Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 24, 1919, Image 2

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Fom Zarismils zum JoWewismus.
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' 'Rußland xinkv Herrschaft dos Zarismus vor Nricasausbruch. Zusan
.. mcnbruck bcs Zaristischen Systems. Die büraerliche ZvevOlution im
ärz 1,9(7. Die Rerenskpperiode. Die Gktolber-Rcvoltttion )7.
:. .. 'Der Vlschewismus.
Dem gcw'öhnlichen Miitekeuropäcr
t:ix ti zu Beginn dcs Krieges eigent
Ii.a wenig über daS russisch Nicscnrcich'
vara. Man wußt! wohl, lag vcrt
der Zar ir.it feinern Bcamienheer und
, den Kcsalen abseid herrschte, wos we
nig beeinträchtigt wurde durch die nur
ein Scheindasein fristende Tunis. Neun
zig Prozent der Bevölkerung, die f.ch
mit Ackerbau und Viehzucht deschästigte.'
rnabm soviel wie gar keinen Anteil an
der Ncgieruxg. ' Die Gouvernenrk
herrchten als klein Zaren in ihren Sie
biete mit unbeschränkter Gewalt. Ein
in gsU Rußland bekanntes Sprichwort
sagt: .Rußland ist groß und der Zar
weit."
Vctäiigtc man sich politisch in irgend
einer Partei, die gegen den Zarismus
kämpfte so konnte man gewärtig fein,
räch kurzem Prozeß zu jahrelanger
Zwangsarbeit in die sibirischen Berg
werke abgeschoben zu werden. C? er
scheint es auch erklärlich, daß die russi
sehe sozialdemokratische Partei ihre
Parteitage stets im Auslande abhielt.
Es fti hier gleich erwähnt, daß auf
einem dieser Parteitage die Spaltung
der russischen' Sozialdemokratin in eine
Mehrhcitspartei (Bolschewik!) md eine
Minderheitspartei (Menschewiki)" er,
folgte. Anlafz hiezu gab der Antrag
einer Gruppe, die das kommunistische
Programm- verbot, gegen das die Min
derheit stimmte.
Die russische Politik wurde also von
einer Handvoll russischer Großfürsten,
Generale, Großgrundbesitzer und.Groß
Zaufleute czcmacht. Jnden letztes Iah
ten trennten sich diese zwei Gröpper,
von denen die kleinen, aber einfluß
reichere England freundlich und die
kkröszere. sber an Einfluß schwächere,,
Deutschland freundlich gesinnt war.
Die England freundliche Part, auch
Kriegspartei genannt, hat rtjj den Za
ren. der selbst ein Freund der Politik
Deutschlands war, zu- den KriegsvorLc
reitungen gezwungen. TaS Märchen
von Deutschlands alleiniger Schuld am
Kriege wird wohl am besten dadurch
widerlegt, wenn hie? angeführt' wird,
daß ich selbst die Pässe vier gefangener
Russen bei Przemys! revidierte, die be
reits im ZZebruar 1914 aS Sibirien
r.ach Russisch-Polen mobilisiert wurden.
Diese' Kriegsvorbercitunzen Rußlands
fallen also in eine Zeit, wo in den Zcn
trlställten noch niemand an Krieg ge
dacht.
Rußland trat daher Wohl vorbereitet
in den Krieg in und das werden jene
Osmrreicher bestätigen 'können, 'die die
.'tärnpfe, im Jahre 1314 an der russischen
Jro.it mitgemacht, wo. sie ost und oft
einer' zehnfachen Uebermacht gegenüber
starken. Aber trotz ölledem zeigten sich
bald die Gründe, die einen Zusammen
bruch Rußlands beschleunigen mußten.
Mit Eintritt des Kriegszustandes war
Nußland sofort von Westeuropa von
der Ostsee bis zum Kaukasus abgeschlos
sen. Sehr bald trat ein Mangel an
Klcidungsstoffen und den alltägliche
Bedarfsartikeln ein. was eine ungeheure
Preissteigerung zur Folge hatte. Die
Einfuhr über Schweden, Archangel der
auf dem weiten Schienenwege über Si
birie konnte nicht die allernotwendig
sien Bedürfnisse decken. Verschlimmert
wurde die Lage noch durch die Perle
gunz deS Kampfgebietes nach Russisch
Polen, dem Sitze der russischen Indu
firie, sodatz auch diese für die Wersor
gung Rußlands nicht mehr in Betracht
kam. Die Betriebe in de Industrie
Zentren Petersburg, Moslau, Eharkov,
Kiew mußten für die Kriegsindustrie
eingeMi werden. Bald sah man Ruß
lands Bewohner nur" in Fetzen gehüllt,
da das eine Hemd, die eine. Hose und
der eine Rock des gewökmlichen Russen
bald verbraucht war. Die- Russen hat
te nickk wie der Westeuropäer drei unv
mehr Anzüge i Vorrat, um sich jähre
kanz darsit z behelfen.
Nicht genug an dem eS kam sehr
bald, s unglaublich eH klingt, ine
NahrungZmittelkrise in dem Vgrarstaate
Rußland, hervorgeruftn durch den
Mangel an LerkehrsmitKln, nicht durch
de Man! an Nahrungsmitteln.
Diese wann an gewisse Plätzen, ke
sonder? in Sibirien, da. aber sie konnten
nicht befördert werden, weil die Bahnen
ur mit der Beförderung der Truppen
und des Kriegsmaterials zu tun hatten.
Ja Riesenvorräte. die 600 100$ Kilo,
wer vor der Bahn abseits jahrelang
lagerten, konnte ni$ erfaßt werden,
da es unmöglich war, aus dem russischen
ZEespan mit . höchsten? 1000 Pfund,
'beladen, dieselbe zur Verladestelle zu
bringen, Ss trat denn bald im eurs
päischen Rußland und in TurkestaN
Hungersnot ein. Dazu kam noch der
Unwille, der durch das Bekanntwerden
der Riesenverkuste an der Front hervor
rufen wurde. ES zeigte sich, daß die
keresverwaltunc, auf die Taun des
Krieges richt vorbereitet gewesen, da sie
eeplanbt hatte, ganz. Europa mit feinen
MkDschenmasscn überschwemmen zu fön
tiru Mangel cn Organisationttalent
irug noch des Scinig zur allgemeinen
Lw-rrung bei.
wzr denn der Loden für eine
akZgemeirt Kivolution in Nus.lard ee
rii?.end dsrien'iZrt nd so a es für
bn'jler.rn der Vcibzltnisle keine MUt
ra'Sitfft, c!i im März 1917 der ZtU
raph räch eilen Richtungen die K'irie
p;m Sturze ttl Zaren trug. Ti'se
kvolutio war eine rein burzcrlicke
,md hm einen glZnzerea Verlauf.
CvMjrt Zpht an Blut hat sie e!'7.k
Nür in Mkri5mz qerdikt. Nsch
dem p.Ä dmt r.9'it(KSt blutige
Stoxi-'t d'k Aerelutionan de Zel'zr,
' .. tu V
von -uinu.
...... i
.
'phcnamtcS bemächtigt hatten, war das
ganze Riescnrcich in ihren Händen. Fast
überall verschwanden ohne Blutvergießen
die Vertreter der ZarenRrgicrung. um
den Rcvolutions-Rcgierungxn Platz zu
machen. Nur aus Moskau und einigen
anderen größeren Städten wurden noch
kleinere Zusammenstöße gemelket.
Hätte nun die neue Regierung, die
gewiß fähige Männer wie den Grafen
Lwow und andere an der Spitze hatte,
den Plan der Einberufung einer Na
tionalversammlüng duichiVführt, und
den im ganzen russischen Wolke Vorhan
K'nen Wunsch nach Frieda: kerücksich
tizt. so hätten sie das Reich v.'r der Ka
tastrophe retten tönnen. Allein ,auch
jctzt. trotzdem jeder stille Beobachter die
vollständige Unmöglichkeit der Fort
sctzung des Krieges einsah traten die
Kiiegshrtzer wieder auf den Plan. Die
zur Macht Gelangten überschätzten ihre
Kraft. Der Krieg wurde fortacsrtzt.
Kmnsky, ein Wann von dev Volks
gunst getragen, tritt auf den Plan und
es kommt zur kannten dnungluckten
Kercnsky-Offcrsive. Er wird von den
Truppen im Stich gelassen. Die Sol
baten verlassen die Front. Ein allzc
meines Chaos entsteht. -
Da tauchen die Bolschewiken auf in
dem Augenblicke, da alles die Waffen
wegwirft. Die Arbeiterschaft, die wäh
rend des- Krieges- in Kriegsbetrieben gut
verdient und vom Frontdienst enthoben
war, ergreift die Gewehre und gründet,
die Rote Armee". So kam es, daß
eine Partei, die in diese? Zeit kaum 5
Millionen Stimmen Von IM Millionen
Einwohnern zählte, die Regierungsgewalt
an sich reißen und mit unerhörtem Terror
festigen konstte. Bald erscheint das be
rühmt Manifest über den Willen zum
Frieden ohne Annexion' und ohne Kon
tribuiion. Friedensverhandlungcn wer
den eingeleitet und das russisch Volk
atmet auf, beglückt in dem Gedanken,
daß das Gespenst des Krieges gebannt
sei, nicht ahnend, daß die nun kommen
den Umgestaltungen mehr Opsct a
Gut und Blut fordern sollten als der
2Z;ährige Kricz.
Trotz itt Friedensverhandlungcn in
Brest begannen die geistigen Führer
d Bolschewiken, Lenin und Trotzky.
sofort mit der Durchführung ihrer
Ideen, die als Endziel di? Abschaffung
der kapitalistischen Wirtschaft und die
Einführung der Diktatur des Proleta
riatcs haben. Durch diese Diktatur soll
die im kommunistischen Manifest, von
Marz und' Engels die im Buche des'
AMrikaÄerS Lelamf öntretene Welt
ordnung, ewffeführt werden. In die
fem Zutunftsstaate gibt eS letzten Endes
kein Geld, nur die Arbeit gilt als Zah
lungsmittel Und diese Ideen sind so
verlockend, ss schön, daß rs kein Wunder,
ist. daß man gerade in dem russischen
Reiche an deren Verwirklichung schritt
da gerade hier der Zarismus und der
Krieg de Boden vorbereitet hatte.
Nie werde ich den tiefen Eindruck ver
gesse, dea die erste Bolschewiken-Be?
sammlung, der ich in Iekaterinaburg
beiwohnte, euf mich machte.
Ein großer Saal, matt erleuchtet, von
Tausenden bis , auf das letzte Plätzchen
gefüllt. Aber vergebens sucht das Auge
nach den rosigen Gesichtern der Wohl
habenden Bürger und Handelsleute,
mich dem von ungepslegtem Barte um
wallte stumpfsinnigen' Analphabeten
gesicht des russischen Bauern, ach dem
bebrillten, blassen Antlitz deS Stuben
gelehrten oder nach der stolzen, mit ro
ter Krawatte gekennzeichnete 'Kraft,
figur des fozialdemokratifche Arbci
kers; von alle dem nichts. Dtrt lehnt an
der Wand ein klinder Soldat, der nicht
sieht, be? hört und fühlt. Nebe ihm
steht ei Matrose, dessen Rücke noch
di Spure der Knutcnhrebe emfweist.
Hohlwangige, bleichsüchtige Näherinnen
aus dem Hinterstübchen. in das nie ei
Sonnenstrahl dringt, sitzen nebe Cho
riftinne, d bei I Rubel Nachtlohn ihr
Dasein fristen, während der Unterneh
mer Millionär geworden ist7' Laden
verkauftrinnen, die der Krieg um Stel
lung gebracht, auf die Gasse geworfen,
die er zu Dirne gemacht, habe sich
mit Student; und Studentinnen ein,
gefunden, die die Not zu .Dieben ge,
macht und inS Zuchthaus gebracht hat.
Aus Sibirien zurückgekehrte politische
Verbrecher, die in ihrer Jugend mit
Freiheitsgcdanken gespielt, die sich aus,
gelehnt gegen Vater und Mutter, in de
re Händen daS kommunistische Mani
fest eineS Marx und Engel zum T?u
felsfpnk geworden, sie alle haben sich
hier eingkfunden. Zu ihnen geselle sich
hundert brotlos gewsrdene Arbeiter,
nur noch runzelige, halbvndorrte
Menschenresi.
Sie alle lausche mit brennendem, oft
unheimlich aufleuchtende, Auge, dem
Jüngling, der die Redner-Tribüne be
stiegen, der dasteht, wie der Geist eis
Danton, eines Robespierre und dessen
wuchtige Anklazen gegen die Gesell
schaft wie dröhnende Hammerschläge
niedersassen. Ist eS da ei Wunder,
wenn nach feinen Schlußworten, (.Wir
werd? auf dem betretenen Wegeveiter
schreite und nicht f:üh?r ruhe
selbst dg? blutiger Gewalt nicht zurück.'
schrecken biZ wir unser Ziel ernicht")
die ganze Versammlung nnr ein Schrei
duichdrinzt: .Rache!" ' Rache ja neh
wen an der Gesellschaft, die diesen Ar
tr.tn tV.i genomwe, die diese Armen
in de Ss,npf gewörfcs. i dem sie e!en
diglich ersticken. Wer diesen Bersamn
lunjtfit be',Ptchnt. wer diese Mffe
in i:n arj:B'ifla4 in sah, irz
evtltwi i't j'r'ct'gf'n TtieHcder'
' -- . .
zum Bolschewismus, wenn er auch biS
ins Mark erschaudert, sobald er die End
Wirkungen diese Kampfes sieht, der
stellenweise zum blinden, mordgitrigen
Wüte der aufgepeitschten Volksmassen
führte. Ein trauriges Kapitel der
russischen Revolution werden einst die
sogenannten Rcvolutionsberichte bieten,
denen es genügte, Tausende hinzumor
den. nur, weil sie im Verdachte standen,
politische Gegner z fein. In Peters
bürg stand an der Spitze dieses Gerich
tes eine Frau nd sie hat kaltblütig
jeden Monat gegen tausend Todckur
teile ausgesprochen und auch vollziehen
lasse. Ein angesehener deutscher Kauf
mann in Moskau war verdächtigt wor
den mit den Kontrerevolutiouären in
Verbindung zu stehen und wurde ver
haftet. Am nächsten Tage wollte ibn
ein Freund besuchen und verschaffte sich
' die Erlaubnis hiezu vom Sowict. Hier
führte man ihn in nen usicren. kclle?
ähnlichen Raum. Tort nun fand er
unter mehr als 00 Leichen den hinge
richteten Freund.
- Ich selbst war Aligenzeue ln nem
kläncn Städtchen Kamischlo. wo an
einem Abend 20 angesehen Bürger ab
geholt, wurden, sich selbst ihr Grab
schaufeln mußten und dar einfach nie
dergeknallt wurden, weil sie der verhaß
ten Bourgeoisie angehörten.
EZ wurde bereits das Wort Sowjet
(Rat) erwähnt. Das waren die im
Auftroge der Regierung gebildeten Ar
beiterräie, denen nur Arbeiter angehör
ten. Ihnen allein stand das Recht zu,
alle durch die sogenannten Rcgierungs
befreie erlassenen Gesetze und Vcrord
nungen zur Durchführung zu bringen.
Denkt man sich nun an der Spitze eineS
solchen Arbeiter-Rates moralisch ver
kommene Gaukler, bar jcdeS Berank
worlungsgefühlcZ, so kann man sich eine
Vorstellung von der Schreckensherrschaft
machen.' Was konnten einzelne ideal
angelegte Mnschen, die icscclt von war
mer Liebe für die unteren Volksschich
ten das Evangelium der wahren Mensch
lichkeit predigten, in diesem allgemeinen
Wirrwarr tun? Wieviele gab es unter
den Anhängern der Bolschewiken, die er
kannt hätten, daß die Grundbedingunge
für den Bustau des neuen freien Staa
tes darin wurzeln: Je freier der Bür
ger eineS Staatswesens ist, desto größer
sind seine Verpflichtungen gegenüber der
Gesellschaft.' Die meisten verstanden
unter Freiheit zügellos Freiheit.
Doch die Führer verzagten nicht und '
gingen nach Vollzug der politischen Re
volution an die Durchführung der Wirt'
schaftliche Revolution. - Die Banken in
Rußland wurden als Nationalcigentum
erklärt.- Die Kontos der Kapitalisten
wurden gesperrt und eZ wurde zur Be
wurden gesperrt und eS wiirde nur er,
laubt, dem Kontoinhaber monatlich eine
Summe von 100 Rudel zur Lestrei
tung seiner ' Lebensbedürfnisse zu be
heben. Der Großgrundbesi-, wurde, wo
es anging, unter die Bauern verteilt,
während die ausaedehnten Waldflackeg
größtenteils als Staatseigentum erklärt
wurden.
Dann folgte rasch die Sozialisierung
der Industriebetriebe. Am besten wird
diese wohl beleuchtet, denn ich hier die
Eozialisicrung des Kohlenwerkes : schil
den, wie sie sich vor meinen Augen ab
gespielt. Tiefes Werk gehörte dem Für
sien Temidov und beschäftigte gegen
2000 Weiter' und 200 Beamte. Das
Werk wurde noch nicht voll ausgebeutet,
sondern man beschäftigte sich vielmehr
mit der Erschließung. Trotzdem wur
den täglich bereits 24.000 Pud Kohle
gefördert. Am 7. Januar nun erschie
nen die Mitglieder des Arbeiter.Rates
in de? Kanzlei deZ Direktors und for
betten die, Uebergab des Werke?, daS
einen Wert von dielen Millionen reprS
fintierte. Dem Direktor wurde noch
bedeutet, daß er solange nnter Haus
arrest gestellt werde, iii er durch die
Petersburger Zentrale die Be,zahlung
aller laufenden Schulden erwirkt habe.
Der Direktor sah ein, daß jeder Wider
stand zwecklos sei und nahm alle For
derungen vedmgungslos an. So vollzog
sich also de? Umsturz auf diesem Wert in
unblutiger Weise, was bei fielen ande
ren Werken nicht de? Fall war, da man
dort einfach die leitende Perfönllchkei
ten überfiel und überwältigte, ost auch
hinmordete.
In den Räumen deS Direktors schlug
nun der Sswjet feine Residenz auf. Un
kliebte.Beamte wurden entlassen. Eine
Anordnung hob die ander auf. Tag
täglich fanden Versammlungen statt, oft
während der Arbeitszeit, die sofort mit
8 Stunden ftstgefetzt wurde. Die Lohn
forderunge stiegen ini unermeßlich.
Mit dem Steigen de? Arkeitslöhne hielt
gleicben Schritt die Arbeitslust. Nur
ss ist, ek erklärlich, daß am 27. Juli
die Kohlenförderung bereit? bi! auf
5000 Pud täglich gesunken war. So
lächerlich ti klingt, so kam eZ doch so
wert, nachdem die Riesenvorräte suZ
früherer Zeit erschöpft waren, daß das
Werk manchen Tag nicht soviel Kohk
forderte, als zu? Heizung der Kessel er
forderlich war; diese wntdeg dann mit
Hol, geheizt. Den stillen Beoba5ter
wunderte ei nicht; denn der. Sowjet hat
sich in de zahllos' Sitzung? wohl
mit alle mögliche Frage be's.k. efer
nicht einmal mit der Frage keschastigt,
wie man d'k Produktion beben könn.
Unter den 30 SoZojet'Mitgliedek war
nicht ein ei?'.? Fachmann; einige
mußten erst ach ihrer Nahk den eise
ren Namen schreiben lernen. J?der
R-!?e strebte rur. irsnd tun gut te
Jaij.i.jv l,. er, nwv
m'hr ,-!k:ie.' Sem auf'de' '23?rf i
.-f.fi... tn.tt, - ,-i. I .i l
noch jemand arbeitete, so wäre ek die
Oesterreich. Die Arbeitsleistung wird
wohl am bksten gekennzeichnet durch den
Aueipruq eines ngarticyen envre
Hers, der 14 Rubel Tagcslohn bezog.
.Die Arbeit, welche ich hier in 8 Stun
den leiste, könnte ich in einer halben
Stund bewältigen; meine beiden rssi
sehen Kollege arbeiten aber noch wen!
atr." In früherer Zeit, leiteten daß
Werk 3. Köpfe; Der Direktor, ein In
genieut und ein Buchhalter und kzo
gen jährlich 20,000 Rubel; nun würd,
daS Werk von 20 SowjetMitglieder
regiert, welche da! 10fache bezogen.
Wahrend die 3 Herren den Betrieb fach
männisch leiteten, entstand, unter dem
Sowjet vollständige Zerfahrenheit. So
kam es denn, daß Ende Juli daS Werk
bereits mit 3 Millionen Rubel Staats
gcldern belastet war ud die Regierung
sich gezwungen sah, den Kredit zu sp.'r
ren. Nun war daS Ende nahe und in.
dieser Zeit verließ ich mit 130 Kamera
den daS Wert.
So haben also diese Aibeiter-Näte
überall in kurzer Zeit die sämtlichen
Betriebe zum Stillstande gebracht.
Tortwo sie noch arbeiten, erklärt sich
das auS späteren Maßnahmen der Rc
gierun'g, welch später wieder die Fach,
leute auf ih Posten zurückrief und
ihnen d.kn Sowje: unterstellte,
- Den Unternehi.iern waren, wie r
wähnt, hie Bankguthaben gesperrt. Bald
k.itten jcdoch diese Herren einen Weg ge
funden, um ihr Geld zu retten. Sie stell,
ten sich mit den Herren Räten" auf au
ten Fuß, veranstalteten Gastmähler und
hf.c&,n- schließlich die maßgebenden
Herren. Tiele Bankguthaben , tonnten
nämlich zur .Neuanschaffung von Ma
schinen,' füt Erweiterung!? . f.
w. verwendet werden. Es aenilqte also
die Bchatigung des Dh.'gT, daß für
obttze Zwecke die Gelder flttssig zu n-g
chn feien, und sie würd? aiil&cclji't.
So haben viele Untern.'küner ihr Ver
mögen geratet und sir.d dann damit irj
Ausland verschwunden.
Auch der Handel wurde- sozialisiert.
Ging man durch die Gassen einer Stadt,
so sah man nicht mehr die vielen Firmen
schilder, man konnte die Waren nicht in
den großen Schaufenstern bewundern,
das war alles verschwunden. Ganz ver
einzelt sah man eine große Nummer an
einem Geschäftshaus! angebracht und
fraqte man nach der Bedeutung, so er
hielt man die Auskunft, daß z. B. No. 3
das Geschäft der bolschcwitische Hut,
machcr-Vcrcinigung bedeute. Alle Hut
macker der Stadt arbeitete gemcinschaft
lich für diese Zentrale, deren Reingewinn
dem Staat zufiel. Vielfach trat der
Tauschhandel in seine Rechte. Oft habe
ich den Bauer Eisen gegen Lcbensmittcl
eintauschen sehen. Das Gelb war voll
ständig entwertet. - Und in dieser Bezieh
unz scheinen di Bolschewiken ihrem
Zweck nahegekommen zu fein, d& in
einer vollständigen Entwertung deS Gel
d?S besteht, um dann an feine Stelle die
Arbeit als Zahlungsmittel zu fetzen.
Allüberall, wurden Schulen earündct,
da man die Notwendigkeit der'allgemei
nen Volksbildung erkannt hatte. Freilich
wurde alles überhastet'. Bei dem Mangel
c geeigneten Lehrkäften kamen häufig
unsähise Elemente ,in. die Schulen, die
mehr Schaden als ' Nutzen anrichteten.
Dazu- kommt noch die allgemeine Gleich
gültigkcit der stupide Massen, wen
nicht direkter Widerstand gegen jedwede
Steuerung. Gerade der Analphabet ist
am schwersten 80 de? Notwendigkeit der
Bildung zu überzeugen. Die Rcligio
wurde als Privatsache erklärt. Eewis
fenlose Agitator.' nahmen dem Volke
diesen Halt, setzte aber nichts Besseres
an feine Stelle. Die Moral erreichte
eine ungeahnten Tiefstand. Nur so ist
es erklärlich,, daß der Sowjet i der
Stadt Sarat, die Frau als National
eigentum erklären konnte. Die Folge
dieses Dekrets Ware entsetzliche. Ter
Rohling vn der Gaffe drang in die
Wohnung ein, um vv seinem Rechte
Gebrauch zu machen. Ist eS da ein
Wunder, wenn Hunderte von Frauen, um
dieser SchmaH zu entgehen, Selbstmord
verübten?
Alle bürgerlichen Zeitungen waren ein
gestellt. Nur die Regierungsblätter, de,
ren Spalten meist mit Ncgierungs.Dckre,
ten gefüllt waren, erschiene. I zahl
reichen Kursen wurden die bolschewiki.
schen Ideen gelehrt und so die Berkünder
dieses neuen Evangeliums herangebildet,
die dann als gut besoldete Agitatoren I
alle Teile deS Reiches zogen. Theater
und KincS mußte sich i den Dienst der
bolschewilische Propaganda stellen. Die
bildenden Künste und die Schriftsteller,
getrieben durch die Rot, stellten sich in
den Dienst der neuen Idee. !lurz. die
ganze Welt wurde von heute auf morgea
auf den Kopf gestellt. .. I
Alle diese Maßnahme wurde über
stürzt, doch Kritik wurde kein gedul
det, und wo sie dennoch geübt wurde,
mit drakonischer Strenge unterdrückt.
Erst späteren Zeiie wird eZ vorbehal
ten sein, die Periode des Bolsch.'wisien
Terrors unparteiisch zu beleuchten.
Heute wohl kann eS schon gesagt wer
den, daß diese Epoche mehr Menschen
lebe alj Opfer gesörde alt die vor,
angegangen Kriegsperiode. Diese
Schreckensh.rrschast hat eine kleine Zahl
von Kriegshetzern und Bolksausbeutera
heraufbeschworen; denn Kußhand hätte
eS Jahrhunderte nicht notwendig gehabt,
in den Krieg z gehen, da seine frucht
baren, unermeßlich großen Landsläche
bei rationeller Bebauung nicht nur daS
Land selbst, fonder noch ganz Europa
mit Brot hätten versorge kennen. Außer
dem lagern i de Berge deS Urall
und Sibiriens ungeahnte Schätze aller
für die Lol.'swirischaft in Betracht
kommende? Mineralien. Zur Aus
nützung dieser Bodenschätze ist ober ei
geschulte, intclligenteS Volk notwendiz.
Diese Grundbedingung für die gesunde
Eztwicklunz eiIez"S!as!swksens habe
die Machthaber übersehen. Ihr Augen
merk war vielmehr darauf gerichtet, ihre
unzebildete Masse gegen die kulturell
hochstehende Staate Weste z
wer', sich dieke Lädnsir:che tribut
psüchtlg zu maiin und sie auszulaugen,
u da in einig' Jahrzehnte ihre
Raubji! sortzusetzea. Und wenn die
Z'-ütealönztz üi.i m:':.Hi Lerdienst am
'ÜCUiut haöeg. so ist ci i5n doch
V'wiVt diese Aiudg ajtzz'.Zen,
Der Wiederausbau der
Volkswirtjchaft und
"
V
Von f)rof. Dr. y. Grohmann jn
(2ciiiaje Nundlciau.)
Angesichts der schweren Erschütterung
deS deutschen WirtschastslebenS, die der
Weltkrieg und in seinem Gefolge die
Revolution herbeigeführt- haben, erscheint
eS selbstverständlich, daß die Bemllhun
gen. allmählich wieder zu bessere und
gesunden Zustanden zu kommen. nicWalS
ausgesetzt haben. In der Tat liegt ja
auch 'die unbedingte Notwendigkeit vor,
an Stelle der jetzt so vielfach verbreiteten
Arbeitsunwilligkcit und HosfnungAostg
kcit wieder den früheren Arbeitseifer im
ganzen Volke von neuem aufleben zu
lassen. Da sich aber nun das gesamte
Leben in Teutschland unter dem Druck,
einer sehr schweren Krise besindct, die
in letzter Linie als eine moralische er
scheint, so wird ma zweckmäßig bei der
Heilung dieses Uebel an der richtigen
Stell den Hebel ansetzen müssen, um in
langsamer, mühevoller Arbeit allmählich
wieder aufzubauen, was in langen
Krikg5jahren. nach der Ansicht vieler auf
immer, zerstört worden ist. Ohne einen
gewisse Optimismus und ohne den
Glauben era die im deittschcn Bolle doch
unmöglichcrmeife gänzlich vernichteten
sittliche Kräfte wird man sich aller
dingS a eine solche Aufgabe nicht
lranwagcn könne. In dieser Hinsicht
wird ma sich zweifellos diejenigen
Männer zum Vorbild nehmen müssen,
die nach der schweren Iiederkage von
.1806 de Glaube a Preußen und
Deutschland dennoch nicht ausgegechen
haben und die trotz aller Not der Zeit
damals niit Recht den Versuch gemacht
haben, zuerst den geistige Wiedcrauf,
d'e hohe Kultur Westeuropas vor der
Barbarei deS Ostens zu schütze und
Rußland auf seine inneren Kulturauf
gaben aufmerksam gemacht zu haben. -Interessant
ist es wohl noch zu er
fahren, wie Trotzky feine Macht b:
festigte. Anfangs war ei wirres
Durcheinander, da die Wehrmacht auf
gelöst war, vielmehr sich selbst oufgc
löst hatte. Es wurde nun an die Er
richtung der Rote Armee" gegangen,
die die Aufgabe hatte, die Errungen
fchaft der Revolution zu sichern. Zu
erst wurden nur strenge Harteigänzer
aufgenommen, später wurden Frciwil
lige geworben. Da meldeten sich be
sonderS diele österreichische KriegZge
fangen, insbesondere Ungarn. Wer di
Leide dieser Armen kenne gelernt
hat, wird sich nicht wundern, den außer
vollständiger Ausrüstung, guter Kost
erhielte sie noch eine monatliche Zah
lung von 1A Rubel, die später biS auf
250 Rubel erhöht wurde, und sie waren
freie Menschen. So brachte man i
Kürze ' eine bedeutende Armee zusam
rnen, die aber an ungeheure? Disziplin
losigkeit litt, da man die Einrichtung
d:r Offiziere abgeschafft hatte. . Sehr
bald sah man. aber ein, daß technisch
gebildete Kräs! und Leiter, denen g?
horcht werde muß, notwendig seien.
Nun zwang man die hungernden Ossi
ziere zum Eintritt und zwang 'sie auch
zur Mitarbeit, indem manihnea mit
Erschieße drohte, wenn sie ihre Ver
Pflichtige nicht erfüllen. Nicht genug
a dem. man führte genau Buch über
de Aufenthalt seiner Familie, deren
Schicksal mit dem Schicksal des Gatte
besiegelt war. Durch diesen Terror er
zwang mag eine Disziplin, die dann
auch die Erfolge der Armee begründeten.
Lasse die Bolschewiken noch verschiedene
Utopie des Kommunismus fallen, ziehen
zur Mitarbeit an der Neuaufrichtung des
Staates auch Arbeitswillige anderer
Parteien heran und gelingt es ihnen die
Armee dcs Kolischak aus der Brotkammcr
Rußlands. Sibirien, zu vertreiben, dann
kann ma Hofsnunz haben, daß das halb
verhungerte Rußland wieder neu ersteht.
Darüber werde Jahre verüben. Frei,
lich müsse die Aasgeier, die beutegierig
Rußland bedrohlich umkreisen, abgewehrt
werden..
Komme also die führende Männer
der Bolschewiken zur Einsicht, daß die von
ihnen vertretene Ideen, s, herrlich sie
fei möge, Utopien sind, ziehe sie auS
den bisherige Ersahrange die atur
notwendige Konsequenzen, habe sie in
sehe gelernt, daß diese Ideen nur mit
idealen Mensch: das wären ebe
keine Menschen mehr durchführbar
wären, nehme sie dieMenschen als den
Naturgesetzen und Naturkräften unter
worfene Geschöpfe, die von Natur auS
verschiedenartig veranlagt und befähigt
sind, beachten sie die letzte Triebfeder, di
allem menschlichen Schasse zugrunZ
liegt, den gesunden, persönliche Egois
mus, kommt ihnen endlich die Erkannt
niS. daß der geistig höherstehend Mensch
immer und allezeit den geistig tieftrste
hendea beherrsckze wird, dann wird eine
neue Weliordnung erstehen, die der
Menschheit Glück bringt, wen sie diese
auch nicht i die Gefilde deZ alleinselia
machenden ZukunflsftaateS inführt. ES
werde, da aber jene demokratischen
Gedanke verwirklicht werden, die S
schließlich dem letzte ugserer Mitmen
schen ermögliche, solange er arbeitsfähig
und dabei arbeitswillig ist. sich anständig
zu kleiden, gesundheitlich einwandfrei zu
wohne, sich an den Früchte diese Erd
zu faltig? und sich i feinen Mußestun
de deS Leb'nS zu fieue. Diese freudig
schafsende Gesell'chasfwird dabei die not.
wendige Einrichtungen für VoWbil
dunz und Bollssersorzunz im Alter und
ia Krankheit erhalt?.
Tan wird die Menschheit diS Glück
n'cht erst am Nznde des Grab'S finden,
wie jener W?!se, der siebzig Jahre l?ni
di ganz Welt durchoz. da Glück
fuchens, nd endlich tief im Wzlde, ine
berrlichk Tempel rblick:e,' über teste
dicaangiiur !z gslseie Letter di
Zsrte pranzt.'?!: $, wohnt det
Glückt E: Zlcpsie sz d'e VMU. sie ist
sich auf nd Kt li'i n'i ,Mt gSt 1
tsr ,m :j fern B:i5.
bau deß Landes wieder ,u vollziehen.
Die Gründung der Universität Berlin
Im Jahr 1810 zeigt jedenfalls auch unS
den Weg, den wir gehe, müssen. Na,
türlich kann eS sich jetzt nicht darum
handeln, genau die gleichen Wege zu be
schreiten, die zur Zeit deS Tilsiter Frie
den gegeben waren, IS in Deutschland
noch die Agrarwirtschast fast unum
schränkt herrschte, sondern wir werden
in erster Linie auch die Hilfsmittel der
modernen Technik zum Wiederaufdan
heranziehen müssen, an deren unablösst
gcr Ausgestaltung durch Forschung und
Lehre gerade in diesen Zeiten erst recht
weitergearbeitet werden iujj. Aller
dingS wird man dabei von vornherein
eine selbstgerechte Politik ablehnen müs
sen. die etwa heute noch den Standpunkt
vertreten sollte, daß wir vom Auslande
nichts zu lernen hätten. Im Gegenteil:
eine gesunde Kritik, als deren Ziel der
Wiederaufbau der' gesamten Wirtschaft
erscheint, wird in Zukunft auch in der
Technik unbedingt notwendig fein, und
eine solche fruchtbare Kritik wird sich
auch auf eigene Einrichtungen erstrecken
müssen und nicht davor zurückschrecken,
eiqene Einrichtungen auf ihren inneren
Gehalt einer vorurteilslosen Nachprii
fung zu unterziehen, selbst wenn eS sich
um bisher im ?n und Auslande hoch
angesehene Anstalten handeln sollte.
Auch die deutschen Techniker müssen auf
vielen Gebieten NeueS lernen und in
Zukunft noch mehr olS vor dem Kriege
den Blick über die Grenzpsähl unseres
Vaterlandes lenken, um auch von sich
aus dazu beizutragen, daß die alte Hoch
achtung vor de? deutschen Arbeit, die
augenblicklich leider recht stark gesunken'
ist. wieder zu Recht besteh? kann. Wäh
rend man -noch im Kriege gerade von
englisch Seite auS außerordentlich oft
in' Reden und Schriften die größte Hoch
achtung vor der deutschen Technik und
besonders der deutschen chemischen In
dustri bezeugt hat. und während auch
die hemmungslosen und haßerfüllten
Veröffentlichungen van französischer
Seite immer noch bi! auf den heutigen
Tag eine nur wenig verhüllte Angst vor
der' deutschen Industrie, wie sie einst ge
wksc ist, erkenne lassen, ist man sich
ia nüchternen Kreisen der englischen In
diistr! in der letzten Zeit doch anschei
nend vollständig darüber klar geworden,
daß selbst die zukünftigen Aussichten für
die chemische Industrie in Deutschland
außerordentlich wenig versprechend er
scheinen, wenn auch weiterhin di Lcr
Hältnisse und Arbeitsbedingungen in
Deutschland die gleiche bleiben wie bis
her. Dan ist," so lpiszt eS ia eiuem
sehr bemerkenswert u Aufsatz in der
Zeitschrift Engineer" vorn 4. April d,
.sogar die, chemische Industrie ln
Deutschland auf dem besten Wege zum
Ruin . . ." Derartige Stimmen auS
dem gegnerische Lager können wir in
der Tat nicht ernst genug nehmen. Wir
dürfen unS nicht darüber täuschen, daß
nur durch pflichttreue Arbeit aller, Vc-.
volkcrungSklassen. durch neue Ersindun
gen und durch rastlose und zähe Aus
arbeitunz dieser Erfindungen die deut
sche Wirtschaft wieder hoch komme kann.
Dazu ist aber außer der allgemeinen Er
kenntniS von der Notwendigkeit der Ar
beit noch erforderlich, daß unsere Unter
lichtsanstaltcn auch den Forderungen
der neuen Zeit nach jeder Richtung hin
Rechnung tragen. Schon unter den,'
alten Regime war man sich übrigens
durchaus in den führende Kreisen dar
über klar, daß auch auf technischem Ge
biete dto alte Wein in neue Schläuche
.gegosse verden müsse. DaS geht be
sonders deutlich aus der in Fachlrelsen
icl bemerkten Schrift von A. Riodler:
Ueber de Zerfall der Technischen Hoch
schule und de Neubau der Hochschule"
bcrvor. die bereits im August 1S13 im
Auftrage dsö preußischen Kultusministe
riumZ erschienen ist. Man braucht ge
wiiz nicht allen Vorschlägen RiedlerS zu
zustimmen, und manche Ausstellungen
dc? AbtÄlung für Chemie und Hütten
knnde der Technischen Hochschule zu
Eharlottenburg mögen gewiß ihre Be
rcchtigung haben, aber der gesund Kern
' der Riedler'sche Forderungen sollte doch
allgemein als richtig erkannt werden,
und ma sollte sich durch d! Kritik an
einzelne Forderungen nicht davon ab.
halten lassen, deren Grundgedankens
baldmöglichst zur Durchführung ,u
bringen. Ausgehend von der Erkennt
nis, dag eine jede rein einseitige Fach
bildung ganzer Bevölkerungsklassen im
Interesse des Volksganzen abzuweisen
sci. fordert Riedler vor allem eine we
smtliche Vertiefung der . allgemeinen
Ansbiidung des Ingenieur!; denn die
ser Stand erscheint ihm mit Recht ganz
besonders dafür beruft zu sein, neue
Werte zu schasse und damit wirklich
produktiv Arbeit z leisten. Bisher
aber fehlte eS auch in Teutschland im
mt och zu sehr a einer genügenden
Würdigung der Technik in Staat j:d
Gesellschaft, wa! zweifellos für da
Wohl des Staates höchst bedenklich er
fcheint. Wohl schätzt man die T:chnik
und ihr Leistungen sehr hoch ein, äoer
in persönliche Würdigung der Tech
niker selbst ist trotz der schönen Worte
do den .Wundern der Technik", an
denen eZ ja im Krieg? nicht gefehlt hat,
Inme? noch nicht s, duzend vorhanden.
Um nun ober i diese inigen Anschan
uiissea di? notwendige Bresche zu legen,
fordert elithUt in bessere Allgemein
bildunq der Techniker und eine verstärkte
l)sfkntliche Betätigung derselben, wie sie
fttzt ksonderZ der NeichZbund deutscher
Techniker in die Wee zu leiten versucht,
an de? S ebe? fedenssllS ds? de? Revo
lutwn allzusehr gefehlt hat.
FachbilSung und Fachleißug allein
wird nie dazu führe, daß krisscnschaf!
lich f'biidete im Staatslehen rnd
lif.niliii ttfiüi'tn kicckt beki,i w,r.
v'!i. ??ichzi!k'ss. ti sich NR MiU'
m, Cj-tf!??, Z s. j
dentjchen
die Technik.
i ,
Merlin. '
DaS Wesentliche auch für den Staat
sind führende Köpfe in der Vollgemein
schaft. in schassender Tätigkeit jeglicher
Art. insbesondere in Amt und Staat,
gleichgültig, in welchem besonderen Fach
sie außerdem tüchtig sind." Ob es prak
tisch möglich sein wird, nach einem ver
lorenen Kriege alle Forderungen Ried
lerS zu verwirklichen, fei. wie bereits er
wähnt. , noch dahingestellt. Aber der
Grundgedanke, die Warnung vor einsei
tigem Fachwissen ohne Rücksicht auf iai
Lebensinteresse deS gesamten Volkes,
fcheint zweifellos als ein gesunder und
notwendiger. WaS für den Ingenieur
gilt, besitzt natürlich auch für den Ehe
miker Berechtigung, wie auf der anderen
Seite auch gefordert werden muß. daß
der bisher in Deutschland im. Staats
leben führende Stand, die Juristen, für
technische Fragen ein größeres Verständ
niS und ein erhöhtes Interesse zeige.
Die Teutschen brauchen technisch ge
schulte Juristen, ebenso wie juristisch er
fahrene Verwaltungsingenieure. um auZ
dem Elend einer Gegenwart herauSzu
kommen, in der in letzter Linie ein An
einanderöorbeigehen ohne - genügendes
Verständnis d?s beiderseitigen Stand
punklis die nutzbringende Arbeit, aus die
es allein ankommt, allzuoft ersckiweri.
Deutschlands Gegner haben häufig
betont, daß die deuische Technik von der
deutschen Regierung mit allen 'Mitteln
unterstützt worden sei, und sie haben un,
ter dem Deckmantel dieses gern benutzten
und im Kriege besonders wirkungsvollen
Schlagwortcs die industrielle Arbeit des
deutschen Volkes leider allzu erfolgreich
zu treffen gewußt. Wer die Dinge in
Wahrheit tennt, weiß aber, daß Riedler
mit seiner Behauptung, daß die deut
schen Techniker durchaus nicht di glän
zende Sicllung im Staat eingenommen
haben, wie man im Auslande stets ge
sagt hat. durchaus recht hat. Hier, wie
in anderen Fällen, wird man wieder gc
gen solche Verdächtigungen der deutschen
Industrie seine Stimme erheben müssen,
'um erst einmal jenen wahren Schutt
berz von Vorurteile fortzuräumen, der
sich auch in Zukunft für die Wieder
instandsctzung der deutschen Volkswirt
schaft. und besonders für den gesamten
Außenhandel als ein schweres Hindernis
herausstellen wird. In England, Amc
rika und in den übrigen Ländern der
Entente hat man immer wieder mit
solche falschen Behauptungen erfolgreich
gegen Teutschland Stimmung zu ic
chea verstanden, und bis in die neuest;
Zrit hinein hat man alle Massen der
.Moral" eigens zu dem Zweck benutzt,
der deutschen Betätigung im Auslande
Schwierigleiten zu machen. Wir brau
ch? daher auch auf diesem Gebiet? rück
sichtslose Wahrheit, und zwar in erster
Linie im eigenen Interesse. Deshalb
darf man aber natürlich nicht in den
el'enso schweren Fehler versallen, die
Leistungen deutscher Techniker und For
fcher gegenüber dem Auslande als ge
rinz einzuschätzen. Die deutsch Technik
hat, wie gerade ia der Technischen Rund
schau trotz aller Erschwerungen durch di?
Zensur in dea letzten Jahren gezeigt
werden konnte, zweifellos auf allen Ge
bieten industrieller Arbeit auch im Kriege
geradezu Hervorragendes geleistet, und
das zu vergessen, wäre nicht nur undank-
bar. sondern auch höchst unkiuz.
Wenn man sich heute im Ausland j?
stellt, als wenn alle diese Erfolge
Wahrheit ein Nichts scien gegenüber
Leistungen der siegreichen Entente!
der"), Zo hat man , eutzchlano i
denfallZ keinerlei Veraniassimg, en
solche infelti Tarftelluna als Taisach
hin!7r?ch4N. . Aber die eine Lehr wii)
- jr c. . ...ifi. ' .fc ' .
auoz oic ceu;;aj: isajnii immer
aus den Ereignissen der letzte Jahr
ziehen mujien, vag es in ven tommeu
i
den Jahren ist recht gilt, immer wie
dc? NeuzZ ja schafft, d.'na nur dur-i
neue Ergchniss auf dem Gebiete de $
Maschinenbaues, der Elektrotechnik, dc -Chemie,
des BerabaueZ und Hütten
" r. '
Wesens wie deS Verkehrswesens wird de
deutsche Volkswirtschaft wieder frische
. e':.-L . v . - t'i . n .
even pgejuqn roeioen lunnen. iues
halb wird aber auch daS technisch Un
terrichtSwese ungeachtet aller finanzier,
le Schwierigkeiten erst recht in de?
kommeudca Jahren gefördert? werdet
müssen, und auS dem gleichen Grugdq
wird man auch da? technische BilbösA
theksmesen nach dem bisher unerreicht..
m .c:f. . ot : . ....: 1.
-üuiuuc VUHUUU3 iiy.vii;i( rjcnti cu
bauen müssen. Man wird daZ aeistia
Leben ia den technischen Vereinen nochi
lillcnsiLer vIS früher ausgestalten, und
man wird bor allem die zahlreichen, bi''
her in dc? deutschen Technik zweifellos
twaS vernachlässigten Probleme der
:
,!Denschenw!rt,cha ft noch weit enerai
scher als früher in Angriff nehme muH
sen. Jn feiner überaus anregenden klci '
nea Schrift über .Zukunstsaufaabca dor '
Technik' in Hcst 4 der Sammlung .Der !
Autbau lDeukicki S!n??nstkk .
Stuttgart und Berlin, 1319) hat P
ftslor Conrad Matschoh mit Recht dar.
auf hingewiesen, daß die Bebandkiin.'
der lsra. was die 7,m f.; !
v ' " W - V14I V IV
deraufbai, Deutschlands , leiste habe,
schließlich auch ia das große Erziehung
Problem niündet. Deshalb richtet er , ,
nicht nur eine dringende Appell an 1 j !
die Lehre? de? deutschen Hochschulen, fon 's i
dkr an alle, die Verständnis und In 4 I
tereff für te dringend notwendig 1 S
ujuira ccr ceuniic sjoifä r! iat
besitzen, wenn er seine Stritt mit d ff
irionj? ioru si!,eßl:
Mensch? v orotjern Könne
ßn'.tto
id licl- j
in, von tegeiiterlft Hinzabe d;
itt d . -
firefe Ganze, 6: Liebe ia der uni ell? i. i
allein erbakiknd Arbeit, und eine Öl' k 4'
jeno WederhnsteZunz TeuZschlane jl I
allem feindlichen eknichtgAgZwilkn d I
allen scharren SchicksalsschlZ am jj f
Trotz sichert." - .
ltft. Z,t V:T-! "
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