Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 15, 1919, Image 2

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Uachtszcncn in der Stadt. Tanzhallcn' und
Spiclböllcn. Zm Rreise geistiger Führer.
Russische Volschewisten in Vorlin.' 3n Bayerns
lzauxtstadt. , ' " .
(BascZtt Kationalita )
Im SaSiaal ist tS zu ekelhaft.
i.- Sck'euniz twtläfet man die Haufen eng
aneinander gepreßter Körper, die sich
' verrenken und gierige Laute ausstoßen.
' : Ein Freund, der den Ficht durch baS
nächtliche Berlin macht, leitet' unseren
- Weg. Es empfiehlt sich wohl nicht, über
jene Brückm zu gehen. Bor kurzem
i wurden alle Passanten dort angehalten.
und nach Waffen untersucht. TaS Ware
I )mkt nicht so schlimm ja, aber die
; Soldaten pflegen bei der Untersuchung
; Bnestaschen und Uhren für Waffen an
? zusehen und zu deschlagnahmen. Alles
im Interesse der Ordnung und Sicher
ki'it, deren Ausnchterhaltung die braven
Berlin!? Z?itung?n täglich feiern. Auf
Umwegen durch leere Straßen gelangen
wir vor ein großes, ganz unbeleuchtete
, Haus. Mein Freund klopft auf eine
besondere Weise. Sofort öffnet sich die
Türe ganz wenig. Mein Freund flü
s!ert irgend ein Zauberwort die Türe
öffnet "sich weiter, wir huschen rasch
fccreitt. Ankönnet uns Vorraum sind
stattlich beleuchtet. Wir treten in einen
Saal, in dem ein verhältnismäßig üppi
g.! kalte? Büffet seine Reize offenbart.
Tahinier einige Zimmer, in einem jeden
rne Spielbank. Jeu aller Gattungen.
Roulette, Bakkarat, kleine Pferdchen,
Ti!ä, an Tisch. Menschenhaufen. Seit,
sames groteskes Durcheinander. Leute,
die llsehm, als kamen sie auZ dem
tiefsten Schlamm des Lumdenprow
tariakes, schmutzige Krägen, schwarze
: Finger. Elegante Halbwelt. Offiziere.
Adelige, GefchaftZwelt, auch Jntellek-
tuellk. Keiner k-ummert sich um den an
deren, alle sieht auf den Spieltisch.
Man muß nicht setzen, niemand int
, rssiert sich dafür. , Es ist das übliche
.reiben, wie in allen solchen Lokalen,
nur dadurch rtaunnay daß es in Ber
lin und nach Witternacht stattfindet, wo
jctoer Kubikmeter Gas und jede Helto
sattstunde elektrisches Licht auslüdet
genaueste zugemessen ist. Und 'daß in
dieser Stadt eben erst "blutig gekämpft
, ward zwischen, den Parteien und daß
, dieser Kampf, ein zeder suhlt es, noch
, nicht beendet ist. Und wenn die von
unten siegen, dann sind ja alle diese
Papierfttzen belanglos, um die sich die
, Menschen hier gierig aufregen. Vielleicht
i't es lächerlich, dochßeden das Fehlen
von Silber und .Gold und die schreck
I:ck;e Schmutzigkeit dieser verschiedenen
Bank-, Staat' und Stadtscheine,' sie
machey das Schauspiel gleichsam Sinn
loser. Denn man fühlt deutlich, daß Lies
Za gar kin' Geld ist und daß nur eine
seltsame Gläubigkeit die Menfcheen hin
dert dies einzusehen. Deshalb verkaufen
; sie noch weiter für jene gedruckten Zettel,
hinter denen nichts verborgen ist, weswe-v.-:t
iich die Menschen bisher Mühten und
- x'agten. Wenn Deutschland noch nicht
ganz verloren ist und wenn Manche sich
vom allgemeinen Pessimismus frei hal
, im, so hat dies ausschließlich zwei Ur
fachen, Die erste: daß die Leute noch
richt Krall diesen Papierzeichen miß
: tränkn; nd die zweite, daß die Mehrheit
dieses Bolt.'s ohne Ideen und Ideale zu
, leben vermag, wenn es nur' genügend
viel Kalorien in sich hineinzustopfen der
mag. Deshalb wird vermutlich Deutsch
Zands Schicksal davon abhängen, ob ihm
Lebensrnittel genug gesendet werden;
li Bedürfnis an Freiheit und Geistig
seit wird dabei entscheiden. Unbegreiflich,
rc'u die Menschen hier ganz imAugen
blicke siede und gar ich! aus ihm
herauskommenl Hier starren sie gebannt
auf die Spieltische, ihre Hde zittern,'
ihre Wangen sind gerötet und sie
kämpfe um solche erbärmliche Zettel,
hinter denen nichts verborgen ist: kein
Goldschatz, keine arbeitende Industrie,
ff'-n r.ichcs Land. Zusehend fühlt man:
Wahnsinn im Wahnsinn.
, In einer anderen Stube, die ärmlicher
v.d schmutziger ist als die Spielhölle.
Ein paar Matrosen sprechen, eifrig zu
szmmen. die Gesichter heller, frischer,
r::n als man sie bei Berlinern sieht.
. ihnen ist der große Zorn darüber,
d-ß man ihnen ihn Revolution geftoh
I'n tat. Sie waren es, die sie machten,
so snan sie. Zuerst sind sie mißtrauisch,
da ein Fremder am Nebentisch ihnen zu
litt; die-Regierung hat überall ihre
Lockspitzel und Aufpasser. Ich legitimiere
:r.:ch vor ihnen in aller Form, und dann
werden sie sogleich zutraulich. Sie gehör
n zu den Norkämvfern in Kiel, sie sind
am !). November in Berlin eingezogen.
Keiner von den Bürgerlichen, keiner von
den MehrheitssoziaLsten wollte damals
die Rcwluiion, sie zitterte und schlot
ifr. Noske bat, sie mit ausgehobenen
i:;bcn in Kick, nur ruhig zu bleiben.
all sie mit ihrem Leben sich ein
i-hi hatten, oll ihr junges, frisches
'jini di? Lndendorfs, und Hohenzcllern
, ....s, rstrrr titl', da waren die
',-':: 5-3 r."d Vorsichtigen den früher
er! z-, r ZUZ(, um sch an die Spitze
r '4 ?'?.,nq zj stellen und sie zu
n pali fien Q, --eckt herabzuwürdi
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' . ' ajf fc il'i'Ten ks-mmk. meinen
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Ta taucht in dieser Stube eine son
derbare Gesellschaft auf: Ein humpeln
der Mann in schmutzigstem Feldgrau,
umgeben von einer Säzar von verdachti
gen Gestalten. Laut lärmend verlangt
er zu essen und zu trinken. Zu essen gibt
es nicht, beteuert der Wirt, doch nach
einigen Minuten erscheint er mit wirk
lichem Pfannkuchen, Glühwein, fünf
Mark das Glas wird aufgetischt. Der
Mäzen schreit nach Wein und Liqueuren,
ladet die Anwesenden ein. mitzuhalten.
Wie eine Märchens? erschein eine
Flasche französischen Kognak. Hennessy
mit Sternen, auf, dem Tische. Der Wirt
bemerkt dazu: zweihundert Mark. Der
mäzenatiicke Krlldvel nickt blok leick
gültig. . Man säuft, lärmt, singt, reißt
Zoten, schimpft aus Spartakus. Wein
slaschen werden aufgetragen. Die Ma
trose sind auch eingeladen; aber sie
schütteln bloß verächtlich den Kops.
Weiß der Teufel, wo der Kerl das ge
stöhlen hat.' meint der Eine. Die Garde
des Wägenden ist gekränkt, die Schma
roher drohen; Stiche und Schüsse liegen
in der dicken Luft. Aber der Wirt be
endigt 'geschickt den Konflikt, indem er
die Rechnung überreicht: Neunhundert
Mark. Der Humpelnde wirft einen Tau
send hin. mit ihm zieht die Gesellschaft
in andere Saufstätten ab. Unten wartet
sein Auto. - .
Nachher plaudere ich noch in ttzk Hotel
balle mit einigen Führern deutscher Gei
ingieik: erzte dichter, 'Ialer. Schispie
ler. Verleger. Sie alle haben diel zu
verlieren, und fast ausnahmslos sind sie
alle erbitterte Gegner des halbreoolu
tionären Berlin, weissagen die unwider
stehliche Vollendung des inneren Krieges.
Nicht aus Sympathien für Spartakus
oder Bolschewismus; alle sind davon
überzeugt, daß furchtbare Dinge
Teutschland bevorstehen werden, daß
das Maß seiner Leiden noch nicht er
füllt ist, daß der Kommunismus, wenn
nW überhaupt, so doch gewiß im gegen
wärtigen Deutschland eine völlige Un.
denkbarkeit ist. Aber sie alle meinen doch, '
daßsie durch diese Prüfung hindurch
müssen; es kann gar nicht Inders sein.
Es ist ein wilder, leidenschaftlicher Haß
gegen Berlin, der ihre Aeußerungen
färbt und ihre Meinungen bildet. Ja.
sagt der eine, wenn wir 'in Basel lebten,
würden wir sicherlich anders denken;
aber diese Stadt ist zu schrecklich, zu
böse, zu hart und tierisch. Sehen Sie ,
unser Publikum in den Theatern, man
schämt sich, vor ihm aufzutreten, mr
g?nds finden Sie Reinheit, Achtung
oder auch bloß Verständnis für eine
Idee, die Leute glauben bloi an bt
Faust und an das Geld. Um diese Stadt
menschlich zu machen, bedarf es unge
beurer Schicksalsschläge,, der Krieg, die
Niederlage, die Revolution, das war diel
zu wenig, das bemerkte Berlin kaum.
Im Kriege verdiente man Geld, konnte
Ware schieben, Löhne treiben, und wer
tot war. der war eben tot das wird
hier nicht s empfunden, wie anderswo,
dazu sind die Gefühle zu stumpf. Diese
Stadt muß ganz anders durcheinander
gerüttelt und aufgewühlt werden . . .
Ich widerspreche, ich sage, daß Ge
walt und Bürgerkrieg die' Menschen
nicht ändern, und einige geben dies
seufzend zu; es ist wohl nur das Gefühl
des Unerträglichen, daß sie zu der
Selbstpreisgabe ihres Eztremismus er
führt. Ein jeder weik von bunkert Hei
ttn, grotesken, lächerliche Zügen zu er
zahlen, besten der alten Ordnung ,n
mitte der furchtbaren Unordnung,
faits divers' einer Revolution, die ti
nicht ist, Reaktionäre, die plötzlich als
öiepuLtttaner auftauchen, Herren- von
der Vaterlandspartei und dem Auswär
tigen Ami, die mit roten Fahnen aus
Autos durch die Straßen fuhren, ihr
Geld jetzt ins neutrale Ausland wälzen
und gemeinsam mit den ratlosen, der.
wirrten MehrheitssoziaU.en an der
Wieoerkzerneuuna des a ten au oriwren
obrigkeitlichen Deutlckland arbeiten.
im leoer wein, oa wir mnun im Na
tionalismus und in der Gegmrevolution
leven; doch das Ausland soll es nicht er
fahren, es ist dieselbe Propaganda wie
einst, wo man das Blaue born JüimmcT
herunterlog und glaubte, die Welt betrü.
gen zu rönnen, und wie ein Kehrreim
endete jedes Gespräch; wie ich diese
Stadt hasse, sie ist eine NeWenl'?. tht
Unglück, eine Schande, sie muß über
munoen werden, und nichts ist zu teuer
bezahlt, um ein solches Ziel zu rei
yenl"
Nachher beealeitete ick, im, m?!ni
Besucher. Trotz dem es fckn bock, in
Nacht ist. flutet dock nock ein Cln
vom Vergnügungssüchtigen über Linden
ung zirledrichstrabe. An der berühmten
Kanzlerecke steht srostzitternd, baar
bäuptia in dünnem Gewand ein alter
Mann und schreit irren Auges immer
dasselbe: ,Jhr habt euch vollfressen
und wir sind halb verhungert.'' Schreit
Und schreit... Die einen Nassnnt,
gehe gleichgültig vorüber, die andern
verriLynen irrn, ein Zlleib gibt ihm eine
kräftiae Vusf, die beid' Soldaten, die
mit ibm sind, lackie üb die Nnks,,!?
eö regnet häßliche und gemeine Worte,
und von den Hunderten Menschen ist
nicht ein einzig, der den verzweifelten
uns dl!ork? GN bei ber Hand faßte,
ibm in beruhigendes ed?r tröstliches
Wort saate. die Not d Kreatur nicht
ais Sensation oder Spektokn auffaßt'.
Er aber schreit rasend, schreit und slucht
in den neuen Morg'n, der weiß wie ein
Leichenlaken über diese unheimliche und
schreckliche Stadt sich lest, ' '
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GessrSch mit russischen Bilschemistett.
Zu wir kam cvn jxn paar ufrech
ten rnd nUtSMan. ttknittu nl,
dgeistnZit Zunge Männer, deren Da
sein alle! einen sükknd nd ift'n
UxtiUi MtnUn im beut: SZnU
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ZU trösten vermag, und sah mich for
fchend an. Dann flüsterte er: ,Darsich
offen sprechen? Hört mich hier nie
mand?' Ich war ein wenig erstaunt
üb die kinomäßige Einleitung und be
ruhigte ihn über die Sicherheit meines
Hotelzimmers. Nun raunte er mir zu:
Heute abend kommen ..wir mit einigen
russischen . Bolschewisten zusammen.
Wollen Sie auch dabei sein?' Ich ent,
gegncte ihm. daß ich, wie er ja wohl
wisse, ein entschieden Gegner des Bo!
fchemismus sei und überdies an keiner
verbotetcn Versammlung teilnehme
wolle, schon gar nicht als Gast eines
Landes. Er lächelte bitter: .Nein es
ist keine Versammlung. Eine solche wäre
heute in Berlin ja ganz unmöglich. Wir
veranstalten bloß eine kleine Gesellschaft,
wo ein halbes oder ganzes Dutzend Her
ren zusammen kommen nnd ein wenig
plaudern und sich von den Russen über
die Zustände bei ihnen zählen lasten.
Außer den paar Russen ist kein einziger
Spartakist odtzr Bolschewist unter uns.
Wir wollen .bloß hören.-nichts weiter.'
Trotzdem ist es nicht ungefährlich, denn
die Russen werden ja gejagt. .Prämien
sind auf sie ausgesetzt, und die Anwesen
den riskieren immerhin die Unannehm
lichkeit einer augenblicklichen Festnahme
und eines Verhörs. Kommen Sie?" Ich
war einverstanden. Abends befand ich
mich dann in der bornehmen 'Jußgze
leucnwoynung eines Arinottsien. i?
ben Herren waren anwesend, darunter
drei Russen, die man aus den ersten
Blick als Nichtdeutsche erkannte. Ei
Samowar dampfte, gab dem Ganze
ein gewisses Lokalkolorit., Von Bor
stellungen wurde stillschweigend abgc
sehen. Es entwickelte sich eine grotesk
gemütlich revolutionäre .Plauderecke.
Augenblicklich war man in einem scbön
geistigen, ästhetischen .Gespräch. Die
Herren. ' durckaus gewandte Geschäfts
reisende der , Revolution, erzählten von
dem Interesse des Bolschewismus für
Kunst.
Unsere Theater sind übervoll, die
Kunftschätze haben wir nationalisiert, sie
können nimmehr von jedermann genossen
werden. Bücher werden verschlungen.
Leider haben wir wenig Papier, weil
wir zu . wenig Kohle und Transport
Mittel haben. Zensur? Nun einstweilen
haben wir sie noch;, das ist in einer
Uebergangszeit eben nicht zu vermeiden;
wir müssen uns von d Propaganda
der Gegenrevolution schützen, und das
Kapital versucht, sich das Talent zu
kaufen, um uns aus dem Sattel zu he
ben. Die beste Künstler gehen aber mit
uns, und wir werden in einigen Jahre
fchonkeme Zensur mehr nötig haben....
Ei Zwischenruf entgegnet: Weil Sie
dann keine Leute mehr haben werden,
die selbständig denken". Der eine Russe
wird lebhafter: Vielleicht deshalb, ja,
sehen Sie, das sind stets die Unglück
lichen Epochen der Menschheit, wo alles
anarchistisch für sich dachte und keine
Einheit des Wollens und Zieles bestand.
Besonders die Russe haben darunter
gelitten. Da! muß verhindert werden.
Wer? man eine Wellordnung besitzt, die
Frieden. Gerechtigkeit und Glück vcr
bürgt, so ist es wichtiger, diese durchzu
setzen, als daß jedermann reden und
vortragen darf, was ihm durch den Kops
geht. Bor aöem aber war bisher der
Geist stets der Lohnarbeit des Geldes.
Bei einem jeden Gedanken, der ousge
sprockze wurde, mußten die Hör daran
denken, daß die Gcldmackt daran intet
es Ziert war. Kunst war Ablenkung und
Zerstreuung fürs Volk, um zu verhin
dern, daß es sich mit seinen Notwendig
leiten beschäftige, vd es war Ucppig
seit für die Reichen". WaS nickt hin
dert, daß alle KinoS und KabaretS und
Varietes bei Ihnen gefüllt sind und
durcbauS nicht ernsthaftere und reinere
Darbietungen ' als früher aufgeführt
werden'. .IS' seufzte, der eine Russe
und sog lange aus seiner Zigarette, VaS
bedauern wir, ober warum verlange
Sie, daß wir in einem Jahre etwaS sei
tig briegen. was d Kapitalismus i
dielen Jahrhunderten verdorben hat?
Darin steckt ja eben die große Unredlich
seit aller Beschuldigungen' gegen uns,
daß mn do uns daS Unmögliche ver
,langt. Man gebe unS Zeit'. Der Gast
lzebcr lächeNe: Sie selbst sind eZ doch,
V! da Unmögliche löse Zu könne er
klären nd Alldeilmittel versprechen.
Wer so strenge ist gegm andere. darf
sich nicht festlagen, rocnnMnan strenge
g'ge ihn ist'.
Die Russe schreien: .BlikSen Sie
dock. sich vorzustellen, wie p.se Lage
:5i. Wir babm ein vollständig zugrunde
gerichtet'S Land übnomnen nd seine
räche Zeile uttk r?'Si ttit
COSCC3SOSOS000eO900099eO9S090COC
Don Xubwio
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Politische Versammlung vor dem Berliner
trennt. Keine Regierung, ob sie bolsche
wistisch oder zaristisch ist. würde den
Russen ausreichend Lebensmittel geben
können, wenn die Ukraine davon abge
trennt bleibt, wenn es keine Eisenbahn
wagen und Lokomotiven gibt, wenn die
Fabriken zerstört sind'. Das mag schon
stimmen', entgegnet ein Zwischenruf,
aber diese Zersetzung haben doch eben
Sie mit Ihrer Herrschaft beschleunigt.
Indem Sie in dem intelligenzarmen
Lande die Bourgeoisie ausrotteten oder
in natürliche Gegnerschaft trieben, haben
Sie den Wiederaufbau der Industrie
unmöglich gemacht. Ein nicht "gerade
bescheidenes Lackeln der Überlegenheit
spielt über die Gesichter der Bolschewi
sten: Mit der bürgerlich-kapitalisiischen
Wirtschaft können und wollen wir na
türlich nicht arbeiten. Sie muß otomi
sie werden, damit wir etwas Neues
ausdauen. Ten Kommunismus in einem
einzigen Lande durchzuführen, ist un
denkbar, darüber täuschen wir uns nickt.
Deshalb fällt hier in Deutschland die
Entscheidung. Wir zweifeln an unserm
Sieg nickit einen Augenblick; der kapi
talismus hat sich in diesem Kriege, selbst
vernichtet, mit ihm auck der 12 Wart
60 Pfenn'ge-Sozialismus, d nur von
Lohnerhöhungen träumt'. Wir stehen
aas der andern Seite der Barrikade",
sagte der Gastgeber nd goß dem feind
lichen Sprecher eine frische Tasse Tee
ein. Tanke. Leider. Die Sabotage deZ
Bürgertums ist freilich eine arge Er
sckwerun für uns; doch wir habe
Mittel, sie zu-brechen'. Den Mord'.
Ja wenn Sie gerade hier so blut
scheu und empfindlich sein wollen. Wa
rum waren Sie während deS Krieges
nicht so menschenfreundlich? Eine ein
zige Lruss,lofsOffensive hat Rußland
mehr Menschen gekostet, als der Bolsche.
wismus, der die Welt erretten wird. Für
große Dinge muß man auch zu dezablen
wissen'. Mit fremden Leben?' Die
Geister scheiden sich, die Deutschen sind
alle geaen Gewalt. Da erbebt sich der
dritte Russe, der bisher geschwiegen hat
und sagte .pathetisch und mit einer in
jausend Volksversammlungen erprobten
.Leidenschaft: Die russische Revolution
war und ist ein Kinderspiel. Die deutsche
Revolution wird schrecklich sein. ' Der
Teutsche ist für sie nicht geeignet, er ist
nicht einfach und gläubig genug; er muß
gezwungen werden. Hier wird das
Schlachtfeld fei und hier wird die
größte Entfcheidnug der Menschheit
fallen. Wir haben Hilfe genug; viele
Ihrer Bourgeois unterstützen uns, sie
wollen unZ gegen ihre Ententekollegen
ausspielen; sie glaube, uns für ihre
Zwecke verwenden zu können und wir
verwenden sie für die uttsrigen. Man
spricht stets vom russischen Geld in der
deutschen Revolution; wir bekommen ge
nug deutsches. Leute mit Sckmissen. ehe
maliqe Korpsstudenten, Generalstabs
offizlere. Junker sie alle sind unsere
Kunden. Wir grinsen uns an und den
ken dabei:' Wirst du mich erschießen der
ich dich? Aber ich bin sicher, ich werde sie
erschießen'.
ES war eine solche wilde Freude in
seinen Worten, daß die Teutsche betre
k, verstummten. Der Russe fuhr fort:
Wie seid Ihr Teutschen dumm und
sentimental! Blut vergießt ihr. soviel
Ihr wollt, doch ein General muh eS be
fehlen.' ES wird dadurch nicht besser,
wen Lenin eS befiehlt.' Dkk'üusst
antwortete dem Ilnlerorech gar nicht;
sondern fährt fort: Ihr hättet ja schon
im Januar gesiegt, aber waS hattet 'ihr
da für kaufend Äengstlichkeiten und Be
denken? JAr habt keine Geiseln genom
men, keine Banken erstürmt, hattet
immer alle Paragraphen im Kops und.
weil ihr möglichst keine Gewalt ausüben
wolltet, seid ihr lbst fremder Gewalt
unterlegen DaS Gespräch ging weiter,
die Russen deklainierten, die Deutschen
erinnerten ihre russischen Gäste an daS
Elend und EhaoS in Nußland, worauf
f tt sofort Erklärungen und Ableuqnun
gen nd alle erdenklicke dialektische
Kniffe gab. Eine tiefe Traurigkeit stieg
.uS all dem Geschwätz und dem dicke
Zigarettenrauch auf. Diese paar Russen,
die in Zerstörung der alten Kultur
Maschine reiste und mit ihrer Redefer.
tigkeit hier einige verzweifelnde und rat
los irrende deutsche Idealisten einzu
fangen suchten, hatten die tödlicke
Starrheit von alte Inquisitoren, zu
gleich die Gerissenheit von Geschäfts
mackern, arbeitete mit allen Mitt'ln,
zahlten da und dort- don ihren L
stecke, dsn propagandisiischen Dricks,
von unierschlagen? Tkpesck'n, von be
ftochenm ?mte und von ihren Svio
. Auk Fanatismus oder Verderdtheit
Ware.- kle u kder ,iu:!::ei bereit.
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Dom. .
Prtsa 111. Scrvlc.
gaben dies ganz offen zu. prahlten da
mit die alte Moral war ebenfalls
eine bürgerliche Erfindung, Vertrauens
bruch, Bestechung. Raub. Mord, alles
war ihnen für ihre Zwecke erlaubt. Sie
spielten ein gefährliches Spiel, .sie mögen
unter jenen sein, die jetzt zugleich mit
Radck gefaßt wurde was tut's, es
gibt genug von ihnen, sie haben sich aus
das nicdergebrochene Deutschland gestürzt
wie Schweißflicgen aus ein müdes er
fchöpftes Tier. Die blassen jungen Deut
sch? aber, geistige, vornehme Menschen,
verloren und isoliert in diesem steinernen
Vulkan. Berlin, debattierten mit ihnen,
horchten ihnen zu. sogen da! Gist ein,
vereinsamt, hoffnungslos,' nach Hilse
ausschauend.
Der Gastgeber aber stand plötzlich
ou. schlug den Flügel aus und griff
einige mächtige Akkorde. Auf einmal
drang Beethoven mitten unter diese
Menschen, und ihr tückisches, unredliches
Wort erstarrte. Es war. wie wenn durch
Wolken die Sonne bricht. Die Russen
schienen außer Fassung gebracht, ver
sprachen dann scherzhaft, uns zuletzt
töten -?u lassen und empfahlen sich., Die
Töne verklangen. Der junge Edelmann
er trägt eine der größte Namen des'
alten Teutschland sah sein, Freunde
lange an und saate leise: Was sollen
wir tun? Wir sind so allein, so schwach,
so unglücklich.' Und über diese paar
reinen und edlen Menschen breitete sich
ein tiefes dunkles Schweigen der Trauer.
.
Z?o Berlin nach München.
Wenn der Zug die Halle des Anhalt
Bahnhofes in Berlin verläßt, ist es, als
ob ein Albdruck schwächer würde und
langsam verschwinde. Ein Wirbel von
beklemmenden Eindrücken und Erleb
nisscn lastet aus der Seele. Man frägt
sich, ob man nicht ungerecht gewesen sei
und Einzelnes verallgemeinert habt.
Ar solche Entschuldigung ist unhalt
bar; man hat. in hundnte von Vesprä.
chcn hineingehorcht. hat Reiche und
Arme. Kebiloete und UnNbildete. Junge
nnd Alte. Gcldleute und Spartakisten
belauscht, war in vornehmen Hotels,
Theatern und Gesellschaften und in den
kleinen Destillation? und Voltsgasthäu
sern, wo die Masse spricht, hat diese
Stadt don Norden bis Südeis, von Osten
bis Wcstcn durchlaufen, und immerzu
gehört und gehört, und das Ergebnis
war ein: erschreckende Rohheit, eine Ab
Wesenheit reinerer und edlerer Gefühle,
ein Aufgehen in den niedrigsten Gelüsten.
HarthekZkgkeit ' und der Wille, den
Schwächeren zu berauben und nieder
zutreten. 'Man hat noch im Ohre den
tiefen glühenden Haß. mit dem die paar
reinen und von Idealen erfüllten Men
scheu don Berlin sprechen, verzweifelnd,
weil sie verdammt sind, dort leben zu
müssen. Man frägt sich, ob die Ein
seitigkcit unseres Urteils nicht vielleicht
dann liege, daß tvir Erscheinungen, die
in jeder großen Stadt, die folckze Schick
falssturz durchgemacht hat und von Huni
g und Aufruhcschiittelt wird, sich
zeigen würden, als abscheuliche Beson
derheitcn BlinS g?nommeHaben. Das
müßte erst die Wirklichkeit anderSwo leh
ren; ober das Gefühl sagt, daß Berlin,
schon im Frieden gierig, überhebend und
kulturlos, nunmehr alle Hemmungen
verloren hat. Das Schreckliche ist nickt
Hunger, Gier, auch nicht die Gewalt,
sondern die völlige Abwesenheit jedes
idealen Empfindens, jeder weicheren Re
gung. jeder natürlichen Brüderlichkeit,
die sonst olle verbindet, die von Müttern
geboren wurden. Wie in Riesenschrift
sieht es über dies steinernen Hölle:
homo homini lapue.
Der Eifenkchnzug bleibt oft und gerne
im Schnee liegen, und man denkt dar
über nach, ob er überhaupt sich noch we!
ter bewegen wird und wann. Er ist so
überfüllt, daß die Menschen, sich auf die
Aeben stellen, woS immerhin in der
Kälte etwa! wärmt. Aber die Menschen
sind doch nicht mehr so böse; sie spreche
zu einander und sie fluchen nicht. Ein
alter Schwabe unterhalt sich mit einem
Fräulein darüber, wa die württemb,
gische Königsfomilie leb, und eb sie nur
o.enug zu lebe habe. Die Zuhörer wer
den beruhigt; diese Familie wird schon
durchholten können. Eine vornehme
junge Dame steht im Abteil; wie ich ihr
weinen Plak anbiete, ist allgemeine Ver
hlüfsung; ti scheint nicht lsnd'küblich zu
t ' . , . . . f..'. m,' j . T
jfin; ger'izie uno corrayrjsc&ui nae
treffe mich und sch schäme mich eil we
fvg über meine Taktlosigkeit. Einige
Herren zählen mit sichtlichem N'id. wie
tort7sslich et in den bfsctzten Gebieten
dn Einwchnern airge und wie woblftil
dort die Butt wäre. T?nn ksmnet die
Etntt det LefpernS, und wie auf Ksm
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mando ziehen alle Reisenden reichliche
Stullen und' Butterdosen hervor. ES
wird gestrichen, Wurst verwandelt sich in
Scheiden und wird.vgn den Reifenden
einverleibt. Mangel wird wenigstens
hier nickt sichtbar, und eZ fällt mir
die Erzählung des omerikanifchen' Kol
lege ein. der überall inspizirrle. wie eS
denn mit der Ernährung stände und
dann drahtete: Sendet größeren An
zi!g! Wde zu dick.' Das ist natürlich
Uebertreibung; bei Arbeitslosen, Klein
bürgern und Fizbesoldetk ist d"al Elend
furchtbar; jene jedoch, die dreißig Mark
in Berlin und fünfzehn anderswo fiiri
Essen täglich ausgeben können und keinen
zu empfindlichen Magen haben, werden
reichlich satt. Borallem aber: Eiiz jeder
ist entschlossen, sich nichts zu versagen,
und die Butter steht im Mittelpunkt jede?
Denkens. AuS Angst, nicht genug zu
erhalten, ißt ein jeder, soviel er nur
kann und die Mationierung wird bloß
don 'Unkundigen noch beachtet. Kenner
versichern freilich. daS Land esse eben
feine letzten Reserven auf und ein
schreckliche Hungersnot "stehe ihm be
vor. Das mag stimmen oder nicht; der
Außenstehende wird eS nicht kontrollie
ren können. Die wahre Krise kommt
jedenfalls von der Kohle, richtig ge
sagt: von dem, Willen zur Nichtarbcit
im bürgerlichen Staat. Wer nicht arbei
tet, der hilft Ebert-Scheidcmann stiir
zen, bereitet die Sozialisurung" vor,
sich die gierigen Gemüter der Massen
wie ein Land vorstellen, rn dem Miick
und Honig fließt und in. dem sie alle?
haben werden, waS jetzt die andern ha
ben Es ist vergeblich, hier mit Logik
und Vernunft gegen Habgier und Neid
ankämpfen zu wollen, und die Maschi
nengcwchre werden aus die Dauer auch
keine Kohle schassen können.
Ein Gcschwistcrpaor kommt aus Po
sen. Es sind harmlose iunge Menschen,
und seltsamerweise frägt niemand von
den Reisenden sie nach ihren Erlebnissen
und nach dem Borgchen der Polen. Ich
bin als Einziger so neugierig. Es stellt
sich heraus, daß. dort alles in Ordnung
ror sich geht . und die Teutschen durch
oö keinen Belästigungen ausgesetzt sind.
Das Mädchen meint: Die Zeitungen
lügin ss schrecklich." Die Mitreifenden
schweigen ein wenig; dann meint der
Eine: Die Polacken, die wir gerettete
haben! Man sollte sie alle totschlagen.'
Auf der einen Seite war die !Hirk
lichkeit, gegeben j dem Berichte dieser
beiden Menschen, auf der andern die
Lüge, ausgeströmt täglich von den Hetze
rischen Zeitungen. Und die Menschen
entscheiden sich bedenkenlos für die gk
druckte Lüge.
In München.
Im Morgengrauen landet der Zug
dennoch mit siebcnstündiger Verspätung
in München. Die Stadt ist sauber ge
blieben und hat mehr ihr Gesicht bewahrt
als Berlin. Das fruchtbare Land rings
um hält und rettet sie. Berlin liegt im
Sonde, das erschwert seine Lage. Aber
auch München liegt wie unter einem
raucn Schleier. Die Reizbarkeit der
Menschen ist groß, nur ist das Volk gut
artiger, WaS versöhnlicher und beruht
'gender wirkt. Man hat gleichsam den
Einbruch: München ist geschwächt, aber
es kann gerettet werden; Berlin nicht
Zumindest sieht man dort keinen Weg
und keine aufbauende Kräfte. Dck
demokratische Antrieb ist hier stärker;
man sieht weniger Leute, die ihren Haß
und ihre UnbeZehrbarkeit zur Schau stcl
len. Die Hefc; gegen Ei-ner, die von
der Presse aller Parteien mit einer ver
bläffende Lügenhaftigkeit und Gemein
'Mit betrieben wird, bat natürlich oernirih
ad hier fällt es doch wohltuend auf,
wieviel' Jugend und Idealismus da ist,
wieviel Bereitwilligkeit, ein neue
Teutschland in und mit der Welt zu
schaffen. Diese paar tausend jungen
Soldaten und Studenten und Arbeiter,
deren Versammlungen ich sah, sind der
tröstlichste und versöhnlichste Eindruck,
den ich in Deutschland empfangen habe,
und es mag das Verdienst Kurt Eis
ners, dieses bei allen seinen offenbaren
Fehlern außerordentlichen WanneZ, sein,
daß er sie und seine Gedanken zu sam
Plsttdculkchc Idylle.
Onkel Fritz, der Hinterwäldler, beim
Neffen August, dem Richter.
Eine Idylle, die'! dieser vo Haß
und Leidenschaften zierten Zeit beson
deis wohl tut, erzählt, der Milwaukee
Herold' wie folgt:
Kommt da cm Freitagmorgen ein
biederer Hinterwäldler in die Office deS
MunizipalgerichtZschreiberl ' John W.
Voller.
Gode Dag ok, iS August in?' fragte
. Sofort rufe mehrere der Angestell
ten: August!" und August Schmidt,
der erste Hilftschreib. erscheint aus der
Bildflache und blickt den Besucher, dem
man ansieht, daß er die Großstadt nicht
oft besucht, fragend an. ' .
Na, , di mein Ich nich", sagt d
Landonkel und schüttelt den Kops. ,
NtchZ' antwortete August Schmidt,
ick lü aber de einzigste August in
disse Ossice."
,NZ. di ich, aber Jung, du kanst
a ok plattoütsch snaken."
Warum den ich, ick .iiln doch en
Pommerschea Jung." - .
Good. dar kaume ick ok her."
Ja wie sin alle pommersche Jungen,
wat Jan Woller iS, mlen Boß nd de
Richter sie Eoß, un deRichter ht ok
August, dat hsr bald vergätcn", seht
Schmidt hinzu.
Un de Richter will ich grad sehn,
he i! miea Fr r SchwestnS Löhn",
antwortete der Alte.
Der Richter war ober gerade im Ge
richissaal beschäftigt und konnte nicht
die Bhndlrg unterbrechen, um Un
Onkel aul dem Urwalde zu begrüße.
To sitzte sich den der Alte mit de
pommersche JungZ' in Well! Osfice
ßemLilich hin, um mit ihnen ein
.büfchen xlattdütsch ts drähnes".
int! verstand. Die Splisse und Uuicr. .(
hallungen dcö BolkcS. da. auch hier nach I
Erheiterung lrckzt sind endlich gut '
artiger als i Berlin. Die Leute jubel
V.I ...... fkvAi tmmmn f f nl ! IHM! .
ICH IX l ClIU flUVllI vumhuvm
taten Bauernposse. und i der Wein
stube .Simplizissimus', die ihren Eha,
rait noch bewahrt hat, wodurch sie sich
von der gleichnamigen Zeitung, dieser
deutschen" Wochcnschande, untcrscheidet,
finden sich lnstige Pärchen, fröbliche nd
aulartiqe Menschen, bei denen sich wohl'
sein läs.t. Auck das Proletariat scheint
hier nicht so entwurzelt, so verdorben i
durch den Asphalt wie in Berlin, eS hat ,'
noch mehr Beziehungen zur Natur. cS ist ) ,
nicht so hart wie im Norden. DaS Kö ;
niqtum sitzt nicht gar so locker, wie man . ' '
draußen wohl glaubt; der alte König )s
bat freilich ausgespielt, doch der Prinz , .
Rupprecht erfreut sich viel nmpa
thien. Man erzählt von ihm, daß er bei
einem Artillcricuntersland einen Kano
nier, den eine Granate getroffen hatte,
selbst zum nächsten Httfsplatz schleppte,
und als seine Ruhmestat gilt vor allcm
folgende Historie. Irgendwo kam e! zu
einem blutigen Streite zwischen preußi
schen und bankrischen Truppen, und da!
Kriegsgericht bestimmte, ein jeder zehnte
Mannsolle erschossen werden. Ta er
klärte Prinz Rupprecht. wenn man auch
nur einen einzigen von seinen Bayer,
anrühre, marschiere er mit seinem ganzen'
Heere ab... Man wird wohl tun, von
all den Geschichten nichts zu glauben;
aber daß sie erzählt werde, ist lehrreich'
für den Münchner Geist von heute.
AllcS in allem: München mag nieder
.i. r.: . ...
uiuucnu c i ii, iu'.iui muH uuiiaiii.mii uui i .,
Reutralicn dort hinkommt: war man ll-s
jedoch zuerst in Berlin, dann ist Mün
chcn Erquickung nd Beruhigung. Der
Groll, der auch hier vorhanden ist, scheint
blutwärmer und menschlicher, eZ ist ge
rade, gesunde bayerische Bauernmut in
ihm, und WaS immer die Zukunft bringe,
man kann nickt glauben, Munckn würde
der Wclt noch so entsetzliche Bestialitä
ten zeigen, wie Berlin sie schon zLgte
und, fürchten wir. in noch vergrößertem
Maße zeigen wird.
Heimreise.
Friedlich und dträumt liegt Lindau,
am See; hier gibt es noch lachende Men
sehen und' Pfannkuchen, webet ein Zu
sammenhang zwischen beiden Erscheinun
gen unvnkennbar ist. Schon naht der
Dampfer, der unS wieder in die Schweiz
bringen wird und die wilde' Hetzjagd die
scr zwei Wochen scheint bereits unwirl
lich zu werden wie ein Traum. Vor
uns aber steht erschütternd und beklem
mend daS Bild-dieses großen Volkes,
daö so entsetzlich aus seinem breiten
Wege geschleudert ward, in einem Ab
gründe zu versinken scheint, mit sich selbst
und mit der ganzen Wclt hadernd. Die
fleißige Arbeit von Geschlechtern ist der
geudef, die Vergangenheit sinnlos ge
worden, eine ungeheure Nstlosiakn't
lastet auf den ?)!illioncn, und umnebelt I
von Lügen, finde sie den B?eg ins Freie
nicht. Die Wclt wäre Lrmer ohne )
Deutschland und sie kann nicht glücklich
sein, wenn Deutschland unglücklich bleibt. I
Woher aber sollte es kommen, das neue
deutsche Glück? Wo zeigen sich seine '
nstcn Knospen? Nicht in Berlin und
Weimar und nur spärlich in München! ' il
Dieses Glück kann nur von d: Schuld
losen, von der neuen Jugend kam (
men, von jenen, die Anklagen und Haß 5
von sich abwälzen und ihre Seelen öss t 4
nen. Von jener Sehnsucht, .die nickt
Gewalt, Beute. Rache, Gewinn kill. ' .
sondern Freiheit. Brüderlichkeit und i-
Güte. Güte, die sühnt. Güte, die opfert.
iiite, die aufbaut am Wcrke der neuen '
Menschheit. Tiefe armen hungernden , 1
Jünglinge und Mädchen, deren Jugend f :
von Brutalität und Rohheit vergiftet
ward. sie. die sich nach neuem LcbenS h
inhalt. nach ein wenig Hoffnung und 'Jf
Ideale sehne sie sind die einzige - ft 'r
rast, die daS toiwunde Deutschland
noch zu retten vermag, und da Teutsch
land- im Abendnebel hinter mir versinkt,
gilt mein innigster Gruß ihr. der deut
sehen Jugend, den Sündenbesreitc, den
Kommenden!
Wien Liefe, wat mic Fru iS, hät
mi nach Milwaukce dräwe. Sk scggt,
August sie Vadder !S bot, nii tust du
de nächste dorto. Sieh mal, wie em dat
geihi. De berflikte Milwaukeer schient
noch garnich to wrten, wat he fqrn go.
den Jung iS. Gy henn u verte da!
die Friinn. Du hast ja ene ganze
Menge in Milwaukce." So bün ich'nu
hier, um noch en bäten for den Jung
ts baun. Ick mag m gir lieben un
erst bie mie Olfch dar hat de Dünner
flog en grotcn Qeittjn Breit."
Der Alte, der beinahe die Achtzig auf
dem Buckel hat, hatte die Beschwerden
der weite. Reise von einer 'Farm in der
Nähe vo Eagle Rio nicht gescheut,
um feinen Nesse hier fn feinern Wahl
kämpf behilflich zu ein. Der biedere Alte,
der hauptsächlich sein geliebtes Platt
deutsch spricht, obwohl er auch die eng
lischt, Sprache bemustert, hat viele Be
kannte hier, die zur Fisch, und Jagd
saison in den seenreichen Wald jener
Gegend komme itnd die er so kennen ge
lernt, hat. ,
Später fand ei freudige! Wieder
sehe zwischen ihm und dem Richter
statt.
.Aber. Onkel Frih, dat i, doch to väl
verlangt, dat nu ganj hierherküinmst
so' wie." meinte der Richter, der dem
Alte unter den Arm faßte, um ih mit
ach Haus, zu nehmen.
Rä. na. mien Jung, Tante Liest
sk2t, dat ti miene Pflicht, und ick ä
tat in.' ick bin doch de nächste tsrtg."
Am Wkgk. '
Alle bst e, unS genarrt. - ,
die wir mit verhängtem Zügel
zogen aus, da, Glück zu jag' . . .
nun wir müde aus dem Bügel
stiegen, müde und am Weg?
wunschlos in die Blumen glitten,
kommt S leile angesckrüten,
küßt un! auf den Mund nd lacht.'
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