Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 17, 1919, Image 7

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    Tagnye mayt xxwut
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1
-
KeirnfccHrt.
VUcküehrcttöo Gruppen auf öcm Lcviatyan".
von NettZe . Dixon.
S Heimkehrende Touristen Pflegen zu scs
gen, baß der Anblick dck ' reiheits
flatue vom Deck deS kinlaufeilden
i 'j aiioanipici ii (nun uuj cuui
V,kurzen. Abwesenheit von Hause stets
' " " ihre Herzen höher schlagen läßt. Stel
V Ien Sie sich vor wie dem heimkehren
t den Toughboy zumute sein muß,
, wenn er nach 13"A!onaten im Feuer
s Kagek und Schmutz von Flandern in
I den Hafen einfahrt. Mih Dixon U
' schreibt nachstehend eine solche Ersah
j tuitfl eine verwundeten amerikan!
schen Soldaten, der auf dem frühe
C ftn deutschen Dampfer .Vaterland".
jetzt Leviathan" genannt, zurückkehrt,
"l Die Feststellung, dah 43.00 Pfund
Nahrung alltäglich erforderlich sind.
.r ' um die Insassen dieser .schwimmen
i; den Reservation" zu ernähren, läßt
', s bis zu gewissem Grade dle Ausgaben
i I ..... . c , . . . t r t . r.
J ' erkennen, die der Regierung durch den
' ' Transport der amerikanischen Armee
von Ucbersce erwachsen. Kauft Frei
heitsanlcihe und fielst dadurch die 6t
nötigten Mittel für die en wucwatiä,
Port unserer JungcnS aufzubringen!
Erinnert Ihr Euch noch wie wir vor
den Aiikundiaunacn der ll. ?ee-c,
krutierungS.Stationen zu flehen pflegten
und sebnfucktiae Blicke auf die Bilder
warfen? Und auf d Worte: .Tretet
in die Warine ein und seht Euch die
Welt an?
.Manchmal war ich in Versuchung,
eine wirklich gute Stellung aufzugeben
und auf den Köder anzubeißen, um die
. Welt zu sehen. Im letzten Jahr hab ich
ein gut Teil von der Welt zu sehen be
kommen, und zwar unter Reiseverh'ilt
! nissen. wie sie niemals bisher in einem
Reisehandbuch angepriesen waren. Ich
luve meyrcre lauieno wnen zuiuugc
legt und kann mich keiner Zeit erinnern,
die so langsam dahinschlich, obwohl jede
Minute ausgefüllt war von dem Äugen
blicke an, da ich der Freiheitsstatue vor
zwölf Monaten Lebewohl sagte.
So sprach Korporal Joseph T. Mona
tan vom 114. Maschinengewcbr-Ba
' taillon, 30. Division, vor einigen Tagen.
während er auf der Kante seines Betts
im Ausschiffungshospital No. 3, früher
eircenhutS!egc'l Cooper's Kaufhaus, 6.
Avcnue, New York. saß. Das Kinn auf
die Hand gestützt und in seinen Augen
einen verträumten Ausdruck gab Korpo
tfll Monahan einen Rückblick auf die
Geschehnisse, die sich abspielten, seit er.
den Arm von Schrapnells zerrissen, durch
die Ambulanz ins Feldhofpital zur so
fortigen Vehandluizg überführt wurde,
diz er drei Monate später die Gang
Planke des Leviathan" hcrabschritt. der
mit seiner ersten Truppensendung in den
. Hafen lief.
Die ' durchdringenden Töne einer
y 'Handorgel drang?,: von der Straße m,
JtenvQt ctociqitgie ver iiaiie
' ?M Orgelspieler den Verwundeten
einen musikalischen Genus? zu bereiten,
oder hatte sich das Hospital ausgesucht,
um seine Tageöeinkünfte zu erhöhen. Er
spielte .HomewardABound".
.Ist's nicht ein fckwnes altes Sied?"
meinte Monahan nachdenklich. Ich er
inner; mich, wie wir in der Schlacht bei
Cambrai mit der 27. Division Seite an
Seite kämpften und grade eh' es zum
'Angriff ging, eine Menge New Forker
Jungenö trafen, von denen der eine mit
5 wundervoller Tenorstimme halblaut die
, Zeilen fang:
Denn wen die Kugeln teufen Scr Land,
Tann Ist be eneialS 9'cImI ein iluleixiMd:
Nach Haule Ilihrt mit uns iuigl
)I , 2as llt in wn,!,gek e,angi
r .Und, wollt Jhr's glaukn, der Sang
stählte uns zum tüchtigen Kampfe es
U war der Gedanke, daß wir wirklich bald
t nach Hause kämen."
i - .Und doch, wenn es nicht um Weib
rnd Kinder ginge, und wenn ich nicht
) folange von der Heimat fern gewesen
( wäre, dann möchte ich gern dorthin zu
zurückkehren."
, .3 dumm, daß ich gleich zu Beginn
h der großen Schlacht außer Gefecht gesteht
wurde. Aber was nutzt ein einarmiger
1 : Bursche, wenn es sich um harte Arbeit
handelt, r ist bloß im Wege. Dech,lb
schickten sie mich ins Feldhospital. Es
'war eine wirklich bequeme Fahrt. Ein
vder zwei Tage später wurde ich dann
in Dr. Blakcs Hospital überführt.
.Sich Venedig und stirb' heißt es.
aber. .Sich Paris und lebe!" sollte es
1 heißen. Ich war in Paris an dem Tage,
vta der Waffenstillstand " unterzeichnet
jwmde. Es war wunderbar, Die Stadt
i war wie wild. Die Theater wurden ge
, öffnet überall wurde getanzt. Da ich
? ' Vi htn tirm intv fi,4i sin On'IL
iiitu yv uwii tvuif vtt iu vi.fi n. uvmi',
len frei bewegen konnten, habe ich eine
?uü? tirnn!int Uni hiirffffil'
i V7' .mujHV
i'i Ich sprach mit Leuten, die ich niemals
uvor gesehen hatt.' wurde eingeladen,
,,mich einer Gesellschaft mir vollständig
fremder einzuschließen. Wahrhaftig, ich
i ritf- C t ? I
jvyii iioij oaiaus, vag icq aus oen er
.ilnislfn Staaten kam. denn fi aluiiben
wirklich, wir feie verantwortlich für
kden Sieg, wenrgstens zum großen
.tl dafür verantwortlich.
f ,i General Pershing ordnete an, daß alle
verwundeten zuerst noch Haufe trans
Z''rtiert werden sollten. Zum ersten Mal
J?at da mein ve-rwundeter Arm von
! Nutzen. Er War bislang eine Unbe
i?uemlichkeit erster Klasse gewesen. b!S
Z'iHlieklich bekannt wurde, daß die Ver,
spundeten den Vorzug genießen sollten.
I nnili tfmYifi mrilrf iHfptinn
l') ' .... 0l.Hk'l4VirLVl
iann pries ich den Chrapnel, wekchki
'jnn Wm aVf(4mlfrl fniH
I 4 l'11" BM.MfHI".tV V t
V .n stelle sich vor. daß ich mit rmhk
achttausend Gesayrten heunsuyr,
'über eine Wasserftrecke dreitausend W,
tlen weit, bei stets sich verändernden
i rfiinlüani flimmffj lltlb fcr
$ ,jn. während das Gelbgraue der Armee
Mniformen. da! Blau der Matrosen
" aIn, und hie und da die weiße Klei
y-Mn einer Schwester des Notkreu, wei
lfxt Abwechselung in da! Farbenbild
f'it.&k. "
1 ( Am ersten Tage der Neise gab ei eine
I Menge Aufrszung. Die Atmosphäre er i
n
II '
mit Erwartungen gesclzivängert, und Je
derniannö Nerven waren auf das höchste
gespannt. Wi, Ware auf der Heimfahrt.
Tatsächlich auf dem Wege. Die Gcsich
tcr der Männer waren eine Studie. Eine
Zeitlang beschäftigte ich mich damit, mir
das Bild des Empfanges, welcher der
verschiedenen Leute harren möchte, auözu
malen. Und manche von ihnen würden
Niemanden vorfinden, der nach ihnen
ausschaute. Sie faßen ruhig und nach
denklich da. Und doch konnte man es
ihnen ansehen, daß sie sich freuten, wie
der nach Amerika zurückzukehren. Der
Bursche, der eine Mutter, eine Gattin.
undTin halb Dutzend Schwestern daheim
hatte, war voller Enthusiasmus. Schon
bald kannte Jedermann an Bord jedes
einzeln Mitglied seiner Familie, ,
und sie lachten mit ihm, sie freuten sich
enthusiastisch mit ihm. Er hatte einen
Kameraden und wo man den Einen sah,
war der Andere, nicht fern.
Diese beiden verstanden sich so gut, daß
das Reden unnötig war. Alle an Bord
würdigten die Freundschaft, denn eine
Anzahl der Jungen hatten Busenfreunde
aus der andern Seile zurückgelassen
Freunde, die nach dem Westen gegangen
waren, ohne je zurückzukehren.
Während des Spätnachmittags saß
ich auf Deck, in halbwachem Zustand,
mein heiler Arm hing über die Seiten
lehne des Stuhles? als etwas Kaltes
meine Finger berührte. Mich umwcn
dcnd. gewahrte ich den hübschesten, wei
ßen Foxterrier, den ich je gesehen. Der
Hund stand da, beobachtete mich und
wedelte mit dem Schweife. Als ich mit
ihm sprach, kam er mit einem Sag aus
mein Knie gesprungen und wir unter
hielte uns in der freundlichsten Weise,
.Von einer tiefen, freundlichen
Stimme wurden wir unterbrochen:
.Schäm' 'Dich. Lord Nelson, das sollst
t, . r i i rr r, t
uu ja nicyi ihn, ju ianni ocm vsoioc
ien wehtun, siehst Du nicht, daß er der
wundet ist?" Später erfuhr ich, daß der
liebenswürdige Herr, Kapitän Phelps,
der Kommandeur des Dampfers, und
der Foxterrier seine Maskotte war. Mit
dem kleinen Hund schloß ich feste Freund
schaft für den Rest der Reise.
.Stellen Sie sich vor. daß 10.000
Menschen auf dem '.Leviathan" ver
vtteat werden mukten. Wir hatten un
sei! Mahlzeiten im früheren Speiscsaal
erster Klasse aus dem Deck achtern. Die
Offiziere speisten in den Nik Carlton
und Wintergarten Restaurants.. Vier
Reihen Truppen stgnden zu Häupten der
Treppe, die nach dem Speisesaal hin
unterführte, zwei Reihen auf jeder Seite
des Naumes. Am Fuß der Treppe teil
ien sich die vier Reihen in zwölf, um
ebenfoviele Servier-Stationen zu errei
chen. Jede dieser letzteren bestand aus
vier .galvanisierten Behältern von je 15
Gallonen, ans denen die heißen Gerichte
der Mahlzeit geschöpft wurden. Hier
gab es auch reichlich heißen Kasscc.
' .Brot, Butter und Nachtisch wurden
an separaten Tischen serviert. Anstatt
Platten, wie sie in gewissen Ncstau
Rants benutzt werden, hatten wir unser
eigenes Geschirr, und dies war das ein
zige, das uns n das Lagerleben erin
nerje, folange wir an Bord des Schiffes
waren. Man hat nie solche Quantitäten
?!ahrung zu einer Zeit serviert gesehen.
Alles ging glatt und prompt, das muß
man sagen. Später erfuhr ich, daß es
43,000 Pfund Nahrung jeden Tag er
forderte, um die Menge zu beköstigen.
Während der Reise gab es natürlich
alle Arten von Unterhaltungen an Bord:
Boxkämpfe. Konzerte, Vaudeville-Vor
stellungen, tatsächlich alles, was, .nicht
zuviel Raum in Anspruch nahm. Es
war ganz verschieden von der Hinreise.
Jetzt warm alle Lichter angeLrcht, wäh
rend wir vorher in völliger Dunkelheit
gefahren waren. Ich erinnere mich eines
Tages auf der Hinreise, daß ein Ma
trose einen Offizier ersuchte, seine Uhr
vom Arm zu nehmen, oder sie zu be
decken, weil sie ein Unterseeboot durch
Radium Brechung anlocken könnte.
Auf der Rückreise spielte das Musikkorps
fast die ganze Zeit. . Wir hatten nichts
zu tun, als unsere Muße zu genießen.
'.Den merkwürdigsten Anblick, den ich
je genossen, war bei Sonnenuntergang,
wenn der Schifsskaplan, Pfarrer Eugene
E. McDonald, von der Schiffsbrücke
aus die Worte des Memorane" wieder
holte. Jeder von den Zehntausend stand
wie angewurzelt vom ersten Ton des
Signals, das den Sonnenuntergang der
kündete, bis die Zeremonie beendet war.
Es war wie in einem großen Lager,
wenn Zapfenstreich geblasen wird und
die Fahne sich senkt, während das Korps
das -Star Spangled Banner", fpielj.
Es ist das etwas, das einen stärkt und
einen mit frommen Schauern erfüllt.
Protestanten und Katholiken. Juden und
Heiden sind von den gleichen Gefühlen
erfüllt, solange das Gebet del Geistlichen
dauert.
Eine Abends, während dieser Zere
monie, hielt Father McDonald eine
kurze Ansprache. ES war etwas so un
gewöhnliches, daß wir unS alle heran
drängten, um besser hören zu können. Er
sprach von den Angehörigen, die wir in
der Heimat zuriichielassen. Es war so
still, daß man da Fallen einer Rade!
hätte hören können. Er sprach von den
Opfern, die sie gebracht, uns scheiden z
sehen, von den Mütt?rn und Vätern, die
sehnsüchtig us die Rükchr ihrer Lieben
warteten, die nik zurückkehren würden.
Er erzählt von der 'Schuld, die wir
Denen abzutragen hätten, die den Kampf
in Amerika durchgekämpft, wie sie sich
ohne Nahrung behalfen, alle LuxuS
neaenständ eliminiert hätten, wie die
Reichen ihre Häuser dem Roten Kreuz
zur Verfügung gestellt. Tann sprach er
von den Armen, den weniger Bemittel
ten, deren Opfer uns die Rückkehr er
moglicht hatten. Wie ihre Tollars. der
Regierung für Liberti, BondZ geliehen,
die Munition arUkschasst, die Kleider,
die Nahrung, die wir gebrauchten, und
wie sie zum Sime beigetragen.
,und dann sagte kr , daß w:r !
heimkehrten, umder großen Armee an
zugehören, die von dem Westufer deö
Atlantischen OzeanS mitgekämpft; daß
wir unsere alten Stellungen wieder'
erlangen oder vielleicht noch bessere er
halten wurden, als wir früher gehabt.
Er sprach von den Opsern, die Arbeit
geber gebracht, di in vielen Fällen auS
eigener Tasch den Unterschied zwischen
unseren früheren ' Gehältern und dem
Soldatenlohn an unsere Angehörigen k
zahlt, während sie zu gleicher Zeit ihre
Osflccwrce voll zu befahlen hatten.
Die Schlußworte sind mir besonders
in der Erinnerung geblieben:
.Sie haben in dem Kampf hinter
Euch gestanden, sie haben jeden Pfennig
geopfert. Als Folge ine Kriegs koinmt
immer ein Periode des Wiederaufbaue,
Und wenn di Regierung Euch von
neuem rust. ganz gleich in welcher Weife,
tut Eure Arbeit, wie Ihr sie bisher ge
tan habt. Ihr geht nach Haufe an
Euch liegt'S, das Heim zu bewahren, in
ollem, was das Wort bedeutet.
Mit Ausnahme der Leute an Bord
haben wir nichts gesehen, nichts als doS
graue Wasser, den blauen Himmel und
das große graue Schiff, das uns hcrmge
bracht hat. Gegen Ende der Reis legte
sich ein schwerer Viebel über das !ier.
Bei Sandy Hook gingen wir vvr An,
kcr, der Redcl so dicht, daß nichts ge
sehen werden konnte, und vlöklich bec,ann
da! Nebelhorn zu tuten. Das dauerte
solange, dah alles nach vorne strömte
und die Nebelwand zu durchdringen
suchte und wahryattm. bald entdeck,
ten wir das Polizeioot Patool". Dann
vernahmen wir ein, Musikkorps, wahr,
scheinlich auf einen kleineren Dampfer,
das uns ein Willkommen darbringen
wollte, aber sehen konnten wir nichts,
Die Musik spickte .Hcril. Hail, the gang
's all ye. Die Hochrufe der Manner
an Bord erklangen vyn allen Seiten.
Unser eigenes Korps spielte .Home,
Sweet Home" und von den Bugsier
booten, die jetzt hrankamen. wurde der
.Leviathan' mit Scheinwerfern erhellt.
.Aber wir konnten nicht einfahren.
Wir sahen, wie vte kleinen Dampfer uns
grüßten und dann zurückfuhren, dann
wußten wir, daß wir die Nacht über vor
Anker bleiben würden. Am nächsten
Morgen fuhren wir langsam die Bai
hinauf, wahrend unsere Sirene unablas
sics blies: Feuerboote begleiteten uns.
.Durch den Nebel konnten wir die
schattenhaften Umrisse der New Forker
Wolkenkratzer erkennen und die Feuer in
denFabrikcn an der Küste von Jersey.
Die Heimat hat nie so schön ausgesehen.
Es gab keine Konsusioir, leine Unord
nung, Disziplin mußte gehalten werden.
BalS kamen New AorZer Berichterstalter
an Bord.
. .Ihr hättet dann die New Forker
sehen sollen. Sie gaben den Bericht
erstattern mehr Telephonnummern und
Adressen von Müttern, Frauen. löchioe
stcrn und Bräuten als em menschliche?
Wesen hatte behalten und ausrufen kon,
nen.
Ich schickte ein Telegramm, und
meine Angehörigen kamen, um mich zu
sehen. Sie halten sich in ?kew Bork
auf."
Er öffnete den Deckel seiner Uhr und
zeigt mir das Innere. '
Ihre Angehörigen?" fragte ich.
.Noch nicht gll obgleich alle hier
sind Mutter, Vater und der
Schatz'
Das Glück.
Wie es tlind und taub wurde.
DeL GlückcS Göttin, leise weinend,
trat zum Thron Allvaters.
Warum weinest Du?"
,O Herr, mein Herz ist voller Leid
und Weh, und meine Träne gilt dem
MenschenloS. So diel des Elends und
der rdenqual. - Krieg, Krankheit, Ar,
mut. Haß und Herzeleid. und ich. des
Glückes Göttin, ach. wie wenig kann ich
an Glück den armen Menschen spenden!
Leer ist mein Füllhorn, eh' ich jedem
nur ein winzig Körnlein gab.und all'
der Jammer, der mich vergeblich ruft,
schasst mir die Qual:
Wem soll ich geben? , . Herr, belehn
mich!" . '
Und der Allvater sprach, und Milde
drang auS seinem Aug' wie Frühling?
fonnenfchein :
Nicht lehren kann ich Dich. waS im,
merdar der Schöpfung tief Geheimnis
bleiben soll; doch helfen will ich Dir!"
Und er berührte der Göttin Auge.
Und da Glück war klind.
Er hauchte ihr in' Ohr, lind eS war
taub.
Nun geh' und teile Deine Gaben sui
und sorge Dich nicht mehr, wer sie
erhält!"
Ei neue? Verfahren zur Etrohuf.
fchlicßung.
Gcheimrat Ernst Beckmann, der Di
rektor del KaiseZ.Wilhelm-JnstitutZ für
Chemie in VerlinDahlem, hat jetzt ein
eueS. aussichtsreiche Verfahren zur
Strohauffchlicßuna ausgearbeitet. Wie
der Gelehrte in der letzten Sitzung der
physikalisch'mathematische Klasse der
Berliner Akademie der Wissenschaften be
richtete, erfolgt die wirksamste Abhilfe zur
Zöeichassung der im Kriege fehlenden
Kohlehydrate eben durch die Aufschlie
ßung von Stroh. Beckmann gab einen
Ueberblick über die bisherigen Verfahren
der Stiohauffchließung und machte dann
die erste Mitteilung über fei eigene
neue Verfahren, da allgemeiner an
wendbsr ist. geringere Kosten verursacht
und besseres Futter liefert.
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lutiltezsl -iIILy 4.uJ'rj. 5
Im Lande der Mecho -
(Dern Vmii."
In der Hauptstodt Prag.
- Um die Mittagszeit kamen wir über
die Grenze. ,
Einen Tag und eine Nacht lang raste
der Orient-Expreß mit uns durch Täler,
über Berge, durch weite Landstrecken
durch das zerfallende Reich der Habsbur
ger.
Und das war ein peinlich Gegensatz:
Der Luxuszug. de? an Zeiten erinnerte,
die uns heute wie ein verträumtes Mär
chen vorkamen, und das groß Land,
über dem eine dumpfe Hoffnungslosigkeit
liegt. 1
In den langen hrauney Pullmanwa
gen, die an beiden Seiten die französi
schen Farben tragen, sitzen Offiziere,
Diplomaten und ein paar wenige Rei
scnde,-die in irgend einer Mission den
Weg nach Prag. Moskau oder Bukarest
fahren. Man sieht französische, englische,
amerikanische, italienische, serbische Uni,
formen: braune, blaue, graue; ernste,
harte Soldatengesichter.
Es will such im Luxuszug keine frohe
Stimmung aufkommen.
Wen der Zug ber ln Städte und
Städtchen für ist paar Minuten an
hält, sieht man an len Fenstern bleiche,
verhärmte Gesichter. Ein paar hundert
stumme Gesichter sahen wir, auf denen
sich das Leid des ganzen geschlagenen
Landes spiegelte. Man wußte, daß die
Millionen andern dort hinten im Lande
nicht anders blicken konnten.
Dann und wann'wenn der Zug an
hielt, stieg ich aus unh richtete an die
bleichen Menschen ein paar Fragen. WaS
ich als Antwori erhielt, war Klage und
Verzweiflung. Sie glaubten nicht mehr
an sich selbst und an ihre Zukunft.
Wir sind Waisenkinder." sagte mir
ein Eisenbahner. Von allen verlassen.
Wir können uns nicht wehren. Man
macht mit uns, was man will."
Bis nach Innsbruck stehen italienische
Truppen, meistens Alpini, mit dem
hohen Filzhut und her langen Feder
daran. Selbst in ihren Uniformen ha
be diese Südlandssöhne eine Spur von
Romantik bewahrt.
. . . Bor etwas mehr gls einem Jahre,'
in einer sturmschweren 'Herbstnacht, bin
ich denselben Weg gefahren. Auch da
sah Ich italienische Soldaten. Hunderte,
Tausende, iir endlos langen Zügen. E
waren die ersten Gefangenentransporte
nach dem Durchbruch am Jsonzs...
.
Bei einer kleinen Station erklärte man
UNS, daß wir nun in Böhmen seien, oder,
wie es heute heißt, in der Tfchechz-flo
wakischcn Republik. Von einem kleinen
Hüttlein wehte rot-weih die neue Lan
desfahne. DaS war, alles. Unfcx Zug
fuhr daran vorbei. Eine Woche zuvor
soll er hier beschossen worden sein, weil ,
er sich aus irgend einem Grunde um die
Grenzsperre nicht kümmerte, die wegen
der Äbstempelung von Banknoten ver
hängt worden war und mit unerbittlicher
Strenge durchgeführt wurde. ,
Prag Praha der Schlüssel zum
Orient, die alte, schöne Stadt, da Grb
und der Gedenkstein der Geschichte Böh
menö. in dem seine Könige ,ruhen und
die Großen und Mächtigen, und daZ jetzt
Deuijche Lojlheater.
' von Herbert Eulenberg.
Man liest und bort ickt in Deuisck
land zuweilen den Fall der deutschen
Loktbeoter bcklaacn. DaS Kufammen
werfen f und so dieler Kronen und
Krönchen fei zu verschmerzen, behaup
ten die Lobpreiser jener selig verflösse
nen Anstalten. Wenn nur nickt dle ver
schiedene Potentaten Deutschland auch
bisse ibre Sofbülmkil und ib toHa
bcllcn mit i den Abgrund gezogen
hatten, um vieser willen mochten Diese
Leute gern die Serenissimi, die zudem
noch einen stets dankbaren Stoff für
Lustspiele und Satiren abgaben, erhal-
teg wissen.
Sind un die iostbeater wirklicb die
kulturellen Anstalten gewesen, als die
man sie hintendrein darzustellen und zu
vreisen sucht? Die Nraae ist leider im
allgemeinen zu verneinen. Gewiß!
Manche Hoftheater, besonder in den
größeren Residenzstädten, hoben viele
für die deutsch unfi getan. Haben
icq aucy, somen es lunen moglic war.
ür die beutige drsmatisclie Kunst ein
lejt, Kor ollem inizer .Kavalier
tt
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V f -X!
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rr? n ,
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Mstädter Rathaus in Prag.
vonA.F.Mrz.
" " ' ' V" r "
zur Wiege geworden ist für den jungen
Staat, der sich aus dem wahnsinnigen
Völkerringcn gerettet hat,
In einer scharfen Kurve, als die Wa
gen sich hart auf die Seite neigten, lag
dieses Prag für ein paar Minuten vor
unS, unten in einem flachen Tal an den
Flanken rundlicher Hügel. Die Gunst
des welligen Bodens hat sich mit dem
angestammten Kunstsinn dieses Volkes
vereint. Tei? Anblick der Stadt ist ge
waltig und prachtvoll zugleich.
Ihr Gipfel ist der Hradschin, die
Burg, eine langte graue Silhouette von
hochstrcbenden Häusermauern und DL
ehern, aus der die zierlichen Türme des
Doms sich zackig und scharf in den Him
mel schneiden. Ehemals die königlichen
Schlösser, unter den Habsburger ver
lassen und verödet, heute der Sitz der
Regierung und das Wahrzeichen 'des
Landes. Selbst die neuen Briefmarken
tragen ihr Bild jetzt im Lande herum
und weit in die Welt hinaus.
Ein schwerer, brütender Frühlings
Himmel sag über der Stadt. Tief auf
die alten rostbraunen und grauen Dächer
fenkte er sich. Friedlich und still lag die
große Stadt darunter. Das Gewölk
aber barg Unruhe und Märzsiürme. Es
schien sich drohend vor der Zukunft auf
zutürmen. die dem Lande den Sommer
und daZ Leben bringen soll.
Die Millionenstadt an der Moldau,
deren Gründerin, Libussa, die erste Her
zogin von Böhmen, sein soll, die schon
-vor vielen Jahrhunderten in die Geschick?
Europas eingrisf, ,st ohne Zweifel eine
der schönsten Hauptstädte der Welt. Voll
ehrwürdiger Bauwerke, voller charakteri
stischer Plätze. Straßen und Winkel mit
zahlreichen Palästen, in denen noch heute
der Prunk und die Mqcht vergangener
großer Zeiten liegt.
Zu den größten Sehenswürdigkeiten
gehören einige der zahlreichen Brücken
über den breiten Strom. So die unge
fähr einen halben Kilometer lange
Karlsbrücke mit den mittelalterlichen
Tortürmen und die kühne Kettenbrücke,
eine hängende Straße an zwei gewalti
gen Eisenfcilen, frei in der Luft schwe
bend von Ufer zu Ufer.
Besonders die Karlsbrücke ist weit in
der Welt herum berühmte Ihre sechzehn
Bogen tragen Statuen und Gruppen,
darunter ist das Bronzestandbild deS
heiligen Johannes von Nepomuk ein Ge
gevstand hoher Verehrung geworden.
Taufende von Gläubigen auS den flawi
fche Ländern wallfahren alljährlich hie
her, um ihr Gebet zu verrichten. Am
zahlreichsten sind die Massen MitteMai,
am Feste des Heiligen.
Ein Gang durch die Straßen PragZ
ist zugleich auch ein Gang durch die Ge
schichte Böhmens und die Weltgeschichte.
Allein an den Waldsteinpalast könnte
man lange Betrachtungen knüpfen vom
Glanz und Ehrgeiz und märchenhaften
Geschehen.
Wunderbar ist das HauS dieses gro
en Feldherrn Albrecht von Waldstein.
en erst Schiller in Wallenstcin umae
tauft hat, noch erhalten, ' Der große
Empfangssaal mit den kostbaren Stllh
lcn rings an den Wänden, die prunk
vollen Räume dahinter, das ArbeitZ,
Zimmer, in dem einst die Geschichte Euro
Intendanten" muß bei dieser Gelegen
heit stets dankbar gedacht werden. DeS
zu früh verstorbenen Münchener Hof
schausplclcrs von Speipel z. B.. der mir
einmal bei der Erstaufführung, von ,Al
le um Liebe" sagte: .Ich versteh' da?
Moderne nit immer. Aber grad darum
aefällt's mir." Auch der Berliner Hül
sen, der das Gute mehr wollte, als er
kS durchsetzen konnte, fei rühmend ge
nannt. Ueber allen anderen aber ist
Graf-Seebach, der Leiter der Dresdner
Hofbllbne zu loben, der aufs glänzendste
beiviesen hat. daß man eip hervorragen
der. Theaterleiter sein kann, auch wenn
man vorher nicht Journalist, fondern
nur Kavallerieoffizier gewesen ist.
Grade in diesen Tagen, wo er seinen
Theaterthron verläßt, haben sich die
bekanntesten dramatischeik Autoren
Deutschlands noch einmal zusammenge
funden, um ihm zu sagen, wie schwer
man ihn entbehren wird. Wer die Ge,
nugtuung hatte, Werke der eigenen Ein
bildungskraft aia einstigen Königlicher,
Schauspielhsusk ttl Trüben aufgeführt
N
- t ...
ü
I. 'A
v 11
R ."'
-
.
- -
Slow'aken.
paS gemacht wurde, die Sternwarte, das
Bad, der große Vogelkäfig im Garten,
der uralte Epheu an den Mauern
das alles sieht aus. als fei der kriegs
kundige Herzog von Friedland noch
jibcrall gegenwärtig. Durch jede Tür
glaubt man ihn eintreten zu sehen, um
geben vom glänzenden Hofstaat. Noch
stehen alle die Möbel da, die er einst
benutzte, auch das Schachbrett wird noch
aufbewahrt, wo er seine unblutigen
Schlachten schlug. Und die schmale Tür
vor der Wendeltreppe, die hinauf zur
Sternwarte fuhrt, steht nur angelehnt,
als habe der Feldherr vergessen, s hin
tcr sich zu schließen, als er das letzte
Mal in den magi chen Leichen am Him,
mel fein Schicksal erforschte. Auf die
Sterne hat der kühne Wallenstein gehaut
und ist gefallen.
Aus der Galerie haben die Schweden
die Standbilder und Denkmäler mit sich
geführt. Nachgusse'ftehen jetzt an ihrem
Platze, das ausgestopfte Pferd aber, das
einst unter Wallenskein getötet worden,
steht noch in seinem Mausoleum und
starrt mit trüben Glasaugen den Be
sucher an. ,
Mächtiger aber als die Vergangenheit
redet in Prag heute die Gegenwart. Auch
hier auf den Straßen sieht man wie s
den pjterreichilchen Landen die hohlwan,
gigcn, blassen Gesichter mit dem eigen,
tümlich'en Ausdruck, den ihnen die Ent,
behrungen langer Kriegsjahre und. der
endlos lange Hunger aufgedruckt.
Die Kennzeichen dieser Zeit sind die
Auslagefensler der Kaufläden. Groß
ist die Auswahl nirgends, einige Ge
fchäfte sind wegen dem Mangel an Ware
geschlossen. Die Preise aber sind inS
Unglaubliche gewachsen. Da werden
Schuhe angeboten von hundert bis zwei
hundert Kronen. Schuhe jedoch sind das
billigste. Ein guter Anzug soll an die
ziveitausend Kronen kosten. Die Preise
für Nahrungsmittel und alle?, was zum
Lebensunterhalt gehört, haben sich ver
zchnfacht.
Milch erholten ' nur Kinder und
Kranke. Ein Viertelliter täglich ist die
Station; aber sie kann nur alle zwei oder
drei Tage ausgeteilt werden. Fleisch
sieht der Privatmann kaum. Die vor
'nehmen Gasthäuser kommen auf dem
Schleichhandel dazu.
Unerträgliche Net leidet die Beamten,
weil ihre Einkünfte mit dem Lebensauf
wand nicht fchritthiclten und vielfach
kaum die Höhe vom Jahre 1914 über
schritten. In diesen Familien gibt eS
kaum noch Teller, keine Bettwäsche. Die
Kleider werden gewendet, auS drei Paar
alten Strümpfen werden ein Paar
brauchbare zusammengeflickt. Ueberall
höre ich dasselbe: Man ist an der unter
ftm Grenze angelangt. Weiter geht es
nicht mehr.
Die armen Schichten deö Volke? ober
sind halbverhungert. Ein wenig Brot,
ein wenig Kartoffeln, Rüben, Kohl,
kaum eine Spur von Fett. Ein wahr
haftig Wunder fcheint es, daß der
Mensch mit so wenigem sich noch am
Leben erhalten kann.
Prag hungert Prag, das vor weni
gen Jahren noch im Ucberfluh schwamm.
Prag, das die billigste Stadt der Welt
war, wo sich für wenig Geld herrlich
leben ließ.
zu sehen, d'em ist der Name Nikolaus
Graf v. Seebach ins Blut geätzt," ke
kennt überschwenglich, aber richtig bei
dieser Gelegenheit Carl Hauptmann für
viele. Nach Scebach wäre hier noch der
demnächst auch von Stuttgart scheidende
Putlitz zu ermähnen.
Graf Seebach hat als langjähriger
Leiter der Oper wie des Schauspiels die
einseitige Ucberschätzung der Fachleute,
der Männer vom Bau, strahlend wider
legt. Wie wenig hat gegen ihn bei
spielsmeise, um in der Nähe zu bleiben,
die theatralische Tätigkeit von- Max
Martersteig in Leipzig zu bedeuten ge
habt. Dieser, der' doch, wenn auch nur
mit Ironie, Theaterfachmann war, hat
außerdem, daß ein irrsinniges Geld von
ihm 'verpulvert worden ist, ss gut wie
nichts für die Bühnenkunft wie für die
iunge deutsche Dramatik geleistet. Und
die deutsche Theatergeschichte wird fei
ner alS Bühnenleiter weiter nicht zu ge
denken brauchen. Auch manche andere
geistig sich hoch erhaben über Seebach
dünkende Bühnenleiter, die ihren laut
ins Land geschmeticrten Versprechen nur
geringe Taten folgen ließen, könnte man
hier anführen.
Indessen wir dürfen "unS nicht daru
ier täusclien. daß Graf Seebach auch
unter den Hoftheaterintendanten eine
große Auenahme gewesen ist. Tie Spe
jic dieser Leute at sich sonst im allje
meinen nicht gerade durch geistige Rea
samkcit ausgezeichnet. Total vcfiqttt"
war. eigentlich da übliche und verdiente
Eigenschaftswort für diese braven Hos
beamten, die meist nach Abbüßung ihrer
Militärischen Karriere in diese Stel
lungen hineinrgngiert wurden'. Es ist
darum mit hohe Hoffnungen zu bcgrll
ßen, daß man neuerdings junges und
frische, Blut auf solche Posten ?-bt
hat. So in Weimar alö Leiier d) stolz
sy benannten dortigen Nationalthra
ters' den bekannten dramatischen Dich
ter Ernst Hardt. So in Meiningen an
s
die Spitze des dortigen früheren Hof
theaters daS man am würdigsten nach
feinem berühmten einstigen Leiter .Her
zog-Geyrg-Theater" nennen würde, den
UM das deutsch Theaterwcsen bereits
hochverdienten vierunddreißigiährigen
Dr. Franz Ullrich. Als Leiter des ksei
nen Phrmonter. Sommertheatcrs hat er
gezeigt, wie man mit einem Vertrauens
vollen Idealismus auch an unbcdeuten
der Stätte der Kunst dienen und ein
Gefolge erwerben kann. Solche Wäner,
die mit aufbauen wollen, sind heute nö
tiger in Deutschland als je zuvor.
Der Geist, der bislang in den meisten
Hoftheaiern herrschte, war kein großer,
guter und .gesunder. Um die Duodez
bühnchen wehte muffigste Kleinstadtluft.
Viel über Gustav von Mofcr. den Ver
fasser des erst mit diesem Krieg erledig
ten Reis Reiflingen", war, man nicht
herausgekommen. , Und über das Leben
und Treiben her Bühnenmitg'iedee
wurde auch außerhalb des' Hauses
strengstens wie über Sekundaner oder
Selcktafchülerinnen gewacht. Aber auch
den größeren Hoftheatern drückte ein
ängstlicher Konservatismus sein trauri
gez und langweiliges Siegel auf. Bon
Frank Wedekind fprach man hieiZ.fast
nur, indem ma sich bekreuzigte, tvi vor
dem Gottseibeiuns. Als ich einmal
beim Beherrscher eines solchen mittle
ren Hoftheaters zaghaft vorstellig wur
de, ob er nicht wenigstens Belinde"'
nach dem Schillerpreis usw., wurde ich
von ihm wie später im Krieg nur noch
von meinem . Hauptmann angedonnert:
.Mein Herr! Was unterstehen Sie sich!
Sie sind nur, ei großes Fragezeichen!"
Nein! Diesen Herrn Hofräten, die
sich nur traft ihrer amtlichen Stellung,
nicht dank ihrer Leistungen als geistige
Herrscher und Geschmacksrichter in ih
ren Residenzen aufspielten, wollen wir
keine dicken Tränen Nachweinen, Auch
ihren Fürsten als Mäcenen gegenüber
können wir eS leider nicht tun Nach
dein darum unsterblichen Herzog Georg
bog Meiningen hat sich keiner unserer
Potentaten ernsthaft und rühmlich mit
dem deutschen Theater und der deutschen
dramatischen ' Kunst besaßt. Mit ge
ringe Ausnahmen haben sich die meisten
begnügt, Z allerhöchst unpersönlicher
Weise bei passenden wie bei unpassenden
Gelegenheiten Titel und Orden zu ver
leihen. Kleinere natürlich nur. Penn
daß 'Künstler um ihrer Werke willen ge
adelt wurden, kam zu Goethes Zeiten
vor, Aber nicht mehr unter uns. Karl
August der Einzige hat als Verständnis
voller Schutzherr der schönen Künste lei
der unter seinen Standesgenossen nur
wenige Nachfolger gefunden. Aber die
Fürsten, fs führt man zu guterletzt im
mer wieder zu ihren Gunsten an. haben
doch wenigstens Geld für ihre Theater
ausgegeben. Dadurch, dah dies nun in
Wegfall kommt, werden auch diese Hof
theater selbst bald aussterben müssen.
Das stimmt gleichfalls nicht! Weder
in seiner Borausfetzung noch hoffen!
lich in feiner Folgerung. Das Geld
allein tut es wirklich nicht in der Kunst.
Wenn es Verständnis und lieblos nur
der Repräsentation oder des eigenen
dumpfen Wohlbehagens wegen für die
Hoftheater hingegeben wurde, so hat es,
wie wir sahen, künstlerisch auch kaum
Zinsen eingetragen. Dann aber ist es
doch wohl selbstverständlich, daß wir
diese übrigens meist nicht erschrecklich
hohen Auslagen der bisherigen Fürsten
für ihr Hoftheater, in. Zukunft . selbst
übernehmen. Wenn die Kommunen der
kleineren Residenzen dies nicht aus eige
ner Kraft vermögen, so muß es eben
von Reichs wegen durch die deutsche Na
tion in ihrer Majestät selbst aufgebracht
werden. Darüber dürfen wir beruhigt
sein: fo viel Geld, wie bislang von den
Hofhaltungen für ihre Bühnen veraus
gabt worden ist, fo viel oder besser ge
fagt, fo wenig vermag daS deutsche Volk
von nun an auch selbst zu leisten, Man
pflegt ger mit Nachdrücklichkeit Cchil
lerS Verse: Nichtswürdig ist die. Na
tion, die nicht ihr alleS freudig fetzt an
ihre Ehre' zu zitieren. Man muß dies
auch auf daS Kunstleben beziehen. Tie
Deutschen dürfen nicht ihre ehemaligen
Hoftheater verkümmern lassen, weil sie
sich scheuen, die paar tausend Taler aus
zuwerfen, die bisher die Fürsten oder
FUrstchen meist mit Unlust und nur des
Dekorums halber für diese ihre .Kunst
institute" zuzuzahlen pflegten. Sie kür
den damit zeigen, daß sie ihre Potenta
ren nicht ws zu sein verdienten und ein
Knechtsvolk bleiben müßten. DaS d?ut
sche Volk, hat auch als Schirmherr der
Theater und der dramatischen Kunst die
Erbschaft der bisherigen Fürsten ang?
treten. Möge es sie deS seltenen Bei,
spiels seiner besten ehemaligen Herr
scher würdig fortfuhren.
Vorsicht.
.JameS.' sagte die Lehrerin kbr ernst
zu dem kleinen Schüler, der nachbleiben
mußte, ,,ch bin erstaunt, daß ich Dich
bestrafen mußte. Tu bist doch sonst in
guter Junge, und ich konnte kaum mei.
nen igeneglAugen trauen, als ich sah,
wie Du den kleinen Tommy Jenkins an
den Haaren zogst. Du mußt doch selbst
gewußt haben, daß daS nicht recht war
und daß Du eS nicht tun durftest.
Ja. Fräulein." erwiderte JameS
lächelnd, daS habe ich gewußt."
Und trotzdem hast Du eS getan?"
Ja, ich konnte nicht anders," erklärte
der Junge. Billy HickS sagte mir heute
vormittag, taß er mich verhauen will.
wenn die Schule auS ist, und da dach!e
ick, wenn ich nack.siden könnte, wurde er
vielleicht nach Haufe gehen und e! der
gissen.'