Bernstorff in Kopenda
gen aufgewachsen. Zwanzigjährig war
ue 177 al Gattin des ältesten Bruder
der Charlotte von Stein, de Geheime
Rates von Schardt, nach Weimar gekom
men. wo sie weniger durch äußere Reize,
deren sie außer schönen, großen Augen
völlig zu ermangeln schien, durch Geist,
Bildung und Humor alle fesselte. Ganz
besonder! fühlte sich der Herzog Karl
August vo ihr angezogen,, Goethe sah
sie gern als Gast bei sich.
Ihre sprachliche Bildung . auker der
Allermeltssvrache Französisch beherrscht?
sie vas Englische und Italienische voll
kommen und übersetzte auS diesen Spra
chen in leichtfließenden Versen hotte
sie mit Herder zusammcnqebrackt. und
dieser wird bald der geistig stark inter
essierten Frau, deren Gatte völlig in 6
liehen Geschäften aufging und der Mut
terfreudcn versagt blieben. Freund und
viciicdter. Unschuldiger Engel' naunte
er sie. und auch Karoline Herder pflegte
sie liebe Unschuld' anzureden. .Ich liebe
Sie so rein und herzlich wie da Lickt
und den unsichtbare Himmelsäther, das
glauben Sie sicher!' so schrieb Herder an
te, und ein andermal: .Lak un aul un
wachen, daß auch der Empfindung rein
ster Atem nicht die Blüte unserer Liebe
trübe!" Und immer heißer wg er um
daS erlaubte Maß seiner Liebe. Ich
muß meinem Herzen Luft machen und
an Dich schreiben, lieber Schwester
gel, heilige, liebe, unschuldige Blume!
Laß un aufhören, wo wir sind! Wir
lieben un zu sehr. Ja. zu s?hr so
schön wir' unS verleugnen. Ich weiß
und ich prüfe mich im Innersten, aß
ich Dich wie einen Engel, wie meine
schmelier liebe: Du liebst mich tausend
fach süßer, unschuldiger, holder. De!
ganzes Herz ist vor mir. Aber wir sind
Menschen genug! Und die schöne Blume
unserer Freundschaft und ewigen Liehe
muß auf immer im Morgentau b'ihen
und glänzen." Nur einem war Sophie
von Schardt nicht sympathisch: Schiller
vermochte nur schwer seine Abneigung
gegen sie zu bezwingen.
Die drei Tamenfliße.
.Ja. ja. meine Gnädigste, die Damen
sind nie zufrieden; sie wünschen sich so
gar drei Füße!"
.Nanu! Sck bitt S e. to t köime
Sie solchen Unsinn behaupten!"
.Durchaus Km Unlinn: ne wünschen
sich zwei kleine, so toi;!, kleine Füße,
um darauf zu schwebe und eine
cht groß, m darauf iz 'leieit t"
w
m H & Mt KG,