Tägliche Omaha TrMne Wul Sindail. 'm 2Uickblick auf sein literarischs Wirken. Paul Lindau ist achizigjährig in Bet Im gestorben. - Litcrarifch zählie kr Li'.jft nicht mehr zu den Lebenden; nur euf Provinzbühmn taucht dann und tränn noch eine! seiner Schauspielt auf, l'.t einst das Entzücken Berlins waren, und seine Romane, und Novellen stehen in den Reihen der Leihbibliotheken. Ten Kritiker Lindau hat das Los ereilt, das :n schonungsloser Witz so manchem 'Werk der siebziger und achtziger Jahre bereitete: er wurde nicht mehr ernst ge- nommeg, feit zunehmende Mündigkeit bei Publikums und erwachendes Vereint wortungZgcfühl des Journalisten den Geist der Kritik $vt wandeln begannen. Und dem tätigen Dramaturgen des Berliner Schauspielhauses war schon seit ?ihrea der öffentliche ZZrcdit entzogen. Dennoch stand Paul Lindau bis zuletzt in ungebrochener Frische mitten im litc rarischen Leben Berlins; statt des Er folges trug ihn die Bewunderung vor seiner unverwüstlichen Vitalität, der jugendlichen Beweglichkeit feines' viclsei tizen EeffteZ und der sprühenden Leben digkcit seines leichtblütigen Tempera ments. Als vor kurzem die beiden Lände seiner Erinnerungen erschienen, leuchtete sein Name allerortZ wieder auf; man war sich bewußt geblieben, daß sich an ihn für alle Zeit ein interessantes Stück deutscher GefellschafiZ- und Geistesge. schichte knüpfen wird. Sein Tod fällt in eine symbolische Stunde. Im Augenblick, wo der Stern , Berlins in Deutschland zu verblassen be ginat, stirbt Paul Lindau. 1871 ist er nach Berlin gekommen, in dem Jahre, wo das literarische Gründertum begann, die neudeutsche Hauptstadt auch zur gei - fugen Metropole des Reichs zu machen. War dcr junge Staat mit den franzö stschen Milliarden fundiert, so ging es auch in der Literatur nicht ohne Aus landsanleihe ab; sie wurde gleichfalls in Frankreich erhoben, und Paul Lindau wurde ihr Agent Er hatte das Zeug dazu wie kein anderer. Fünf Jahre hatte er in Pari gelebt, in der empfang lieferte Zeit unmittelbar nach dem Uni vusitatsstudium, und hatte besonders die französilcheii Theaierverhältnisse kennen gelernt. Am Roman und an der Lyrik tat Franzofen ging er Ziemlich achtlos ticxld; dafür entdeckte er für die Deut schen die Lühnengrößen des zweiten Kaiserreichs, die Äugicr, Dumas fils und Sardou. Bei ihnen war alles zu finden, was das neue Berlin verlangte: f,rchstädtifche Gesellschaft. .Realismus", d. h. uZgiebige Darstellung von Genuß und Laster, glänzende theatralische Tech uik, kurz das, was der Parvenu modern nannte; rr,d dieser stürz! sich in die Premieren der übersetzten Stücke und der Lmdatischen Nachahmungen, deren Stil uns heute wie eine bizarre Mischung von Posse nd Trauerspiel vorkommt. Die Wahrheit bei Lindau ist fadenscheinigste Bretterwahrheit; fein vielgepriesener Realismus bestand darin, das Unmög lichste und Verlogenste wahrscheinlich zu machen. Ueber Schwächen der Handlung bilft der rührende oder zündende Akt schlutz weg. Die Unmoral ist mit einem moralischen Röckchen bedeckt, das aber nickt bis zum Knie reicht. Sentimenta litcit wechselt mit Gefühlsroheiten; die Borlieb des Neuberliners für eine Ge müt vortäuschende Melancholie-findet in der jugendlichen Greisenhaftigkeit man cv-r Stellen seine Rechnung, an denen ft-ctere bekannte Gassenhauer durchzu klingen scheinen oder Drehorgeln im L'f. die die Weise spielen: Tut man im eben kaum den ersten Schritt, bringt !-an als Kind schon eine Träne mit D sianz'öfelnoe UeberfctzunaFprsche es.rn-'it neben den Stoffen immer wie der ea den Ursprung dieser Dramatik; ctvirüt des Esprit aber ist der Witz ge i:.n, der oft in bedenkliche Nähe der 2:l qcxät. Freilich hält Lindau hierin no; 'vornehmen Abstand von seinem Caln und Nachfolger Blumenthal. vo dann darf man nicht vergessen, dag d 't C:üie zunächst vor Berlinern ge s'.'t wurden, deren bodenwüchsizer Hu ii-ic seine kizme 2 '.'.trage dazugab. Lit:rsrifch vcllzsz sich die Verschmelzung trt alUn Verliner Lokalposse mit der v: in tm berühmten -i;if;ii4 .Äei Leopold' do L'Ar k.'.-?.k. Zit - Zrarzsl.' hatten r.'t VorUebe X,:'t ur.t hestg behandelt; da tut a,:ii Llrds. Lelannt ist sein Schau :-; .T.'k Andere', in dem n dem kri .,7,rs?ch-:,gischm Zug der Zeit fol. pr"i ei Doppelleben schildert: in -.'at-ar.TZlt verleitet im Tammerzu. ixn einen Verbrecher zum Einbruch in rt tiamm Wohnung und kommt im der Tat zu: Besinnung. Der "rt fcr-4 für die erforderliche Aus Infwz und dik radmende LicbeZge i't'Ul Vl: itn unerM.'ich? sennmen uäSa.laL Nicht titZneZ Jnienffe iKitm. ei iiuuuc niu;i iniyi tuii gc- i i .,.--''..- '. ' 'i- iMr ji, . Uw- . r'r&yr h h - Jf i 1j ' th t, - , .rm:jm . v;I.k: v tvv,- -s& ' j. , tf; .7v;-:,-; v .vw,-tI.t'"' J'r'- .7.-' yf j.v? : v .iXrJ . t - i iJ'Ff '.". . AI ; vfJ; 1 r:v4f V r. W r j f , -55'.. V,'. I - . . ' 1 ff V. r t JÄ - - I "-s . V f ,-.'tii -"'yd - -i r:?V 'i-- : , f r- -i ' v r w., ,- Hw,77 äm . .-v- ."'JÄwv - "' 'ii''tj' J35g w-3g3 ii Tl!r-f , . .i' 1 , i, x - ''j.. v- -i Paul zog Lindau zu einem Stoss wie diesem, sondern ihn lockte daran einfach das Reizmittel der Aktualität. Aktuelle An. ziiglichkcitcn, Beziehungen auf Personen und Vorkommnisse, würzen seine 9io marie und Novellen. Sein Stück Der Erfolg' konnte des Erfolgs von vorn herein sicher sein, weil die Berliner im dritten Alt. bi der Schilderung der Premiere, allerlei Geheimnisse des Beer- liner Buhnenlebens enthüllt glaubten und sich stritten, wer mit dieser und jener Lindau. Person gemeint sei. Neuberlin. d--junge Wclistadt, die sich vor ihren allen, verwöhnten Nebnbuhs lerinnen nicht nur im Tempo des Äuf schwungs, sondern auch in der Zügel losigkiit des Gcnußlebens hervortun wolllc, an Stelle einer festen geistigen und künstlerischen Tradition nach leicht zugänglichem und bekömmlichem Cultur ersaß verlangte, war das gegebene Audi torium für die Lindauschc Muse. Be deutende schauspielerische Kunst und beste Darsteller wurden an diese Stücke verschwendet. Noch heute spukt der durch sie geschaffene Tarstcllungsftil in allerlei Mätzchen unserer Schauspieler, und man ermißt die Leistung eines Otto Brahm, der in wenigen Jahren die neue realisti fche Bühnenkunst zu schaffen wußte. Das Theater war Vcrgnügungs etablissement geworden. Die Kritik, bis dahin Literatur oder Gelehrsamkeit, wurde Feuilleton. Auch hierfür brachte Paul Lindau das reckte Rüstzeug mit; schon als blutjunger Literat hatte er in Leipzig die schlechten Bcrse eines Pro fcssors so tötlich parodiert daß er wegen Beleidigung zwölf Taler Strafe zahlen mußte. Lindau entthronte den Diktator dcr kritischen Meinung Berlins. Julian Schmidt, in feinen Literarischcn Rück sichtslosigkeiten" und schuf jenen aus Frivolität. Wichtigkeit, Blasiertheit. Sa- .lonplauderei und Spott widerwärtig ge mischten Stil, dessen Fluch rrnä deute noch verfolgt, obwohl ihn die Brüder Hart durch ihre schonungslose Kritik be reits in den achtziger Jahren für die geistige Welt endgiltig erledigt haben. Der Naturalismus machte auch dem Bühnenstück L'rndauschen Genies den Garaus; er sckärfte den Wirklichkeiissinn für die Unwahrheit dcr Stoffe und für die Hohlheit der Themen. Lindaus lctzte Stücke, nicht schlechter als die früheren, fanden ein verändertes Publikum, das von ihnen nichts mehr wissen wollte. Man darf aber Lindau nicht unrecht tun. Er ist für die gesellschaftliche Zeit ftiömung, von der er getragen wurde und als deren Träger er heute erscheint, nicht verantwortlich zu . machen. Mag sein, daß er seine Bllhnenschriststcllerci sogar selbst nicht allzu ernst nahm. Wenig siens stehen daneben höchst solide geistige Leistungen. Bücher, in denen giltige dra maturgische Erfahrungen und feinsinnige ästhetische Beobachtungen aufgezeichnet sind, große herausgeberische Verdienste und sein ganzes dramaturgisches Wir ken. Die 1872 von ihm gegründete Ge genwart" i,nd .Nord und Süd", das er feit 1878 leitete, waren die besten litc rarischen Revuen ihrer Zeit neben dcr Deutschen Rundscbau". Fonianc, Frei ligrath. Geibcl und Groth waren seine Mitarbeiter. Seine dramaturgische Laufbahn begann Lindau am Meiniger Hoftheater IM. nach dessen Glanzzeit; getreu setzte er bier das Werk des Groß Herzogs fort. Als er 1859 das Ber liner Theater' übernahm, machten feine Nachmittagsvorstellungen und feine lite rarischen Erperimente mit Werken wie Grillparzcrs ,Libussa", mit Aristopha. nes und Shakespeares Lustigen Wei, Hern" in aanz Deutschland von sich re ren. Björnsons Ueber die Kraft" trat von Lindaus Bühne aus seinen Sieges, zug an. Allerdings blieb er in den Dar stellungsmiüeln bei der wirksamen Theairalik seiner Frühzeit stehen. Als er sich 1911 an Kleists Pcnthesilea" wagte, zeigte sich auch für den Fern siedenden, dah seine Bühnenkunst selbst in ihren Höchstleistungen in einem Berlin nicht mehr bestehen konnte, n dessen Himmel ein Stern erster tönt: Max Reinhardt im Zenith stand. Ä'r all Mensch und lieber, gistvoller Scscllschaster ist Paul Lindau junz ge, blieben. Er hat durchgehalten. bis da! Berlin in Trümmer ging, dessen geistiger Ausdruck n in einer wichtigen, wenn auch wenig segensvollen Zeitspanne sei er Entwicklung gewesen ist. Im Sirchenslauf, dem hasi!g schnellen, Lernst kennen du die Menschen nicht; Im Cpiegel startrewegier Wellen Siehst du nur ei entstellt Gesicht. Wer ihnen die Wahrheit szzt. dem drücken sie die Narrerkappe auj aber... die lernen kröne , . t,- j--i (tailtt Z!lNittIZciIlli!g,) - Es ist wenig mehr als fünf Uhr nach' mittags. Ein dicker Nebel liegt über den kinsameu Straßen dcr Wiener Vorstadt; nur ganz selten weist ein kleines, zucken des Lichtlein den Weg. Schwarz und diister heben sich die Häuserfronten ab, dazwischen unbebaute, holperig: Flächen, notdürftig umplankte ffabrilhöfc, rissen haste Schlote, die drohend zum Himmel ragen. Man könnte glauben, es sei spät nachts; kein Zeichen von Leben in rings um zu spüren, die ganze Welt scheint hier grau, nebelschwer und so unendlich müde. Das ist Favoritcn. der ärmste aller Stadtteile ÜüienS, der seltsamer Weise nach einem Lustschloß benannt ist, das sich die Habsburger einst hier erbauen ließen, ein Schauplatz prunlhcfter Fest lichtiitcn. Als die Kaiserin Maria The rcsia sich Schönbrunn zum Sommerauf entllt wählte, schenkte sie die ?aco rita" der adeligen Akademie, die noch heute ihren Namen trägt und als Wahr zcichen des alten feudalherrlichen Oester reichs stolz und anmaßlich &',r das dunkle Häsermecr gelagert isl, in dem das Elend wohnt. Wenn c! eine Seuche in Wien gibt. Blattern ,dcr Flecklypus, dann wählt gewiß ds schreckliche Gc spenst die Favorüen" sich zum Haupt quartier, faßt b die ersten und die leh ten Opfer; unbarmherziger noch als in den andcrcn Stadtteilen hat sich hier der Hunger fcstgenistct. Und so suhlte man in Favoriten auch längst schon kleine Flämmchen dcr Empörung knistern und zacken, ehe der große Brand üb rnsc nm Dach emporschlug. Einmal hieß es, ein Dutzend Läden feien von verzweifcl tem Volke geplündert worden, ein ande res Mal, lange vor dcm tragischen Ende, zogen in Favoriten abgezehrte, fchluch zende grauen durch die Straßen, rangen die Hunde und riefen: .Gebt uns Brot! Gebt uns unsere Männer und Söhne roicder!" Vor einem kleinen Wirtshause staut sich die Menge, lamer ärmlich gekleidete xeuie, die es nun seit fünf Jahren schon gewohnt sind, stundenlang aus irgend einem geringfügigen Anlaß zusammen- gepreßt zu sinken und zu warten. Durch 1 einen Turixalt sieht man drinnen in der Stube einen anderen Knäuel Menschen, ebenso dicht gedrängt. kt die draußen stehen, rufen laut, es sei doch genügend Raum im Saal und man solle doch nur ein wenig zusammenrücken. Und er erweist sich, daß drinnen wir! lich noch Platz ist. und zwar auf .einem Fcnstc?brett. zwischen einem Grammo phon un einem Vogelkäfig, in dem ein struppiger Zeisig fröhlich umhcrhiipft. Von dieser erhöhten Stellung aus ver mag ich bequem den Raum zu über blicken, auch gegen das Abstürzen bin ich gcseit. Ein breitschultriger Soldat Iat sich vor mir als Brustwehr aufgerichtet, zu meiner Linken baumeln die Füße eines jugendlichen Arbeiters, dcr auf einem Kasten sitzt, zu meiner Rechten steht ein altes, weißhaariges Mütterchen auf einer Bank; sie fragt immer wieder, ob jetzt schon der Doktor Adler spreche. Zunächst spricht aber irgend eine Par teiarcße aus dem Bezirk, ein rechtschaffe ner, biederer Mann, der ganz kluge Dinge sagt. Doch niemand hört ihm zu. Alle warten gespannt auf Friedrich Ad ler. der nach ihm sprechen soll. Von Zeit zu Zeit bietet ein Kellner schüchtern feine Erfrischungen an, rot und gelb ge färbtes Wasser. A.,dcr Türe, die zur Straße uhrr, streiten sich noch immer die Leute, und das alte Mütterchen fragt: Bitt' schön, spricht schon der Doktor Adler?" Mit einemmal aber ist er da-. Man hat ihn nicht kommen sehen, doch plöh lich steht er in dem Türrahmen, dessen Der deutsche LmljeiisjZaat. von Waldenmr t?cit Grumbksw. Die deutsche Mpublik besteht aus einem Viertelhunderj Republiken, deren kleinere Neigung -zur Vereinigung zeigen, wäi rend in der größten, der preußischen, Ab sonderungsbestrebungen'zu Tage treten. Diese Entwicklung ist zu zwangsläufig, als daß man sie schelten dürfte: wie nach dcr Erschütterung der bisherigen politi sehen Grenzen die verschiedenen Nationen ihre staatbildende Kraft erweisen, so be sinnen sich nach dem Fortfall der dyna stilchen Schlagbäume, die vom Zu fall einstiger Hausmachtpolitik oder fa milinigcfchichtlich begründeten Erbon falls errichtet oft genug Angehörig desselben Stammes willkürlich trennten oder Angehörige verschiedener Stämme ebenso willkürlich verbanden, auch die einzelnen deutschen Stämme auf sich selbst. Und ihre Bestrebungen sind ge rechtfertigt und zu schützen, soweit sie sich ihre Wohnungen wenn auch nach eige nein Gefchamck -r- in dcm einen großen deutschen Hase einrichten wollen. Die Beibehaltung der bisherigen Grenzen der deutschen Einzelstaaten ist überall da sinnlos, wo das Zusammenge börigleitsgefühl deutscher Volksgenossen sie niederreißt, wenn auch nicht $ix ver kennen ist. daß die geschichtliche Ueber lieserunz stark genug ist. um stellenweise xivch in mancher Hinsickt grenz'rhaltend nachzuwirken. A?derersei!k wird das Ausricklen r.eu'r Grenzen dort kein Feh ler jr,n, tos die bisherige nge Zsam Iriedrich Fdler. wiener Silhouetten von Paul Zifferer. rotbraun gestrichene Pfosten sich uZ nehmen wie die Hölzer einer Guillotine. Verblüffend ist gleich im ersten Augen blick die Aehiili'chkcit Friedrich AdlerS mit seinem Vater. Bei den letzten Wah lcn stand der selbst noch hier, on der nämlichen Stelle, wo jetzt sein Sohn die Kandidakcnrede hält. Genau so bäumte sich dein Vater die dichte Haarwelle zu rück, wenn sie auch schon seit langem nicht fiiehi so ebenholzschwarz war. wie die des Sohnes, sondern von der Müh sal deS LeknZ gebleicht.' Genau so blickten auch seine klugen Augen durch die scharfen Gläftr.,Augen des Kurz sichtigen, müde vom nickn Lesen' und gewohnt, nach innen zu blicken; genau so hielt er den Kopf beim Reden ein oe nig zur Seite geneigt, und derselbe bu schige Schnurrbart siel ihm über die Mundwinkel. Nun setzt der Sohn das Werk des Vaters fort. . Nun steht er da und spricht zu densel ben Menschen, mit denen vor kurzem noch sein Vater sich unierredete. und vielen von ihnen ist es gewiß, als lprten sie die vertraute Stimm?, nuk lautzr. voller, von neuem Leben getroffen. Der ganze Raum ist erfüllt von ihr. Und auch die gebeugte Gestalt des Vaters tritt hier in männlicher Verjüngung vor uns, so auf recht und hochgewachsen, daß der Kopf des Sprechers über den Guilloünenrah men der Tür hinausragt. Was dann weiter überrascht, ist die ruhige und gemessene Ar! in der Fried "iich Adler zu feinen Wählern spricht. Diese ' Menschen, die in prachtvoller Buntheit über Tische und Bänke zu ein drucksoollen Gruppen sich ordnend, mit vorgestrecktem Oberkörper feinem Worte laiischen, haben nur den einen Wunsch, sich von ihm führen zu lassen. Es sind sehr ornie Menschen und sehr unglückliche Menschen zumeist, von fünf Jahren des bittersten Elends zermürbt, die nun von der Revolution, die er für sie verkörpert, alles Heil erwarten, eine Art Wunder, das sie von ihren Qualen befreien soll. Sie sind ihm ganz hingegeben, und ein Wink würde genügen, um sie zu jeder Leidenschaft aufzustacheln. Aber Fried rich Asler spricht zu ihnen mit klugen und besonnenen Worten, die nicht auf reizen, sondern beschwichtigen; er sagt ihnen, Revolution fei Wechsel in der ge scllschastlichen M)tgruppieruna; ober dieser Wechsel müsse nicht notwendiger weise auf Gewalt gebaut fein. Und dann erzählt er diesen einfachen Men scheu, die ihm still und dankbar ziihörcn, wie Kinder beim Märchcnerz'Älcn, von der stetigen AuswärtZbewkgungdcr Mas sen, und wie sich dcr Umsturz, in dcm kpir jetzt leben, feit hundertfünfzig Jzh ren unterirdisch, gchimnissoll vorberei tete, in jeder neuen Rolution dem er sehnten Ideal um ein gutes Siück näher gerückt. Und während Friedrich Adler so die Historie der Mensch!)kit in scharf um rissencn Wandelbildern erstehen läßt, sieht man plötzlich, mitten durch, das Bild bor sich, wie er selbst zum erstenmal in diese Historie leidender und, empörter Menschen eintrat; der kleine Saal des Hotels .Meißel und Schaden' rückt mit einen. Mal wieder vor unser inneres Augc. Da sitzt jener unselige Graf Stürgkh. der zwei lange Kriegcjahre das gesamte geistige Leben unseres Landes, jede Willensrezung in unerbittlicher Faust hielt, kein Großer fürwahr, aber doch Sinnbild unserer politischen Acr clendung. Ein Unbekannter bebt die Waffe gegen ihn. Der so höchst uner -wartete Schuß, der damals die Wiener Gemütlichkeit aufschreckte, eine furcht bare Gemütlichkeit, an Kirchhofsruhe ge mahnend, übertönte für einen Augenblick das Entsetzen draußen auf den Schlacht- mengehörigkeil stark ausgeprägte, tief gehende Verschiedenheiten etwa siammes geschichtlicher Art nicht hat überbrücken können. Durch beide Mittel möchte die schöpferische ausbauende Idee endlich die Wirtlichkeit schaffen, on der sie feit Jahrhunderten gebaut hat. Das von Bismarck gefügte deutsche Reich war ein unter feinsinnigster Benutzung der ge schichtlichen Gegebenheiten errichtetes Kunstwerk, rnöchie daö jetzt im Entstehen begriffene neue deutsche Reich einem na turgewachsenen Kristall gleichen! Der bedeutende Berliner Philosoph Berthold don Kern weiteren Kreisen vorwiegend als Mediziner und Hygieni ker bekannt spricht in einem seiner grundlegenden Werke .Weltanschauungen und Welterkenntni!" (Berlin 1911) von der im menschlichen Gemeinschaftsleben sich herausbildenden Gefühlsgemeinschaft, die den Grundstein abgebe für traditio nelle, staatliche und religiöse' Normen, Gesetze und Dogmen ethischen Inhalts und den Anspruch erhebe, als allgemein, bindende Richtschnur sür da Handeln der einzelnen Individuen zu gelten. Diese Gefühlsgemeinschaft, die den Ge meinmillen erzeugt und Gesetzgebung überhaupt ft ermöglicht, ist für jede Volk die Grundlage deS staatlichen Zu sammenschlusses. Ur.b die die große deutsch GefühlSg'meinstaft maßgebend ja werden verspricht für die künftiae Ab gr:r,zu7g deS r.:z dzutschen Reiche! feiern, für das zu jener Zeit noch kein End abzusehen war. Es war vielleicht der lauteste Schuß dieses wahrlich lär mende'n Krieges; er wurde bis nach Rußland hin gehört. wc sie den Namen Friedrich Adlers schon auf ihr, roten Fahnen schrieben, als noch die russische Arme dev österreichischen gegenüber stand. Von diesem Schuß kann die Ne voluiion datiert werden. Anfangs be , griff man in Wien nicht recht, wai sich ereignet hatte. Erst jene .Rede Friedrich Adlers vor seinen Richtern, jene ergrei sende Rede, die unvergeßlich bleiben wird, rüttelte die Tcilnamslosen auf. Dann wanderte er ins Gefängnis, schrieb ein groß angelegtes Buch über den Physiker Ernst Mach. Vergessen breitete sich um ihn, bis auf einmal in dem Schisfbruch des alten, fo furchtbar zerschmetterten Oesterreichs die Planken ihn wieder hochtrugen. ?!un lag es in seiner Macht, die Straße auszurufen. Sein Name hatte Zugkraft wie kein an derer; alle die Unglücklichen, Gefolterten, alle die Heimgekehrt?, Gewichtslosen, hätten ihm willig Gefolgschaft geleistet. Er brauchte bloß dse Hand zu heben, und' Schrecken verbreitete sich über die Stadt. Aber dies war nicht seine Sache. Friedrich Adler ist kein Phantast. Aus festem Entschluß hob er einst die Masse. Aber jetzt bleibt er inmitten der allge meinen Verwirrung, die zu unbedachten Taten fortstürmen möchte, der ,insich tigste Mahner und Berater. Niemals kommt er in feiner Rede auf seine Tat zu sprechen, niemals berührt er auch nu im Entferntesten all das. was er in Ge fängnishaft gelitten. Hätte es. sich nicht so deutlich in unsere eigene Erinnerung geschrieben, man könnte es hier vcrges sen. Friedrich Adler spricht rein fach lich. Kein wohlfeiles Schlagwort kommt iibcr seine Lippen, er hat die Worte ganz in seiner Gewalt; auch bei den schwersten Anklagen hebt er nicht seine Stimme, beginnt niemals zu don nern, wie andere Redner wohl tun. um sich Applaus zu gewinnen. Er spricht wie ein Gelehrter. Man muß an die Vcrträge Ernst Machs denken, der na turwissenschaftliche Fragen so unerhört durchsichtig zu machen verstand. Man merkt es Friedrich Adlcr.an, daß er bei ihm zur Schule ging. Politik wird bei ihm zur Naturwisscnschast. Jeder Satz, den er spricht, ist mathematisch über prüft und hieb- und stichfest.'. Von der Rede Friedrich Adlers geht eine Geistigkeit aus, die sich über den Kampf der Parteien erhebt und rein menschlich anspricht. Man braucht Isloß all die Leute anzusehen, die ihm hier zuhören, den ernsten, von edler Traurig seit überschatteten Mann im schwarzen Kleide. Ihre Züge sind belebt, die Augen in Nachdenken versunken. Man hört keinen wilden Zuruf. Das alle Mütterchen neben mir nickt eifrig mit dem Kopf, ihr ganzes Antlitz strahlt. .Nicht nur darauf kommt es an.' sagt Friedrich Adler jetzt, .daß die Männer die Ihr tpählet. von dem Geist der Freiheit erfüllt sind, sondern daß Ihr selbst von ihm erfüllt seid. Ihr seid die Macht, Ihr seid die Drohung. Euer Ge danke gilt! Es ist kein Lärm und Poltern nach dieser Rede, kein Toben und Schreien. Ganz still gehen alle diese Leute fort, jeder in seine ärmliche Behausung, und wenn man ihnen jetzt begegnete, müßte man doch glauben, sie seien eben reich beschenkt worden. Dü fier und ncbelschwcr ist die Nacht. Aber in diesen müden' Menschen, die langsam heimwärts wandeln, ist in oller Not ein dumpfes Ahnen von jenem schönen Ab schiedswort Freiligraths erwacht, mit dem Friedrich Adler vormals seine Ver teidiHungsrede schloß: Denn sie töten den Geist nicht. Ihr Brüder!" nach außen, so. sollten die igeren Ge fühlsgemeinschasten, die hauptsächich abhängig von der geographischen Lage, der Mundart, den wirtschaftlichen Be dürfnissen. den konfessionellen Verhält nissen und freilich auch vom bisherigen geschichtlichen Schicksal die einzelnen deutschen Stämme verbinden, grundle gend werden für die innere Gliederung des deutschen Gebietes. Daß diese Gliederung von neuem eine staat-rechtliche werden muß, ist damit nicht gesagt. Im Gegenteil. Hugo Preuß hat schon in den Jahren vor dcm Kriege in seinen Werken, insonderheit in seiner Schrift .Selbstverwaltung. Ge meinde. Staat, Souveränität' (Tübin gen 3008) unwiderleglich nachgewiesen, daß es einen .begrifflichen Wesensgegen satz zwischegommunalen Selbstverwal tungskörpern und Gliedstaaten' eines Bundesstaates überhaupt nicht gibt, daß der Gliedstaat im Verhältnis zum Ge somtstaat ebenso Lokalverband ist wie die Ortsgemeinde im Verhältnis zur Kreis und'Provinziolgemeinde, und daß daS Ziel aller wahren Dezentralisation die Eommuna Communarum. der auS pu senweife übereinandergeschichteten Kam munaloerbänden , aufgebaute nationale Verband. Im bisherigen deutschen Bun, desstaat konnte diesci Verhältnis nicht zum Ausdruck kommen, da er ein Kom promiß war zwischen der modernen Rechtsstaatsidee und den Anschauungen eine; ergangeZen Epoche, die als alle! nige Rtchiiquelle. nicht das Volk, sondern den Herrscher ansah und in den deutschen Kleinstaaten selbständige .souveräne" xölkerrechtliche Gebilde dickte. Heute ist in der ebenfalls in der Neubildung berisfenea jnternütiensleg Gemein Schweizer Ki'lse jür Wien. "von lludwkg vaner. Wenn ich jetzt tagsüber in dcr Rcdak tion sitze, werde ich oft auf eigenartige und rührende Weise in meiner Arbeit uu.tcrbrochen. Es Hopst und irgend eine Frau steht da, trägt Pakete in Händen oder einen mächtigen 5torb, und sie er klärt, das seien Haferslockcn, Nudeln. Kaffee. Mehl oder sonst etwa, Nahrhas tes und Seltenes und sie möchte es gerne der Sammelstelle für Wien übergeben. Wenn man dann die gutherzige Bcsu chcrin in den Sammclraum der Rcdak tion weist, so bemerkt man mit vielem Vergnügen, daß er bereits einem Lebens mittelmagazin ''oder dem Frachtraum eines . Spediteurs gleicht. Der junge Kollege, dcr dort zu amtcn hat. mich fast ein Turner sein, wenn er über alle die Säcke. Kartons. Körbe zu seinem Stuhl voltigieren will. Täglich steht unten ein Wagen oder Auto, dcr all den Segen fortträgt, diesen Strom von Güte und Herzlichkeit mit denen vereinigt, die anderswo in dieser Stadt, in diesem ganzen Lande fließen; aber die Quellen versagen darum doch nicht, und in ein oder zwei Stunden ist die liebe, will kommene Platznot wieder da. Die Schweizer haben erfahren, daß Wien hungert, daß Kinder dort verkümmern und stillende Frauen nichts an Stär kung erhalten, in einigen Berichten drang die furchtbare Kunde von der fast ungc heuerlickM Katastrophe der fernen Nie senstadt zu ihnen, und sie haben beschlos sen. zu helfen, soweit ihre schwachen Kräfte reichen. Schwach, wenn man das Ausmaß der Not und die Kleinheit des helfenden Landes betrachtet; Kräfte, wenn man das Erreichte sieht und weiß, daß es nur ein Anfang ist. Die Reichen und die Armen geben, und es wird alles gegeben. Geld. Na tionsmarken. für die Lcbensmittel ein gekauft werden, Dauerwaren, alles, was cs nur in Büchsen gibt. Anzüge. Schuhe, und ein Bübchen brachte seinen kleinen Sckokoladesisch vom Weihnachtsbaum, er war sogar noch in das schöne, glänzende Silberpapier eingewickelt, und er gab ihn ganz tapfer und resolut und eS tat ihm wahrhaftig auch nicht ein wenig leid, ich habe mir den klcinen Kerl sehr genau angesehen. Hätte ich es nicht tun sollen? Ist sein Gesicht nicht tröstlicher und er freuljchcr und mehr geeignet, den Glau bcn zu stärken, daß wir in einer besseren Welt leben, als die Gesichter all dcr Feldherren. Staatsmänner, Generäle. Fliegerhelden und ähnlicher für die menschliche Gesundheit schädlichen Zeit aenosen, die uns aus allen illustrierten Zeitungen und Auslagen solange, allzu lange, anstarrten? Warum sollte man sich ihr Gesicht merken und nicht dies eines achtjährigen Buben, der mit windgeröteten Wangen und zerrissenen Strümpfen koiOnt und in feiner kleinen, gesegneten Hand einen Schokoladefisch in Silberpapier trägt? Ach Gott, er wird ja natürlich nicht lange vorhalten, und Kluge werden ausrechnen, dah da mit nichts erreicht und nichts verändert sei. und daß die Anzahl der Kalorien, die in jenem Lcckcrwerk und in all dcn Gaben stecke, fast verschwinde, wenn man sie unter mehr als zwei Millionen Men, schen verteile, was allerdings ein betrüb lich großer Divisor ist. Und dennoch ist es nicht wahr, und es ist sehr viel er reicht und verändert, sogar mit diesem kleinen, armseligen Schokoladesisch in seiner Silbcrhiille. Denn seht dcn bekommt irgendwo in einem großen, schmutzigen Elcndhous ein Kind. das nichts weiß von Süße und von Nah rung. Da wuchs es auf inmitten Schmutz und Verzweiflung, mußte binrer der' Mutter mit seinen schwachen Bein chen laufen, wenn sie sich um ein bischen Brot oder Fett anstellte, und richtiger a.esagt. es Wuchs gar nicht, es bekam bloß frühe Falten in sein Gesicht, und der Glanz in feinen Augen, dieser schöne rat selhaft geheimnisvolle Kinderaugenglanz onö einer anderen Welt, erlosch. Alles ist verwahrlost, häßlich, schrecklich.-das solch ein Kind umgibt; von den Haus mauern fällt fett Anstrich, die Kleider zerreißen, sie können nicht rein sein, die Welt, die böse Welt, ist kalt, schmutzig, zornig und ohne. Brot, und das muj; so sein, meint das Kind und glaubt, die Menschen seien böse. Und da auf ein mal geradeweg; wie aus dem Himmel, der so unerreichbar weit ist, kommt solch ein silberglänzendes Ding herbeigeflogen. ist aus einem unbeschreiblich herrlichen, dunklen Stoff, der wie das Paradies schmeckt, und es kam zu ihm von einem Menschen. Von einem Menschen, dcr das Wiener Kind nie sah und e! nie sehen-wird, der nichts weiter wußte, als daß eS arm und um sein bischen Glück don seinem Schicksal betrogen ward. Und da erfährt das Wiener Kind, daß etwas dach anders sei. als seine trauri gen Erfahrungen es gelehrt haben und daß die Menschen gar nicht alle böse seien, und da ist doch wohl sehr viel er reicht und viele? verändert. Niemand schaft der großen Völker kein Raum mehr für politisch und wirtschaftlich un möglich gewordene Kleinstaaten. Die entsprechend den innerdeutschen Sonder gefühlgemeinschasten bestehenden oder neu erwachsenden GebietskörperschafteO sollten sich daher alles völkerrechtlichen Ehrgeizes enthalten und als ihrerseits wieder bis hinab zur Ortsgemeinde kom munal gegliederte, mit weitgehender, ih ren landschaftlichen Besonderheiten voll Rechnung tragender Autonomie ausge stattete Kommunalverbände Reichs Provinzen. Neichsgaue. Rcichslände, sich, ihn erbauend, dem großen deutschen Volksstaate einordnen. Nur so wird die ser die in politischer wie in kulureller Hinsicht dielbewährte verwaltungsrecht liche Dezentralisation mit der so "bitter notwendigen völkerrechtlichen Stärke und Geschlossenheit nach außen zukunftsreich verbinden. So sieht die staatsrechtliche Gestaltung der deutschen Wirklichkeit aus. wie die zeugende Idee sie schaffen mochte'. Wird sie diesesmal stark genug sein, den ge schichilicben Gegebenheiten , mehr abzu ringen als ein Kemprsmie! wird cS berechnen können, es ist Gramm und Kalorien nicht zu tazicren. aber cs ist da. ist etwas Tröstendes, Hoffnungsvolles, Lcbcndiqcs, etwas, das unbewußt nachwirkt. ES ist der ersje Gruß der Menschlichkeit an Menschen, dis verlernt haben, an sie zu glauben, ist sür Abgeschlossene daö erste, lang ent kehrte Zeichen der großen Brüderschaft. Maiichmal drängen sich die Besucher mit ihren Gaben, und man sieht Frauen darunter, die geradcwegs vom Markte kommen und sich wohl berechnet haben, es gehe zu Hause bei ihnen auch ohne die Aöfelschnitzel und dies Päckchen Dörr gcmüsk, während es in Wien ohnedies wahrhaftig nicht mehr geht. Der Ne basier ist gerade beschäftigt; er muß oben in der Druckerei sein und achtgeben, daß nur ja alles ins Blatt kommt, was wichtig ist, irgendeine Rede des Hasses, eine Forderung der Gierigen, irgend etwas, das die Menschen noeh weiter von einander entfernt. Bürgcrkricge, Plündc rungen. Unten aber warten die braven Menschcn. bis dieses Wichtige oben in der Druckerei vorübergegangen ist und der Redakteur wieder Zeit sür sie hat, und es ist fast symbolisch, wie die Guten warten müssen, bis all das Schlechte. Geiralltätiqe und Mörderische vorüber gegangen ist. Während sie in Wien war ten müssen, stundenlang, tagelang, bis sie irgendetwas erhalten, 'das sie dann hinunterschlingen dürfe, um den ach sten Tag zu fristen und dvch die Er matinug des Hungers bei all jenem Aus gesogenen und Kraftlosen und Nachge machten, ni aus den Gliedern bekommen, während sie oft genug sogar noch vcr geblich warten müssen, warten sie hier, nicht um zu bekommen,, sondern um zu geben. Da kommen die Schulllassen aufmarschiert, eine nach der anderen, und es ist ein wunderhübscher Sport, einander zu übertreffen; die einen drin gen sieben Franken, ober paßt auf, mor gen seid ihr geschlagen und die andere Klasse kommt gar mit zehn Franken aus marschiert. Das sind Kindergzbcn, von Nickelstückchen gebildet, und sie bedeuten. Laß all die Jungen und Mädchen irgend eine kleine Freude sich versagt haben, und nicht ohne Ehrfurcht wagt man ein sol ches Päckchcn in die Hand zu nehmen, denn darin sind nicht bloß die paar hei senden Silberlingc, sondern etwas viel Edleres. Selteneres: Menschlichkeit. Und all dies? Butter-, Milch-, Käseabschnitte, diese Medl- und Brotmarken bedeuten, daß sich hier Menschen um anderer Men scben willen ctivas abgespart haben, vom Mund weg. und so schätzbar die großen Banknoten der Reichen sein mögen, an denen es nicht fehlt, obwohl sie sich noch gut und oern vermehren dürften, sie sind nicht so herzcrhebend, nicht fo sehr das Gemüt wärmend wie all jene kleinen Ga bcn und Päckli. und es schien fast biblisch, wie ein Mann herbeikam, seinen Ucbenock abtat, ihn auf den Gabcnbcra legte und bemerkte: Er ist noch ganz gut und in dcn Taschen ist Faden zum Stopfen" und grüßte und ver fchwand, ... Es mag schon sein, daß vicle gerade durch den Namen Wien gcrührt wurden, obwohl sicherlichnur die wenigsten der Geber die unglückliche Stadt jemals ge schen haben. Aber sie spricht zur Phan taste und es ist mit ihr ein Begriff von LeUnsfreude. von Behaglichkeit und mit teilfamer Schönheit und Genuß vcrbun den. alio daß jedermann gerade Wiens Not als ksondcrs widernatürlich und demütigend empfindet. Die Musik, der Tanz, der Glanz, der für das Gefühl ; der Menschen mit diesem Worte .Wien" nun einmal traditionell verbunden ist, sie wehren sich gegen die Vorstellung, daß es In Düsternis, Hunger und Schmutz und Verzweiflung vergeben soll. Vielleicht liegt darin eine schöne und legitime Dankbarkeit: Wien hat so vielen Freude, Behaglichkeit, erhöhte Stunden gewährt, daß es auf die Erkenntlichkeit rechnen dürfte. So gering im Verhältnisse zur allgemeinen Not das Erreichte scheinen mag, cs ist immerhin ein Beweis, daß jene Rechnung nicht falsch war. Und der Sinn dieser Sammlung spricht deut lich zu allen Seelen: Ihr seid nicht allein, die Menschen sind nicht dazu e schaffen, um sich zu töten. Volk und Volk. Klasse und Klasse, sie sind dazu geschaffen, das Leben einander froher, leichter, tröstlicher und glänzender zu machen, das hat Wien in seinen guten Tagen getan und das soll Wien in sei ncn schlechten Tagen vergolten werden.' Diese Gabenberge, von Hunderttauscii den freiwillig und mit einem srhabcncn Eifer ge5ürmt, mögen nicht groß genug sein, um ein Meer von Elend anszufül ten, doch sie sind groß genug, damit man von ihnen aus in eine bessere und reinere Welt zu sehen vermag, in eine Welt der Dankbarkeit. Hilfsbereitschaft und Güte, und wenn auch alle Orden abgeschafft werden sollten, einer sollte doch bleiben: der kleine Schokoladesisch in Silber, den der Basler Junqe von, seinem Weih nacWbaume brachte. . . . Alkohol statt Lebensmittel. Ungarn lstt dieses iabr eine Zucker rübcnernte, die fast doppelt so groß ist. als im Vorjahr und braucht allein zur Verarbeitung dieser Ernte .OflO Wag gon Kohlen. Aber auch die Kartoffel und Maisernte ist ganz gewaltig aus gefallen, und die Regierung hofft dlrch Ausnutzung dieser Ernte sür die Spin tusindustric" allein aus eine Stniercin nähme von 7800 Millionen Kronen und braucht dasür auch bedeutend mehr Kohlen als dos letzte Jahr, h. wäb rend in einzelnen Gegenden Oesterreichs der Hungertyphus berrschtI brennen dit Ungarn ihren Uebcrschuh an Nzhrungs. f. ... rr'.m'.L,. fr...irx. a.t' iiiiiiiiii f.i juiiu. iuisi)( tiqrrn rooM direkt und indirekt den allergrößten Tl der dazu nötigen Kohlen, denn schon vo? dem Kriege erhielt die Monarchik. jährlich mehr öls 11 Millionen Tonnen' Kohlen und 1 Million Tonnen Koks awi Deutschland. Datei kann Spiritus aenau io gi sui u;n N0l5ai'ern ver FküUioie Fgbrikation rder. wie in der SS-coeiz, ' auS kakiLMwbid hergestellt den. t