Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 12, 1919, Image 7

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, Die deuljcljen Kochlchllcn ,
. m FollisöMlßljem.
Von Professor Dr. . fl. yfr.
ES war einmal, da standen die dtuischm
Universtiüten !,n Brennpunkt deS gelstl
gen Lebeni der Nation, da fafcen ans den
Lehrstühlen die Wortführer dcS äjolfel,
und da sandte da Bolk feine Profcsso
ren, weil ti niemand Besseren wußte, iis
die Nationalversammlung. Heute spricht
man davon wie von einem Märchen.
Heute verhallt die Stimme der Profcs
sorenschaft unbeachtet im Lärm de ja
geZ, und ihre Resolutionen wirken in der
Oesfentlichkcit nicht stärker als die ir
gendeiner untergeordneten Interessen
tcnvereinigung. Es mangelt da Echo
aber nicht nur im breiteren Publikum,
uch im engeren Kreis der Studenten
schaff, fehlt ei n Widerhall. Dem Rat
der Alten ging die Fühlung mit der Ju
fjeitf verloren Von diesem traurigen
Kapitel soll hier nkch nicht die -Rede sein.
Wir fragen zunächst wie kommt es, daß
die Stellung der , Universitäten im
LollZbewuhtsein sich so verschoben, hat.
Der Hauptgrund liegt in dem voll!
gen Neubau der gesellschaftlichen Schief)
lung ta Deutschland feit der Mitie des
vorigen Jahrhunderts. In Deutschland
war bis zur Industrialisierung die Idee;
der wichtigste Exportartikel. Mit dem
wirtschaftlichen Ausschwung wuchs die
, Menge des Volkes, mit dem Reichtum,
kamen die Kontraste. Den Markt be.
herrschten nicht mehr die Ideen, sondern
Ik Interessen. Noch km Jahre 1871
war die Begründung der deutschen Uni-
" dersität Strasjburg eine große, daS
ganze Volk beschäftigende nationale An
gelegenheit. Man vergleiche damit das
geringe Interesse, daö die Wiederherstel.
lung einer deutschen Universität Dorpat
1918 auslöste, um den ganzen Unter
schied zu begreifen. Zwar arbeiteten die
Deutschen auch noch in diesem Kriege
mit Universitätsgrundungen wie mit ei
Nein echt deutschen Requisit politischer
Vlufmachung; aber der Erfolg blieb aus
' weil der Gedanke ein Anachronismus ge
worden war. Die wirklich bestimmen
den Mächte der Zeit waren nicht mehr
n die Universitäten gebunden. Auf ol
len Gebieten lagen in Deutschland, wie
anderswo, gewaltige soziale Kräfte in
erbittertem Kamps; aus den tieferen
Bolksschichlen drang es in heißer Sehn
sucht empor; die überkommenen Autori
täten suchten die drängende Springflut
durch immer höhere Dämme zurückzu
halten; Spannung. Leidenschaft und
Kampf, wo man hinblickte: mitten Im
tosenden Meer aber lagen auf Inseln
der Seligen i geruhsamem und sattem
Frieden die Universitäten.
" Zwei Faktoren haben diese Zustand
erzeugt,' Fichte und Schleiermacher hat
ten die Universitäten zu Forfchungsstät
- ten gemacht. Neben demvobjckiioen Su
chen nach Wahrheit war die SJollSerzie
hung in den Hintergrund getreten. Die
Pflege der Wissenschaft war zum Mit
telpunkt der gelehrten Erziehung gewor
den. Aus dieser Forderung erwuchs im
deutschen Geiste das Spezialistentum.
Objektive, leidenschaftslose Betrachtung
der Dinge war trotz allen Gelehrtenge
zänks und 'aller Hypothesen und Priö
ritätsstreiterei die eigentliche geistige
Einstellung der akademischen Lehrer wie
der Studenten geworden. Eine solche
Gcistesrichtung ist der Politik und dem
öffentlichen Leben nicht günstig. Was
etwa an ungebändigten wilden Trieben
noch blieb, beschnitt oder erstickte die Re
Aktion. Das Mißglücken der achtund
vierziger Bestrebungen und die Erful
lung der Reichsidee durch die Reaktion
und durch daö preußische Schwert
drängten die geistig arbeitenden Kreise
immer mehr ouS dem Kampf deS Tages
in die Stille der Gelehrtenkreise. Was
an praktischer Wirkungsfreude noch
blieb, schaffte sich Luft im freien Kampf
deS Wirtschaftslebens dieser Aderlaß
unsere! wissenschaftlichen Intelligenz
dauert Jitä an hier wie dort ebcr
. völlige? Tesinteressement n der Allge
meinheit. am Politischen. Bestenfalls
noch innerpolitische Interesse, aber au
ßenpolitisches? Die auswärtige Po
litik war eben ein Spezialfach wie eine
beliebige wissenschaftliche Disziplin die
man den Fachgelehrten im Auswärtigen
Amt ebenso ruhig überließ wie den Kol
legen in der Fakultät die Ngchbardis-
!' zipli.
j; Verstärkt wurde diese Haltung durch
I . ' be merkwürdigen historischen Sinn des
Deutschen. TaS vorige Jahrhundert
Z. war für die deutsche Geisteswissenschafi
tn Zeitalter der Historie. Noch heute
lden wir unter den Folgen. Dt grog
''.rtige historische Kraft Schmollers hat
i s hsere Volkswirtschaftslehre auf ganz
' v verhängnisvolle Bahnen gebracht. Seine
Schule ließ die syntl,etijchen ÄerfuSe
der sogenannten politischen Historiker
4 als Dilettantismus erscheinen. Politik
f n$ Wissenschaft starb aus, und Kjcllm
j tonnte ist ei nicht eine Ironie?
, als Bahnbrecher aus neuen WtAen er-
scheinen Auf juristischem Gebiet ist es
(.ebenso gewesen. Noch heut, gilt im
Kreise der großen historischen Rechts
' schulen die Beschäftigung mit dem gel
. stcnden Hecht eil eigentlich nicht ganz
'jmissenschastlich, und ohne einen dicken
Walzer über Zustände vergangner
. lahkhundeit gilt niemand li profcsso
Kabel fite da B. G B. Derselbe Zu
?. stand auf philologisch'', Gebiet, Xie
" Sprachgeschichte, der historische Laut
wandet beherrscht das geehrte Interesse.
-.' Z't HistorizismuS war unstte Stärke
l ml) unser. Verhängnis, denn d;& T't
i f.t nimmt die Geschichte ernst. Die
deen vo 134$ waren gescheitert. Ui
Veich war vurcy Biimaraicye iaaüpo
lilit begründet, auf dem ss gescliaffenen
Grunde war der Ausschwung gekommen,
",t Weltaeliung in Sicht. Wer histo.
:' 'isjj dachte und alle Eclekrien tack
if'n historisch mutzte daraus die fal
;-. -ryn5 ziehen, daß ein Tuufj nur durch
i I jie Mittel erhalten werten könne, mit
( h 'tntn ti f Gründet war. Man M el
je sszialifiischcr Seite dem Pros.sso
ejituri äkrend bei Kriege! und bcZon
dcrs in -den letzten Wochen vorgeworfen,
daß sie Stützen dcS Imperialismus uns
der Reaktion gewesen wären, daß sie in
egoistischem Instinkt den Interessen deS
Kapitalismus Vorspann geleistet hätten.
Richt, ist unrichtiger als das. Es 'ist
der wissenschaftlich'historische Sinn ge'
Wesen, eine Dcnkgewöhnung. die leider
nach rückwärts eingestellt war, statt nach
vorwärts, wohin die nicht gelehrten auf
steigenden Kräfte einer neuen Zeit wie
stn, die bei dem der Gegenwart abge
wandten Wesen der deutschen Wissen
schaft den akademischen Kreisen länger
verborgen bleiben mußten, als gut war.
So schieden die deutschen Universilä
ten allmählich aus dem öffentlichen
Meinungsaustausch aus. Sie kapselten
sich ab. Sie pflegten ihre Fächer und
ihre Spezialitäten. Gerade dir"2iich
tigkcit für daS Fach wurde zum Ber
hängnis für das Staatsbükgcrtum der
Professoren. Die akademische Konkur
riz war erbittert. Nur wissenschaftliche
ProduktMtöt bot Aussicht auf Zorttom.
mcn. So mußte die ganze Lebensuier
gie auf das Erreichen einer Proftssur
eingestellt werden. War aber einmal das
Ziel erreicht-, so trat man in den G:nuh
einer gesicherten Pfründe, in den Besitz
einer vom Herkommen geweihten ongese
henen gesellschaftlichen Position. Bei
manchem erlosch dann die Wissenschaft
.liche Schaffenskraft die . nergie war
verbraucht. Die in weiter Evcnntnis
von dem Wesen wissenschaftlicher Arbeit
dem Gslehrtekldasein geschaffene Muße
und Behaglichkeit wurden dem Schwa
chen zum Verhängnis. Der Beamten
charakter und die Unabsetzbarkcit befrei
ten den Akademiker nach erreichtem Ziel
von dem heilsamen Stachel wirtschaftn
eher Nötigung. Vorgesetzte gab es nicht,
und öffentliche Kritik hatte nur der Pro
duzietende zu befürchten. So blieb nur
ein neuer Ruf als anstachelndes Mo
nient. Diese Verhältnisse schufen auch
Njeten, die nicht gerade daS Ansehen der
Hochschulen erhöhten. Die wirklich we!
terarbeitenden Gelehrten hielten sich
meist zwangsläufig dem öffentlichen Le
ben fern, nur auf kommunalein Gebiet
traten sie gelegentlich hervor, aber auch
hier häufiger diejenigen, - die iticht die
höchster Weihe erreicht hatten und nicht
den gelehrten Typus am reinsten vertör
perten. Bei ruhiger Arbeit oder voller
Muße ohne aufreibende öffentliche Tä
tigkeit wird man alt. Monarchen und
Univcrsitätsproscssorcn sollen in der Be
rufsstatisti! mit die höchste Lebensdauer
aufweisen. So sind unsere Lehrkörper
alle etwas überaltert. Die Einführung
einer Altersgrenze wär ein Fortschritt.
Hohes Alter ist neuen Ideen und damit
der Fühlung mit dem Leben nicht gün
Pig. Auch im gesellschaftlichen Leben haben
die, Professoren nicht genügend freigehal
ten von den Unsitten der Borkriegszeit;
auch für unser Gesellschaftsleben wurde
leider der Kommerzienrat bestimmend,
und. da Professoren nicht so picl Geld
haben wie Kommerzienräte, mußte es
vielfach zu einer Beschränkung aus den
nächsten Kollegenkreis und damit zur
Abkapselung nicht nur gegen die Volks
gemeinschaft, sondern auch gegen andere
gebildete Stande kommen.
Aber nicht nur die Individuen auch
die gelehrten Körperschaften verloren an
Ansehen. Manchen Hochschulen fehlte
der ?orpora!ive Sinn völlig. Tie wis
senschaftliche Spezialarbeit ist dem Kor
porotiven an sich nicht günstig. Je be
deutender die Individuen sind, desto un
geeigneter sind sie für Kollektivarbeit.
Es gibt nur noch wenig Universitäten
und wohl keine Technische Hochschule ,
die sich infolge alter Tradition eine kor
'porative Geltung bewahrt haben, nir
gends aber reicht diese über das Weich
bild ihres Sitzes hinaus. Auch die Stu
dentenschast, die früher unser Lssentli
ches Leben mitbestimmt hat. ist in alten
Formen völlig erstarrt, und erst die letz
ten Jahre zeigen hier Ansätze zu neuem
Leben. Die Studentenschaft wird je
densallk gut tun. sich erst selbst zu re
formieren, ehe sie die Neugestaltung des
Lehrkörpers beansprucht.
y in Mtt Grund für daZ Sinken des
Ansehens und für die Wirkungsminde
rung der Hochschulen liegt in ihrer engen
Verknüpfung mit der höheren Schule.
Der entscheidende Schnitt in der Votts
bUdung liegt zwischen Volksschule und
höhere Schule, picht zwischen Schule
und Universität. Die Geschichte : des
deutschen Universitätsunterrichts ist pn
trennbar von der Geschichte der höheren
Schule, und alle Kritik, die sich vom so
zialen Gesichtspunkt gegen die höhere
Schule richtet, trisft die Universität mit.
Auch d',5 Hochschulen gelten !s Klas
seninstitutionen, die mit einem Wall von
Berecbtigiingen und Anrechnungen, von
Zulaffungsbkdingungcn und Eramen!
Vorschriften 4hch gegen Zustrom von uiv
ten sichern. Diese Kritik der Motive ist
unberechtigt? sie sieht in zufälligen üir
kungcn kausale Zusammenhänge. Soll
der wissenschaftlich: Unterricht Zweck ha
ben, so muß er mit einer gewissen Vor
bilbung rechnen können. Die B?vor
miinduifg geht In dieser Hinsicht aller
ding zu weit. Gerad: die Gegenwart
bietst all: Gelegenheit zu zeigen, daß kS
nur auf die Kenntnisse und das wissen
schiflliche Dcnken ankommt, nicht ober
aus den bureaukratischen Weg ihrer An
kignung. Der alte Obrigkeitsstaat hat
auf diesem Gebiete zweifellos zuviel
gängeln, zuviel vorschreiben zu Müssen
geglaubt. Hier heißt 4i freie Bahn
schaffen durch Begründung einet einheit.
llchen Erziehuncissnstem von der Volks,
sckule bi zur Hochschul,. DaS ist al'
lcrdings nicht so leicht, wie .sich d,1
manche Eilrer deß neuen Geistes vorstcl
lsn. Mit blindem Niederreißen von
Tcheid:mänden innerhalb 14 .Tagen
schafft man nur Schutthausen, die den
Weg erst rett versperren; denn mit den
willen fallen auch die Türen. Häuser
mit neuen Baugedameg konn'n nicht
ton Maurermeistern, sondern nu; von
M
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Die Goethe
Weimar, 3. Februar.
Auf dem Anhalter Bahnhof hält im
grauenden, nebeligen Montagmorgen der
erste Sonderzug, der die Pha'akcnstadt
Weimar fortab mit dem Sündenbabel
Berlin verbinden soll, um der National
Versammlung wie eine Ader da poli
tische Lebensblut aus dem kranken Her
zen des och so kläglich kranken Deut
schen Reiches zuzuführen. ES ist kein
Gedränge um diesen Zug. wie eS sich
um alle anderen Mge heutzutage ab
zuspielen pflegt. Eine der großen Seg
nungen des November diese lebens
gefährliche, hemmungslose Treiben auf
den Bahnhöfen, dasja aber leider nur
das üble Vorspiel aller Reisen bildet,
die seit den Novembertagen zur Höllen
quak werden. Denen, die mit dem Wei
marer Nationalzuge" reisen dürfen,
bleibt heute diese Öual erspart. Alle
Plätze sind einzeln für die Teilnehmer
belegt, und s Wunder der Zug
ist sogar geheizt! Er trägt aber auch
eine bedeutsame Schar von Reisenden:
Ebert und Scheidemann fahren selbst mit
einem . kleinen Stäbe von männlichen
Mitarbeitern und einem recht erheblichen'
von weiblichen nach' Weimar. Außer
ihnen benützen einige'Abgeordnete, dar
unter die Herren Dernburg und Pach
nicke sowie die preußischen Minister
Heine, Fischbcck und Braun den ersten
Weimarzug. , -
Kurz vor seinem Abgang marschiert
eine Kompagnie Soldaten aus dem
Bahnsteige aus und nimmt Stellung am
Zuge entlang. Paradeaufstcllung- hätte
man'S früher genannt, heute kann man'S
mit dem besten Willen nicht mehr so
nennen. Die Leute da draußen im seid
grauen Mantel mit dem Gewehr am.
Riemen über der Schulter mögen ja ge
miß vom. Geiste der Ordnung erfüllt
sein. Aeuherlich unterscheiden sie sich
nur verzweifelt wenig von den Erschei
nungen. die man in den Spartakustaaen
in Berlin sah'.
Ihr Stimmengkinurmcl. das sie im
Gliede stehend, erheben, Übertönt einige
kurze Sätze, die einer der Mitreisenden
vom Zuge aus an sie. richtet. Es ist
Herr Ebert selbst, de die Ehrenkom
pagnie begrüßt und sich anscheinend bei
ihr bedankt. Die drei Hochs, welche die'
Truppe dann ausbringt, gelten gewiß
der Regierung, welche die Ruhe und
Ordnung verbürgt. Während die Sol
dakcn nun in ziemlich zwangloser Reihe
den Bahnsteig ' verlassen, rollt der Zug
inS Land hinan der erste unumstäh
liche Beweis dasür, daß es mit Weimar
wirklich ernst wuden soll. '
Wer erst wieder einige Tage in Berlin
war und die ganzen, Umwälzungen n
von weitem miterlebte, dem komntt es
doppelt merkwürdig vor, die neuen
Würdenträger deS deutschen Volke? in
den Gängen des DZugeS wahrend der
Fahtt entlangspazieren zu sehen. Der
Herr Staatssekretär Heine und seine
Kollegen Braun und Fischbeck tragen die
Last !hreö AmteS mit einer gewissen der
legenen Würd, während der Chef der
Reichskanzlei, Hexr Bake, genau derselbe
geblieben ist. als den man ihn aus der
Journalistentribüne des Reichstags oder
Landtags kannte. Die Herren Ebert und
Scheidemann sind während der Fahrt
unsichtbare Sie sitzen, wie sich daS für
Staatsoberhäupter geziemt, in einem
Sonderwagen, abgesondert von der ,mi
fera contribuens Plebs", bestehend aus
Presseleuten beiderlei Geschlechts und
mancherlei Konfession und einigen Ab
geordneten, unter denen sich auch, wie
bereits gesagt, Herr Bernhard Dernburg
befindet. Sollte der Vielgewandte viel
gelernten Architekten und auch da noch
lange nicht von jedem, rbaut werden.
Haben wir erst das neue Schulsystem,
dann tritt auch die Hochschule aus ihrer
Isolierung.
Dann wird auch der Weg frei für
eine deutsche Volkshochschule, die man
aber auch nicht einfach von Dänemark
oder auS England darf einführe wol
len. Hier müssen die Universitäten, und
Technischen Hochschulen mithelfen. Es
müssen .Formen gesunden werden, die
sich vom gelehrten Unterricht der an be
stimmte Vorbildikng gebunden bleiben
muß. bewußt unterschkiden, die volles
Verständniß, aber keine halbe Bildung
bringen. Hier liegt eine große und Herr
liche Aufgabe für den weiteren Kreis der
Univeisitätsdozenten und für die gereifte
Studentenschaft. Das gemeinsame Stre
ben nach Bildung muß uns helfen, die
sozialen Klüfte zu überbrücken, olle
Volksklassen wie auf heiligem Land zur
'Zusammenarbeit und damit zum gegn
fettigen. Verständnis zu verbünden.
Tann werden unsere Hochschulen reichen
Segen spenden an alle Schichten deS
Volkes. undsie werden berufen sein, im
Lebe, der Nation eine- Rolle zu spielen
- wie nie zuvor.
TaS Alter der Lokomotiven.
In Deutschland beträgt daö Durch
fchnittZalker der Lokomotiven nur 12.7
Jahre. In Frankreich bleiben dagegen
die Lokomotiven viel länger im Dienst.
Tort haben nämlich die Bahngesellschaf
ten in Zeiten bei Niederganggs nur we
mg Lokomotiven bestellt, und infolge
dessen mußte man mit der Ausmuste
rung älterer Lokomotiven recht sparsam
zu'Werke geben. Als 1!M die franö
Zischen Westbahne vustaatlicht wurden,
sind von den von Duddieom im 'Jahre
1MI gebauten 37 Lokomotiven noch 14
Stück übernommen worden. Auf den
Paris Lyon MittelmeerBahnn ließ
man auf vielen alte Lokomotiven, die
noch Nebenlinien benutzt wurden,
von den Fabrikschildern die Jahreszahl
fortmeißeln. weil man sich ihres Alters
schämte. Auch in Rußland Kaufen noch
sehr alte französische Lokomotiven; fa
wurden noch im Mai 1318 in Nifchni
Nowgorod Lokomotivkn S den Jahren
im und Ib.'? g:seh!N. Auf deutschen
Bahnen daaegen dürften kaum noch La
komotiven aus den siebziger Jahren lau
Zen - ' v
eimar.
und Schill erstadt in großer Zeit.
leicht stille, aber heiße Hoffnung hegen,
bald wieder im Salonwagen zu sah
ren?
Halle! Die gefürchtet Klippt! Hier
hatte man unliebsame Spartakusüber
raschungen erwartet. Aber sei ti; daß
die Namen .Liebknecht' und Rosa", die
mit Kreide am' Zuge angeschrieben sind,
ein Schutzzeichen waren, oder sei eS, daß
andere Schutzmaßnahmen die Sparta
listen abhielten der Zug rollt nach
kurzem Aufenthalte weiter. Neben den
Regierungsleuten sind noch einige an
dere Menschen froh, als Halle glücklich
erreicht ist: fünf beurlaubte Soldaten
haben sich in Berlin als blinde Passa
giere eingeschmuggelt, um mit dem Re
gierungSzuge schnell nach Halle zu kom
men. AIS sie der Zugführer fragte, waS
sie in diesem Zuge zu suchen hätten, er
klärte ihr Sprecher, er wolle Exzellenz
Ebert" sprechen und um Erlaubnis zur
Mitfahrt bitten. Da ließ man sie ge
währen und nahm sie freundlichst mit!
isie wurden .unterwegs verschiedentlich
für die Schutzwache des ZugeS gehalten,
und das machte einen ganz guten Ein
druck.
Weimar! Am Bahnhofe keinerlei feiet
liehet Empfang. Ein paat Droschken
schütten stehen bereit, um , die Staats
oberhäupter in die Stadt zu führen. Der
große Rest der Ntitreisenden fährt in der
Straßenbahn oder, wie man es früher
nannte, der Armendroschke. Aber das
ist kein Nachteil, denn, da die Bahn
rundherum durch die Stadt fährt, hat
man gute Gelegenheit, einen Blick auf
die stille, vornehme Hauptstadt Thürin
gens weisen. Mit seinen winkeligen
Gassen im kleinen Zentrum und feinen
schönen, offenen Straßen um dieses Zen
trum herum, wo tie Häuser alle Villen
artig in kleinen Boigärten stehen, weckt
Weimar wohl in jedem abgehetzten, ner
vösen Großstädterherzen den Wunsch!
Hier möchtest du für immer wohnen."
Und zugleich wird das Mitleid wach mit
der stillen, feinen Stadt, wenn man da
ran denkt, was jetzt über sie kommen
wird. Wie ein Schwärm von Heuschrek
ken wird sich'? in den nächsten Wochen
über sie ergieße; alle Gasthäuser und
Wirtsstuben werden von Fremdlingen
erfüllt sein, die sich nicht um die Schön
heiten der Museen und Theater tüm
mein, sondern die alle von wildem poli
tischem Dränge erfüllt sind!
Sie alle werden zu dem einen Zen
trum streben, zu dem schmucken Theater,
dessen kleiner Bühnenraum in den näch
sten Wochen das große .Palaverhaus"
des deutschen Volkes sein soll!
Es wird einem angst und bange, wenn
man diesen Sprechsaal der deutschen Na
tionalversammlung sieht. Die amphi
theatralisch emporsteigenden Sitze deS
Zuschauerraumes, die für die Abgeord
neten bestimmt sind, bieten keine Mög
lichkeit für irgendwelche Schreibgelegen
heit. Schmale Leisten, an die Rücklehne
deS 'Vorsitzes angebracht, sollen den
Volksboten dazu dienen, ihre Bemerkun,
gen aufzuschreien! . Für daö deutsche
Volk sind in den Logen etwa vierzig
Plätze freigehalten worden, von denen
aus eS den Verhandlungen lauschen
kann. Im zweiten Geschoß hat die
Presse ihr Arbeitsfeld zugewiesen bekom
men. ' Wie's damit werden wird. daS
sieht heute noch trübe auS alles ist
noch in der Arbeit, und die Räume des
Theaters hallen wider von den Ham
merschlägen der Tischler. Zimmerleute
und Telephonarbeiter. Nicht anders ist'S
drüben über der Straße im Sophien
stift, wo das Hauptpost und Telegra
phenamt seinen Sitz aufgeschlagen hat.
Aber Organisation und Ordnung wa
nn ja von jeher die starken Mittel, mit
denen der Deutsche olle solche , Schwie
rigkeiten überwand, vielleicht glückt'S auch
diesmal noch rechtzeitig, oder, sollte auch
das seit dem 9. November anders ge
worden sein?
Aus der Bühne deS Weimarer Thea
terz stehen, aus Berlin herbeigeführt, die
ledernen Reichstagssessel der Minister
bänke. jn ihrer Mitte der Stuhl del
Reichstagspräsidenten. Die Adlerwap
pen der Rückenlehnen starren schwer
mlltig auf die leichte Thkaterpracht
ringsherum
Auf den Hartgefrorenen Straßen der
Goethestadt stampfen die Stiefel der
Landesschützen; ihre sauberen Uniformen
mit dem silbergestickten roten Kragen tun
dem Auge, das in letzter geit so viele
loddrig angezogene Feldgraue ' sehen
mußte, angenehm wohl. , Vorm Hotel
Kemnitzius, wo die Ehrenwache der Na
tionalversammlung ihr Hauptquartier
hat. stehen ihre dampfenden Feldküchen.
Der Schildbürgerstreich des Weimarer
S.-Rates, derdie Quartiermacher der
Landesschützen entwassnen ließ, ist heute
Wohl bereits vergessen, und ti ist viel
leicht ganz gut, daß man im Reiche end
lich einmas. zu sehen bekommt, daß wir
wieder eineTruppe haben, die stramme
Manneszucht kennt und die auch in ihrer
äußeren Haltung und Kleidung diel zu
erkennen gibt,
'
Im Goethehaus. , Weimar'S
großer Tag. Ebert'S Rede.
Bevor die deutsche Natlonalversamm
lung eröffnet wurde, habe ich e für an
gezeigt gehalten, Goetle einn Besuch ab
zustatten. Der Volksbeaustrogte Ebert
wird ja zweifellos sehr interessant sein,
sagte ich mir; doch schließlich wir je, Jo
hang Wolsgang von Goethe auch gehe!
mer Staatsrat und Minister, beinahe
also Berufsgenoste von Zdert, und so
mag der Besuch sich vielleicht doch, wie
der schändliche Ausdruck lautet. loh.
neu. Schließlich verdankt eS ja We!
mar doch nur dem toten Dichter, daß ei
heute die Ebre hat, Geburtsort der deut
schen Republik zu sein, der Platz, zu dem
sich hoffend di Bugen dS deutschen
VolkeS wenden. Tank ihm, der edle
Geister anzog, strahlte von der kleinen
gleickigültigen Residenz ein Licht auS,
dessen sich Deutschland in seiner jetzigen
Dunkelheit erinne:! De; S2ZZÄS'.H
edelster Geiftigkeit. da, klassenlose Euro
päerideal. die erhabenste Internationale
ward hier Gestalt für einen kleinen Kreii
von AuSerwählten; mehr al j? wünscht
man nach den Erfahrungen dieser Jahre,
daß eS Ideal der gesamten Menschheit
werde. Solchermaßen gestimmt, will man
Goethe besuchen. Das ist kein leere!
Wort in Weimar, denn während sonst itt,
den Stätten- großer Menschen nuk, dak
Gedenken ihres Namen blieb, sie fchat
tenhaft umschwebt, ist hier fein ganzes
Haus, so wie eS war, erhalten geblieben,,
bewahrt fein Wesen in den Dingen, die
er sammelte, die ihn umgaben. Er
würde heute fein Weimar sicherlich nicht
erkennen, so geschäftig und eilfertig ist
es geworden. Das Schloß, in dem der
Frankfurter Patriziersohn sich so höfisch
gewandt und l',berauk schicklich bewegte.
ti ist heute nicht rehr der Aufenthalt
von Karl AuMs Nachkommen; die Em
vorkömmlinge der Novemberrevolution
tagen dort, schlafen unter Herzogskronen
und damastenen Baldachinen. Zeitungs
leute lause nach -Interviews und wicht!
gen Informationen. Abgeordnete be
'sprechen sich bedeuksam, verteilen Steyen
und Würden: man nimmt Stellung und
Fühlung, die große politische Börse, be
ginnt, und alles ist sich allzu sehr be
. ci :ri:rjL. af...t.r:.j. ..f.iH
i roußi, qiiimime auij:nuiiuc ju ti..
Inmitten des lonvetoaren .umunes tiegr
ein kleines gelbes HauS. Hier lebte und
starb Goethe. ,
Kaum schließt sich die Türe hinter uns.
so verschwindet auch schon die Zeit, ein
Jahrhundert mit seinen Kriegen, Revo
lutionen und Republiken versinkt, und
wir sind bei Goethe. AlleS ist noch wie
einst, nur das, der Hausherr mcyr anme
send ist. Aber es ist unk, alS könnte er
plötzlich durch die Türe treten und auS
seinen Herrfcheraugen uns anblitzen. Die
steise und kühle Würde deS HauseS mit
seiner akademischen gebändigten Antike
empfängt uns 'und läßt uns nicht mehr
los. Wieviel Gediegenheit, wieviel Ge
schlosscnheit in allem! Wie ist da alleS
gesammelt und geordnet, Steine wie
Stiche, und wie umfassend war dieser
unergründliche Geist. Waö fast Pedan
terie scheint, das war ihm wohl daS Be
streben, dem Dämon in sich nicht Gewalt
über sich zu lassen, und das vielbewun
derte und auch vielgescholtene Maßhalten
in seinem Wesen, seine Abkehr von allem
Drängenden, Lauten und Ungestümen, es
war die Furcht, die ungeheueren Mächte
seine? Innern frei zu lassen. Dieser
kleine Hos, der KreiS zuzelassener und
vertrauter Freunde, die ablenkenden Be
fchästigungen mit Chemie und Minerals
gie. durch die er der Natur ihre Geheim,
nisse ,u entreißen gedachte, in sie fluch
teie er vor den grenzenlosen Möglichkei
ten, die in feinem unermeßlichen Geiste
lagen, dielleicht auS Sorge um fein Be
hagen, um den äußeren Schein. In fei
nem kleinen Arbeitszimmer liegt noch
das Kissen, auf daS er feine Hände stützte,
die paar Instrument und Bücher, die er
nie missen mochte, und in Teller voll
Gartenerde, die tt chemisch zu unter
suchen gedachte. Doch da rührte der Tod
den Unsterblichen an und er wurde selbst
zur Erde. Nebenan in dem ärmlichen
kleinen Schlafzimmerchen starb er, trotz
seinem Ruhm und der Bewunderung der
Welt in jener Einsamkeit, die Uoß die
Größten durchzuleiden vermögen. An
diese? Weimar dachten die Byron und
Carlyle. es war das Mckk der Geistigen
und Europäer, 'U"dcm man wallfahrte,
und eS wurde zum Gespenst, da er
schwand und bloS die! Haus zurückließ.
Zum erstenmale wurde es jetzt wieder
zur Wirklichkeit, da seu. Volk, eineS gro
ßen Mannes entbehrend, seiner großen
Toten gedenkt. Bismarck starb 1918 ein
zweitesmal. aber Goethe blieb.
Blieb er? " Es wäre unbillig, von dem
Haufen Mnschen, der sich nunnlehr in
so anders gearteter Zeit in Weimar zu
fammengefunden hat, seine Denkart seine
Ruhe, seine erhabene Gerechtigkeit zu
vetlangen; daS Rad der Zeit läßt sich
nicht zurückdrehen. Immerhin darf man
die Bemetkung leider nicht unterdrücken,
daß daS Goethehaus einen unVergleich
lich stärkeren und geschlosseneren und
würdigeren Eindruck gibt als die Eröff
nun der Nationalversammlung. DaS
Theater, das der gute EckernutNn auf
GoetheS allerhöchsten Befehl so oft be
suchen mußte.,ift jetzt leider durch einen
seelenlosen Neubau ersetzt, und hier ent
faltet sich die bedeutende Etaatsaktion.
Im Parkett sitzen die Abgeordneten, auf
der Bühne die Regierung, und man
denkt plötzlich mit Schrecken, daß ein vos
hofier Bühnenarbeiter oder vielleicht ein
auS Versehen unverhaftet ' gebliebener
Spartakist, auf einmal den Vorhang her
unterlassen und damit die ganze vnfas
sunggedcnde Versammlung in peinliche
Verlegenheit setzen könnte. DaS Milie
deS Frankfurter Paulskirche" war doch
wohl würdevoller. Auf 1843 beruft sich
ja auch Ebert in seiner Eröffnungsrede;
die Revolution sl.cht so gut wie die W
nastie nach dem Adel der Zeit, der Leg!
timität durch die Vergangenheit. Die Re,
gie klappt durchaus, die Vorstellung hat
beim Publikum einen entschiedenen Lufze
ren. wenn auch nicht lärmenden Erfolg;
Ebert sagt seine Rolle, den Zettel vor
sich, sebr vernehmbar, wenn auch ohne tr
gendwclche mitreißende innere Bewegung
aus man mutz in diesem Theater un
wirklich Thegterausdrücke anwenden.
Pflanzen und Blumen umrahmen dal
Bild. Die vaar weiblichen Abgeordneten
erden in der Masse kaun, bemerkbar, fo
sehr auch gleich deS Redn.'rS erstes Wort
ihre Anwesenheit .nterstreicht: .Meine
Damen und Herren". Diese Revolution
verschw ndct ,n der anderen größeren,
Man möchte diese deutlicher, sinnfälliger
sehen, ermattet zunvendere jorte, Auk
brücke der Leidenschaft, die großen Ak
zente der Weltgeschichte wie man sie fpä
ter in Büchern liest. Aber bei Ebert
wird man ganz vergebens warten. Er
liest schlicht feine Erklärung herunter, ein
wenig Betfall, ein wenig Widerspruch.
doch mietend! zeigt sich in der erst?
i Kundgebung, des LsMaate dik tfun$
' AMlche M.
' i
Riga und Mita unter der Herrschast der SowiettruPPc.
t5,b,skatteur Woldemar Seebra auS
Mitau schreibt in der .Deutschen La
gekzeitung':
Seltsam klingen die neuesten Berichte
auS Riga, die wir von einem Flüchtling
erhalten, der die baltische Metropole am
14 Ynniifi? verlassen und. somit den
Bolschewismus dortselbst zeitweilig er
t l . i T . x t.rii..H ni.
teor vai. Jüuhuu uciunuwi iuj
Meldungen von einem strassen und ener
qischen Regime bei den regulären, auS
Rußland nachgeschobenen Bolschewik!.
Die Rote Garde benimmt sich, bolschewi
isKem Sinne oemän. äußerst korrekt.
Den Kapitalisten werden Kautionen
auferlegt und wer viele ntcyr vezgyten
kann, witd ohne weiteres, ohne Tribunal
und Rechtfertigung, erschossen. Zahl
reiche einflußreiche Rigenser sollen die
fem grausamen System mver zumpser
gefallen sein.
Kkld svielt bei den Bolschewisten keine
Rolle. Es ist, in Haufen da. Doch die
Wirkung des papterenen Mammons i,r
eine absolut negative, den die Preise
p?k?nsmlttel und notwendigsten Be
darfsartikel 1 steigen von Stunde zu
Stunde. , Butter teiltet oereiis iü w
m. das russische Pfund. Brot 1213
M. Fleisch ist 'äußerst rar und der
Preis zudem unerschwinglich.
Der Nationalitätcnhaß soll auf Grund
internationaler politischer Wcltanschau
ung ausgeschaltet fein. Jede Mutter
spräche wird in gleichem Maße geduldet,,
und sogar eine deutsche Sektion beim
Arbeiterrat ist für die deutsche Bevölke
rung der Stadt begründet worden, alS
deren Vorsitzender ein Herr Berstn sun
giert, der in seinen stilvollen Erlassen
daS Wörtchen .von" mit f schreibt.
Frauen und. Kinder werden von den
Bolschewik! rücksichtsvoll behandelt. Man
tut ihnen nichts zuleide, doch haben sie
sich den neuen Verfügungen Widerstands
los unterzuordnen. Die Wohnungen
der Flüchtlinge ncbst gesamtem Jnven
tar werden beschlagnahmt uno ouen
rt Mnnnitm russischen Muster ..so
zialisiert" werden. Dasselbe Schicksal
steht der Industrie, vem Vruno uns
Hausbesik bevor.
Auf dem Lande regieren die Land
losen und die Arbeiter, und was diese
zur Herrschaft gekommenen Individuen
mit den kulturell und wirtschaftlich
äußerst wertvollen Gütern beginnen wer
den, liegt klar auf der Hand. ' ,
So schleicht bereits in der Tat die
bitterste Not durch das sonst so blühende
Gelände unserer Heimat, die letzten
Wie du mir .
Eine Szene , aus dem Rauchwagcn.
Gleich und gleich gesellt sich gern . .
daS stimmt und stimmt nicht je nach
dem. 7" '
Nimm Snyder, Reisender für das
Welthaus aber wozu sollen wir für
daS HauS Reklame machen? Entweder
eS bedarf der Reklame nicht, iann ist sie
überflüssig? der eS bedarf ihrer, dann
soll eS dafür zahlen. Außerdem genügt
es, wenn wir sagen .Reisender", des
besseren Verständnisses wegen wollen wir
sagen örummer" ... nun wissen Sie
ganz genau Bescheid. Jimmie Snyder
faß im Rcmchabteil des Pullmanwagens
und sog an feiner beinahe ächten Ha
vana; neben ihm faß ein hagerer älterer
Mann, der entweder wie ein Farmer
oder wie ei SonntagsschuNehrer auS
sah vielleicht war er beides.
Jimmie war ein guter Verkäufer, aber
manchmal machte rr Fehler. Er wollte
oder die Natur eine Volksredners, der
die Masse beherrscht und ihr das Lo
sungswort gibt. Herr Ebert ist unter
setzt, besonders oben scheint fein kleine,
wuchtiger Körper in die Breite geraten...
doch man versteht nicht recht, wie seine
Nüchternheit ihn einmal zu einem Führer
in einet' Partei aufsteigen lassen konnte,
die sich doch früher für revolutionär hielt.
Bei Gott, Tyrannenstürzer stellte man
sich sonst ander! vor. Herr Ebert hat
für seinen Aufstieg teuer zahlen müssen;
vor wenigen Tagen wurde ihm in der
Berliner Reichskanzlei fein Genossenpelz
gestohlen, doch auch jener Schicksalsschlag
hat sein unbegrenztes Talent für Ruhe
nicht zu erschüttern vermocht ... Scheide
mann, der auffallend an . Richard
Strauß erinnert, besitzt eine im Lichte
des Theatersaales wunderbar funkelnde
Glatze, die wie ein vornehmer Zylinder
hnt die apartesten Reflexe gibt. Die zu
rückhaltcnde Würde seines Benehmens
mutet ganz weimansch an und verblüfft
ein wenig bei einem sozialdemokratist'.i
Fühter. Dagegen scheint Herr Erzber
ger der Komiker der Weimarer Truppe,
so außerordentlich geschäftig und beweg
lich ist er, hat gar nicht genug Hände, um
sie entgegenzustrecken und jede Männer
reckIe, die nur irgendwie ihm in den Weg
kommt, zu schütteln. Nachdem Ebett fei
nen Spruch ausgesagt hat. steigt der nette
alte Genosse Pfannkuch aus den Präs
hentensitz, bescheinigt ein für daS Alters
Präsidium ausreichendes Greifentum und
erklärt, daß er sich sehr freue. ,der Geburt
det, deutschen VolksstaateS zu assistieten.
Et ergreift daS Wort und läßt es längere
Zeit nicht lo. Dann melden die Bbge
ordneten wie btave Schüler ihre Anwe
senheit. und indessen mustert man sich
od,k klellt kick aeaenleitia vor. tauscbi
wohl auch Gedanke aus. wobei kaum
jemand viel gewinnen durste. Morgen
wird k'k Präsident ewablt. und da ist
die erste Sitzung der gesetzgebenden deut
schen Nationalversammlung wahrhaftig
auch schon zu Ende. Ohne daß in ihr
ein große? Wort erklang, ein Gedanke
verkündet ward, der nicht 'chon in hun
dert mittelmäßigen Zeitungsartikeln ge
standen wäre. Und man erinnert sich,
daß viele Millionen starben, ungeheuer
steS Leid erduldet werde und unser Pla
net in Trümmer gehen mußte, damit
diese Siung stattfinde konnt.
Ueberreste der vom Krieg' verschont g:
bliebenen Heimstätten sinnlos vernich
tend. Doch sollen aus dem Lande zum
Segen für vielleicht eine bessere Zukunst
noch viele gesunde Element anzutressen
sein, die nichts sehnlicher wünschen alö
eine baldige und dauernde Vertreibung
der ' weltbcglllckeuden , bolschewistischen
Phantasien.
In Mitan haben die Bolschewik! nur
kleine Truppenabteilungen zurückgelas
sen, die in den Straßen die Ordnung
aufrecht erhalten. Bedauerlicherweise ist -etwa
13 der kleinen so traulichen kuri .
schen Stadt infolge der' von den deut
schen Truppen vor ihrem Rückgang aus
geführten Sprengungen mehr oder we '
niger zerstört worden. Besonders em
pfindlich hat dieatholische Straße ge
litten, wo sich die meisten deutsche Mu
nitionslager befanden. Eine so reiche
Beute an Munition und Kriegsmaterial
wie in Riga ist aus. diese Weise de
Bolschewiki nicht in die Hände gefallen.
Die Detonationen der in Mitau voll
zogenen Sprengungen sollen sogar zum
Teil in Riga gehört wordener sein.
Die deutschen bürgerlichen Blätter ha
ben ihr Erscheinen in dem von den Bol
schewiki besetzten Gebiet, dem Drucke der
Verhältnisse folgend, natürlich einge
stellt. Bloß in Riga erscheint ein deut
fcheö bolschewistisches Organ Die rote
Fahne", die ihren berüchtigten Namens
schwestern in keiner Hinsicht nachstehen
soll, vielmehr an hetzerischer Leistungs
fähigkeit Zeitungen gleicher Richtung
weit übertrifft.
Die Kirche ist in Riga und in Mitau,
sowie aus dem flachen Lande aufgehoben.
Trauungen. Taufen und Funeralien ge
hören der Vergangenheit an. Sitte und
Moral werden allmählich unbekannte
Begriffe. Alles, was uns seit siebe
Jahrhunderten heilig war, sinkt be
schmutzt und herabgewürdigt in den
Staub. Unsere Seele erzittert bei Kt
sem unfaßbaren Gedanken und nuc ein
Wunsch flammt in 'unseren Herzen: deS
Bolschewismus bald Herr zu werden, der
die Welt andernfalls in den Bann seiner
gefährlichen Psychose zu ziehen droht.
' Das Auae eineS Verliebten ist am un
i'
ruhigsten, wenn eS auf der Angebeteten -ruht.
. -. . X
Eine Frau ist wie die Munition.
Wenn sie verschossen ist, beginnt die
Wehrlosigkeit.
den Mitreisende für dumm verkaufe ;
und damit machte er ganz entschiede
einen Fehler, wie wir später schen wer
den. -v. "
: Jimmie. der sich nicht als Kum
mer" zu erkennen gab, obschon man es
ihm auf drei Meilen (engu,che, ntcm geo
atavbifche) ansah, beschloß den, andern ,
zum Narren zu halten; er erzählte:
.Durch meinen Witz habe rch schon mnr
würdige Dinae zustande gebracht! Was
glauben Sie: Komme ich da einmal zu
einem Krankn aus Besuch; der arme
Kerl laa feit sechs Jahren, am ganze
Körper gelähmt, im Bette und konnte
kaum ein Auge rühre. .Na', denk w?
mir. versuchst 'mal deine Kunst!",
Ich erzähle ihm erst ein paar von
meinen schwächeren Witzen beim drit
ten heitern sich schon feine Mienen auf
und ein Lächeln zuckt um feinen Mund!
Da lege ich stärker los: der Mann be
ginnt zu lachen er lacht, daß die
ganze Stube dröhnt und alleS an ibm
zittert; ja, schließlich krümmt und wälzt
er sich vor Lachen im Bett! , . Kennen
Sie Mister Slopez. den König der
Lüfte" im Zirkus? Ja?! Wisse
Sie. wer da ist? DaS ist mein
Mann.de ich damals geheilt
habe!"
.Hm!" sagte der Mitreisend,, der ent
weder ein Farmer oder ein Sonntag?
fchullchrer war und der in Jimmie den
drommet auf den ersten Blick er
machte ein verwundertes Gesicht. .Da
kannt hatte Hm!" sagte er und
mutz ich Ihnen doch auch erzählen, wsS
m I r 'mal mit einem Witze gelunae ist.
Ich reite da eineS schöne Tages von
einem Besuche bei einem benachbarten
Freunde heim mitten durch eine zer
klüftete Waldschlucht da plötzlich
bricht mein Pferd tot unter mir zusam
men.
Kaum hab' ich mich Von meinem
ersten Schreck -erholt, höre ich plötzlich
hinter mir schnauben, sehe mich um und
erblicke einen Riesenbüssel, der wütend
mit gesenkten Hörnern auf mich lc!
stürmt. Natürlich renne ich fofort, f
rasch mich meine Beine tragen, den
Hohlweg hinein, und eS gelingt mir
auch, einen kleinen Vorsprung zu gewin
nen da plötzlich gähnt ein drei
ter Abgrund vor mir. Ws
wn?"
JUi, rief Jimmie gespannt, .mal
taten Sie?'
Sehen Sie", sagte der Farmer und .
trocknete sich die Stirne, .da erzählte ich
rasch einen gut: Witz der bat mich
gerettet!"
Aber Sie werden doch nicht behaux
ten wollen", rief Snyder unwillig, ,dgz
der Büffel durch Ihren Witz so gut
mutig gestimmt wurde, daß er um
kehrte?!'
Da nicht", antwortete der Firmee
.aber der Abgrund hat zu
gShnen aufgehört l"
Mancher Schriftsteller laßt ein Wer?
erscheinen... so durch und durch ir?
der . . . daß man eS im nächsten Jahr
Nicht mehr lesen kann.