Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 30, 1919, Image 2

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M0t Lha Tr!ttt
Aiw der WMngenßeit des
V Wolschewismus in Mgarn.
(ZIeue ?ie Vccsse.) " i "
W ien. 4. August.
Zudlich ist die ungarisch Räteiegi.
mtfVit so viel Unhnl übn ihr igene
a.'qiio heraufbeschworen, gefallen lci
tec viel zu spät. Millionen ünti Mil
lionen atmen erleichcZt auf, wie auZ
einem wüsten Traum, befreit von dem
' schweren Alp. der sie Monale hindurch
bedrückte. ES dürfte nicht ohne In
tereffe sein, Telbsterlebtes au dem der
gangeneil Somjetungarn al& Beitrag zu
dessen Charakteristik zu bieten.
Wer die Erfüllunss-der bolschewlstr.
scheu Verheißungen in Ungarn erlebte,
wer den wirtschaftlichen Zusammenbruch
dieses einst blühenden uns reichen Lern
. des mitmachte, den maßlosen 'Egoismus
die Servilität, den Zkepotismus vor
allem der Götter minderen Ranges ge
- sehen, wer Zeuge war. wir das Volk in
i Aemtern und bei Behörden über die
jenigen urteilte, die in seinem Namen
und in seinem: Tienst regierten, hat
solche Anschauungen, wenn er sie je be-
. sesscn. längst verloren. Tas Unwesen
der Protektion. daS Chaos in den Acrtt
' tcrn nahm so gewaltige Dimensionen an.
raß der in einer Sowjctschung unter
' breitete Antrag, eine sosoltizc U..ier.
y suchung gegen, die plötzlich in den Aem
iern zur Macht gelangten jugendltchen
. Halbgötter einzuleiten, großen Beifall in
der Versammlung fand. Der Antrag.
'-' dessen Spitze sich gegen die Nätmgierunz
selbst richtete, gelangte damals nur des
bald nicht zur Ausführung, weil JaloS
- Welwer. einer der Führer der alten So
zialdemokratie. den Sowjet durch die
- Bemerkung besänftigte, der neue Aus.
schuß der Hundertfünfzig werde die Ar
' beit der Purifiz?erung ohnedicZ in !ur.
- zer Zeit durchführen. Aber auch Welt
er war gezwungen, zuzugeben, die Pro
Mti nehme überHand und die Klage,
die neue Bureaukratie sei schlechter wie
die alte, wäre nicht unberechtigt. Allein,
nichts geschah zur Besserung der Ver
' Ziältnisse, nd es konnte auch nichts ge
schehen. Denn gerade jene Elemente.
die man gern vertrieben haben wurde,
hatten ihr. Schicksal mit der Räieregie
rung verbunden und bildeten deren un
entbehrliche Stütze. -
Die Volksbeauftragteir und Führer
- der ungarische Bolschewisten können
' naturgemäß nicht mit einem Matzstab.
emcssen werden. Ein ewbeitNcheZ und
f cllcernein gültiges Urteil über sie Ware
- ein Irrtum und ein Fehler. Die Be
weggnlnde. die viele Menschen m den
! Dienst ein Sache führen, weiche zu,
'.meist weit stärker voneinander b, m- -pdie
Gemeinsamkeit des Zieles erwarten,
ließe. Unter den ungarischen Volksbe
'ausiraztzn gab 5 Wirtschaftspolitiker,
die fest von dn Durchführbarkeit ihrer.
Pläne glaubt?." Andere, ton der blötz.
-liehe Machtfülle berauscht, bemühte
.sich aber ohn innere Ueberzeugung, die
- ihnen übertragenen Aufgaben zu losen.
: Auch fehlte es nicht an solchen, die. wie
den Bauer Nyisztor, einen der klügste
und schlauesten Köpfe der Rateregierung,
,'daS politische System gleichguüig ließ,
und der ohne Rücksicht auf die allgemeine
- Situation' nur bestrebt war. die Znteres
fen der kleinen Bauern zur Geltung: zu
bringen. - - - ,
Diese Männer aber hielte sich meist
"Im Hintergrunde der Ereignisse. Den
"Schauplatz beherrschten die politischen
Wolksbeauftragten, Männer, die cräfc
' tenteilz wenig arbeiteten, aber viel rede
' ten und viel beachtet wurden. Am we
''igften sprich man in der OeffentLch.
' keit von Alexander Garbai, dem Präsi
' dente der Räteregierung. Alle Welt
' wußte, das; seine hohe Würde sowohl
seiner nicht unbedeutenden Popularität
' und Redefertigkeit, sowie fein völligen
Ungefährlichkeit verdankte. Ei Vertre
ie, der ländNchen Bevölkerung sagte voll
aeheuchelter Einfalt in einer Soviet
' sitzunz. er könne nicht verstehen wieso
, Garbai der Präsident sei nd doch im
mer nur von einer Regierung Ku ge
- ' sprechen werde. Aber daj äußere An
- sehen, daf er genoß, tröstete den Präsi.
dente über seine völlige Machtlosigkeit.
Auch Wilhelm Böhm, der derzeitige un
" arische Gesandte in Wien, war nur dem
; Namen nach Oberkommandierender. ES
', ist schwer zu erkenne, wie weit sich die
ser ehemalige Führer der alten sozial
demokratischen Partei innnsich mit den
'egenwäriigen Ereignisse identifizierte.
-. Vom Metallarbeiter, der er einst war,
r brachte er eS jedenfalls zu einer der hoch
i- sie und einflußreichste Etellea in der
f neuen Tera. , Nichts att unbegrenzter
Ehrgeiz kettete den ehemalige Präsiden
Vfcn des SoldatenrateS Pogany an die
Räteregierung. Weder seine Fähigkeiten
?noch feine Ueberzeugungen rechtfertige
' die Rolle, die er spielt. Tzamueld. der
"- sich selbst erichtet. verglich mag oft mit
"! Wsrat. Aber Marat war 43 Iah
; elt. als die groß!, Revolution usbrach.
- und er hatte lange vorher schon in Wort
f und Schrift gegen den Despotismus und
für die Befreiung deZ Sorte gekämpft.
.i Lz-muely dagegen war 27 Jahre alt,
und seine kommunistischen Ideen stamm'
- te er uS seiner Gefangenschaft in
trüf lanb. Auch war Marat ei snNrr
' lich und äußerlich brutaler Mensch, wälz
regd Ezamuely sich im Lerichr liebenZ
t?ü:dig Zeigte und auf de erste Blick
einen harmlosen Eindruck macht?. - Sein
.?ikn verriet Uhit angeborene Grau
, samleit. ober auch keine Fähigkeit, die
iz, berechtigen würde, sich über die Men
. z stellen und willkürlich daZ Leben
niiderer zu vernichten. Dgl Furchtbs
. n ihn war. daß sich feine grausamen
Ln?!in!te mit völlige, UrteilswsizZeit
und geistiger Unbedtute?,dhtit vaerte
und so das SchiiZsal deZ Zutätl in der'
tir.d des Mannes lag, der. nicht von
'raendwclchen tieferen Beweggründen
'';'r, sich schweren Herzens zu not
. .,..'.zm Blutopfern kntsHles;.' sondern'
d-r l!:mmui'gs!c!s! seinen Trieben folgt
nd dem der."Tcd dn Msch, Y'-i tt
Selbsterlebtes von einem Ungar.
aus eigene Verantwortung ohne Urteils
spruch hinrichten läßt, auch nicht sür
inen Augenblick die Ruh oder den
Schlaf z stören vermag. Die lchten
Gründe seiner Handlungen verloren sich
im Wnormalcn. Nur törichte Leute
-mnnen ihn einen Kommunisten. Ueber
Zeugungen werden nur durch Kenntnisse
, uud Urteilskraft gewonnen. Der Weg,
der Szamuely zum Kommunismus und
-i die Höhe führte, war die Freundschaft
mit Bela Kun. Wenn das Geschick es
gewollt hätte, wäre er ebenso der Scher
ge eines russischen Autokraten gewor
den. wie, er jetzt der Henkersknecht des
Bolschewismus wer Im Kampf für
das Proletariat fpielte dieses für ihn die
letzte Rolle. Darin befand er sich im
Gegezisatz zu Bela Bago. dem einzigen
wirklichen Idealisten in der Rätcrcgie
rung.
ÄS der bedeutendste unter den Volks
beauistragten und ihr einziger wirklich
politUcher Kopf muß Bela Kun bezcich
net Mrden.', .n Grunde seiner Seele ist
Kun ebensowenig absoluter Idealist wie
gewölinlicher Voltsbetrüger. Politik ist,
für seine Person keine Angelegenheii
des Gefühles, sondern des Perstan
des. ' Der Kopf gönnt bei ihm dem
Herze nur einen geringen Spielraum.
Er htte einen fanatisch wilden Glauben
an da, baldigen Ausbruch der Welt
rcvoluZion. der ihm in Rußland in die
Seele gepflanzt worden. Alle Argu
rnente und Gcgengründe. die Anders
denkende über diesen Gegenstand giltend
machnt. gleiten wirkungslos von ihm.
ab. Weder der Mißerfolg seiner eige
nm Politik, noch die Abkehr der ungari
schen Arbeiter von seinem System iön,
nen ih hierin wankend machen. .Die
RevoZuLon ist überall', sagte er, ,in
Wien, m Paris, in Berlin und London,
man' maß nur den Zündstoff haben, sie
in Flammen zu fetzen." u Diesen Zünd
stoff zu erhalten, und sei es nur als
Glut unter der Asche, hält er für seine
und LminS historische Aufgabe. Die
vollständige Verkennung der tatsächlichen
Verhältnisse, das starrsinnige Festhalten
an der einmal ' bestimmten Richtung
find Merkmale seines Wesens. In fei
nem abstoßend häßlichen Gesicht sucht
Man vergebens nach einem Kennzeichen
geistiger Ueberlegenlzeit. Die, gründ
legenden Ideen feines ' Systems ; sind
nicht originell, sogdem getreu von Le
in übernommen. Seine ganze Politik
ist nichts anderes. alZ eine ständige Va
rürunc, der Taktik LenigS - UU Brest
Litowsk. Aber er ist ein' starker, vitaler
Mensch, der durch Energie und Arbeits
kraft aus die Menschen wirkte. Durch
seinen Fanatismus riß er die Zuhörer
mit sich fort, obttob! er ein ungewöhnlich
schlechter Redner ist. Er verwirrt den'
Aufbau und Zusammenhang feiner
Sätze, findet keinen Ausweg aus ihnen
und nimmt daun Wahllok seine Zuflucht
zu 'den niedrigsten Phrasen. Milche
Rolle der Ehrgeiz bei seinen Handlun
gen fpielte, läßt sich nicht ergründen.
Alle diese Männer und ihre Organe
lehrten, daß die Rechtfertigung und der
Kern ihrer Politik die Diktatur des
Proletariats bilde. Allein die Diktatur
des Proletariats ist nur em leeres
Work, ein bloßer Begriff. Leicht ist es,
zu sagen, daß daS Volk die Herrschaft
an sich reißen werde, schwer dagegen, zu
erklären, wie diese Diktatur tatsächlich
ausgeübt und durchgeführt werden soll.
Jede Verfassungsiheorie muß erst in
Formen gezwängt und praktisch gestaltet
Werden, soll sie fähig fein, Gezetze zu
schaffen und daS tägliche Leben zu re
gel. DaS Prinzip allein vermag nicht
zu regieren.
Die ungarische Räterepublik bestand
zwei volle Monate ohne eine gewählte
Vertretung deS Proletariats. In dieser
Zeit übte die Diktatur eine Anzahl von
Männern aus. die niemandem Rechen
schaft ablegten. In einzelnen Ressorts
gab eS mehrere Bolksbeauftragte. von
denen jeder selbständig Beifügungen
erließ. Im Namen deS Proletariats
wurden in einem Tage Verfügungen
dreimal geändert und dreimal widerru
fen. Anfang Juni traten endlich der
Landeskongnß der sozialistischen Partei
und der neugcwählte Sowjet in Buda
Pest zusammen, die beide als gewählte
Bertntungen deZ ungarischen Prokta
riats gelten konnten. Sie wurden mit
großen Feierlichkeiten eröffnet. Im
Hintergrunde der ganzen Lage lauerten
jedoch unlösbare Probleme. Der Ge
gensatz zwischen Stadt und Land war
zu groß, um durch Tauschgeschäfte aus
geglichen, die Kluft zwischen den alten
Sozialdemokraten und den Kommuni
sten zu tief, um durch Verhandlungen
überbrückt zu werden. Eine natürliche
Gegnerschaft herrschte auch zwischen den
gewählten Vertretern deS Proletariats
und den VoLsbeauftragten, die bisher
in unbeschränktem Besitze der Macht ge
Wesen waren, und diese nunmehr mit
Räten teile sollten.
Auf dem Landeskongnß der sozialifti
fchent Partei trat dieser Gegensatz zum
erstem mal unverhüllt zutage. Die Wahl
des ime Parteivorstandes siand auf
der ' Tagesordnung. Die offizielle Lifte
schlu , Männer aller Schattierungen der
Parti vor. Unter dem Einflüsse Welt.
nerÄ und KunsiS jedoch, de, sich damals
fchor wieder der gemäßigten Richtung
angeschlossen harte, wurden jene ehema
lige S?zialdemokk!eg, die sich, wie
Bskanyi nd Pogany, in der neuen
Lera in wUtende Kommunisten verwan
delt hatte, riedergeftimmt und an ihn
Stell iemär-iztt Sozialifwl gewählt.
Ttt Sturm, en dieset Wahlergebnis
hervorrief, war Ungeheuer., Die Wahl
selbst aber .war acchtsgült!g und vom
Standpunkie der leldstzeschaffenen Ge
setze unqnareifbar.I In. dicKiNÄllzen,
"Bliese enthüllte M das wahre Antlitz
der Diktatur d-s Proletariats. Bela
K;;n maefeU die. ihcitcftcit Anftren
fiungtn, seine Position zu retten. Er
erkannte die Gefahr, die ihm und seinem
System durch die Abstimmung drohte.
Niemals feit -ihrem Bestand war die
Diktatur dem Sturze so nahe wie da.
malZ. Während die Menschen erregt in
den Gangen durcheinander liefen, han
delt Bela Kun. Zuerst gewann er
den Armeekommandanten Böhm für sich.
Dieser erschien auf der Rednertribüne
und rief den Räten zu. die Rote Armee
werde die Front verlassen und sich auf.
losen, sobald die eben erfolgte Abstim
mung belannt würde. Kun, Bago und
sämtliche Z!ommuniste erklärten, lieber
zurückzutreten, als sich fügen zu wollen.
Ein; solche Wirkung hatten die Füh.
ttt der gemäßigten Sozialisien nicht
vorausgesehen. Infolge so heftiger Agi.
tation begannen sie kleinmütig zu wer
dc und aabeu schlieklick nack. Dit
Wahl wurde unter dem Vorwande. die '
limmzellel hatten Nicht die gleiche
Größe gehabt, annulliert. Im neuen
Wahlgange siegte die offizielle Liltc.
Später rühmte sich Bela Kun, per
sönlich die Palastrevolution nicderge
worfcn zu haben. Den Blättern wurde
nur die Mitteilung gestattet, die erste
Wahl sei eines Formfehlers wegen an
nullieri word.-n. Die Rätcregierung
fürchtete nicht, die Bourgeoisie könne die
Ereignisse erfahren, sie trachtete nur. der
sozialistischen Arbeiterschaft 'zu derber
gen, auf welche Weis die Parteileitung
gewählt worden war.
Auch die Verhandlungen, die im
Sowjet über die äußere Politik stattfan
den. (eben ein klares Bild von der
wirklichen Natur der Proletaricrdikta
tur. Nach langatmigen und lcidenschast
lichen wirtfck'eftlichen Debatten hatte
man sich endlich entschlossen, in die Be
fprechung der allgemeinen Politischen
Lage einzutreten. Den Anlaß hierzu
bildete die Depesche Elemenceaus. die die
definitiven Grenzen Ungarns festsetzte.
Dieselbe Regierung. ' der - die alte Ge
heimTiplomatie ein Greuel war. hatte
die Note Elemenceaus ur.d die darauf
rteilte Antwort der Rätcregierung sechs
Tage lang zurückgehalten. Kein aus
ländisches Blatt wurde in dieser Zeit
über die Grenze gelassen, um so jede
Nachricht aus dem Auslande zu unter
binden., Am Morgen des siebenten Ta
ges durften 'die ungarischen Zeitungen
endlich die beiderseitige Noten veröf
fentlichen, und um 10 Uhr vormittags
desselben Tages , begann im Sow
jct die Beratung über die auswärtige
Politik ..Jedermann stand untZr d.'m
niederschmetternden Eindrucke der Rote
Clemenuaus. In dieser trostlosen Lage
eröffnete BelaKun mit feinem Expofö die
DebaUe.,, ,Er setzte die äußere Situation
in einer langen Rede auseinander, die
erfüllt war von Phrasen. Lügen, bru
talen Angriffen gegen das Bürgertum
und det leidenschaftlichen Prophezeiung
des Herannahen! der Weltrcvoluiioiv
Die Frage, um deren BkÄNtwortung er
den Sowjet zu bitten schien, war, ob
man den Drohungen Elemenceaus nach
geben solle der nicht. Er seinerseits be
fürwortete Nachgeben und Unterwerfung,
um Zeit zu gewinnen, ebenso wie eS die,
Russen bei Brest-Litowsk getan hatten.
Nach ihm erhob sich Kunfi und unter
stützte die Argumentationen Kuns. Po
gany und Szamuely jedoch widersetzte
sich jedem Nachgeben auss schärfste. Sie
forderten Widerstand und die Fortsetzung
des Kampfes bis zum Aeußersten. Die
Versammlung der Räte horchte begierig
den Worten der Volksbeauftragten. Die
Feldarbeiter, die sich bis jetzt nur um
ihre eigenen unbedeutenden Angelegen
heitcn hatten kümmern dürfen, die Ar
beiter, die . unter den früheren Regie
runaen mit Gewalt und unrechtmäßiger
weise von den Entscheidungen deS öfftnk
lichen Lebens ferngehalten worden wa
ren, waren un endlich Teilnehmer an
einer großen 'Debatte, die über daS
Schicksal deS Volkes entscheiden sollte.
Die Räte sahen nicht, wie sie in doppelter
Hinsicht betrogen waren. ES siel ihnen
nicht auf, daß die Entscheidung über die
vorgelegte Frage durch die Antwort
KunS an Clemenceau längst gefalle
war. Sie merkten richt, daß ihr der
spöteteS Urteil nichts mehr au der Ent
Wicklung der Ereignisse ändern könne.
Und sie ahnten nicht, daß. was sie für
eine ernste, bedeutende Debatte hielten,
nichts anderes war als eine Komödie,
die man vor ihnen aufführte, daß die
Volksbeauftragten. die sich gegenseitig
zu überzeugen suchten und für ihre Sache
voll scheinbarer Leidenschaft eintraten,
längst untereinander einig waren, und
dieses kleine Spiel mit verteilten Rok
len nur spielten, um die Verhandlungen
nicht auS ihre Hände gleite zu las
sen und den Sowjet-Mitgliedern den
Ernst und die Gründlichkeit ihrer Er
wägungen zum Bewußtsein zu bringen.
Die Opposition PoganyS und Szamue
lys war ebenso vorher abgekartet wie
deren fchlicßlichkS Nachgeben. Nach einer
Replik KunS wurde fein Antrag inftim
mig angenommen. Damit war da Zu
sammenspiel der Beteiligten deutlich be
wiesen. Weder die Worte KunS noch
die KunsiS waren fs .hinreißend, die
positioncllcn Redner pl'g'.lich zu einer
entgegengesetzten Ueberzeugung bewegen
zu können. , Auch wr im Laufe der De,
batte kein neues Moment aufgetaucht
da; den Wechsel der Gesinnung hätte er
klären können. Ja. de Worte Sza
muelyS und Poganys folg lauter Bei
fall, der zeigte, daß diele der Anwesen
den bereit gewesen wären, für die Fort
setzung deS Kampfes zu stimmen. Tit
oppositionellen Bolksbesuftragten hätten
die Macht besessen, zumindest tt ein
stimmige Annahme deS Kunsche Antra
ges zu verhinder. wenn sie ti mit ihre
Erklärungen ernst gemeint hätten. -
Das Ueberfl,icht der Rätcregierung
über den Sjei wurzelte in der Gene,
sii der kommunistisch? Rifelutien.
Nicht das ungarisch Prolewiat ha i
schweren Kämpfer, die Macht a sich ge
rissen, sondern wenige Männer einigten
sich in tiner Nachfdie. Nkgierurg zu
übernehmen, und einer dieser Männer
vor allem überredete Michael Karolyl,
zugunsten de. Proletariats abzudanken.
Nichk das Proletariat, nicht seine er
wählten Vertreter übertrugen die gesetz
gebend öewalt den Bolltbeaustragten,
sondern diese regierten mehr als zwei
Monate hindurch au eigener Machtvoll
kommenheit und ohne jede Aerantwor
tung. Sie schufen allein den Grundbau
zur weiteren Tätigkeit, sie schlössen de
entscheidenden Bund mit Rußland und
riefen jenes Wahlgesetz ins Leben, auf
Grundlage dessen der Sowjet zusam
mentrat. Wa! immer der Sowjct auch
tun mochte und konnte, er blieb stets da
Geschöpf der Volksbeauftragten -und sie
die Helden und Führer der kommunikii
schen Revolution. Sa schrumpfte' die
Diktatur des Proletariat zusammen zu
lncr Dlklalur der Bolksdeaustragten.
Wer bcha,!ptct. diese wurde im Interesse
deS Proletariats ausrechtcrhalic. verrät
gänzliche Unkenntnis oder sucht Unwahr
heilen zu verbreiten'.
Schon geraum Zeit vor ihrem Sturze
gab es in Ungarn noch weniger Kcmmu
nisten, noch weniger Anhänger der Räte
republik, noch weniger Verfechter der
Diktatur bei Proletariats als vor dem
21. März. Damals waren - einzelne
Teile der bauptstädtifen Levölkerimg
ükzeugt. du'ch die AuZrufunq der
Räterepublik köi'ne mit einem Schlage
allen inn:ren und äußeren Uebeln deö
Landes geholfen werden. Schon zu jener
Zeit jcdech war die Leöknslrast der iom
muniflischcn Revolution ein: geringe.
Die Uüeitsch!osse7,heit der Regierung
KarolyiS. die e nicht wagte, der svfte
malischen Aufwiegelung dc: Arbeiter
schaft ein Ende zu macken urd die Frei
heit der Lsfen!liclcn Meinung und de!
öffcrtlichcg LenZ zu siöcrn. sowie der
tiefe Widerwille, den das ganze naüo
7,ale Ungarn gegen die Person ur,d da?
Regime dieses ManneZ empfand, mach
ten ihr freie Bahn. Kein ungarischer
Bürger oder Bauer sah sich bewogen,
den Sliirz dieser Regierung zu verhin
der. Co kam tt, daß die von wenigen
Männern geleitete und von geringe
Massen unterstützte kommunistische Re
volutien siegreich vorwärts stürmte.
Seither wurden ohne Erbarmen oll
jene Illusionen zerstört, die in den Kö
pf-n und Herzen der leichtgläubigen'
Menge lebten. DaS ideale sorgenlose
Dasein, das man dem Proletariat der
sprachen hatte, war nicht verwirklicht
worden, die erträumten Reichtümer ent
puppten sich als trügerisches Gaukelbild.
Die Räteregicrung heischt in ihrem
Staat ebenso harte Arbeit wie der Ka.
pitalismus in dem seiniczen. Der Ar,
beitszwaug war eine Waffe, die drohend
gcg:n das Bürgertum geschwungen
wurde, aber daS Proletariat traf. DaS
Türserlum wurde nur dort zur Arbeit
zugelassen, wo man seiner benötigte,
sonst jagte man eS zum Teufel. Der
Arbeiter dag.'gcn, der wußte, daß die
Räteregicrung oh ihn nicht atmen
konnte, der sich nicht vor drohender Ent
lassung fürchten mußte, nützte diese Lage
mit allen Kräften. Nie wurde in Un
garn weniger gearbeitet wie feit der
Einführung des Arbeitszwanges. Der
ungarische Arbeiter, der auch im Kriege
gewohnt war. sich und seine Familie an
ständig zu ernähren, hatte jcht oft nicht
genug, sich satt zu essen. Lersprechun,
gen waren das einzige, das ihm von
Morgen bis Abend aufgetischt wurde.
Seinen Lohn erhielt er in weißem Gelde,
für das ek sich schon in den nächsten
Dörfer auch nicht einen Bissen Brot
verschaffen konnte. In den Orten, die
er am Zonntag besuchte, um sich von de,n
Mühen der Woche zu erholen, herrschte
Hungersnot. Er wußte, daß man den
Wein, den der Boden Ungarns hervor
bringt, ihm vorenthielt und als weitvo!
leg Tauschobjekt inS Ausland sendete.
Die stetig anwachsende Feindschaft der
Bauern gegen die Städte als Sitz des
Kommunismus erschwerte die Lage der
Arbeiter noch mehr.
In den Verhandlungen. deZ Sowjet
standen sich Stadt und Land als Tod
feinde gegenüber. Die Lauernverirekr
begegneten den Städtern mit unverheh
kener Verachtung, kritisierte unbarm
herzig die Personen und Verfügungen
der Räteregierung und suchten im Be
wußtscin ihrer ' Mächt, der Hauptstadt
ihre Lebensmeise vorzuschreiben. In ohn
nächtigem Zorn bäumten sich die siädti
schen Räte gegen die Uebermacht deS
Landes in wirtschaftlichen Fragen auf.
Wer hätte in .einem solchen ChasS
noch an da Beglückende und an die
Möglichkeit des Kommunismus über
Haupt glauben sollen? Die ungarischen
Bolschemisten konnten sich keiner einzigen
Tat seit dem 21, März rühmen, durch
die sie die Massen deS Volke stärker s
sich gefesselt, hätten. Sie nahmen die
Bedingungen der Entente an. die selbst
der Regierung Karolyi zu schmählich
schienen. Tausende von Arbeitern opfer
ten sie in einem blutigen Fcldjug, um
schließlich dessen Gewinnst ohne einen
Schwertstreich wieder herzugeben. Sie
zerstörten das wirtschaftliche und finan
,ielle Leben deS Landes gänzlich und
riefen bittere Rot und tiefgehende Vtt
zweiflung in der Bevölkerung hervor.
Nicht die Treue oder Ueberzeugungskraft
ihre Anhänger, sondern die Angst ineS
Teiles der Arbeiierschast vor der Wieder
ausrichtung der Reaktion, die Furcht vor
dem Terror in den eigenen Reihen, die
persönlichen Interessen derjenige, die
durch sie zu Macht und Reichtum gelang
ten. die stille Hoffnung det großen Mas
fen des Bolkes, daS ganze System auch
ohne blutige Kämpfe zusammenstürzen
zu sehen, bewahrten die Räteregierung so
lange vor dem Zusammenbruch. Diesen
Gründni nd Kräften verdankten sie
auch den schließlich? Sieg über die letzte
Gegenrevolution in Budapest, die bei
weitem nicht s ungefährlich war, wie sie
di, Regierung später darzuftellea sucht.
Als sich in den NschmHtagsstunde die
Nachricht von dem Ausbruch der natis
na'en Gegenrevolutisn in der Stadt bez
treitetk, rrar die Begeisterung der gan
zeit Bevölkerung, ntee de Arbeitern
ebenso wie im Bürgertum, unbeschreib
lich. Tas lang unterdrückte nationale
Gefühl brach sich endlich Bahn. Die
Aunntage in
von
,..
(Atat Lurche Zelliing)
. s. Nvmbr 1918. Die Mor
genzeitungen hatten die Proklamation
der Republik gebracht. Der König war
geflohen. In dc Straße der Stadt
stauten sich die Mengen bei Volke vor
den Litfaßsäulen, wo die blutroten Zet
' tcl des Arbeiter und Soldateorate den
Beginn einer neuen Zeit verkündeten.
Arbeiter. Bauern, Soldaten! Nuy ist
e an euch!"
In d Universität gingen die Wellen
hoch. ES galt die 'Bildung einet Stu
dentengarde. Auf. 11 Uhr vormittag
wurde die Studentenschast in große
Auditorium berufen. ES war schon eine
halbe Stund zuvor zum Bersten voll.
Eilig formiert sich in Ausschuß, und
als die -Versammlung endlich eröffnet
werden konnte, wurde ihr zur Vcrhand
lung die Frage vorgelegt: Wollen wir,
zur Aufrechterhaltung der Ordnung in
der Stadt, eine Garde bildcn. die Partei
los jedem Bedrängten zu Hilfe kommt?
G.llende Protcstrufe erhoben sich. Par
teilok? In dieser Stunde parteilos?
I dieser Stunde waren noch
95 Prozent d.r Studenten
auf feiten der Partei, die
eben aufgehört hatte, zu re
gieren.
Einer im Saale freilich wußte ein an
deres Bekenntnis in sich. Man hatte ihn
bisher in dem Getümmel um hie Redner
bllhne nicht allzu sehr bemerkt: Der Wer
trcter des Arbeiter und Eoldatcnratcs
Erich Mühsam. Er saß dort auf incm
Stuhl und wartete geduldig. Noch aber
war es feine Stunde nicht.
: Mcm stritt sich hin und her. Vertre
ter der Waffendünde wollten sofort den
!i,ampf gezen die Revolution. Sie san
den vielen Anklang. Doch fluch daS Un
erwartete geschah. Einer wagte de
Vorschlag, sich den neuen Machthabern
völlig anzuschließen. Er wurde unter
Zischen und Protest zurechtgewiesen. Da
zwischen steuerten die Jreistudenten, von
jeher die Liberale in der Alma mater,
ihr Cchifflein einer bewaffneten Neutra
lität zu. Man sah ihren Erfolg voraus.
Da ging die Türe, und einem plötz
lichen Stillschweigen folgte rasender Bei
fallsturm: Rektor und Senat erschienen.
Ter greise Rektor, der liebenswürdige
Philosoph KlemenS Baeumkex aS Pa'
dcrborn stand einx Weile wie betäubt vor
diesem ungewohnten Bilde des vor Lärm
erzitternden Saales.. Dann verkündete
der Vorsitzende, den bisherigen Redner
beiseite schiebend: .Das Wort hat seine
Megnisenz der , Herr Rektor!" Ein
erneuter 'Beifallftürm. Laeumkcr sprach
eindringlich und schön von der Einigkeit
der studierenden Jugend, von dem Schutz
des Vaterlandes unZ der großen Gefahr,
die über ihm lastete. Kein Wort von
Parteinahme zu den Ereignissen des
Tages. .Der Boden der Universität soll
allen heilig sein!" . stein Wort der Er
innerung an die Rolle der Studenten
schaft in der deutschen Geschichte. Ich
glaubt. eS wäre ohne Echo verklungen.
Der Geist, der im Saale herrschte, war
der Geist von 1870. und daS Revolutio
närste, waS in dieser Stunde von dc
Studenten verlangt werden konnte, war
die politische Indifferenz!
Rektor und Senat verließen den Saal.
Nun war die Reihe an M ü h s a m. Er
sprang von seinem Sitze aus, trat an das
Pult und zog seinen .mit einer mächtigen
roten Binde geschmückten Ucberrock auS.
ES war langsam heiß geworden im
Saale. Vereinzeltes Zischen erhob sich.
MühsamS starke Stimme, sein blenden
der Bortrag übertönte es. Die neue
Machthaber freuen sich, sagte er. von den
Studenten znr Wiederherstellung der
Ordnung Hilfe zu erhallen. Denn ich
kann es Ihnen nicht verschweigen: ei
wird geplündert in der Stadt. Wir aber
haben das nicht gewollt."
Da erhob sich hinten auf den letzten
Bänken der Tribüne ein hohlwangiger
Theologe und schrie mit lauter Stimme
in den Saal hinab: Die Geister, die ich
rief, die werd' ich nun nicht los!" Und
als hätte sie nur auf ein Signal gewar
tet, um sich zu äußern, so erhob sich blitz
schnell die ganze Zuhörerschaft zu einer '
einzigen ohrenbetäubenden Ovation für'
den mutige Schreier. Doch Mühsam
war nicht der Mann, sich dadurch ein
schüchtern zu lassen. Es wird geplün
dert" wiederholte r, .doch uns trifft
keine Schuld." Er legte den Standpunkt
des Soldatenrates dar: Ordnung und
Freiheit, sozialeReformenauch
für die Studentenschaft, vor
allem aber Schutz der Stadt.
" Nach mehrstündiger Verhandlung
einigte man sich endlich auf die Grün
dung einer Studentenwehr mit politi
fcher Neutralität. Am nächsten Tage
fällten die Waffen verteilt werden. ES
kam nicht so weit, da die neue Regierung
bald mit ihren .eigene Truppen Ord
kiung schuf. '
Ter Winter verging. In München
herrschte Ruhe, und man gewöhnte sich
bald an die neuen Verhältnisse. Lang
sam auch brach sich in vielen Köpfen
die Ueberzeugung durch, daß daS grcn
roten Fahnen wurden überall herabge
rissen und durch d! ungarische Trikolore
ersetzt. .Die Leute jubelten sich in den
Straßen zu. Aber das Frohlocken war
verfrüht. Gegen Abend war der Putsch
mißlungen. Schon Tage vorher hatte die
Rätcregierung Kenntnis erhalten von
gegenrevolutionättn Vorbereitungen und
Zeit gefunden, die nötigen Gegenmaß.
regeln zu trefft. Auch hatte e dem
Bürgertum an den nötigen Waffen ge
mangelt und einzelne Kategorien der Ar
beilerfchaft, die gewonnen waren, der
loren im letzte! Augenblick den Mut und
blieben untätig Die Bolschewisten da
gegen, die wußten, daß sie für ihr Leben
kämpften, legten zwar weniger Tapfer
k.it, ab wehr Energie an den Tag al
die Gegenrevolutionäre. Die Räteregie
rung siegte noch einmal, aber der Beweis
war rbracht, daß sie der Arbeiterschaft
nicht mehr sicher war und auch die rote
Arm, die letzte Stütze ihrer Herrschaft
allmählich zusammenbrach.
der Münchener
einem akademischen Augenzeugen
zenlose Unglück. daS über Deutschland
gekommen war. für da innere Leben der
Nation ein Glück erden könnte. Die
sozialdemokratischen Studentenvereine
schwollen an. Auf der andern Seite
konsolidierte sich die Reaktion in den
Wasfenbunden. Die Studentenschaft ge
wann Einfluß in Universitä'tsfragen und
die Erregung entlud sich in den Wahlen
zu den akadkmi schen AuSschlls
sen. So ging daZ Scmcstcr z Ende.
Hatte schon bisher die Universität im
Gerüche reaktionärer Gesinnung gcstan
den. ss lud sie seit der Ermordung Eis.
ne vollends den Haß proletarischer
Kreise auf sich. EiSnerS Mörder war
Student, freilich einer vo jenen, für
welche die Zugehörigkeit zur Universität
lediglich ein entbehrliche Requisit dc! ge
sellschaftlichen Stellung bildet.
In in Universität gingen starke Ber
änderungen vor sich. Anfang Februar
hatte daS Zwifchenfemestcr' begonnen,
und wenn eS im Winter noch dorgekom
men war, daß in gewissen Vorlesungen
unter 50 Damen 5 Kriegsinvalide und
3 Ausländer saßen, so waren nun die
Hörsäle überfüllt mit den auS dem Felde
heimgekehrt Studenten, denen die Da
men bereitwillig ihre Plätze abgetreten
hatten. Langsam kamen kleine rcvolu
tionare Kreis anS Licht. Man sprach
von der durchgreifenden Reform der
Hochschule, ja von der Absetzung des
Senates. Diehrrschendtpo!i
tische Meinung unter den
Studenten war jetzt die, daß
man zum Schutze deö Landes
jede demokratisch gewählte
Regierungunter st ützen müs
se. Das bedeutete einen Fortschritt
gegenüber den Novembertagcn.
. Da wurde am 4. April die Rate
republik ausgerufen. Die Stimmung
war unendlich drückend und schwcr.vSeit
mehreren Tagen fchlte jede Nachricht von
der Außenwelt. Tje Regierung Hoff
mann war geflohen. Andere sagten, sie
habe abgedankt. Alle Betriebe standen
still, und draußen vor der Stadt öffne
ten sich die Schützengräben zum Bürger
krieg. -
Ne'ior und Senat der Universität
wurden ihrer Funktionen ntoben. Ein
revolutionärer Hochschul
rat', bestehend aus Studenten,' Dozen,
ten, Beamten und Arbeitern, übernahm
die Verwaltung. Man wollte die Hoch
schule endlich den Privilegierten "Kreisen
nehmen, 'sagte ine Proklamation, und
ihre Segnungen der Arbeiterjugend zu'
gute kommen lassen. ' , .....
Wiederum dersammellL sich die Sltt
dentenfchaft im große Hörsaal. Eine
dumpfe Entrüstung herrschte, und -die
Stimmen .überbordeten: Wir lassen uns
unsere Universität nicht von Straßen'
räubern nehme!" Der-Vertreter bett,
Räteregierung, in schmächtiger Arbeiter
kam nicht zum Wort. Man schrie ih
nieder. Er schwieg. Professoren such
teg zu beruhigen, zu vermitteln. Lie
bensmürdig. verbindlich brachten die Ver
treter der Freistudente gemäßigte For
derungen vor. ES war zu spät Denn
nun schössen die Ideologien inS Kraut.
Mitglieder revolutionärer Studenten
bünde hielten den Augenblick günstig für
ihre Saat. Kommilitone Ernst, Para
quin, vorher Major im Stäbe der Kau
kafusarmee, nachher Generalstabsches der
roten Armee vor Tachau. zur Zeit Stu
Die. Temperatur, '
Fixsterne.
Dem Laien muß eS unmöglich er
scheinen, die Wärme jener- unendlich ser
nen Sonnen zu messen, von denen nur
ein mehr oder weniger schwacher Licht
fchimmer bis zu unS gelangt. Viele
Johre braucht der Lichtstrahl, um die
Erde zu treffen, und es ist begreiflich,
daß bei dieser ungeheuren Distanz alle
gewöhnliche Mittel und Wege 'zur
Messung der Fixsterntemperaturen völ
lig' versagen. Die einzige Berbindung.
die zwischen uns und jenen Sonnen be
steht, ist die Strahlung deS von ihnen
zu uns gelangenden Lichtes, und zur
Bestimmung der Fixsterntemperaturen
gab es somit keinen anderen Weg, als
die Messung der Strahlung. Denn die
Strahlung ist abhängig von der Tcm
ptratur, und ti besteht so die Möglich
keit, durch Vergleich mit irdischen Wär
meQuellen auch die Geheimnisse der
Fiernwärme zu entschleiern. Die
Wege, die eingeschlagen wurden, um zu
diesem Ziele zu gelangen, waren sehr
kompliziert Natur, .führten überdies
lange nicht pi brauchbaren Resultaten.
Erst den beiden Astronomen Wilsing
und Scheine?, ist eS gelungen, aut spet,
tralphotometrischen Leobgchtungcn an
zahlreichen Sternen die Temperaturen
einer großen Zahl vo Filstexnen zu er
Mitteln. Auf die Einzelheiten der Me
thode einzugehen, mit der die beiden ge
nannten Forscher zum Ziele' gelangt
sind, ist hier wegen deren Kompliziert
hcit nicht angängig. Von weitaus
größerem Interesse für den Laien ist
es, zu erfahren, welche ' Temperaturen
auf einer Reihe' bekannter Iirsterne
herrschen. Zum. Vergleich fei erwähnt,
daß die Temperatur unserer Sonne von
verfchiedenktt Forschern ziemlich über
einstimmend zu etwa 6200 Grad Cel
sius ermittelt worden ist. . Die Sonne
hat darnach im Vcrgleich mit anderen
Fizsternen sozusag? mittlere. Tempera
tur.Verhaltnisse, entsprechend .ihrer
gelblichen Farbe, die dc mäßig war
men Sonnen igeik ist. Die heißesten
Fixsterne ' leuchten in völlig weißem
Lichte. Die etwa weniger heißen sind
von gelblicher flard?, und die ginz gelb
erscheinenden Sonnen entspreche in ih
re Temperaturverhältnissen dem Zen
tralgfstirn nserei Sonnensystems. Die
alternden Sonnen, deren Wärme der
hältnismähi " gering ist, ' erschein?
orange. und ' di mit der geringsteil
Wärme präsentieren sicb rot. Die Tem
peratur dieser roten Sterne betragt tU
wa 200 Grad, die der orangefarw
MentmM"
deut der Nationalökonomie, entwickelte
sein Programm. Ehemalige Soldaten
der ttaulasusarmee pfiffen ihn au,
Ploscskor Schmid.Noerr au Heidelberg
las die Grundziige einer neuen radikale!,
Hochschulverfassung vor. .Vor hundert
Jahren hat Fichte gesagt: . . .. jetzt abe,
sage ich . . .!"
Ta, mitten in der Diskussion wirbelt,
von hoch oben auS einem Korridorfenste
ein weißer Zettel berab. Dutzende vo
Händen griffen nach ihm. Es war ein
durch Flieger über München abgeworfen,
Proklamation der Regierung Hosfmcm
i Bamberz. Irgend eine dienstbar,
Hand hatte sie hicher gebracht. Eine,
begann zu lesen: .Die Regierung Hoff,
mann hat nicht abgedankt. .Sie ist nach
wie vor die einzige rechtmäßige Regie
rung deS Freistaates Bäycrn! Und wie
ein halbe, Jahr zuvor bei dem Rufe deS
Theologen, erhob sich wiederum daS
ganze Auditorium zu einem tosenden
Beifallssturm, der sich bei jedem Satze
der Proklamation wiederholte.
Damit waren die Borschläge der Raie'
regierung gerichtet. Ihr Vertreter ver
ließ den Saal. Man einigte sich darauf,
das Semester zu Ende zu fuhren und
die Verwallungsgcschäfte gememsaiN
mit den Beamten - vorzunehmen. Bis
zum Beginn deS ueuen ScmcstcrS sollten
die von linksradikalen Kreisen verlangten
Reformen eingeführt werden.
. Als dann verspätet im uni da! neue
Scmcstcr begann, war eö mit der Herr
schaft der Räte vorbei und die llni
versität blieb, waS sie ge
wesen war. ,
. .
Es war in der letzten Zeit mehrmals
von der Mentalität der deutschen Stu
dente während der Revolution die Rede.
Der Aufsatz Paul BucherS in der Jun
gen Schweiz" hat über die etwa! klein
städtischen Verhältnisse in GLttingen be
richtet nd ist 13 Feststellung von Tat
sachen unwiderlegbar. Allein ich möchte
davor warnen, die deutschen Kommilito
nen heute m4) ihrem politischen Credo
einzuschätzen. , Für sie gilt e jetzt vor
allem, die Heimat zu schützen, und da
sragt man nicht lange, unter welchem
Zeichen daS geschehen soll. Politisches
Bekenntnis verbürgt noch keine mensch
lich hohe Gesinnung, am wenigsten heute,
wo die Regierungen . mit dem Monde
wechseln und die .neuen Ideen' zum
Echlagwort dessen geworden sind, der
noch nicht am Ruder war! Die deutschen
Studenten mußten eS -erleben, daß ihr
staatliches Ideal, seit E0 Jahren verehrt
und in dem bierjährigen Kriege biZ zum
Letzten gchcigert. Schlag auf Schlag zu
sammenbrach. Und für daS. WaS nun
an seine Stelle trat, hatte niemand sie
vorbereitet. Da ist eS keine Schande,
einer Gesinnung, die aufgehört hat, die
herrschende zu sein, treu zu bleibenund
mag sie L?ch so rückständig sein. Der
Weg von-d beinahe ' absolutistischen
Monarchie zur sozialistischen Republik
ist weit und reicht an seinen beiden En
den um ein "gutes Stück über die acht
hundertjährige Schweizergefchichte hin
aus. Der ist noch nicht der Schlimmste,
der nicht gleich wie ein Uhrwerk auf daS
Neue einschnappt, und dem die s breit
getretenen neue Ideen nicht schon am
ersten Tag vom Ohr ZnZ Herz wandern.
.Ein große Schiff" meinte Dosto
jewsky. braucht auch kW tiefes Fahr
Wasser!"
. -
nen 4000 Grad. T,e gelben SWf
sind 5400. die gelblichen 6200 Gi-ch
heiß. Die Temperatur der heißest:
der weißschimmernden Fixstern .
schwankt zwischen 8700 bis 9600 Gra,
übersteigt aber in einzelnen Fälle
auch 10.000 rav. ? u
Nach den Messungen von Wilstn" 'l'
und scheiner tu ver warmu ver ( l
nitssene Fizstcrne der Stern Lamb,Z l
im Orion, der übrigens nicht zu de b ,,
kannten hellen Objekte dieses Steri's
bildeS gehört, und der nur eine Lich
stärke voii 3,7 hat. Seine effektiv, j
Temperatur wurde zu 12,800 Grad ttj
mittelt. Tagegen ist der helle Steril
Bctcigeuze im Orion, dessen rote Färb As
bekannt ist, nicht wärmer al 290C
Grad. - Man sieht also, daß die Hc
ligkeit -eines Fixsterns von seiner aht
ren Temperatur durchaus verschieden isö,
An zweiter Stelle steht der Stern AI
pha im Delphin. 10.400 Grad heiß, ist,
der Ster Zeta im BootcS, wie der trn-
: . i : i.. rt -j t i
iilgc um ein wiiii i'icutc ikvgr ,, i s
10.300 Grad ist der Ster Gamma bei' 14
Zwillinge und 10,000 Grad der Stern !
t7 im Ophiuchuö warm. Zu den febril
warmen Sterne gehört auch Gemma,
der hellste Stern im Bilde der Rörd
lichen Krone, der 0000 Grad heiß ist,k
Bon den bekannten hellen Sternen, seier
noch folgende Temperaturen angeführte.
RcguluS im Groß?? Löwen 9400,)
Grad, bekanntlich ein ganz deißer
Stcrn; der rote Arcturul im Boote
hat daaeaen nur eine Temveraiur vo
3500 ad. Atair. der weiß Haupt i
ster im Adler, ist 7100 Grad warmX'
Stern Alpha der Andromeda hat 800p. )
der Stern Beta im gleiche Sternbild, h'j
dcr gcnoii ebenso h?ll erscheint, dagegen if
nur 900 Grad. Pollux in den Zroiti ;
Nngcn ist 4400 Grad warm. Die nie 17
drioste Fixsterntempcratur wurde mit
2800 Grad bei den Sternen My,der i
Hmillinnk und Cfti W l?cklnn r. 1
w.üklt. Es muß übrigen erwähnt p
ntfoen, van. ver Pariftr Altrophhiikkr,
Pros. EharlcS Nordmann zu weit hd
.... v:-r.. i . . .. .7 ! I
tf!irtiu;inpcrarareii gekommen,'
ist. . Nach feinen Messungen ist derZ
Stern Delta im Pfeus' 65,000 Grad j
uüd der Stern Lambda im Stier sogar
über 00,090 Grad heiß. Der ,' letzter 1
könn' überhaupt nicht genau gemessen
rwoen verladlich stnd. Mai, steht auS .ij
wcro.'n, oa leine ungeyem empera .
litt di Grenze überstieg, innerhalb de z
m RordmannS Instrumente nd Me i
diesen enormen Abweichungen in de 'J-
l..:v-f -i: t . i - . .11
irswitiiigri yiquiiciien, oag r0 Pro -K
blem von seiner völligen Lösung an.'Z
scheinend doch rock w6t entfernt ifr -U
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