Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 02, 1919, Image 2

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    Merlin im
Vsn Z.
T- f f)lffnTrf da so st schern
siurmdurchtebte Berlin hat die schwerste
J.rie zu Überstehen, die jemals einer
Haup'sladt beschieden war. Der politi
sche Umsturz des 9. Novembct hat über
die deutsche Neicl'shauptfladt ein Ghaoi
bracht! Aber das 6haoZ ist. wie wir
aus der Bibel wissen, kein Ende, sondern
k!n Ansang. Das Chaos bedeutet nicht
d.g Tod, sondern neues Leben, bedeutet
nit nur nebenher ein Vergehen, sondern
ei-i' Werden. , Aus diesem Chaos wird.
d",I ist unsere sus den klaren Tatsachen
aexonnent unerschütterliche Zuvcksichk.
ein neues, ein gcfesteteres, ein gesünderes
Berlin erstehen.
Jurzeit hat die Krise ihren Höhepunkt
schon sichtlich überschritten, dem Scsun
diingsprozesz entgegen. Freilich ist das
alte Berlin im Entschwinden und das
neue noch nicht ans Licht getreten. Auch
der betätiqungseisrigstc Berkchrsfrcund
tvürde heute nicht den Mut aufbringen,
zum Besuche der RcichIhauptstadt einzift
, laden, zur Bewunderung ihrer Schön
d.'it. ihrer mustergültigen öffentlichen
Einrichtungen, ihrer Kunstschätze und
geschichtlichen Erinnerungen. er
Im von ehedem ist eben nicht wiedcrzu
erkennen, das Berlin der Zukunft noch
nicht zu erkennen. Aber die Keime, die
eri:cn starken Regungen eines neuen
Werdens smd nicht zu übersehen.
Tie immer noch eifrige Arbeit der
Ttiaßenrciniger kämpft vergeblich gegen
den Schmutz, den ein Massenrkhr
rh",:g?eichen in den regenreichen Januar
tjin verursacht hat. Tas Hcranstür'
m:n der Heereswogen, ferner die von al
!?n Parteien aufgebotenen Massenkund-L-bungeaund
Umzüge, die. allen 8er
Zehr bcmmend. so oft die Hauptstraßen
durchfluteten, das Gestöber der Partei
flugdkätter hat der altberühmten Sau-
derteit der Reichshauptfiadt den Garaus
q.'inLcht. Der Mangel an ArbeitZkräf
i'N. der in so seltsamem Widerspruch
z ir erschreckenden Statistik der Arbeiis
ZosiakcU ficht, ljf die Fortführung der
NntergrundbahnNiuten, des Bahnhofs
iaZ ta der Friedrichstraße und so
m.,nche? anderen öffentlichen ; Bauten
' verlangsamt, oder ' unterbrochen, zum
Nachteil der Ctadt-Physiognomie und,
des Verkehrs. Die zeitweilige Politisie
rung der Polizei und damit die Störung
ibres ehemaligen, in erster Reihe der
cffenllichen Ordnung und Sicherheit ae:
widmeten Dienstes, ha! dazu geführt,'
daß sich mehr und Mehr ein Jahrmarkts
d Kirmestreiben mit incinandexkrei.
fckenden ' alten Leierkästen, gröhlenden
Bettelsängnn. .heiseren . Ausrufern.
AÄfelbuden un5 fliegenden Verkaufs
, zelten entwickeln Zonute. ' Tie bis zur
tü 'szchiÄoscsten ' Leidenschaft tosenden
Kämpfe zwischen den politischen Par
t.-ien ' Arteten in Straßengefechte, aus,
.. über deren Verlauf Kriegsberichte mit
Anzzben der Tote und Verwundeten
v'rofftnZlicht weiden mußten. In die
Scharen der Kämpfe? für ein pÄitifches
IdsrMlschte sich allerlei diebisches Ge
xLüvek, das unter der Maske der Revo
Zulion gemeine Plünderungep. Raub
züge, Einbrüche verübte, und das damit
de Namen Revolution schändete, an
dem doch von je ein Schimmer edler Ro
mantik und idealen Strebens achtung
s,ciktend haftete. Achtung fordernd such
Von jedem Gegner.
Inmitten dieser wild leidenschaftlichen
Kämpfe, düser Berwüstungund Zerfet--,!,z,
in all dem Grau und Unheil wu
cheru aber auch eine bacchantische Ler
..t.. iwftT.iW ..Kiiti. r. IUam,fifij4if
; UUMUiiiiu ; uu, tuic wi fui44Di
"" iu sich in Schwklgercien. in Tanzorgien
berauscht. Tie unheimliche Umarmung
; zwischen Lebenslust und Verderben, die
- nns Mkart in seinem Bilde von der
'Lest in Florenz so erschütternd geschil-
dert hat, sie scheint in Berlin der Um
stürze und der UebergangSzeit einen lei
f n Nachklang zu finden.
sm Berlin der UeSerganaszeit.
Unter all den abschreckenden Zeichen
W:i wir da? Berlin von ehemals un-
: te:gen. am Horizont aber dämmen
Leben und Hoffnung, steigt -das Mor
genrot einer eucn Zeit auf, kündigt ein
neues, ein lebenskräftigeres Berlin sich
an. Wohl haben den tobenden inneren
Feinden stillere, aber dafür um fo ge
fakrlichere äußere sich zugesellt. Die
t!;e, lang verhehlte oder zurückgehaltene,
aus ererbten Eifersüchteleien und jun
orrn Neid geborene 'Mißgunst und
N-cindscligkeit gegen Berlin durfte drau
szen kräftiger sich regen, und das Feld
geschrei Los von Berlin' erhob sich im
imx lauter, immer stärker, angesichts
in Berliner Wirrnisse auch immer be
drohlicher! Wfe ringsum in den Nach
iTT'är.oern die wachsende Raublust
Ciuck um Stück aus dem StnatUörper
Treibens und desLZeiches an sich reißen
w:l!. so verZucht im Innern die Begehr-l-
teit so diel wie möglich von der poli
t " e::n. wirtschaftlichen, intellektuelles
cutunz, der Reichshauptsiadt an sich
Zichcn. Aber Berlin ist einsichtig ge
'.;; sich bald aus sich selbst zu be
-i i-.v d'e innere Ruhe herzustellen,
; k"i g. unr sich der äußeren Feind-
i äii erwehren. ,
7 i tlde Aufeinanderplatzen der um
' 1 4i r "senden Parteien, dieser
' i e Kampf um die Erbschaft
- I ' "i M, ist eine natürliche und
'e Meinung. Ta! Aufflam-
! ii rZ"chtslofta Genußsucht er
. s r i ix leicht, aus einer mehr
' "i ' i ZurüZhaltmig inner
t r 3 i "''kit Hit doch die an
' i la ig zurückdrängte Lust
i 7 ii und an gkscllkchafttichen
Z'H i.i maßvoller Weise sogar
'..'-t g ten bürgerlichen Gesell
' h (' ng erzwungen! Eine be
c . i lung haben diese Rei
i ii r ikn Lreisea gewonnen
t Z 'ii von den gießen Ver
- i, Steuerlast und
r ; inz uns androhen.
e r1 durch die Uivwißheij
i 11 's und wirlschssttichen
.,i S?c,;l! das Hrf.e bis
f auLkostkN. da man des
r 1 S sicher- iüd,'te. Tieie
, .. i i :d fük Berlin zmeif:!
MöerMM. .
landau.
lo ein sonnige, politisch wie Wirtschaft
lich gesundes werden.
Die Reichshauptsiadt ist durch fast ein
halbes Jahrhundert der Sammel- und
Mittelpunkt unserer führenden Ödster,
die Bereinigung der stärksten wirtschaft,
lichen Kräfte und Intelligenzen gewor
den, der Brennpunkt unseres wissen
schaftlichcn und künstlerischen Lebens.
Von Berlin gingen die fruchtbarsten An
regungen weit ins Reich hinaus, um die
größten und produktivsten industriellen
Einrichtungen sammelten sich zu Hun-
dcrttausenden die tüchtigsten Arbeiter.
Für die leitenden Stellen in unserer Re
gierung und Gesetzgebung wie in unse
rem Wirtschaftsleben sind mit Hunderten
von Millionen die notwendigen monu
mentalen Bauten geschaffen. Die kon
stituierende Nationalversammlung soll
nach Weimar einberusen werden. Ihrer
dauernden Ausquartierung aus Berlin
steht aber die einsache Tatsache entgegen,
daß in einer kleinen noch so eindrucks
reichen, noch so ehrwürdigen ehemaligen
Residenzstadt weder für die Abgeordnc
ten. Regicrungsvertretcr, Zcitunqsbe
richterstatter und Beamten Unterkunft.
noch für die Vollsitzungen und Frak
tions- wie Ausschußberatungen ständig
Raum zu schassen fein würde. Ein ge-
wattiges Netz von Eisibahnl,n,en mün
det in Berlin ein und strahlt von der
eichshauptstadt aus. T,e hervorra
genden Berwaltunqsintelliaenzcn und
die zielbewußten. Willensstärken Kräfte.
vie unlcre Ltcichshauptiiadt in vier
Jahrzehnten zu einer Verdreifachung
ibrcr Millionencinwohnerschaft, zu einer
Bervielsachung ihres Wohlstandes und
ihrer Steuerkraft emporgeführt, die aus
Berlin die viclbcwunderte Miisterstadt
geschaffen haben, sie sind noch immer am
Werke. Noch immer ist Berlin der
Sammelpunkt unserer führenden Ge
lehrten, die Vereinigung medizinischer
Autoritäten, noch immer üben unsere
vormals königlichen Theater. Opernhaus
und Schauspielhaus, üben die Rein
hardtschen Bühnen, die Meinhard-Bcr
nauerschen, die Barnowskyschen wie alle
übrigen Theater und die vielen musika
lischen Veranstaltungen ihre alte Anzie
hung. Noch immer wird Berlin mit sei
.nen vielhundertsachen Lehranstalten die
Bildungs- und AusbildungZWtte für
alle Stände, Klassen und Berufe blei
den und mit seinem vorbildlichen kauf
männifchen Leben die führende' Erzie
hungsanstalt für die moderne Handels
Welt. N,och immer wird Berlin mit sei
nem gewaltigen Bedarf für eine Drei
millioneneinnhnerschaft und ein reiches
Hinterland der stärkste Einkäufer und
als Stapelplatz der eigenen, wie der ge
wohnheitsmäßiz hierher gelangenden
Erzeugnisse der Einkaufsmarkt für Pro
Vinzen und Bundesstasten sein. Unsere
großen Handelshäuser haben lang ge
festigte Beziehungen zum GeschäftZlcbcn
im Reiche und im Auslande gewonnen,
.die nicht schlechtweg aufzuheben oder zu
übertragen sind. Das alles gewährlei-stet-
unserem Berlin nur eine Forldauer
stiner bisherigen politischen Geltung und
wirtschaftlichen Bedeutung. Angesichts
der erhöhten Anforderungen, die eine
ernste und schwere Zeit an uns pellt,
werden diese Kräfte noch wachsen und
zu äußerster Leistungsfähigkeit sich erhe
ben, wird Berlin seine Produktion ftei
gern, wird die Reichshauptsiadt verjüngt,
gestärkt, gereinigt und veredelt hervor
gehen aus einer Krise, in der sie alles
Ungesunde von sich tut und alle Lebens
geifter neu beschwingt. Aus den Trum-
mern des alten Berlin wird strahlend
ein neues sich erhen. Wieder wird das
Goethefche Wort vom Vergehen und
Entstehen sich bewahrheiten
Und solanci' du tai nicht Butt.
Tses: Stirbundw-rde,
Srn du nur ein iriiber Gast
üiuf der dünllcn Eidk.
Elektrizität in der
Landwirtschaft.
Menschen und Tiere sind für Kriegs
zwecke herangezogen worden, es wird
kaum möglich fein, vor Jahren das der
brauchte Material völlig zu ersetzen. Die
Deckung des Bedarscs an menschlichen
und tierischen Arbeitskräften wird also
nach Beendigung des Krieges der Land
Wirtschaft noch größere Sorgen bereiten
als zuvor. Arbeitslöhne und Futter
losten find überdies dermaßen im Preise
gestiegen, daß die Menschen- und Ge
spannarbeit viel zu teuer geworden ist.
es roiio auo uiioingl an eine ripa-
rung gedacht werden müssen, und die
Zeitschrift .Osteuropäische Zukunft'
weift auf die Vorteile hin, die der Land
Wirtschaft durch die Anwendung von
Elektrizität erwachfeg können. Danach
wäre eine erhebliche Erfparnis an Ar
deitskraft zu erzielen, wenn Elektromotor
und Maschine nicht wie bisher getrennt
wären, fondern vereinigt würden und die
so zusammengebaute Maschine dem Ar
beitsgut zur Auskührung der erforder
lichen Arbeit zur Verfügung stünde. Ein
selcher Zusammenbau läßt sich mit den
heute in den Handel gebrachten Appara
ten und Maschinen leicht herstellen. Vor
oussetzung dafür ist, daß das elektrische
Verteilungsnctz für den Anschluß solcher
Einzelantriebe entsprechend verlegt ist,
Eine andere fek bedeutend Arbeitscr
fparnis würd für die Landwirtschaft zu
erksiche sein, wen sich die Landwirte
dazu entschlössen, nach dem von der In
döftrie feit lange gegeberle Beispiel
mehr als , bisher ' elektrisch betriebene
Hebezeuze aller Art, in ihren Betrieben
zu verivenden. Tie Ernte könnte mit
eil venige, menschlicher Arbeit gebor,
ge w?den. wetn zum Fördern von Ge
t;b. Sttoh nd Heu in Scheunen.
Heuwden oder Mieten elektrisch ddrie
bene, Auszüge verwendet würden. Für
die Bodenbearbeitung werden sich zum
Ersatz der Arkx-itstiere die Kraftpslüsie
noch mehr als' bistr Eingang verfchaf
scn. Piüt den elektrischen Seilpflug wird
durch geschiSK, Verlegung des eletn'.schen
Leituisnetzej ermcht werden könn,,
daß er sich mit eigener Krakt vom Hsf
nach dem Feli?k bewegt, und dsß dadurch
die für fei Transport votrendia au'
tvtsenen Gespanne fortfallen, ' '
Unsere Ehe ist von Nnkang an ,d
' auf den beut, gen Tag so glücklich.
so harmonisch gewesen, daß ich, selbst
wenn ich die schwächsten Töne in meiner
Erinnerung widerklingen lasse, nicht eine
einzige Dissonanz zu vernehmen ver
mag. Wir sind wie zwei Violinen ge
Wesen, die immer in gleicher Stimmung
erhalten werden Sobald die eine hoher
oder tiefer klingt, folgt d,e andere mit,
Ader wir fanden auch gleich von An
fang an denselben Ton. Wir hatten
uns am Abend unserer Hochzeit in den
chlitten gesetzt und fuhren zu unserm
neuen Heim, das in der Nachbarpfarre
gelegen war. Wir hatten dorthin unqe
fähr vier Stunden Wegs. Und diese
Fahrt ist die herrlichste all' meiner fchö
nen Erinnerungen, isie.war wie ein
kurzes Vorspiel zu der langen Sympho
nie un ercs Vebcns.
Der Abschied von deinen Eltern fiel
dir freilich im Ansang ein wenig schwer
u enlsinnft dich wohl, wie wir. nach
dem wir die letzten Gäste die Treppe
hiniinterbeglcitet und sie beim Laternen
schein in ihre Felle gehüllt hatten, jeder
auf sein Zimmer eilten, um uns in
Akisekleidung zu werten. Ehe du noch
fertig warst, war unser Pferd vorge
fahren, und ich wartete auf dich in dem
Zimmer deines Vaters. Tu erschienst
in der Tur. Tu hattest dein Weibseide
nes Kleid ausgezogen und trugst ein
schlichtes Reisckleid. Ich stand auf. um
dir entgegenzugehen, aber du eiltest an
mir vorb
fc.i , rk tnrtn hv,;n.k ;
Ä- J 4iS Ifri
ie deine Vater. Und darauf
die Arm
in die deiner Mutter und deiner Schwe
stern. Tu gabst dir den Anschein, als
wenn du mich nicht sähest, als ich dir
verwirrt beim Anziehen deines Pekzes
hals, und ich kam mir vor. als hätte ich
eine ichlcchle Tat begangen. Tu kann
fest dich von deinen kleinen Schwestern
nicht losreißen, die im bloßen Kopse
ein gznzes Sjuck neben dem Schlitten
kinhkrsvrcaigen. deine Hand festhielten
und uns nicht früher verlieVen. als bis
der Weg schmaler wurde und sie in den
Schneehaufen einsanken. Tu wandtest
dich um und wehtest ihnen mit dem Ta
schentuch zu. obwohl es dunkel war und
niemand außer mir es sehen konnte.
Hanna, fugte ich, weine nicht
horst du versuche dich zu beruhigen."
- Und ich wollte deine Hand fassen,
aber du zogst sie zurück und blicktest wci
nend nach deineni Baterhause zurück.
ch begann schon, ganz unglücklich zu
werden, und fing an. mir einzubilden.
du liebtest mich nicht mehr; ich könnte
dir keinen Ersatz bieten für das, was du
verloren hattest. Und es fehlte nicht viel,
so wär: auch ich in tränen ausae
brocken.
Wenn du es willst, i.-hren wir
um '
Nein, nein, fahre nur weiter!'
Tu versprachst, ruhig zu sein; aber
jeder Platz, den wir passierten, war dir
so bekannt und erinnerungsreich, und
'ch sah. wie -dein ganzer Körper noch
immer im Schluchzen erbebte, als wir,
an euern Aeckern, Gattertüren, Zaun
ecken, Windmühlen und Heustadeln ent
lang und über die Brücke fuhren, von der
man rechts den See bei deinem Vater
haus mit den kleinen Inseln darin im
Tunkel unterscheiden konnte.
Aber als die bekanntesten Gegenden
und liebsten Erinnerungen hinter uns
lagen und die Landschaft am Wege im
wer waldiger und interesseloser für dich
wurde, da begannst du dich in dein
Schicksal zu finden, und dein Schluck,
zen wurde immer fchwä'cher. Als ich dir
wieder meine Hand zu reichen wogte,
während das Pferd seinen Schritt ver
langsamte. zogst du deinen Handschuh
ab und drücktest meine Hand in deinem
Muff.
.Liebst du mich, Hanna?'
Tu trocknetest deine letzten Tränen ab.
lehntest deinen Kapf an -meine Schulter,
und unsere Stimmungen flössen gleich
sam in einander.
Es war Mondschein, aber trotzdem
mild, denn ein leichter Wolkenfchleier
bedeckte den Himmel, und hie und da fiel
wieder Schnee. Bald klärte es sich je
doch und dir Schncefag hörte auf, bald
war der Mond wieder verdeckt. Der
Weg führte durch einen dichten, schwor
zen Nadelwald, das Pferd mußte Schritt
gehen, und wir begannen Betrachtungen
anzustellen und sie einander mitzu
teilen.
Die Schelln.' meinte ich. scheinen
mir wie geschaffen für derartige nacht
Höerjchlesiens
(1,'Uische TazcSzeilüng.')
Die rationelle obcrfchlesische Kohlcnge
winnung ist etwa 4? Jahre alt. In
dieser Zeit ist die Kohlenförderung von
0,332,000 Tonnen auf 43,801,0."6 Ton
nen gesticg,. Tie oberschlcsischen 63
Gruben verfügten 1913 über 1329
Dampfmaschinen und 3G0 Tvnamoma
schinen. Außer diesen hauptsächlich im
Betriebe über Tage verwandten Maschi
nen sind noch eine Unzahl kleinere Ar
beitsmaschine unter Tage in Gebrauch.
Tr Absatz der oberschlesischea Kohle
findet in der Hauptsache in Bahnver
sandt statt. 'Im Jahre 1913 machte der
Bahnversand Z2ZM7JZS Tonnen gleich
74.4 Prozent deS gesamten oberschlcsi
zcyin iskeiniohlensblatzeS durch Verkauf
aus. Davon gingen 61.4! Prozent ans
Inland, 28.51 an das Ausland. Der
Hauptanteik de berschlesifcheg Kohlen
absatzis nach dem Ausland entfiel aus
Oeikerieich-Ungarn. ein Teil auf Polen,
dessen Eisen-. Tertil und Zuckerindu
sirikn bedeutende Meng-n oberschlesischer
Kohlen verbrauchten. Vom deutschen
Inland waren zunächst Tchlesien, und
zwar Ltxricblejien, auch Mittel, und
Niederschlesien mit seiner reichen Jndu
strie. ferner Pottn. West, und Osipreu
ßeü lliid, die Mark Brandediirz, omit
icl gzn.e östliche Sachse li zur E.'öe
.
Leimjaljrl.
Don Zehaimi Zlhs (j 'Lrcf'Idt)'.
liche Fahrten In 'dämmerigem Mond
schein." , . ,
So erscheint ei mir auch.' fügtest
du hinzu, .und ti kommt mir so vor.
alj wirkten alle andern Laute störend
oder all wenn unsere, Schellen einen
Wiegengesang für die ganze Landschaft
singen sollten. wie wunderbar har
monisch stimmen sie nicht in diese ganze
Umgebuna ihr Laut ist gerade so
schwach, daß er nicht den Schnee zum
Herabfallen von den hängenden Zweigen
bringt.'
Wir verglichen die verschiedenen Ab
wechslungen im Klang der Schellen,
wenn wir langsamer oder schneller fuh
rcn. bergab, auf einer Straße oder berg
auf. und wenn daS Pferd im Schritt
ging, erklangen sie kaum hörbar, wie ein
in der gerne rieselnder Waldbach.
Am Wege stand ein Meilenstein und
zm Fuße desselben ein Schneepflug.
Sieh, welch reuende Stelle.' sagtest
d. Nein, was für einen drolligen'"
schnechut er aufhat! Warte, den
werfe ich ihm herunter.'
Tu preßtest einen Schneebällen zu-
sammcn und warfst nach ihm. trafst
aber natürlich nicht. Er siel im Walde
nieder.
Das Tuch, das du auf dem Kopfe
hattest, geriet in Unordnung: du erlaub
tcst mir. deinen Hut zu halten, nahmst
das Tuch ab und knüpftest es von neuem
zu. as prägte sich meiner Erinnerung
..v - . 1 1
?eSt"d deine Bewegungen wa
n so weiblich.
ein. venn du verfuhrst dabei so Mütter-
Liebst du mich?" fragte ich.
Ja, ja," erwidertest du. wie man ein
Kind tröstet, und wir lachten beide.
Ader dann wurdest du zärtlicher und
reichtest mir deine Wange zum Kusie.
Ach. ach. ich llcbe dich la so arcn.,cn-
los du weißt es ja Zweifelst du
denn daran?'
Ich zweifle nicht daran, aber ich
möchte ii dich immerfort versichern
hören.' ,
Und dann kehrten wir wieder zur Na
tur zurück.
.Was gefällt dir besser, wenn aan,
klarer Mondschein ist. wie es eben war,
oder wenn es ein wenig wolkia ist. wie
jetzt?'
.Alles ist gleichsam weicher und fei-
ner, wenn es cm wenig wolkia ist. die
scharfen Schatten im Walde vcrschwin-
ourdann. und wenn es ein bißchen
schneit hat man dasselbe Gefühl, wie
ehemals, wenn man als Kind ein Zelt
aus dem Laken machte und sich darunter
versieaie.
.Das finde ich auch, ich wollte gerade
dasselbe sagen wie eigentümlich, daß
iv,r immer oiezeiven leoaiüen yaven.
,mt kommt es so vor. als wäre diele
Nacht und dieser Mondschein besonders
sur uns gemacht "
.iicle Baum? ern Wearandc wissen
anz sicher, daß hier zwei glückliche
Menschen sitzen sie flüstern miteinan
der: da fahren sie nun meinst du
nicht?" ,
.Ganz gewiß!"
Höre, wann , begannst du eigentlich
an mir Gefallen zu haben?'
Damals, als du Violine fvultest
und ich dich begleitete. 'Du sagtest, noch
niemand hätte dich fo gefühlvoll heglei
tet. ,Und du?'.
.Gleich seit ich dich da erste Mal sah
deine großen, braunen, treuen
Augen' .
Ein Postillon, der von einer Fahrt
zurückkehrte, hatte uns eingeholt, und
wir hörten ihn in seinem Schlitten hin
tcr uns singen. Er sang, ohne sich um
uns zu bekümmern, zu seinem eigenen
Vergnügen und zur Freude sllr die
Bäume des Waldes:
Jtcmm nicht ,u mir. Gelieüie mn.
Wkn bnrl Las ?el und weib brlchnkct,
Tenn killn !Kgrn merken dann,
dein Lpur t'.ngeU "
Und kaum hatte er geendet und
schnalzte dem Pferde mit der Zunge zu.
als er ein neues Lied miteiner neuen
Melodie begann:
.Ew Jünalwg bin Ich immer trauria
renn ich tin fr.-aücnfiii
lind wandr' -ich beim!,, durch di, Well.
Toch mein Lieder trohiich find."
Die Art und Weise, wie er seine Lie
der vortrug, Ivar unvergleichlich. Lange,
lange folgte er uns, indem er bald, wie
wir. im Trab, bald im Schritt fuhr.
Unaufhörlich entströmten ihm die Wei
stn, eine nach der andern. Und feine
Stimmungen wechselten. Wenn er ein
trauriges und wehmütiges Bollslied ge
fungen hatte, schien er genug zu haben
und stimmte, einen munteren Gassen
Zndiljlrie.
von der oberschlesischen Kohle abhängig.
Berlins Kohlen bedarf wurde vor dem
Kriege etwa zu 27 Prozent von oder
fchlesischer Kohle gedeckt. In Berlin
machte die englische, Kolke, wTlche auf
dem billigen Wasserwege über Stettin
nach Berlin gelangte, ver oberschlesischen
Kohle starke Konkurrenz, indessen fiel
natürlich diese Konkurrenz während des
Krieges fort, und Berlins Anteil an der
oberschlesischen Kohle stieg sag auf das
Doppelte des Jahres 1313. Die heutige
Kohlenknappheit in Berlin, welche bereits
in den allernächsten Tagen z eine, Ka,
taftropbe werden kann, hängt fast aug.
schließlich mit der olxrschlesische Streik
bewegung zusammen.
Die oberschlesische Keksfabrikation
vienr zum größten Teil der Eisenindu
ktrie des k-,?s-,l,s!l, sv'ittnrhi.Ta
' . k ,.,...,.11, Wi.JUyUiyiW .VUlVli. flUllV:
Sie kommt vorläufig für da übrige Iwerdcn und den Bolschewismus anheim
Deutschlank wen!?, ,n MmsH mfitt I fif'm rt;; r,is l k.e.
ober, wenn die westlichen Ktleng?bikte
längere Zeit für die Versorgung auefgl
len sollten, auch den Bedarf de übrige
Deutschland versorgen.
Tie oberschlesischen Eisenerzgruben,
welche als Nenprodukie auch noch Zink
und Bleierze kieserg, hatten im Jahre
1913 eine GefamtprcdMion von 104.
7-1:) Tonne,, und Tonnen Braun
Ali..'' XU KtWtilxiVi g'.Mit
AVa
,
Hauer an.
- An einer Wegscheide im Walde fuhr
er davon und sang, indem -er sich auf
dcm Waldwege entfernte:
Ti, 'abr nach dort Ich vaS bin.
IIV ,uo Mir im min nt
ätiJxn bin.
' lua bull) inict milct ftiii"
.-im vrne Ainii um u'iilD
Wir vermißten Ihn beinahe, nach,
dem seine Stimme allmählich in der
4.ieit vt8 Wgiwei verklungen war. .
Eine eigentümliche, kindliche Stim
mung überkam uns. Mir schien, wir
wären nicht mehr Bräutigam und Braut,
sondern zwei Spielkameraden. Biellcht
war daS eine Folge der uns umgebenden
Natur, ihrer winterlichen Reinheit, viel
leicht auch dessen, daß ich fürchtete, du
könntest deine Sehnsucht nach deinem
Baterhause wiederbekommen. Ich wollte
dich fo allmählich davon abbringen, so
unmerklich, daß du nicht einmal wissen
solltest, daß du aus einem Leben in ein
anderes gelangt wärest. Und doch fuh
ren wir in derselben Weise dabin, wie
wir so manchesmal während unserer Ver
loöungszeit an mondhellen Abenden zu
sammen dahingefahren waren.
Der Wald wurde lichter; wir gelang
ten zu bewohnten Gegenden, erst zu klei
"neun Hütten, dann zu größeren Höfen.
uevcrau schlief man, denn es war Mit
ternachtSzeit. Wir waren nun in meinem
Heimatdorfe: überall gab e mir be
kannte und liebe Stellen. Ich erkannte
mit ge chlonenem Auae icde Bieauna des
uia. 5ll Nlllinie ,r alles oei nameg.
und ich wußte, wessen Hund in der Ferne
bellte. Stf, liefe dos ü!sri. in hnsf,m
Weges. Ich nannte dir alles bei Nameg.
bellte. Ich ließ das Bkerd in vollem
Trabe ausgreifen bald erschien die
Kirche, bald das Gemeindehaus und der
Pfarrhof. an dem wir in vollem Galopp
Dorvei aus das Eis herniedersausten.
Siehst du, dort liegt e4 da siebst
du die große Oeffnung im Walde ob
gleich man das Haus noch nicht gewah
ren kann. Auf diesem See werden wir
im nächsten Sommer segeln ich habe
schon so viel davon geträumt und freue
mich daraus ich habe ein ganz neues,
schönes Segelboot. Warum bist du fo
still? Sage, mir, woran denkst du '
Ich denke daran, daß ich so glücklich
bin, wie man es nur sein kann "'
Und ich erst, wie glücklich war ich da
mals und wie sicher, daß ich es stets blei
ben würde. Und mein 'Glück erschien
mir noch größer, als du sagtest:
Wie schön dieser See ist und wie
schön wird er nicht erst im Sommer
sein! Wie es mir hier gefallen wird!'
Tcine Fenster gehen nach dem See
'hinaus; die ganze Landschaft liegt vor
dir, soweit das Auge sehen kann.' '
Wir untttschieden bereits die hohen
Tannen des Strandes, den ?ictzschuppen
und das Badehäuöchcn, und als das
Pferd das Ufer betrat, lag unser HauS
dort vor uns hoch droben un d:m ab
fchüssigen Acker.
. Man sieht in keinem der Fenster
Licht?' ,
Mag weiß nicht, daß wir schon heute
kommen, inan erwartet uns erst morgen
alles schläft'.'
Und während der Schnee lautlos nie
dersinkt u.id des Mondes blasser Schein
unS umstrahlt, fahren wir gleichsam
schleichend unserm neuen Heim entgegen,
von dem uns kein Laut entgegent'önt.
Meine alte Mutter hat nichts gehört,
ebenso wenig die Dienstleute. ja nicht
einmal der Hofwächter. Das Pferd biegt
ganz von selbst um die Ecke, wir sehen
die Blumen und die weißen Tüllgardi
nen am Fenster des Eckzimmers und die.
ben an der Türe stehen. Alles ist still.
Ader utis dunkt. wir horten die Haus
geister in der Lust, hinter uns. auf dem
Dache und m jedem Winkel slüstern. Und
wieder fällt Schnee. Die Schlittenkurfe
knarrt und die Schelle klingelt, wenn das
Piers den jtopt bewegt.
Wir lauschen auf all' das und blicken
einander an.
.Hanna!' fage ich leis?..
Tu ntttlortest nicht, drückst nur
schwach meine Hand, schließst deine Au
gen und schmiegst dich an mich.
Und dieser kurze Augenblick mitten in
der Stille auf unserem eigenen Hof
das war vielleicht der glücklichste und se
ligstc unseres Lebens. Es war der vollste
Zusammenklang unserer Stimmungen,
das weiche Andante unserer Gefühle.
Es dauerte nur so lange, daß wir es
hören und erfassen konnten. Denn im
selben Augenblick schüttelte das Pserd
sein Sielenzeug, man erwacht drinnen,
es erschien Licht am Fenster, und wir
fliegen aus dem Schlitten.
Förderung ist eine Folge der starken
Konkurrenz der hochwertigen schwedische
Erze, mit denerk die oberschlesischen
Brauneisenerze fcja Wettbewerb nicht
aufnehmen' konnten. Tie oberschlesische
Eisenindustrie zählte im Jahre 1013 36
Hochösen. 24 Eisen und Stahlgicße
reicn. IS Stahl und Puodclwerke, Ll
Walzwerke, sowie eine weitvcriweiate
'Berfeincrungsindustrie. Da die ober
schlefifche Eisenindustrie in der Haupt,
fache aus Erzzufuhren aus dem Aus
lantze angewiesen war, fo konnte sie nur
dadurch konkurrenzfähig erhalten werden,
daß ihr Bedarf durch besondere billige
Lahntarife nicht übermäßig verteuert
wurde. Sie würde rkicht lebensfähig
fein. Uknn lß dies, billigen Bahntarife
nicht weiter vom Reiche zugestanden wür
den. Falls also Oberschlesien aus dem
Verbände de Teutschen Reiche! heraus
fiele, würde ohne weiteres feine heute
blühende Eisenindustrie zugrunde gehe
müssen, die etwa 00,000 in diese, Eisen,
industrie Beschäftigten würden bretloS
fallen. Für Deutschland selber würde
vie Abtrennung Obekschlesiens in Anre,
trackr der Tatsache, daß das elsaß
lothringisch Industriegebiet foiess der.
loren geht, den endgültigen Nir!f.kaft,
lichen Ruin bedeuten, denn mit Ober,
schlesien w.i:rde e die Möglichkeit ver
lieren. sich in neues Industriezentrum
zu schaffen. Ei würde außerdem mit
der oterfch',sisck,:n Kzdl thi ireseut.'ichiZ
Zat,!urgirn::!'l xsch terrj Arlanes der
VAV
Ievolutions-Hibuflal.
Von Paul Vlsck.
4, ciiuicc Tageblatt. Mitte Februar,)
Tsn Moabit.
DaS Haus der Themis ist in eine Fe
stung verwandelt. Auf dem Treppen
absah droht ein Maschinengewehr,' be
wacht von Soldaten mit Sturmhelinen
aus den Köpsen und Handgranaten am
Gürtel; der Korridor ist von Bewaffne
ten abgesperrt. Posten stehen vor jedem
Sitzungssaal. Unh wenn der durch
solche kriegerische Acraiistaltung betryf
fene Bürger nachgewiesen hat. dasz er
nur zur Erfüllung lästiger Acugenpsllcht
in diesen krieger, chcn Bezirk eingedrun
gen ist und von dem gehabten Schrecken
in einem stillen Kämmerlein sich erholen
will, folgt ihm auf dem Fuß ein feld
grauer Riese und stellt durch Beklopfen
scst ob nichts Explodierendes im Hosen
beben verborgen war.
Weshalb so viel Vorsicht?
Hinter der verschlossenen Tlir steht
SpartacuS vor dem Richter. Da kann
man nicht wissen ...
Dann öffnet sich der Gcrichtssaal und
der neugierige Blick sucht auf der Bank
der Angeklagten die Furchtbaren, die
Berlin eine Woche lang in Schrecken
hielten. Tu lieber Himmel! Da steht
gerade ein blasser Student, guter Leute
Kind, und erzählt, mit schwärmerischem
Feuer im Auge, von seiner revolutionä
ren Ueberzeugung und daß er sich keines
Verbrechens schuldig wisse. Tann
kommt ein anderer, mit dem glcichzül
tigen Jungengesicht der großstädtischen
Alltagswelt. und versichert, er sei eigen!
lich nur durch einen Zufall in die Be
wegung hineingeratcn. habe aber immer
in die Luft geschossen. Einer wurde
SpartacuSmann, um fünfzehn Mark
täglich zu verdienen; ein anderer gehörte
zwar fckon zur Partei. Hot sich ober
über Politik niemals Gedanken gemacht;
der dritte ist einer jener Burschen, die
immer dabei sein müssen, wenn es im
Dunkeln Krawall gibt, und er beteuert
deshalb mit besonderem Nachdruck seine
ehrliche Gesinnung; dn vierte, der fünfte,
der sechste kamen Lerade vorüber oder
wollten eigentlich wo anders hin, oder
hatten sich, wie sie pathetisch versichern,
vorgenommen, die Errunaenschasten der
Revolution zu schützen. Der Held, der
zu diesem erhabenen Borsatz entschlossen
war. 'ist einundzwanzig Jahre alt; vor
fünf fahren, als der Krieg, begann, war
er sechzehn. Es ist leicht zu ermessen,
mit welcher Reife des Urteils er die Er
runqenschaften der Revolution abschätzen
kann.
Tie Anderen sind zum Teil noch für.
ger. noch unreifer, noch weniger ernst zu
nehmen. Der Einzige, der geistig über
diesen seltsamen Freiheitskämpfern steht.
der junge Student, ist zweiundzwanzig
Jahre alt. ober durch, Krankheit über
reizt und trotz seiner Jugend schon ver
heiratet. Seine -,rme junge Nrau sitzt
unter den wenigen Hörern. Schön war
das Strahlen in ihrem Gesicht, als nach
dem harten Urteil von eirtem Jahr Ge
fangnis der arme Teufel vorläufig ent-
kicten und dadurch die Möglichkeit stark
verringern, seine Valuta irgendwie zu
heben. Auf der andern Seite aber
würde, wenn Teutschland auf Oberfchle
fien ollern angewiesen bleibt, sich hier
L?ch noch soviel schaffen lassen, um
Teut chland eine, wenn auch kümmerliche
Existenz zu ermöglichen. ObeischlesienS
gesamte Flußeisenerzeuaung bclief sich
im Jahre 1913 auf 1.3s6,653 Tonnen,
die Cchweißeiscnerzeugung auf .67,946
Tonnen, der Erzeugung' Walzwerke
an Halbzeug zum Verkauf auf 218,305
Tonnen, an fertigen Erzeugnissen auf
öo7,14tf Tonnen. Dieses Verhältnis
mäßig geringe Ergebn wird sich ganz
rryiviicri nkigern men, wenn joniajic
sie zum Hauptindustriegebiet Deutsch
lands wird.
Bon großer Bedeutung für die deut
sche Wirtschaft ist auch die Kalk und
Zementindustrie Oberschlesien. die auf
'1 jLl! i :. rj 4 - a, l
cn waiiiigcn aiiemiakzern oes Jiiou
ftricbezirkes basiert. Ebenso ist die Pl
lano-Zemkntindllftrie von großer Bedeu,
tung, sie weist eine jährliche Produktions
fähigkeit Von über 5Ys Millionen Faß
Portlandzcmcnt auf. Sowohl der Kalk
wie auch der Zement Oberschlesiens wer
den zum größten Teil von Deutschland
selbst verbrauchte Auch hier würde eine
Abtrennung Oderschlesiens von Teutsch
lnd die deutsche Gefamtwirtschast aufs
Ichweiste schadigen und den wirtschaft,
lichen Zusammenbruch in Deutschland
noch vermehren.
Auf der anderen Seite ist es höchst
fraglich, ob eS den Polen gelingen würde,
die oberschlesische Industrie und daS
oberschlesische Gnibcnwesen auf derjeni
gen Höhe zu halten, zu der es unter
deutschen Händen gelommen ist. Tie
kümmerlichen BcrhKltnisse im kongreß
polnischen Industriegebiet, in SoSnowi
und Tombrowa, wo nur die unter deut
scher Leitung stehenden Werke mit ein!
gem Erfolge arbeiten, geben den Beweis,
daß Oberschlesien unter polnischer Lei
tung und im polnischen Wesire völlig
verkümmern würde.
Rimmt man also Oberschlesien von
Deutschland sort, so beschwört man die
Gefahr herauf, daß Teutschland daS
Letzte genommen wird, und daß ti also
niemals in die Lag kommen wird,
irgendwelche Zohlunge zu Kisten, weil
keinerlei Jndustr mehr unterhalten
kann. Infolge der wohl olz sicher zu
Kzeichnende Abtrennung Elsaß-Lthriu
KenS würde die deutsche ohlenerzeugung
um 3,sn,000 Tonnen, gleich zwei ro
Zent sinken, sälltOberschlesien an Polen,
würde dir deutsche Kohlenerzeugung um
weitere 43.439.000 Tonnen, gleich 22.
Prozent, verringert werden. Anstatt
der 191,51X000 Tonnen fceS Jahre,
1313 würde Deutschland dann nur noch
etwa 144.000,000 Tonnen fördern. Im
Iah 1913 betrug feie Ausfuhr an
Steinkchlen rund Zi,TAO,0l8 Tonnen,
der Ueberschuß der Ausfuhr über die
Einfuhr als, L4.033.4s Tonnen. Bei
einem Wegfall von Oberschlesien würde
Teutschlkii auf die Einfudr angewiesen
!'m; es wurde ,u einem shuneinfhr
lande erden, . . ,
lassen wurde, weil kein Fluchtverdacht
vorliegt ... Ich hätte ihn freigcspro
chen. schon weil er sich wie ein Mann
benahm. Aber das Amt des Richter!
ist schwer, und es geht Wohl nicht an,
einen Rcch!sprllch ouö warmer Empfin
dunq heraus zu fällen.
Denn die Richter haben eö nicht leicht
in diesem Prozeß, gewiß nicht. Die
Verteidiger kämpfen für die Angeklag
ten unter der erhobenen Fahne politischer
Weltanschauung, und die Nichtcr wissen,
daß sie beim Suchen des Rechtes jeden
Gcdcniken bannen müssen an das, was
war. und ebenso jede Sorge vor dem,
waS vielleicht noch kommen kann. Wenn
'sä geschähe, daß die Empörer von heute
die Sieger von morgen würden t
Daß sie zu Gericht sitzen könnten über
ihre Richter -? Immer wieder erin
nert der geschickte Verteidiger an die' po
litischen Prozesse der Vergangenheit, an
Marx, an Lassallc, obwohl seine über
legene Intelligenz doch wohl' empfinden
muß, basi es Lästerung ist. März und
Lassalle in dieser Gesellschaft Z nennen.
Immerhin, es ist nicht bequem für eineii
Richter, mit einem Advokaten zu vcrhan
dein, der schon einmal Minister der Iu
stiz war und es leicht wieder werden
kann. Jedoch vor solchen Gedanken ist
der Vorsitzende gefeit. Er trägt den
alten, guten PreiiLenpanzer, der zum.'
Glück noch nicht mit dem übrigen alten
Eisen in die Ecke geworfen ist: die
Pflicht. Und stellt nach jeder feurigen
Rede immer aufs neue fest, daß eö sich
hier nicht um die Politik handle nickt
um diese oder jene Regierung, sondern
einfach um das Gesetz, das vorläusig
auch durch die Umivälzung noch nicht
entthront sei, Ohne Härte gegen die An
geklagten, ohne das Brausewettern des
politischen Nichters, daS uns in bergan
genen Tagen fo häufig derstimmle. bleibt
er ruhig und verhängt unerschüttert die
Strafen nach dem Buchstab: seiner Iu
ristenbibkl. Sechs Monate, neun Mo
nate. zwölf Monate, fünfzehn Monate
Gefängnis , . . Die Gefangenen bören
eZ mit sonderbarer Gelassenheit an, kaum
daß einer auf die letzte Frage antwortet,
er wolle sich lxi dem Verdikt nicht brni
hiqen. Und eS geht weiter: neun Mo
nate. zwölf Monate, sechs Monate . . .
Ein weiser Richter, ein gerecht Rich
ter! Und doch: dem unbefangenen HL
rcr bleibt bei manchem Spruch ein Zwei
sei zurück. Sind alle diese Jünalinae
sileich schuldig? Mu nicht immerhin er
wogen werden, welchen unter ihnen nur
rregeleitete Leidenschaft trieb und wel-
cherxGier nach fremdem Besitz. Roheit.
Haß. Rachsucht oder fönst ettvas Nie-
drigcs? Mir scheint, es wär: menschlich
und es wäre auch politisch klug, bei die-
sen Mitläufern oeringercr Art nach
Möglichkeit Milde walten zu lassen und
mit größerer Strenge nur jene zu tres
fen, die eines gemeinen Berbrechen! sich
schuldig gemacht haben. Diese Jüny
linqe sind ja nur Sklaven und nicht
5krieger des Spartacus gewesen. Sie
waren die Dummen, die zurückblicken
und sich fangen ließen, während die ae
rissencn FiiKrer verschwanden und sich
versteckt halten. Abschreckung", sagt
r Staatsantvalt ... Ach, die Me
thode der Abschreckung hat in Zeiten Po
litischer Verwirrung wenig Sinn, wenn
sie nicht nach bolschewistischem Muster
gleich mit dem Morden von Hunderten
arbeiten mag. Wahrscheinlich fühlen die
Lörichten Jungen, die sich die Köpfe mit
Räuber Romantik und Redolutions
Phrasen angefüllt haben, nach solcher
Gerichtz.Bcrhandlung sich als Helden
und Märtnrer. und da die Zeitungen der
eztrcmcn Richtung durch ihre unbedenk
licke Propaganda gegen die Regierung
solche Empfindungen zu fördern wissen,
könnte, wenn es fo weiter geht. daS Re-volutions-Tribunal
auf diese Art sich
überraschend schnell in eine Vorschule der
Revolution verwandeln.
Wär' es aus diesen Grüicken nicht
doch vielleicht ratsam, den martialischen
Apparat, der schließlich nur eine Reklame
für Spartacus ist. in Zukunft etwas ein,
zuschränken. und. bei oller Wahrung der
Würde des Gerichts, an seiner Stelle ein
wenig mehr politische Ueberlegung nach
Moabit zu importieren? ES müßte ver
sucht werden, vor der Öffentlichkeit ein
wandsrei festzustellen, wo bei den Spar-tacus-Leuten
die Politik aufhört und wo
das Verbrechen anfängt. Die Führer
(oder die sich dafür halten) müßten dazu
gebracht werden, sich deutlich darüber zu
äußern.. welche Taten sie bei der Berkol
gung ihrer Ziele für erlaubt erachten
und von welchen anderen Handlungen sie
sich unbedingt lossagen. Recht wird ge
sprachen nicht bloß für die Justizverwal
tung. sondern im letzten runde allein
für Nutzen und Not deS Volkes.. Wir
müssen unsere Nichter begreifen, wenn
wir ihnen vertrauen sollen.
Und es ist doch wohl kein Zweifel:
diel von der Beunruhieiunq. die unser
Volk ergriffen hat. ist auf die Unklarheit
zurückzuführen, die im Bürgertum über
die Svartacus-Bewegung herrscht. Der
erste Mossenprozeß. der sich mit den
Spartaciften zu beschäftigen hat. muß
deshalb die Grundlagen für die sachliche
Beurteilung dieser Menschen fi,i-fiisrft.
fen. Tann erst können sich auch die rich- '
tigen Mittu zur Bekämpfung der Böl
kerkrankheit ergebe, dann erst kin,n
.diese Mittel mit der nötigen Entschieden
nni ongenxlnvl werden. Möalick
wenn auch nach den Erfabruna-n tv,
schichte nicht unzweifelhaft! das'
rücksichtslose und gewaltsame Unterdriik
kunc, die einzige Rettung ist. daü Terror
nur durch Terror zu dernickten ist, Auch
in diesem Falle aber sollten die Verführ
ten mit Schonung behandelt werden da
mit ohne Sorge vor Mißdeutung 'oder '
Verdrehung die Verlübrer ein, u
härtere Strafe treffen kann.
Bei cdem Rkvolutionl.T.!knl ni.i
unmiaz und gewaltig crn Richteiii'sch
die oberste Richterin: die ttesch!', c.
trrird, wenn die noch unerkennbare Zeit
friedlicher Arbeit wieder für uns
fl'kommen ist, ihr iinbefl-chritffj Urteil
sprech'n'ü5,r Staztsemwälte und Zn.
UiUcn AnZ.Z!z!e und Richter, t
und Tat.