Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 30, 1919, Image 3

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    Kriegsgefangener
und öer
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Tagcöuch eines Amerikaners. ?on Dr, Eyas. L. Sarlmann.
IX Cchllderungcn ine vmenraner
von (iuö'tet verlut. Tr. Harl
man deleiint tn seinem Buch wieder
holt, dad er In leinen mplindunaen
aus Seilen der UOtlcclen ttetjt, trohdem
itiit leine rlebiiille mit grober 11 n
Vatletliauu deichrieben und rufen da
durch den liefen Eindruck der Wahrheit
berdor. la. ntt er leibst rNürt. lein
elllnaennahme bet Gibrallar nur e i
dem Grün erlolgle, wett er einen
deullchen amen luhtt, So holst er in
iUlbe leine greiheit wiederzuerlangen.
Wüein diel Holsnung läulchl ihn. in
ganze Jahr blieb er tnlerniert. uerlt
aus Gibraltar, ipiiier oul der Intel
Man,, Unendlich viel , JnkereZIaniel
bai er In er ant, regenden Nricaözeu
erlebt, da Im Eoimlagsblol- tci-dcr.
' aeaeben werben lall, weil et ein klare,
re und objcllivereBild des Leben?
in en eiisttlchcn 'lzielangencnlanern
bielct alS vielletcht biötzcr l ernstem
lichl wurden i!t. TIe Red.
"
I. London zu Beginn des Krieges.
Monlag, 27. Juli 1014. Die engli
schen Zeilungen wcrdcn immer dümmcr
-und gehässiger. Jetzt reden sie, als ob
der Krieg vor der Tür stände. Ich
glaube nicht daran. Ein Krieg hcutzu
tage wäre etwas so ungewisses, so grau
schofles und die ganze Existenz einer
jeden Nation in Frage stellendes, daß
niemand ihn wagt. Eine Katastrophe,
welche die ganze Welt aus den Angeln
heben würde, und warum? Kein zwin
gender Grund zu einem solchen.
Die Kurse sinken täglich, die Börse ist
nervös, keine Contre-Partie zu finden,
jetzt ist die Zeit für den. der flüssige
Mittel hat, zu kaufen. In vierzehn 2a
gen, wenn man sich von der dummen
Angst erholt hat, ist eine Million zu
verdienen. Habe gestern durch, die
Banque Allard 100 Crödit Lyonnais.
100 Banque de Paris 230 Rio Tinto
ankaufen lassen, jedes Gluck fast drei
bundert Franken niedriger als vor acht
Zagen. Daran allein habe ich bereits
120.000 Fr. verdient. Mit dem Ge.
winn werde ich das große Wiesenterrain
bei der Billa ankausen. das wird meine
Besitzung prächtig abrunden. Seit Iah
ren gedachte ich es zu tun. habe mich je
doch nicht entschließen können, den hohen
Preis, den mein Nachbar auZ mir her
ausschlagen will, zu zahlen. ' Schreibe
heute nach Zürich an Advokaten, daß
,man bereits mit dem Besitzer unterhan
dein soll.
Dienstag. 2. Juli 1914. Kommt
heute so ein Dummkopf, französischer
Bekannter: .Der Krieg ist sicher." Wie
wenig Urteilsfähigkeit doch die meisten
Menschen besitzen. Franzosen ganz be
sonders. Strohfeuek. sofort Hitze und
Flamme, und ebenso rasch deprimiert.
Erhielt heute zu unglaublich niederen
Preisen noch weitere 100 Crödit Lyon
nais und 200 russische Maltzosfs. Das
, macht eine halbe Million reiner Wer
dienst, wenn der Umschlag kommt und
sich diese unsinnige Furcht vor einem
ausbrechenden Kriege, wie so oft schon
vorher, wieder gelegt hat.
Die Pariser Börse steht ganz unter
dem Einfluß der Boulevardblätter, die
llerunzuverlassigsten der Welt. Ich als
Fernstehender kann das besser und ruhi
'ger libersehen. In einigen Tagen ist
hier Bankfeiertag"). Weide einen Ab
siecher nach Boulogne machen, zwar ein
fürchterlich schmutziges und rußiges
Loch, fast kein Meerstrand, aber man ist
immerhin in Frankreich, kann an Sonn
tagen ins Theater gehen und eine Pak
tie Balkarat machen.
Bbalogne, ZX, Juli. Wenig Leute
im Hotel. Abends La BohSme" im
Kasino. Keine Zeitung zu bekommen.
Sonst kamen immer die englischen Zei
tungen mit dem Schiff, diesmal nicht
einmal die französischen von Paris zu
baben. In der Nue Longue vor dem
Gebäude der hiesigen Lokalzeitung sind
die neueste Depeschen angeschlagen,
kann jedoch nicht daran, die ganze
Straße voll Leute. Im CafS will man
mir ein Fünfzig Franes-Billet nicht
wechseln. Läßt mich lieber ohne Zah
lung weggehen. Das Lokal voll Ossi
ziere, sporenklirrend, Reitpeitschen in der
Hand, sehr wichtig tuend.
Boulogne, Sonntag, 1. August 1314.
Große Afsichen auf blauweißrotem
Papier angeschlagen. Mobilisation!
Bluff. Glaube trotzdem nicht daran.
Aber mit den Börsenkäufen werde ich
doch ausholen, habe genug. Wohl der
Einfluß des französischen MilieuS, der
mir zum ersten Male eingibt, ich könnte
meine Spekulation bereuen. Fischerleute
in braunen Blousen und Holzschuhen,
sehr phlegmatisch, Pfeifchen rauchend,
lesen ruhig die Proklamation, gehen
- weiter, durch andere ebenso stumme er
. setzt.
iX ,k ?s,!. rtt.ifVt XsAf
UlUp ttVlltlV ItV fltVll SlJVtS
i mich nach der Post. Dieselbe ist voll
X gepfropft bis außen. Leute mit Spar
kassenbüchern, Postanweisungen.
Nicht wird gezahlt.
Endlich nach dreiviertel Stunden kam
ich an die Reihe, kaufte, um meinen
, Fünfzig'Frankenfchein wechseln zu las
fen, einen Poft'Bon von fünf Franken,
erhielt neun nagelneue Fünsfrankenbil
le!s heraus. Nie gesehen. DaS aufge
druckte Datum der Scheine ist 1893.
Hat man sich damals schon auf derarti
ges vorbereite wollen?
Das Hotel ist jetzt ganz leer. Heute
früh sind alle Gäste mit dem Schiff weg.
Der Hotelier:
"ich kcklikke das ßotfl in. fi
müssen sehen, wie Sie ander! unter
kommen, alle meine Leute sind zum M!
litör einberufen. '
Gehe um elf Uhr ach Dampfer, um
mich zu erkundigen. Tausende machen
bereits Qufi9 für das Abend Boot,
irelAfl um fünf Uhr odsayrt. Alle wol.
!' Billets haben und ihr Gepäck ein
schreiben lassen. ' Kasse natürlich ge
t ti genann rmrleletta. (o(?n
!' ein ?,!,,, vtmm m .am, ni
'at sin ;Mm. i ' flau
! i;ffr:ni(i i! tUlfm f"t fl-iffi QMtf mttf
ÜÄb i-'i:cctt, tii i$t,;t;:i fccrn ritt.
schlössen. Glücklicherweise habe ich Re
iourbillett und nur Handgepäck bei mir.
Merkwürdig, wie man sich becinflus
fen läßt, jetzt fangt es mir an kalt über
den Rücken zu laufen; wenn es doch
Krieg geben sollte? Heller Wahnsinn,
es ist ja ganz unmöglich. Seit vierzig
Jahren sprach man davon, niemals kam
ti dazu.
Du bist doch zu vernünftig, um einen
solchen Bluff nicht zu durchschauen.
Ging von dem Quai quer über den
Platz meinem Hotel zu. Eine Menschen
inenge von Hunderten, johlend, pfeifend,
welche einen älteren beleibten Herrn mit
graublondem Haar und goldgeränderter
Brille umgaben.
WaS ist da lo!? fragte ich einen
der Jungens.
Man hat ihn dabei erwischt, als
er mit seinem Stock Zeichen nach oben
machte. Wahrscheinlich hat er einem
feindlichen Aeroplan die Richtung an
geben wollen. Sicher ein deutscher
Spion. Et trägt ja eine Brille.
Mit wichtiger Miene, im Sturm
schritt kam ein Trupp Polizisten. Er
wurde von deren Fäusten gefaßt und,
von der rasenden Menge 'umgeben,- nach
der Polizei gebracht.
Mein Hotelier sagt mir:
Zögern Sie nicht, um fünf Uhr
gkht daS letzte Schiff nach England.
Dann gibt es keine Verbindung mehr.
Ich laufe wieder zur Landungs stelle.
Gehe hinten herum, wo ich einen Ein
gang zur Holzbude des Kassierers finde,
die Türe ist offen. Ein junger Mensch
sitzt darin, ist ganz lustig:
Moi? je scrrne ia boutique, je
rn'en foua.
Lacht, und feine Frau, oder was im
mer die Dame war, welche neben ihm
saß, lacht mit.
Am Quai traf ich Molyneux, einen
Bekannten von einem der Londoner
Nachtclubs. Netter Junge, etwas
schwindsüchtig, aber desto versessener auf
jedes Vergnügen. Die ganze Geschichte
schien ihn nichts anzugehen. Machte
ihm eher Spaß. Etwas Neues. Ich
frug ihn:. '
Wissen Sie denn nicht, daß dieses
das letzte Boot ist, welches überhaupt
nach England geht? Auf dem Büro sagt
man mir, daß jeder Verkehr mit Eng
land jetzt abgeschnitten wird.
Er phlegmatisch:
Ich habe drei Wochen Ferien.
Habe mir vorgenommen, sie hier in
Boulogne zuzubringen, mein Zimmer ist
für einen Monat gemietet und voraus
bezahlt. Hier bin ich, hier bleibe ich:
Krieg? liegt mir gar nicht daran. Die
Bourgeois sollen sich die Schädel gegen
seitig einschlagen. Ich mache nicht mit.
Vielleicht gibt es Krieg, dielleicht gibt'S
ailch keinen. Wahrscheinlich so ein fran
zösisches Börsenmanöver. Zeitungs
schwindel.
Eine hochgeputzte Jungfer (vielleicht
auch nicht mehr ganz), stand hinter ihm.
Ta wußte ich. warum er seine Ferien in
Boulogne verbringen wollte.
Adieu, adieu, Gruß an alle die
Boys bom Club. In drei Wochen bin
ich zurück!
Langsam glitt das Schisf vom Qual
ab. Wundervolle Fahrt, das Meer so
glatt wie ein Spiegel. Im Boot eng
zusammengepfercht; konnte während der
ganzen Ueberfahrt nicht sitzen, nur sie
hen. Frauen wurden ohnmächtig. Das
Wetter war glücklicherweise sehr gut.
Kam 12 Uhr nachts zu Hause an. Meine
Frau, wie immer ruhig, glaubt auch
nicht an den Krieg.
Sonntags gibt es keine Zeitungen,
man wußte daher in London noch nichts
bon der französischen Mobilisation.
Aber Mobilisation ist doch kein Kriegs
erllärung. Bluff.
Montag. 2. August 1914. Auf der
Straße wird mir ein Flugblatt von
Tamen mit weißen Schärpen in die
Hand gedrückt: .Engländer bewahrt
den Frieden. Mischt euch nicht in kon
tinentale Händel" u. f. w. Unterzeich
net: Die Neutralitä!sLiga mit Büros
im Salisbury.Hotel. Ich lese am Abend'
in der Zeitung, daß der Eigentümer des
Hotels sie sofort vor die Türe gesetzt;
sie glaubten, wie die legendäre MrS.
Partington. die Sturmflut des über
die Schwelle ihrer Hütte hereinbrechen,
den Ozeans mit einem Besen hinauskeh
ren zu können. In der .Times" sieht
ein Manifest, von 67 der bedeutendsten
Universltätsprofesioren unterzeichnet, zu
gunsten der Neutralität, die Verdienste
Deutschlands, des intellektuellen Heimat
landes der Welt, um die Kultur der
Menschheit hervorhebend.
Die Arbeiter läßt die ganze Cache
vollständig gleichgültig. Aus allen ihren
Reden hört man: Die ganze Geschichte
geht uns nichts an. Soweit man dies
aus den Zeitungen ersehen oder zwischen
deren Zeilen lese kann, sind sie sogar
gegen den Krieg. Offen und energisch
gegen eine solchen treten die Sozialiste
auf, namentlich die .Jndependent La
bour Party" mit ihren Führern Ramsey
M Donald, Snowden und dem grei
sen Nestor der Bewegung. Keir Hardie.
Ich glaube kaum, daß in irgend einem
Lande deS Kontinents eine so mutige
und kraftvolle Propaganda gegen den
Krieg geführt wird als in deren Organ,
dem Labour Leader").
Gehe am Abend mit meine: Frau zu
einem von den Sozialisien arrangierten
Frikdknümeeting in Charlotte Street.
Drei kleine Säle, vollgepfropft mit Jla
lienern. Teutschen. Russen; viele Frauen.
Weder auf der Straße, noch im Saal
ein Polizist. Erdrückende Hitze. Sehr
dankbares Publikum, jeder Redner wird
frenetisch beklatscht. Alle sind darin
) CiM, o lir cetfti imlnnh htt-'t
die niifrfifrt Zi-Wt iwtf'i'iiiert, eiwr ,ch
eint ("', tunt. itfit en ii'f umibi
nettt: .Ift 5 pur", i'nMiir 5,";-. vw
ftiiWni! !" ftn tfitnomtnlticfirtt T-u
tim -'H etrnt'.'. tar'tt ; -fmrii,
trh Ttlrtt tve in Lilien l!!? srcmi
fc'.tS liiM ct. ilbjt ui'4 liegt,
einig, nicht mitzumachen, daß zu einem
Kriege nicht der geringste wirkliche An
laß sei und daß die Arbeiterklasse den
General'Streik gegen den Krieg und
die Kriegsvorbereituiigen proklamieren
solle. Eine Resolution: Die heute in
Charlotte Street versammelte Arbeiter
schast Englands hat beschlossen, u. s. m.
Es erinnert mich lebhaft an die. von
Carlyle mit der Jauche seines Spottes
bego-ssenen historischen drei Schneider
vo Tooley Street, welche eine Prokla
mation erließen: Wir, die Britische
?!ation, haben unö erhoben.
Dienstag. 3. August 1014. Am Vor
mittag begebe mich nach dem-Amerika
Nischen Konsulat. Nehme meinen ame
rikanischen Paß und andere Ausweis
Papiere mit. Im Hausgange bis außen
auf der Straße standen über dreihun
dert gestrandete Amerikaner, die samt
lich nach Hause wollten, und teils ihre
Pässe visieren, teils einen Geldvorschuß
zu erhalten suchten. Der Dollar war
auf drei Shilling gefallen und selbst zu
diesem Kurs wollte niemand wechseln.
Die Kreditbriefe amerikanischer Banken
wurden von ihren englischen Korrespon
denten nicht mehr bezahlt. Von einem
Tag auf den anderen waren meine
Landsleute, welche meistens zu Vergnll
gungsreisen gekommen waren, ohne
Geld.
Hier zeigte sich die wunderbare ameri
kanische Initiative. Sofort bildete sich
ein großes Komitee, welches den. ganzen
ersten Stock des Hotel Cecil mietete, mit
Unterabteilungen für Familienangcle
genheiten, Paß und Geldsachen, Auf
suchung von Gepäck, viele waren vom
Kontinente in aller Eile zurückgekommen
und hatten alle ihre Koffer im Stich ge
lassen
Man hatte nicht lange zu warten.
In einigen Minuten war jeder Fall er
lcdigt, kurz, knapp, geschäftsmäßig. Von
Deutschland, Frankreich, ganz Europa
kamen Züge von Amerikanern zurück, die
nach Hause wollten. ,
Die Regierung hat die nächsten drei
Tage zu Bankfeiertagcn erklärt, d. h.
also sämtliche Banken sind auf drei wer
tere Tage geschlossen. Wer kein Geld
zu Hause hat, und dies ist in England
stets der Fall, da man alles mit Scheck
zahlt, ist während dieser Tage ganz ohne
Hilfsmittel. Die Annahme von Schecks
als Zahlung wird überall, selbst in Ge
schäften, in welchen man jahrelang be
kannt gewesen ist, verweigert. Auf dem
Postbureau. wo ich, um wenigstens für
eine Fünf Pfund-Note Kleingeld zu er
halten, eine Posteinzahlung machen will,
sagt man mir zum voraus, daß keine
Scheidemünze hier ausgegeben wird.
Alle Sparbanken leisten bis auf weiteres
keine Rückzahlungen. Meine Frau wollte
von der Postsparbank etwas Geld zu
rückziehen, der Angestellte nahm den
Avis zur Rückzahlung an, lächelte mali
Iwi, so ungefähr: Das nützt Ihnen
doch nichts!
Jetzt bekomme ich aber etwas Angst.
Vielleicht wäre es besser, einige meiner
Wertpapiere zu verkaufen, um wenig
fiens für die nächste Zukunft nicht ohne
Barmittel zu fein. Zu spät. Die
Börse wurde heute aus - unbestimmte
Zeit geschloffen.
Eine merkwürdige Umwandlung des
englischen Charakters geht vor sich, oder
vielleicht auch nur mit meiner Unwissen
heit über denselben. Leichtgläubig, stets
ohne Kritik, schien sich mir die Masse
nur für ihr Bier zu interessieren, alles
andere ließ sie kalt. Jetzt hört man
auf allen Seiten, in allen Gcscllschafis
schichten: Wo treiben wir hin? Was
wird aus England werden, bringt die
nächste Zukunft uns den Untergang?
Mit wem ich rede, im Omnibus, auf. der
Straße, im Klub, nirgends die ge
ringste Begeisterung für einen Krieg
und namentlich einen solchen, der die
ganze Existenz des Britischen Reiches
in Frage stellen könnte, überall nur die
Befürchtung, man könnte in denselben
hineingezogen werden.
Fast alle Zeitungen von Bedeutung,
besonders die Daily News". Chro
nicle". .Telegraph". Wcstminster Ga
zettc", welche der Regierung nahestehen,
scheinen wie vor den Kopf geschlagen.
Augenscheinlich wissen sie nicht, wie sie
sich zu dem drohenden Kontinentalkrieg
stellen sollen und sind ganz ohne Direk ;
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,---- 4?lwfeB;t. -"Xi - fr&.Ytefb&S4bi!,i. f4Mi
Tas
in dem
ive von Seiten der Minister. ' Am .Ncd
ten möchten sie wohl abwarten, um zu
ehen, wer die meisten Chancen hat.
Selbst die Northcliffe . Presse ist sich
plötzlich der ungeheuren Verantwortlich
keit bewußt geworden und scheint stark
ernüchtert.
Auf den Straßen, öffentlichen Plät
zen olles ruhig, das Leben geht seine
gewöhnlichen Gang. Keine Demonstra
tionen, Versammlungen oder schreiender
BoulevardPöbel.
Machte meinen Cpazicrgang nach
Hyde-Park. wo sonst immer jeden Nach
mittag ein Dutzend verschiedener Redner,
je aus einer mitgebrachten kleinen Kiste
stehend, eine Anzahl Müßiggänger um
sich herum, für und gegen Katholizis
mus, Sozialismus, Alkoholismus agi
tieren. Auch hier nicht die geringste
Aufregung, Spaziergänger, Soldaten
mit ihrem Schatz, Reiter und Herr
schaftswagen, wie an jedem anderen
Tage.
4. August 1914. vormittags. Die
selbe Unentschlosscnheit und Unlust, sich
in fremde Händel zu mischen, auch im
Parlament. Grey hat erklärt, daß
England keine Verpflichtung eingegan
gen sei, welche es zwinge, sich auf die
Seite Frankreichs zu stellen. Hab ich
mir's doch gedacht: Man hat mit Ma
rianne kokettiert, das Techtel . Mcchtel
hat zu den gewöhnlichen Konsequenzen
geführt, und jetzt will man von der
Baterschaft nichts wissen: ?auvre
ITr-ance!
Merkwürdig, wie gerade bei dem
Engländer der Einzel-Charakter so sehr
von dem Kollektiv Typus abweicht.
Als Individuum ist der Engländer gü
tig, ehrenhaft, vertrauenswürdig, offen
und ohne Trug, sein Wort ist sein
Bond". Als Nation heuchlerisch, stets
nur den engherzigsten Zweck im Auge,
listig, grausam,' raubsllchtig. Erkläre
das, wer will. Ich beginne, an aller
Mathematik zu zweifeln, denn in der
Schule wurde mir gelehrt, daß jedes
Ganze identisch sei mit seinen einzelnen
Teilen.
4. August 1014. nachts. Krieg! Auch
England ist in denselben heute eingetre
ten. Ich war im Constitutional-Club,
als die Nachricht kam. Alles ruhig,
keine Erregung, keine improvisierten
Speeches, nicht einmal lauteres Reden
als gewöhnlich. Einige kleinere Grup
pen bildeten sich, sechs, sieben Herren um
einen anderen, der kaltblütig diskutierte.
Bei bevorstehenden Parlamentswahlen
hatte ich den großen Rauchsaal viel auf
geregter gesehen. Als die Theater be
endet, füllten sich die Klubräume, aber
im ganzen zeigte sich auch in diesem HU
storischen Momente die Selbstbeberr'
schung des Engländers und sein Abscheu
vor der dramatischen Pose.
Samstag, 12. September 1914. Vor
Baron Schröder liegt die ganze Finanz
Welt auf den Knien. Als Besitzer der
größten Diskonto-Bank der Welt wurde
er durch die Regierung drei Tage nach
Kriegsausbruch ohne sein Verlangen na
turalisiert. Im House of Commons"
wegen dieser skandalösen" Naturalisie
rung nach Ausbruch des Krieges intet
pclliert, erwidert der Minister des In
nern, daß ohne diese Maßregel, auf
welcher die Bank os England und die
ganze Hochfinanz bestand, eine Börsen
Panik ausgebrochen wäre, wie sie Eng
land noch nie erlebt.
Mit Ausnahme der Northcliffc-Presse
(Evening News", Daily Mail" und
Times"), auf deren Denunziationen die
Regierung jedoch nicht reagiert, läßt
man die Gerrnns in hiph Plaees, Wie
Sir Emest Cassel, Sir Edgar Speyer,
Mond, Brunner, Neumann, 2Bcrn.net
Beit, Schuster, völlig unbehelligt, übt
dagegen seinen Mut und Patriotismus
an deutschen Kellnern und Tienstmäd
chen aus.
Seit langen Jahren gab es in den
besseren Hotels, selbst der Provinz, nur
deutsches Personal. Erst in dem letzten
Jahrzehnt machten ihm in Restaurants
die Italiener etwas Konkurrenz. Fran
zösische Kellner gibt's fast gar keine,
selbst nicht in ausschließlich fran,zöisch?n
Etablissemenis. wie Cafs Rizyal. Mo
nieo. Der Engländer eignet sich ganz
und gar niebt zum Kellner, was eher
zu seinem Vorteil spricht. Er hat nicht
die nötige Rückgratskrümmung, auch ist
Hotel dcö Ncscrvoir" in Vcrsaillkö,
die deutsche Jrirdknsdtlcgatkn wohne.
1 " !
er nicht anstellig genug. ' ' " ' "
Wie immer gab die Evening News"
das Signal. Große Content Bills):
16,000 Deutsche in London verschanzt!
Ein Waffenarsenal in Euston Road
entdeckt! Verschwörung der. Feinde,
London in Brand zu stecken!"
Die Deutschen der Mittelklasse geben
hier kein besonders erhebendes Beispiel.
AppenrodtS fünfzehn Zweiggeschäfte
sind alle mit riesigen .Plakaten beklebt:
Zweitausend Pfund' . hat diese? Ge
schäf' für den Pnme,of Wales-FontS
gezeichnet und wird, in Zukunft während
des ganzen Krieges 25 des Reinertra
ges für die Verwundeten beisteuern."
DaS Vienna CafS an der Ecke von
Ozford und Hart Street hieß plötzlich
Central CafS, von oben bis unten mit
englischen Flaggen bedeckt, und großen
Affichen: Hier ist nur englische Be
dienung, keine Teutschen oder Oester
reicher werden von uns beschäftigt." In
den Schaufenstern diesbezügliche Zerti
fikate vom Englischen Kellnerverein,
welcher bei d'eser Gelegenheit brillante
Geschäfte machte, indem er an alle deut
schen und ausländischen Cafes und Ho
tels diese Zertifikate verkaufte.
Die verösfentlichten Listen der Bei
träge für alle möglichen Kriegszwecke
weisen' jetzt eine Unzahl deutscher Na
men auf, und die Ladeninhaber kleben
die Quittungen dafür als Loyalitäts
Zeugnisse in ihre Schaufenster. Von
allen Apotheken, Läden verschwand im
Handumdrehen: Hier wird deutsch ge
sprachen."' Aus deutschen Bierhallen
wurden- plötzlich Dänische"; Pilsener
und Bayerisches Bier, welches während
der letzten Jahre in den besseren Cafss
das englische Bier fast ganz verdrängt
hatten, sind auf Edinburger und 'Am
sterdamer umgetauft.
Die kleinen deutschen Bäcker und
Metzger, welche in' den Slums" des
East End ihre Läden haben, leiden ganz
besonders unter der steigenden Feind
schaft des Pöbels, im ganzen jedoch
nicht zu vergleichen mit den Verfolgun
gen Deutscher beim Ausbruche des Krie
ges in Paris. Eine Anzahl Läden wur
den in den verschiedenen Teilen Londons
ausgeplündert. Keine Strafe für die
Patrioten. Der Richter ermahnt sie,
sagt, das wäre doch nicht schön gewesen,
gibt fast direkte Aufmunterung zu wei
teren Ausschreitungen. Und dies von
englischen Richtern! . Bis zu jener Zeit
die objektivsten, 'ruhigsten, vernünftigsten
Menschen der Welt.
In keiner Weise ist mir die rasche
Umwandlung des englischen Charakters
mehr aufgefallen, als bei diesen. Arme
Teutsche sind vogelfrei, erhalten die
Hartesten, ungerechtesten Strafen.
Katzen werden selten von Hydrophobia
befallen, sind aber dann viel gefähr
sicher als die Hunde. ,
Junge Rekruten marschieren durch
die Straßen, im Chorus pfeifend als
Musikbegleitung Gutes Material,
außerordentlich widerstandsfähig, wer
den den Deutschen viel zu schaffen ma
chen. Borniert, ungeschlacht, ohne die
geringste Einbildungskraft, also gegen
Gefahren ganz stumpf. Sportgefuhl,
körperliche Strapazen mit Leichtigkeit
ertragend, jedoch nicht ie geringste Ent
bchrung von Beef" oder Kürzung der
gewohnten Lebenshaltung.
Ging heute nach dem Tower", um
den mir befreundeten Maler Nevinson
zu besuchen, welcher sich für die Artists
Rifles". das Künstler-Bataillon. hatte
anwerben lassen. Obwohl er niemals
Soldat gewesen, hatte man. ihn sofort
zum Unteroffizier gemacht. ,
Er klagte mir feine Leiden, die Dis
ziplinlosigkeit seiner Leute: Hatte Be
fehl gegeben, den Saal, in welchem ihre
Betten aufgeschlagen 'waren, zu rei
nigen:
Wir sind keine Putzfrauen, wir
haben uns anwerben lassen, um nach
der Front zu gehen, aber nicht um Zim
,mer zu scheuern.
) In Enalanb ist hu'. I,?!t,mar,kwmi?.
mnt frn't iiiibrliimtf. bet SlbfiiU her Inaelifät
Irr flrftfiriit meisten durch 'trnflemierfäitfer,
Icrliif rnftfiebriirtle rtFialt5l'fiMid)niifi;, Con
ient BillZ", in her Hmid hallen.
CUoilfctiimg solgk.)
Boshaft.
Advokat: Diesen Wein hat mir ein
Klient, den ich' 'mal verteidigte, ge
sckiickt!"
Herr: Der hat wohl einige Jahre
schwere Kcrkerstrafe erhalten?"'
Schöne Aussicht.
Schneider: ...Also Montag abend
um sieben Uhr soll ich mit der Rech
nunq kommen?"
Studiosus: Jawohl aber bitte im
mer recht pünktlich!"
ii!!m WV 4, z "! ''s! ! -
Im Hsaralckrißik
der Alge in Außland.
von Privatdozent Dr. F. Mchktz .(Bern))
(Zieue snraier gellung,)'
Eine Gruppe Rußlandschweizer ist
nach der Schweiz zurückgekehrt. Es war
für mich besonders lehrreich, mit diesen
Leulcn Fühlung zu nehmen, um zu er
fahren, wie sich die russische Lage unter
der Herrschaft bei Zarismus toter 06
servanz gestaltet hat. Im folgenden soll
der Versuch gemacht werden, die Ver
Hältnisse grundzllglich darzustellen.
In Rußland tobt bekanntlich der
Bürgerkrieg. Aber dieser Krieg hat
ganz eigentümliche Merkmale aufzuwei
fen. Es ist nicht nur ein sog. Klassen
kämpf", fondern ein Kampf innerhalb
der Klasse selbst. Aus diesem Grunde
erscheint unS der russische Bürgerkrieg
besonders lehrreich und interessant zu
sein, spiziell mit Bezug auf die Tenden
zen des Bolschewismus.
Die Bauern haben die Grundbesitzer
enteignet. Das war von jeher das
Ideal der Sozialisten, welche den Raub
mit dem schönen Wort Expropriation"
zu bemänteln suchen. Die Erfahrung
lehrt uns. daß die Bauern überall him
melweit davon sind, Sozialisten zu sein.
Das Ideal des Bauern ist Privateigcn
tum an Grund und Boden. Das gleiche
ist der Fall auch in Rußland. Und in
der Tat schen wir auch, daß, nachdem
die russischen Bauern die Grundbesitzer
enteignet haben, sie selbst ihre ökonomi
fche Macht wucherisch auszunützen fu
chen, indem sie hohe Preise für die Le
bensmittel verlangen, sonst lassen sie die
städtische Bevölkerung verhungern. Die
Bolschewik! ihrerseits, die den Arbeitern
Brot liefern müssen, weil sie auf deren
Unterstützung angewiesen sind, haben es
zwar versucht, gewaltsamerweise den
Bauern die Lebensmittel abzunehmen,
aber nur mit geringem Erfolg, da die
Soldaten, welche von der Front zurück
gekehrt sind, größtenteils auf dem Lande
zuhause und mit Munition und Waffen
versehen sind. Es entstanden also Käm
pfe zwischen den bolschewistischen Ezpe
ditionen und den Bauern-Soldaten.
Auf der anderen Seite entbrannte ein
anderer Kampf auf dem- Lande. Der
Boden ist natürlicherweise verschiedener
Qualität. Verschieden sind auch die Gü
ter nach Größe und Ausdehnung. Da
die Enteignung der' Grundbesitzer will
kllrlicherweise'vor sich ging, so war es
das Faustrecht allein, das ausschlagge
bend war für den Erwerb des Grund
und Bodens. Es ergibt sich nun fol
gendcs Bild: Bauern, die physisch über
eine große Kraft verfügten, fei eS durch
die Größe der männlichen Angehörigen,
fei es durch die persönliche Kraft, waren
auch in der Lage, alle ihre Wünsche zu
realisieren. Umgekehrt aber, was die
physisch schwachen Bauern anbelangte.
Sie mußten sich mit ganz geringen An
teilen begnügen. Es folgt daraus, daß
der neugeschaffene Agrarzustand in
Rußland, selbst vom Standpunkt des
Sozialismus,. nichts mit Gerechtigkeit
zu tun hat. Die neue Grundbesitzer
klasse besteht aus Räubern, und na
mentlich Räubern gegenüber den frühe
ren Besitzern, Räubern gegenüber ihren
bäuerlichen Mitgenosscn, Lebensmittel
wuchern gegenüber der städtischen Be
völkerung!
Ein noch düsteres Bild entrollt uns
die Methode des Sozialismus, wie sie
von den Bolschewik! geübt wird. Weder
Konsequenz, noch Gerechtigkeit. Selbst
elementare Ehrlichkeit wird vermißt.
Zwar wird so sozialistisch dekretiert,
aber der rollende Rubel versteht es vor
ziiglich, auf dem Wege der Bestechung
praktisch das Dekret für ungültig zu
machen. Die Bankkapitalien wurden
zwar konfisziert; allein, wer es verstan
den hat, die Volksbeauftragten" zu be
stechen, dem gelang es auch, sein Ver
mögen zu reiten. So bezahlte ein
Bourgeois" der Maitraisse eines Kom
missars 40,000 Rubel, um seine 400.
000 Rubel von der Staatsbank zu er
halten. Diese Finanzoperation" wurde
mit Erfolg im sozialistischen" Staate
Rußlands 'durchgeführt. Im allgemei
nen beträgt der Bcstechungskontosatz"
zur Rettung der Privatkapitalien min
bestens zehn Prozent! Es ist die Dis
kontopolitit" des Bolschewismus, die je
dcnfalls eine bahnbrechende Neuerung
im Bankfach bedeui? muß. Es ist fer
ncr bekannt, daß gegenwärtig die sicher
sie Quelle der Bereicherung das Amt
eines VollsbcaustragtcN" in. Rußland
ist. Einige Monate Amtung bring'
Millionen nn. Es ist bereits eine bol
schcwistische Bourgeoisie" entstanden,
die auf Raub und Ticbstahl begründet
ist.
Der Bolschewismus will die Privat
Unternehmer beseitigen. Nichtsdestowe
niger hat sich die Regierung Lenins ver
anlaßt gesehen, den Bau einer Eisenbahn
in Nordrußland einer norwegischen At
tiengesellschaft zu übertragen, was dafür
spricht, daß selbst nach der Ansicht der
Sozialistcn das System der Vcrgescll
schaftung der Volkswirtschaft nicht le
bensfähig ist. Natürlich wird diese
Tatsache gebeim gehalten, um den So
zialismus nicht zu diskreditieren. Aber
auf die Wahrheit kommt es bei den Bol
schewiii nicht an. weil die Gesetze der
Revolution" eine andere Logik besäßen.
Tie Produktivität der Arbeit ist bedenk
lich gesunken. Tie Faulheit und die Ar
beitsscheu sind Trumpf. Der Arbeiter
ist Staatspensionär, und daS heiligste,
unantastbare Recht ist daS Recht auf
Faulheit. Der Staat füttert sie gratis.
Don dcr Staatskasse werden natürlich
auch d,e roten Gardisten gespeist. Be
greiflicherweise sind die Staatsausgaben
sür die Verwaltung' außerordentlich
cüslicgcn. Da letzte Budget sieht ein
Dewit von im Milliarden vor! Die
Boischewiti haben bereits die russische
Ttaatsschuld um mehr als ziveibiindkrt
Milliarücn Rubel erhöhl! Tie Roten
dru?tprcsse in Verbindung mit der Fal
sif'talion von Zarennoten arbeitet un'
unterbrochen, um die Finanzwirtsckaft
des Bolschewismus am Leben zu xrhal
if t
ten. Die Bevölkerung ober schenkt d.'e
scn Geldzeichen kein Vertrauen mehr,
und dcr Handel, insofern er noch eri .
stiert, trägt den Charakter deS Natural
tauscheS. AuS diesem Grunde wird ti
erklärlich, warum Lenin entsprechen
den Zeitungsnachrichten, teilweise wie
der den freien Handel eingeführt hat.
Der Sozialismus hat auch hier gänzlich .
versagt. Leicht ist es, das moderne '
Wirtschaftsleben zu kritisieren; die
Schwierigkeiten beginnen aber, wenn es ..
gilt. Besseres, Positives zu leisten.
Und die Presse? Äie oft wiederholt
die sozialistische Presse, die bürgerliche
sei verlogen, unaufrichtig, käuflich uns
betrügerisch. Wer einen richtigen Ge :
schmack bekommen will, was fozialisti .
fche Preßwahrheiten bedeuten, der lese
die bolschewistische Presse Rußlands.
Der Bolschewismus hat die öffentliche -Meinung
für sich monopolisiert. , Die '
bürgerliche Presse ist gänzlich unter -drückt.
Die bolschewistische Presse ba
siert auf zwei Fundamentallllgen: syste
malisch verkündet sie die Erfolge des ?
Bolschewismus in allen Ländern und die
Siege der roten Armee an allen Fron t
ten! So sieht die Wahrheit unter dcr .
Herrschaft der Diktatur deS Proleta -riats"-
aus! Der Zukunftsstaat ist die
Zukunft der Lüge und der Vcrgewalti
gung.
Ueber die LeöenSmittelpreife braucht .
kein Wort verloren zu werden. Hun
dertmeise sterben die Menschen deS Hun
gerS auf den Straßen. Einstimmig
sagten mir die Rußlandschweizer, daß ,
die Tage der Herrschaft deS Bolschewis
muS gezählt seien, daß er einem vollstän
digen ' Zusammenbruch entgegeneilt.
Selbst die Leiter und Führer des Bol
schewismuS geben im stillen dieS zu.
Mit der Erschöpfung deS BroteL bricht er
vollständig zusammen. In vertrauli :
chen Kreisen kritisieren am schärfsten den -Bolschewismus
selbst die Beamten der
Regierung Lenins!
Das sind die Ereignisse deS roten '
Terrors, der auf Rufjland seit ändert
halb Jahren lastet. . Handel und Jndu
ftrie sind ruiniert, die Volkswirtschaft
zerstört, die Finanzen des Staates zer
rüttet. Tausende von Bürgern füsiliert,
ermordet und verhungert.
von Denkma'lent
n Asm.
In Rom ist die Konkurrenz für das
Denkmal eines Soldaten ausgeschrieben,
der, bei Anfang des Krieges zum Krüp
pel geschossen, bei seiner Truppe bleiben
wollte bis zuletzt; als dann der Feind
den Graben nahm, wo der Wackere lag,
griff Tonti (fo heißt er) zu feiner Krücke
und schlug sie einem Oesterreicher um den
Kopf, worauf dieser ihn niederstach. Eine
Episode, die in ihrem pathetischen He
roismuS auffallend an das -Enden der
Brüder. Cairoli (die auf dem Pincio ihr
Denkmal haben) erinnert. . Die Aus
beute der römischen Konkurrenz scheint
den künstlerischen Erwartungen nur
mäßig zu entsprechen und die Presse be
handelt die' Modelle höchst abfällig, ja
sie nimmt Veranlassung, von ihnen aus
einen Blick auf. die übrigen häßlichen
Denkmäler Roms zu werfen. Bei einem
von der Epoca" veranstalteten Referen
dum erhält den Grand Prix der Häßlich
keit 1 der an Piazzctta- Sforza stehende,
vielmehr sitzende Philosoph. Mamiam,
der sich in einem diskreten Gebüsche in
geheimen Qualen . windet. Auf diesen
armen Marmormann solgt sofort der
römische Volkssatiriker Giocchino Belli,
der bei der Torrs Anguillara am Tiber
die Honneurs macht und von den bösen
Buben von Trastcvere mit Vorliebe an
gemalt oder mit Steinen und Unrat be
worsen wird.- Das dritthafzlichste Mo
nument Rom? wäre laut Vox popuU,
das (vom einstigen deutschen Kaiser oe
stiftete) Goethe-Denkmal in. der Villa
Borghese, das freilich bei der Schenkung
schon nirgends mit Begeisterung begrüßt
wurde. Der von allerlei seltsamen Pup
pen umringte Dichter (im Alter seiner
Jtalienreise), der den Ladstock verschluckt
zu haben scheint, kam den Römern von
jeher als Negation künstlerischer Dar,
stcllung vor. Genau fo (was daS Rest .
rcndum zugibt) das dem Goethedcnkmal
benachbart: Denkmal Victor Hugos, daS
eigentlich noch grausamer ist als jenes.
Dcr den Sockel umwindende Löwe ist
direkt aus Oberländers Menagerie bc
zogen und hat Mühe, sich am Posia
mente festzukrallen; aber auch so ist er
merklich im Rutschen und rutscht so be
reit seit dem ersten Tage seines Da
seins in der historischen Villa. In der
Reihe der bnittezza" folgen die Sta
tuen des Sizilianers Spedalieri, des
Staatsmannes Cavour. des Dichters
Cossa. des Finanzministers Sella vor
dem Finanzministerium in Via Venii
Cettehre, und deS Ministers Ming
hetti, Schwiegervaters des Fürsten Vü
low und Taufpaten der durch ihre stro
herne Nüchternheit bekannten Äinghetti
Zigarre. Auch das Viktor i5manue!
Denkmal wird zu den Häßlichkeiten
Roms gezählt. Wäre dcr Schreiber dieses
gefragt worden, welches römische Den!
mal ihm den fatalsten Eindruck hinter
ließ, so hätte er keines dcr erwähnte
genannt, sondern das Denkmal deS lnsii
gen kleinen Abb Wetastasio, daS bis
1N0 vor dcr Hauptpost von S. S!!
vcstro stand uns eines Tages dcr Mi:
telpunkt einer Tragödie alla Caoellcria
Rusticana war. Während das röniisc!'?
Preßvolk ahnungslos in feiner 2alx
bei Telezraio" saß, ging auf der ia-t
draußen ein Geschieße lcs, und fr:
Achill und Hellor jagten sich zwei Mc,
sckcn um den Sockel des bezopften So-
tanenmannchenS herum. Immer knal
l.'nd und knallend, bis, der eine Ziel.
Tiefes bei dcr Umfraa; der .Epoca"
nicbt genannte Metastasig.Denkmz! war
und bleibt für mich fcfli schlimmste Zv:
mal der Eiiäjta Stadt, ,