Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 01, 1919, Image 3

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    TFzlkche Omaha Tribe
Die Krise
. jVon Jan
, Lolflsch LlWng., j
Wer die kontinentale Gemcinbllrgschaft
mit einer Überlegenen Geste glaubt er
ledigen zu können, für den ist die PoliUk
noch iminer eine Ideologie, richt eine
Beschäftigung mit den realen Interessen
in Menschen und Völker. Der Krieg
hat Europa nicht nur eine Schuldenlast
von über tausend Milliarden Sltarl aus
ncburdet. er hat auch die Wirtschaft bei
Erdteil! in einem Maße umepslugt und
distanziert, daß da, die ökonomische Ent
Wirkung auf Jahrzehnte, wenn nicht
dauernd, beeinflufzt. Nur die Tatsachen,
daß Ost und Mitteleuropa unter revo
' lutionä'ren Krisen erbeben, daß dai neue
Etaateng'siige im Osten und an der
Donau erst soziologische Formen gewm.
n muh. läßt die Umrisse der turopa
ischen Probleme noch nicht scharf genug
hervortreten, um ihre Bedeutung zu er
kennen. Die Ernährung Europas ist auf
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Produktion des Ostens für eben ds
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Zeit volltanvig ausaai. juu
m.rWobuna der Außenhandels
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bastz für alle europäischen Staaten, da
sie künftig von den öenciDcproDuuiu
ländern einseitig abhängig werden, ohne
durch den Absatz von Jndustr.eprodukten
in den Getreidestaaten einen AuLgle ch
,u finden. Denn die Staaten, tote für
fit agrarische Versorgung Europas m
Betracht kommen, .ianaoa un
lie vor allen Dingen, verfuge über die
materiellen Voraussetzungen der indu.
stricllen Eigenproduktion. Soweit sie
bisher unter Menschenmangel litten, h'
den sie nunmehr mit einer hochwertigen
Einwanderung zu rechnen, weil Europa
i.ttn ,m 9fW,i6 diese KiicgcZ,
1CIU l liuiy uiiu .v..-u ---I . :
mal angesichts seiner industriellen
,mi Ukbervolkerung leidet.
Diese Struktur kann nicht einfach durch
den Entschluß zur Rückbildung rn
Agrarstaaten umgestaltet werden. Sie ist
!cht nur bedingt durch das Vorkommen
industrieller Rohstvsfc. sondern auch
durch die soziologische Anlage. Es ist
kein Zufall, noch weniger d,e DPliz,wt
der Ereignisse, das; vor dem Kriege die
Staaten 'EuropaZ zur industriellen Ent
wicklung drängten. Mit einer Ausnahme:
Frankreich. Seine soziale Geographie
ist auffällig starr geblieben, den ah.
rend die eigentlichen Industriestaaten
Europas ein Wachstum ihrer industriel
len Intensität erlebten, änderte sich die
Berussschichtung Frankreichs in den ent
scheidenden Jahchundcrtcn so gut wie
äar nicht. Nun hätte die ökonomische
Schulterbreite Frankreichs eine starke
Industrie an sich tragen können, da ei,
wenn nicht über genügend Kohlen so
doch über Eisenerze versügte. damit über
die wichtigste Voraussetzung des Stand
ortcs moderner Industrien. Nun zeigt
die Analnse des Wachstums der sran
zösischen Bevölkerung seit 188 eine ruck,
läufige Bewegung, die es Frankreich an
sich unmöglich macht, der großindustruZ.
k?n Ausdehnung die unentbehrlichen
'Menschenmengen zur Berfügung zu
' stellen. Will Frankreich dadurch Abhilfe
schaffen, daß es feine soziale Geographie
ändert, so würde das die Beseitigung der
Zweigwirtschaft zur Voraussetzung ha
ben.. Beispielsweise gab es nach der Be
rufszählung von 1906 etwa zwei 3M
lionen Besitzer, deren Höfe 1 bis 10
Hektar umfaßten, gleich 15 Prozent deS
gesamten Areals. 750,00 besaßen Hose
von 10 55 Hektar, und diesen gehörte
die Hälfte des Ackerbodens. Nun hat
gerade die in der Landwirtschaft tätige
Bevölkerung im Kriege erhebliche Ver
lüfte erlitten, was deshalb von wesent
licher Bedeutung ist, da sie eigentlich die
thnische Wachstumsquelle tfranrnicoB
h
l a. Die Entwicklung vom Agrar zum
w,ntstaat verlanat also die Um
Dichtung der landwirtschaftlichen Be
Verteilung, um durch den Uebergang
Z,um Mittel und Großgrundbesitz die
fräste für die eigentliche Jndustriali
Vierung frei zu machen. Dieser Prozeß
sät tatsächlich im Süden schon begonnen.
hn dem Maße, wie er fortschreitet, fräs
zt er die ökonomische Struktur Frank
Ää)i.
V Das erschöpft indessen nicht die Krise
-Europas. Diese ist vielmehr darin ,u
schen, daß eS bei Zersplitterung rn
Kachtpolitischen Interessensphären sich
'uernd selbst schwächt, mit dem Erfolg,
sich der ökonomische und politische
Zabel der Erde in die aufkommenden
Industriestaaten UeberseeZ verschiebt.
Europa, nicht Deutschland allein, steht
Vfit dem Zwang, die qualitativ wert
ollsten Menschen abgeben zu müssen.
tl ist dann unvermeidlich, wenn eS
Ki überlieferten Methoden da! Einz:l
'iteresse dem Gesamtinteresse überordnet.
Hit unausweichliche Folge wird fein, daß
V't Einwanderersiaaten sich politisch und
Monomisch konsolidieren. Wer der euro
Mischen Krise dadurch auszuweichen
ficht, daß er auf die Entwicklung neuer
jeibungsflächen innerhalb deS Bielper
('zndeS hofft, übersieht, daß neue euro
jische Kriege, ganz einerlei mit welchen
honten, nicht zur Srstarkung. fonder
&t weiteren Ermattung Europa? füh
5n. DaS Gegeneinander der europä
Vtyn Staaten verbraucht Energien, die
Ut solche wirksamer fruchtbar gemacht
ß, erden können und müssen. ES wird
sienig oder gar nicht beachtet, daß die
'swanderung von den europäischen
i .taaten so gut wie gar nicht kontrolliert
&er geleitet zu werden vermag. Die
tytfoche, daß die Einfluß und Inte
?Mnzonen aller Erdteile vergeben sind,
nicht nur Deutschland, fondern
tZe europäischen Staaten. Frankreich
t-, a&i dabei keine Ausnahme, denn seine
Kolonien sind Markt-, nicht SiedelungS
' 'lonien. Und auf diese kommt eS in
l sjer Linie an. Die Vereinigten Staa
i ebenso die englischen Dominion sind
I i.d) die wasserdichten Schotten der Ein
anderungsgesetze geschützt. DaS be
I ulet nicht, daß sie überhaupt keinen
! Ostrom wollen, sondern nur, daß sie
t Einwanderer in erwünschte und un
I wünschte Elemente klassifizieren. Ohne
? i Menschknzifliiß Europos. der zwei
)l. Uftmt Srf kaUi-Iib
Europas.
Gfffen.'
und ökonomische Gegeneinander den
Kontinent weiter schwächt, ist die Zu
kft der angelsächsischen Imperien pro
blematischer Natur. Vor ollem aber
braucht England die europäischen Aus
Wanderer, um seinen Dominions die feste
Grundlage einer weißen Bevölkerung zu
geben. Die angelsächsische Nasse ist nicht
. schnellwüchsig, also auch nicht fähig,
ollein die Menfchenmassen hervorzubrin
gen. die zur Bcsiedelung der weißen Do
miiiioni erforderlich find. In diesem
Zusammenhang wird die Politik der
Angelsachsen verständlich, die farbigen
Nassen nicht als gleichberechtigt anzuer
kennen. Sollten sich Kanada, vor allein
aber Australien entwickeln, so bedürfen
sie Arbeiter, die aber nach Lage der Sache
ur au! dem fernen Osten hereinströmcn
tonnen. Die Gleichberechtigung würde
ihnen bei ungehemmter Einwanderung
in absehbarer Zeit schon ein zahlen
mäßige Ucbergewicht sichern. waS die
Herrschaft der weißen Engländer , in
Frage stellte. Japans insulareBeengt
heit einerseits, sein - Bevölkerungsmachs,
tum andererseits ' fordert SiedelungS
zonen, die klimatisch und gcophysisch
Shikoku und kiuschiu gleichwertig sind.
ES ist aber klar, daß die Politik, die.
jetzt' auf Machttatsachen gestützt, den
Farbigen die Gleichberechtigung versagt,
in zwanzig oder dreißig Jahren nicht
mehr aufrecht erhalten werden kann. An
sich wäre dieS gleichbedeutend mit dem
Zerfall des britischen Imperiums. Da
mit rechnet auch England, weshalb seine
bielgewandte und erfahrene Kolonial
Politik den Ausweg fischt, die Dominions
der angelsächsische Herrschaft dadurch
zu sichern, daß sie sie mit europäischen
Auswanderern ausfüllt, für deren Mi
schung und Aufsaugung die Methoden
der britischen Kolonialpolitik sorgen
werden. ' . , '
-Die europäischen Staaten haben für
Jahrzehnte mit erhöhten Produktions
losten zu rechnen. Diese werden steigen
in dem Maße, als die einzelnen Länder
erwa auf veraltete Methoden der Zoll
und Wirtschaftspolitik zurückgreifen. In
dessen wäre auch die Ausbildung und
Verfeinerung bei Handelsvertragssystems
an sich kein Ausweg aus unerträglichen
Schwierigkeiten. Vielmehr käme in Be
tracht, die arbeitsteilige Volkswirtschaft
zur arbeitsteiligen Festlandswirtschaft
auszugestalten. Als vor zwanzig Iah,
rcn die ökonomische Entwicklung der
Vereinigten Staaten für Europa eine
Gefahr zu werden drohte, entstanden
automatisch und unabhängig voneinander
Pläne zur Gründung von Mittel und
westeuropäischen WirtfchaftSbündnisscn.
Sie sind über akademische Erörterungen
nicht hinausgediehen, in der Hauptsache
deshalb, weil die Eigenkraft der europä.
ischen Industriestaaten mit der Konkur
renz zunächst fertig wurde, sodann aber
auch, weil die Vereinigten Staaten ihre
Intensität mehr nach innen kehrten, zu
dem aber finanziell dielfach von den
Geldzentren Europas abhängig waren.
Der Krieg haf nun nicht nur die Wirt
schaft Europas, vielmehr die der ganzen'
Erde umgepflügt-und Verhältnisse ge
schaffen, denen mit den bisher üblichen
Methoden der regionalbegrenzten Wirt
schaftspolitik nicht mehr beizukommen ist.
Es sind ja nickt nur die Vereinigten
Staaten allein, die zu einer großen Wa
rsn und Güterwerkstatt geworden sind.
Auch andere Länder haben von der Aus
schaltung der europäischen Konkurrenz
erhebliche Vorteile gehabt, so daß sie viel,
fach Industrien für die eigeneVersorgung
errichten und entwickeln konnten. Um
daS verlorene Gebiet wieder zurückzuer
obern, dazu reicht die Kraft der einzel
nen eutopäischen Länder nicht mehr aus.
Wenn beispielsweise Frankreich feine
Erze felbst zu verhütten sucht, so wird
nicht annähernd der Erfolg erzielt, als
wenn eS sich zu einer Arbeitsteilung mit
Deutschland entschlösse. In diesem Zu
sammenhang muß darauf hingewiesen
werden, daß englische Politiker und
Vollswirie' schon während des Krieges
die französischen Erze nach der Nieder
werfuna Deutschlands für die britische
Industrie forderten, um dieser wieder
jene Ueberlegenheit auf allen Märkten zu
verschaffen, die sie im Zeitraum von
182 biS 190 unbestritten befaß. ES
liegt im Wesen deS englischen Im
periumS, daß eS nicht saturiert'! werden
kann, daß eS uferlos ist, daß eS immer
neue Stützen und Sicherungen braucht.
Und deshalb kann es nicht zulassen, daß
ein anderer Festlandsstaat, also Frank
reich, aus sich heraus ökonomische Ener
gien entwickelt, die Englands Anspruch
auf die neue industrielle Lorherrschaft
beeinträchtigen.
Die arbeitsteilige Volkswirtschaft deS
Festlandes verlangt nicht nur den Aus
tausch der Rohstoffe um sie mit dem
größten Nutzen zu verarbeiten, sie ver
langt ebenso die organische Ausarbeitung
des Ueberbaues.. Vor allem gilt dieS von
der Wiederherstellung deS Währung?
wefenS, dessen Zerrüttung durch staatlich
begrenzte Maßnahmen Nicht zu heilen lst.
Gewin wird zeder Staat an sich ver
suchen, aui der Zettelwirtschaft heraus
zukommen. Indessen ist die Währung
nicht mehr eine , innere , staatliche Ange
legenheit, sondern sie ist eng mit der
wirtschaftlichen Geltung im Auslande
verbunden. Eine europäische Währungs
lonferenz müßte in absehbarer Zeit zu
einer bedingten Munzunwn fuhren, dies
unvermeidlich dann, wenn die europä
ischen Wirtschaftsstaaten die Notwendig
keit gemeinsamer Entschlüsse und Hand
lungen, nicht nur zur Wiederaufrichtung,
andern zur Behauptung des okonomi
chen StatuS Europas eingesehen haben
sollten. Der Begriff Europa beschränkt
sich in diesem Falle nicht auf die Krieg
Jührenden, sondern umfaßt auch die
Zeutralen, insbesondere ober die Staa
ten, die zu einer neuen nationalen und
soziologischen Gemeinschaft drangen. Die
Arbeitsteilung ergibt sich auS den Lkono
mischen und ethnischen Bevingiyeiicn,
wird also Sache der Erfahrung,' nicht
der Voraussctzli'igcn sein müssn. , (M?
Miß ist' die mimi!!?lbace Gcgrj'wart fit r
fclU f!i!iafcU ;. . F '.DA,
Die Tragödie der
eue Zürcher tilun".
( Die folgenden Zeilen rühren von
einem Juden her. Grund genug, damit
politische Berufsrctuschierer auS dem
Lager der unfehlbaren polnischen Preß
bureauS diese Ausführungen nicht etwa
zu entkräften zu verdächtigen suchen.
Vielleicht tun aber die Antreiber deS
SchlivlngradeS der etwas abgenutzten
polnischen Dementiermaschine gut, sie
diesmal nicht in Bewegung z setzen:
Die Vertrauteren unter ihnen wissen, so
hosfe ich, daß es nicht gelingen wird,
mich nach ihrem Belieben zu einem
Feind der polnischen Unabhängigkeit zu
stempeln. ...
Als der antijüdische Boykott in Po.
len, der als Vergeltung für die abgcge.
denen jüdischen Stimmen bei der Wahl
in die russische Ncichsduma deS polni
scheu Sozialisten Jazellom statt deS
aufgezwungenen Antisemiten Kuchar
schemski einsetzte und die unwürdigsten
Formen annahm, da erwiderte daraus
Wladimir Schabotinsky, ein hochbegab
ter, aber ausgesprochen chauvinistischer
Publizist, in einer russischen zionisti
schen Zeitschrift mit einer prägnanten
Artikelserie .Widerstand' Überschreben,
in der er den Beweis erbringen wollte,
daß die Bohkottideologen und Praktiker
sich als unfähig erwiesen hätten, sich
selbst und andere zu regieden, daß den
Polen daher keine Autonomie zu ge
währen, vielmehr ein strenger Erzieher,
ein Gouverneur" zu bestellen sei. Ich
tat damals Schabotinsky's,Ausführu:i
gen entgegen; ich bemühte mich, die
Fiktion aufzudecken, als ob sich die'pol
nische Politik und öffentliche Meinung
in der Partei der Schmach und der Po
gromhclden, in der .Nationaldemolra
tie- des Herrn Roman Dmowski, er
schöpfte, und ich bekannte mich mit al
ler Unzwcidcutigleit und Scharfe zur
Autonomie Polens, welches, einmal
nicht mehr' von der Nationaldemokra
tie" beherrscht, sondern von der Demo
kratie tcrnt cJrut regiert, mit der Ehre
des Landes und dem Wohl seiner
Staatsbürger ohne Unterschied von Na
tionalität und Konfession es ernster
nehmen würde. Ich kann hier davon
absehen, ob die in die polnische Demo
kratie gesetzten Hoffnungen sich erwahrt
haben, denn es handelt sich für mich
heute, wie damals, als ich mit Scha
botinskq den Strauß auszufechten
hatte, nicht um eine Frage opportunisti
scher Alltagspolitik, vielmehr um, eine
von außerordentlicher prinzipieller
Tragweite: die Juden, selbst ein unter,
drücktes und geknechtetes Volk, dürfen
und sollen den Gegnern nationaler
Rechte und nationaler Autonomie unter
keinen Umständen Vorschub leisten!
Dieser Auffassung blieb ich auch im
Kriege treu, und machte es mir zur
Ehrenpflicht, für die Unabhängigkeit
und Wiedervereinigung Polens Zeugnis
abzulegen: ich griff, namentlich nach
dem' Fall Warschaus, die . Russifizic
rungs, zugleich aber auch die gewalt
tätige, hakatistische Politik Preußen!
scharf an und ich warf, in einem Mo
ment, da das deutsche Banner über
Warschaus Türmen wehte, die Frage
auf, wann endlich die polnische Natio
nalfahne' die Befreiung von säkulären
Leiden verheißend, gehißt werded dürfe
... Es ist mir damals au! meinem
polnisch: Leserkreis Lob gezollt und
mit Giugtuung angerechnet worden,
daß ich in jener Schicksalsstunde Polens
vermieden habe, die entscheidende Wen
dung mit dem polnischen Sündenregi
ftcr gegenüber den jüdischen Landeskin
dein zu belasten.
Nun, der Auferstehung Polens droht
nichts mehr! Die Trümmer, die der
Weltkrieg hinterläßt, sind zu Bausteinen
neuer Staaten geworden, und höher,
denn alle andern Zungen Gebilde ragend,
erhebt sich im Osten Europas daS pol
nische Reich, unabhängig, dreieinig, groß
und mächtig! Wir begrüßen die Wie
dergutmachung eines verbrecherischen
Unrechts von seiten der ustiong
copartageantes, die Renaissance
eines großen Volkes mit einer glorrei
chen Geschichte und erhabenen Ueberlie
ferungen. Aber die Polen, die während
des ganzen Krieges selbst um die Aner
kennung ihrer nationalen Sache als
einer vor das internationale Forum ge
hörenden Angelegenheit gerungen haben,
können heute, als Sieger, eher noch als
Genießer, nicht neuerdings sich inter
muros einschließen, bestrebt, dasselbe
internationale Urteil um so leichter zu
überhören. Jenseits der Landesgrcn
zcn Polens aber sehen seine Freunde
mit einem Gcfii,hl tiefer Wehmut und
Bangigkeit dem Kommenden entgegen:
daS Reich, kaum auf die Beine gestellt,
legt eine gefährliche Ländergier on den
Tag, und streckt in Verblendung die
Arme nach fremdem Gut aus in Li
tauen, in der Ukraine, in Weißrußland,
in der Wcstukraine, in Böhmen, in
Deutschland! Und auf der anderen
Seite sollen die, auf den Ruinen der
einstigen Staatlichkeit neu errichteten
Wirkungen deS Krieges haben in der Ge
füblszone Spuren hinkerlassen, die für
absehbare Zeit verstandesinäßig nicht zu
überwinden sind. Wenn einer der Fest
landöstaatcn glaubt, aus dem Mar
tyriinn besser und schneller hccauszu
kommen, wenn er im Gegensatz zum ge
samteuropäischen Interesse Anlehnung
und Unterstützung bei überseeischen
Mächten, etwa den Vereinigten Staaten,
sucht, so wird daS nur auf Kosten seiner
Zukunft geschehen können. Der Verfall
Europa, seine Ueberwindung durch
neue Wirtschaftsländer - in Ucbersee,
würde dann ein unabwendbares Ver
blingniS. Nur die Erkenntnis, daß die
iftlU Europas durch gemeinsame Arbeit
unter rationkllcr AuSniitzung seiner ö!o
nomischen und icclniischeii Eneraicil ek
lomvlicrt zu werden verrnaa. reitet alle
Ffitlsinssitsloten, aetade sie, die im
Rausche des isieges o3rr rc:- nien Stftt
deii rer i'dkgicnzten Üsiiiglichfeitcn zu
Ujkt ttik.
polnilll
von Dr. A. Charasch.
Mauern mit jüdischem Blut gekittet
weiden wie zu Zeilen des ägyptischen
Pharaos! ...
Gewiß, die polnischen Machthaber
können sich, und zwar mit Recht, da
rauf berufen, daß ihr Land nicht daS
einzige ist, wo die Wut einer auögehun
gerten und verwilderten Masse sich in
Strömen jüdischen BluteS austobt; die
unermeßliche Tragödie des ewigen Ju
den" besteht eben darin, daß er, nach,
dem er auf dem Aliar des jtrieges Op
fer, die jeder Beschreibung spotten, ge
bracht hatte, auch heute, da die Aera deS
Friedens anzubrechen scheint, fast über
all der locus niinoris fesistenliao
bleibt, daß er. um Carlyle ein Bild zu
entlehnen, groß, stumm, tief begraben
liegt. Daritm hat auch der Friedens
I trag von Versailles nicht etwa Polen al
iein, ivnoern anen anoern tagten vie
ausdrückliche Verpflichtung auferlegt, die
Rechte der nationalen Minderheiten, der
jüdischen , insbesondere, zu respektieren.
Und es ist bezeichnend, daß neben Pade
rewski. dem Meister des Konzerts, der
auch das Mächtekonzert der alten und
s neuen Welt umzustimmen suchte, das
rager der Unzufriedenen auch Herrn
Bratiano zählt, diesen typischen Vertre
ter der Bojarenherrschaft. Der vor
dem Viererrat gegenüber Art. 33 des
Friedensvertrages mit Deutschland ge
nau dieselbe Stellung wie der polnische
Landtag eingenommen und rch wegen
Mangels an Vertrauen zu den klei.
nen Nationen" bitter betlagt hat. Als
ob Herr Bratiano und seine Vorgänger
nicht den schlagenden Beweis erbracht
hatten, daß das feudale Rumänien,
welches, wenn es Vorteil verspricht, sich
gerne auch mit dem Nimbus einer klei
nen Nation" umgibt, des Vertrauens
nicht würdig war, das Art. 44 des Wer
lincr Vertrages in die Bukarestcr Rc
gcnten gesetzt hatte! Als ob die ge
witzigte offizielle Bezeichnung der rumä
Nischen Juden: Fremde ohne ansländi
schen Schutz", die die erfinderischen Her
ren Bojaren zur Patentierung anmelden
könnten, rechtlich und sittlich auch nur
annähernd heranreichte an die Unter
stcllung der nationalen Minoritäten un
ter den Schutz des Völkerbundes! Die
Friedenskonferenz traf daher, den Nagel
auf den Kopf, als sie im Briefe Clc
menceauS vom 24. Juni Paderewski
aufforderte, das Übereinkommen zum
Schutze der Minderheiten zu unterferti
gen und ihn daran erinnerte, daß schon
1873 die Anerkennung der neuen Staa
ten von der Durchführung gewisser
Grundsätze der Zivilisation abhängig
gemacht wurde. Jratianos neuestes
Naturalisationsgesetz und auch Pade
remekis Ruf nach einer amerikanischen
Untersuchung der polnischen Pogrome
gegen die Juden, diese Geste der ge
kränkten Unschuld, kamen zu .spät!
Die Untersuchung, mit der Wilson
nun Morgenthau, seinen frühern Bot
schafter in der Türkei betraut hat, wird
ein reiche? herzzerreißendes Belastungs
Material vorfinden." Ich kann hier un
möglich darauf eingehen: die Vftmin
sier Gazette" hatte vollauf Recht, als
sie in ihrer Besprechung der im Stock
holmer VerlagJudaca erschienenen, gut
dokumentierten Schrift von B. Chasa
nowitsch: "Lea Pogromes anti-jnifs
cn Galicie et en Pologne" meinte,
die inzwischen vorgefallenen Ausschrei
tätigen würden hinreichenden Stoff für
einen zweiten Band bieten! Der
volnische Pogromorkan,
der ohne ein Ende nehmen zu
wollen, wütet und einejü
dische Ansiedlung nachder
andern verschlingt, über
steigt auch die höchstenRe
kordleistungen der berühmt
gewordenen tu s s i s.ch e n
Pogromhorden, die das euro
päische Gewissen aufs tiefste verletzt
und lange Jahre im Banne gehalten ha
ben. Schon inbezug auf die Zahl der
Opfer an menschlichen Leben, die der
Moloch gefordert hat und immer nch
fordert, vermögen das Kischenew von
Plehwe und das Bjelostok von Stolvpin
einem Lemberg oder Kielce bei weitem
nicht die Wage zu halten. Die Taten
der polnischen schwarzen Helden zeichnen
sich ferner aus durch ihre Brutalität,
gepaart mit jenem polnischen Raffine
ment, das in der Welt sprichwörtlich ge
worden ist; so hat die Times", die'ja
den Polen nichts weniger denn abhold
ist, einen englischen Bericht abgedruckt,
demzufolge bei einer öffentlichen Ereku
tion jüdische Männer nd Frauen vie
Prügel noch mit: Danke, mein Herr"
und einem gewissen Tribut in Geld
quittieren mußten Ist ein tieferer mo
ralischer Verfall denkbar, und waren
nicht die russischen Schwarzen Him
bett" noch Ritter und Edclmänner? Ein
weiterer Zug, en die unaufhaltsame
polnische Pogromwelle aufweist, ist, daß
ihre Antreiber polnische Legionäre, Sol
baten und Offiziere sind, die auszogen,
um die Unabhängigkeit Polens zu er,
kotzen bezw. zu schützen, gar oft mit
direkter Unterstützung der Entente, die
beispielsweise in hohem Maße der Ar
mee Hallet zu Hilfe kam, welche mit
viel Lärm über Teutschland nach dem
Osten geworfen, die Ukraine überfiel,
ihre Taufe in jüdischem Blute empfing
und fottfähtt. sich und den polnischen
Ruf zu entehtcn. Und was dieses dü
stete Bild bedenklich einrahmt, und was
ihm den letzten Pinselstiich gibt, ist,
daß den auf dem Plan erschienenen sen
genden und plündernden Horden, daß
der wahren Katastrophe, da die Juden
den Leidenskelch biS auf den Bodensatz
leeren müssen, daß alledem die Führer
der polnischen Nation im besten Falle
ganz teilnahm-los gegenüberstehen, gar
oft aber sich ihre repräsentativen Geiiter
zu Mitvcrsclnvotenen der sckweren Per
brechen an der Humanität, der Eni
weihiliig der Glorie Polens mache. Es
ist zum Berziveiseln und biloct die
flammendste AnHc, wie Männer, oe
rcn Wort auch im Getöse von ' beute
ttA .MM, tuüt At...M Cütf.
im Juden.
ii
len; den' Jude und der Mitwelt ist
nur äußerst selten der Trost beschieden,
in polnisches Geständnis, eine feierlich
warnende .'nd mahnende polnische
Stimme zu vernehmen, die bis jetzt fast
ausschließlich an den Reihen der sozia
listischen' Demokratie ertönte, und auch
von dieser Eeite nur sehr spärlich, un
genügend, mehr von Vorbehalten denn
von Mannesmut begleitet.
Um die' Anklagen zu entkräften,
schicken die Polen zunächst ihre Demen
ticrgeschlltze inS Treffen; indes, diese
haben keine Zugkraft mehr, nd, freilich
vereinzelt und zaghaft, auch autoritative
polnische Stimmen fehlen nicht, welche
die furchtbaren Greuel zugeben und ver-'
urteilen, so z. B. Babjanski. Andreas
Strug, . der Warschauer Arbdterrat,
Moraczewöki (der frühere Ministerptä
sident). Sodann 'suchen die wirtlich
Schuldigen .nach vermeintlichen Schul
digen. und es ist bereits Schablone ge
worden, den Juden herbeizuziehen, der
bald die, Lebenshaltung verteuert, bald
Polen an die Deutschen (früher naiür
lich an die Russen) verrät, bald Bolsche
wik ist, meistens aber alle drei nehren
haften Eigenschaften! und noch andere
mehr verkörpert. ! Nun, es gibt Zweifels
ohne unerwünschte Elemente im jiidi
schen Handclsstand; ob aber die polni
schen Vermittler, und den polnischen
Großgrund und Bauernbcsitz gar keine
Schuld trifft von anderen Faktoren der
Teuerung, die mit dem Krieg zusammen
hängen, nicht, zg sprechen? Daß ferner
die Polen, die heute um die Gunst der
siegreichen Entente werben, bei jeder Ge
legenheit den delltschen" Teufel an die
Wand glauben malen zu sollen., zumin
best unvorsichtig handeln, wird jeder-'
mann einsehen, der sich erinnern wird
an die Politik des Warschauer Regent
schaftsrates und , der Staatsräte, von
Gnaden des kaiserlichen Deutschland. und
Oesterreich eingesetzt, die gegen die En
tcnte Krieg Mrtcn. Ich sehe hier ab
von manchen gar' pompösen Eztratou
ren" (Tanz Studnitzki); aber wenn die
Polen vermeinen, daß 'Trumpf ist, wenn
man die Doppelzüngigkeit zur Tugend
erhebt, im striege, während der. Aus-'
gang noch imgemjß ist. neben zentral
mächtefreundlichen, auch entcntophile
Agenturen unterhält, und sodann ein
schwaches, ,, Gedächtnis vorzutäuschen
sucht, so hat es sich nur insofern erwie
sen, als dicAllierkcn,, Polens Reiterund
Gönner, ihm daraus keinen Strick drehen
wollten; den 'ewigen Juden" aber soll
ten die Polen hier ganz außer acht und
auch in Ruhe lassen! Was vollends die'
bequeme Formeln Jude, gleich Bolschewik
anlangt, so .bediene sich die Polen auch
hier einer zeitgemäßen Zielscheibe; aber
den Reinwäschern wird es auch bei oll
kommcnster Taschenspielerkunst, nicht ge
lingen, glauben zu machen, daß die hin
geschlachteten' Männer,. Frauen, Greise
und Kinder samt 'und sonders Lenins
Jünger -waren., Tie . Juden nehmen
einen ansehnlichen Anteil an der, bolschc
wistischen Bewegung? freilich, von dieser
Feststellung bis zur Identifizierung von
Judentum und .BölscheivismuS ist eine
weite Distanz! Aus den -jüdischen Rä
hen ist bereits mancher Kämpfer und
Rächer wider den Bolschewismus erst'
den, den die polnische Politik überhaupt
und die polnische' Politik gegenüber den
Juden erst. recht in den von den Legio
nen besetztes fremden Gebieten mächtig
schürt und. großzieht. ,
DaS Mißtrauen der Welt wird unter
diesen Umständen auch von der polnischen
Rechtfertigung hervorgerufen, es handle
sich bei den' anti-jüdischen Pogromen um
Ausbrüchc des Volkszornes, um bcdauer
liche Ezzesse eines jeder Disziplin baren
Mobs. Wertn es nun auch wahr ist. daß
die Masse; die in der Schule des Krie
ges und deS auf ihn folgenden Bolsche
wismus erzogen wurden, sich äußerst
schwer meistern lassen, so ist es nicht
minder wahr, daß die giftige Saat im
polnischen 'Treibhaus ' des Judenhasses
und der Judenhetze noch eher reift, noch
furchtbarer aufgeht. Hier wird also das
Kausalvcrhältnis" gar oft ähnlich lie
gen, wie in jener Zeit, da der Burggraf
von Nürnberg und der Bischof " von
Wiirzburg einen Vertrag darüber ob
schlössen, wie die für eine bestimmte Zu
kunft sicher vorauszusehenden Juden
trawalle ihrem beiderseitigen Geldbeutel
nutzbar gemacht werden könnten. Die
Ehre die Zukunft Polens erfordert
heute gebieterischer denn je die Erfüllung
des Wunsches Stefan Bathoris und sei
ner Hoffnung, daß wenige Tage eines
unabhängigen, Staates genügen würden,
in diesen Abschaum fortzuschwemmen".
Bleibt es doch der Ruhm einiger Polen
tönige,. daß sie . oftmals auch vor einem
lawinenartige Sturz der 'brutalsten Po
gromonarchic die ihren Einzug in das
Land gehalten,'. nicht zurückschraken, und
selbst in Gegensatz zu der Stimmung
auf den Landtagen und im Senate ge
rieten. Daß sie,' namentlich aber Jan
Sobicski, trotz' allem fest geblieben wa
rcn, verzeichnet die Geschichte als ihr un
auslöschliches Verdienst, daß die dankbare
Iudenheit ,auch in zahlreichen Legenden,
die noch in unsern Tagen in, Galizien
und Polen verbreitet sind, z ehren
wußte. . ,
Es ist daher ein unbestreitbarer Rechts
titel, wenn die Polen von heute in ihrer
Verteidigung sich-auf die traditionelle
Gastfreundschaft ihrer Heimat, die auch
vielen Juden 'zur Heimat wurde, hin
weisen. Ist etwadaS generös gewährte
Aslilrecht .mit Undank erwidert worden?
Haben etwa die Polen schlechte. Ersah
rungen gemacht? AIS Polen, da! dem
Abgrund de! Nichtsein! schon entgegen
eilte, bereit! in zwölfter Stunde in
einem gcwatiigkn Aufgebot feiner Kräfte
noch einmal, dem Geschick, in die Arme
stillen, o,i Raö der Geschichte wenden
wollte, mid sich tiiiter Führung Zioc
zinslos zum letzten W'derttlind aus
raffte, da brachte . diejenige Schicht der
jiioisciieii BeLö!!erig, die durch ihre so
ziale Lage mit dn:i Lernte innig.. der-
!,, nii in )isl tTjioi.trn. Stillt)!
Polen gewissermaßen den letzten Zoll der
Dankbarkeit dar. In der Arm Koc
ziuSzko! kämpfte unter dem schwärmen
schen Berek Joselewicz ine jüdische Le
gion, die mit den vom Nationalrate vor
gestreckten 3000 Gulden und einigen pr!
vaten Beiträgen ausgestattet worden
war. Sie zeichnete sich besonders bei
dem Sturme der Russen auf die Festung
Prag aus, und Kocziuszko selbst, ge
rührt von der patriotischen Treue dieser
Juden, welche die Erde, auf der sie ge
boren, niemals vergessen haben", ver
hieß ihnen als Lohn für ihren Helden
mut die Gleichberechtigung. Als später
die Pariser Julirevolution die Fackel
deS Novemberaufstand! de JahreS
Z8J0A entzündete, da erschwerte frei
lich die polnische Regierung den Juden
den Zutritt zur Armee, um ihnen eine
moralische Berechtigung ' mehr zur
Emanzipation zu nehmen. Aber schon
kurz nach Ausbruch der Bewegung un
terbreitete einer der Altgläubigen", Si
nai Hernisch, im Namen der jüdischen
Jugend, dem Diktator Ehlopicki den
Vorschlag, eine jüdische Legion z bil
den, um dem Vaterlande in seinem
Kampfe beizustehen, und Josef Bcrko
witcz, Sohn be! Berek . Joselewitcz.
ahmte das Vorbild seines VaterS nach
und richtete an die Juden einen slam
menden Aufruf zum Eintritt in . die
Reihen der Kämpfer für die Freiheit und
Unabhängigkeit Polen!. Als dann am
8. September 1831 Warschau dem rus
sischcn General Paskewitcz in die Hände
fiel, der Ausstand erstickt war und der
Strom der Emigration nach dem Aus
lande einsetzte, da befanden sich unter ihr
auch Juden, wie Sinai Hernisch, Leon
Holländerski, der eine Schrift Le!
israölites de Pologne" herausgab, und
Ludwig Lubliner, der Verfasser von
Des Juifs en Pologne". Beide gro
hen polnischen politischen Parteien,
sowohl die Weißen" als auch die
Roten", waren nun darin einig, daß die
bisherige Auffassung von der Juden
frage einer gründlichen Revision unter
zogen werden müßte,' und die Zurück
stoßiing der Juden ein schwerer politi
scher Fehler gewesen sei. Damals, 1832,
verfaßte der Historiker Joachim Lele
wel, der Führer der Roten", sein be
rühmtes Manifest An das israelitische
Volk", in welchem er die Juden er
mahnte, alle die ihnen durch die Polen
zugefügte Unbill zu vergessen in Erin
iicrung an die glücklichen Zeiten, welche
sie in diesem Lande verbracht, und in der
Hoffnung, daß auch füt sie die Stunde
der .Freiheit schlage werde, die ihnen
nicht etwa die Wiener Pharaonc" oder
, der nordische Nebukadnczar",' sondern
ein freie? Polen bringen werde. Auch
an dem. entsetzlichen Wechselläuten der
Fesseln, das auf der langen, von Pein
und Leid gesättigten Wladimirka" er
soll, als die zarische Autokratie, mit dem
Aufstand von 1863 fertig geworden.
Tausende von Kämpfern nach den wei
ien Gefilden Sibiriens trieb, hatten die
Juden einen reichen Anteil und besiegel
ten auf diese Weise ihr Schicksal mit
dem Schicksal des zu Boden geworfenen
Polens.
Das lehrt die Geschichte der polnisch
jüdischen Beziehungen., Die Polen von
heute aber sollten sich nicht nur auf die
Verdienste ihrer Ahnen berufen und sich
mit ihren Lorbeeren zu schmücken suchen.
Es gilt, ihr Werk fortzusetzen, im eige
nen Interesse Polens, und auch der gro
ßen Zeit Rechnung zu tragen. Wir
leben in einer Sturm und Drang
epoche, die nicht nur wie einst die fran
zösische Revolution, die vroits . de
1 homme et du Citoyen, sondern das
Recht der Völker auf Selbstbestimmung
auf ihre Fahne geheftet hat; was aber
den Polen recht ist, muß den Juden bil
lig sein. Die polnischen Führer sollten
eben ihr? von altererbten Vorurteilen be
lastete Taktik aufgeben und die Juden
frage nicht nach dem Schema aus den
Zeiten ihrer Konsistorialverfassung , zu
lösen trachten, das seither zum unent
behrlichen Vokabelschatz aller polnischen
Reformaktionen geworden ist und ver
langt, daß die Gleichberechtigung der
Juden an die Voraussetzung ihrer na
tionalen Entäußerung geknüpft werde.
Nehmen doch selbst ernste Polen, die sog.
Polen jüdischen Bekenntnisses", die
Herren Natanson, Dickstein und Konsor
ten nicht ernst, die seinerzeit zu StolY
pin, dem Würger aller russischen Völker,
nach Petersburg pilgerten, um ihn zu
beschwören, den Juden Polens keine
Autonorniercchte zu oktroyieren, und die
neulich auch einen Bittgang, diesmal
natürlich nach Paris, unternahmen, wo
der Servikismus sich aber eine kräftige
Schlappe zugezogen hat. Diese Herren
aus der jüdischen Ksut finariee haben
ihre nationale Frage" durch Einhei
rat in polnische Familien gelöst und
kermcinen, daß die nationale Frage deS
jüdischen Volkes sich ebenso schmerzlos
aus der Welt schaffen läßt! Polnischer
Weitblick sollte nun die jüdischen Nar
ren eines besseren belehren: die nationa
len Rechte sind heute eine Elementar
forderung, die nichts verhindern kann,
sich durchzusetzen. Und auf der andern
Seite bilden sie keinesfalls die Gefahr
eineS Staates im Staate, vielmehr sind
sie geeignet, dem nationalistischen Hader
die Spitze abzubrechen und einen ,As
gleich herbeizuführen, unter welchem Po
len erst gedeihen und sein Stern erstrah
len wird. .
Noch ist es vielleicht nicht zu spät, dem
blutigen Pogromstrom Einhalt zu, ge
bieten, der sich über ganz Polen ergoß.
Heute, da es seine Einheit und Unab
hängigkcit schmiedet, was zieht denn
Polen vor: durch Toleranz und Gerech
tigkeit jüdische Mitbürger zu erziehen,
die ihrer eigenen nationalen Kultur er
geben, auch dem Lande ihre Treue und
Liebe bewahrten, wie der - Rabbiner
Meisels, von dem ein Zeitgenosse sagte,
daß auf seine Wangen Röte tritt,
wenn er von Krakau, dem alten Sitze
der polnischen Könige, spricht", oder soll
auch in der Zukunft im neuen Polen,
der Jude, wie jener Held in Mendel
EdanÄi" der polnischen Dichterin Ma
ria Koiiopnickck. al8 das EegebmS feineS
ganzen Lebens aussprechen: Mein Herz
l'at sich öon dieser Siadt abgewendet"?
'Und ist vollends Polen innerlich der
iiiaßen eiiifsikrickikt mäcbtig. daß es
sich nicht niehr um dai Urteil' der Wett
,! kümmern braucht, die dock keine
tffl'uV- iii ni( l V'iilaU .'.nninii
Palästina aU . . -RsWsffgebZe-k,
Die HandelSbeilaze der London
.Time!" befGftigte sich vor einiger Zeit'
mit den wirtschaftlichen Aussicht: Pa,
lästina!. Nach einer eingehenderen Be
sprechung der noch vorhandenen land
wirtschaftlichen Möglichkeiten, verweist
der Artikekschreiber auf die im Lande be
findllchen organische und Mineralen
Rohstoffe. Zunächst wird festgestellt,
daß da! Land bedeutende Mengen fein
sie Olivenöl erzeiigt und daß diese!
Oel außer zu Speisczwecken und für
den .ErPort' auch rwch zur Fabrikation
vorzüglicher Waschseifen verwendet wird,
welche in ' Friedenszcite in Aegypten
einen guten Markt .fanden und hie und
da auch nach Europa gelangten. Da der
Preis der Seife und de! Oel! in nor
malen Zeiten ein sehr mäßiger ist, k
steht die Möglichkeit einer,-weiter Au!
dehnung der Ausfuhr nach entfernterem
Ländern. Der berühmte australifche
Eukalyptus gedeih 'in Palästina vor
züglich jind dient zur Entwässerung
sumpfiger Strecken, kann aber auch zur
Herstellung des in Handel und Apotheke
gleich , wichtigen Eukalyptusöls benutzt
werden. Der Maulbeerbaum, welcher in
Palästina ebenso wie in ganz Syrien
heimisch ist, ermöglicht eine ausgedehnt
Seidenkultur. die in S.Yrie bekanntlich
zu großer Bedeutung gelangt ist. Dak
Zuckerrohr wird gegenwärtig nur spar
lich kultiviert, kann aber ebenso wie d
Baumwolle in der subtropischen Jordan
Niederung stark vermehrt werden, wenn
auch die große Nähe Aegyptenk irrst fei
nen ausgedehnte Baumwoll ut;d Zu?
kerrohrplantagen eine- solche Kultur in
Palästina etivaS benachteiligen müßte.
All diese Reichtümer sind noch starker
Vermehrnng und Verfeinerung fähig und
bieten für die Gründung entsprechender
Industrien aiissichtsdolle Möglichkeiten.
WaS den Mineralreichtum Palästina
anbetrifft, so muß zunächst bemerkt
werden, daß die geologische und nament
lich mineralogische Struktur de! Heiligen
Landes noch ziemlich unbekannt ' stnd.
Immerhin soll daran erinnert werden,
daß Palästina einst eine stark auSge
baute eigene, Metallindustrie besaß (na
mentlich in den Küstenfireifen, , so in
Philistäa) und daß, auch heute dem
Touristen fast überall Schwefel-, Gips
und Quartzlager begegnen, auch Alaba
sier ist nicht selten. Ausgedehnte Schich
ten von. Pottasche, ' verschieden. Brom
und Jodzusammensetzungen sind, neben
Petroleumquellen, an den Abhängen de!
Toten Meeres vorhanden. DaS judäifche
Gebirge und daS Tote Meer sind mit
Afphaltmassen durchsetzt, die einst gute
Ausbeute fanden und auch in Zukunft
eine einträgliche Industrie ermöglichen
könnten.', Oestlich deS Jordans, in dem
so wenig erforschten und erschlossenen
Ostjotdanien, ' befinden sich bedeutende
Phosphatadern, die für die Kunstdllng.
Mittelfabrikation in Betracht kommen.
Diese hier aufgezählten Minerale bil
den nur einen Teil der Bodenschätze des
Heiligen Landes; der Basaltstcin, wel
eher in Galiläa und, Ostjordanien mei
lenweit seine mctallchwarze und glän
zende Oberflache zeigt, kann natürlich
auch zu industrielle Zwecken verwendet
werden, enthält er doch . sogar biS zu
20 Prozent reines Eisen. , Heute wird
er als Baustein gebraucht, und wer in
Galiläa reist, ist, staunt, zu sehen, daß
alle Kolonien und Dörfer von der Ferne
wie schwarze Vogelnester an den Hügeln
hängen. Daneben kommt der Wasser
rcichtum und daS starke Gefälle am Jor
dan, Litani, Audscha, Jarmuk und an
derer Wasserlaufe, die zu Kraft und
Beleuchtungszwccken sür daS ganze Land
verwertet werden könnten. . Alles in
allem kann gesagt werden, daß Palästina
unter der kommenden modernen Vermal
tung eine förmliche wirtschaftliche Revo
lution Durchzumachen berufen ist, die
ihm in einigen Jahren ermöglichen wird,
auf dem Weltmarkt eine nicht unangese
hene Stellung einzunehmen und sowohl
als Produzent wie als Abnehmer fiU
Westeuropa und Vorderasien in Betracht
zu komme. ? , ?
Deutsche Wisscnfchaftspflcge. j
Von der preußischen Akademie de
Wissenschaften wurden zu wissenschaftk.
liehen Untersuchungen 57.600 Mark be
willigt, und zwar durch die philosV
phisch-historische Klasse dem Berliner
Historiker Prof. Dr. Hintze zur Fort
führung der Herausgabe der Politischen
Korrespondenz Friedrichs de! Große
mo Mark; zur Fortführung der Ar
bäten der Orientalischen Kommission
4000 Mark; zur Fortführung der Ar
beiten der Deutschen .Kommission 4000
Mark; für die Bearbeitung de It.
5uru5 Irngwi Latinae über den
planmäßigen Beitrag von 8000 hinaus,
noch 1000 Mark; für daS Wörterbuch
der ägyptischen Sprache 5000 Mark; ,ur
Bearbeitung der hieroglyphischen Jn
schriften der griechisch-römischei, Epoche,
für Wörterbuch der ägyptischen Sprache
1500; .durch die physikalisch-mathema s
.tische Klasse zur Fortführung de! Unt
nehmens. Das Ziemich" 400 zur,
Fortführung deS 'Xomenclstor axii-j
lr.nlimn . generum et fmbgcnenun
3000; dem Direktor de! Botanischen
Garten! Pros. Dr. Engler (Berlin) zur
Fortführung de! Werke! .Da! Pflaa
zenre ich" 2300; dem Verlag de! Jahr
buches für die Fortschritte der Mathe
matif. 5000 ; dem Privatdozenten fiitj
Botanik an der Berliner Universität Dr.',
Hermann von Guttenberg für Unter '
fuchungen über den Einfluß de! Lichte! '.
auf die Mattstellung du Pflanzen 800 ;
Mark. - , '
' , .'.,,. , i ;
eine! Georg Brande!: .Mit Wehmut
und ohne irgend einen t'nftlg m aewär I
tigen. schließe ich mich km, Proteste ge
fteit die Judenpogrome in Polen nd
Galizien an., Jede Hoffnung die der
jeniae. der. O.Jahre lang Fürsprecher
für Polens. Unabhängigkeit war, auf di
'Nns.n nti durn.H.. ..5. .'.tim'.tK&.S
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Volk setzt.-, ist un. zusaMssb5
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