Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 26, 1919, Image 2

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    TZMt Cwöi 7kM e-
Fcrstaatlllljung in Deutjcljland.
' .Cüui .Xi? Rb Zeit'.)
?n bestimmten deuischcn Partcikrciscn
herrscht zurzeit ein derartiger Eifer, die
4 kapitalistische Produktion zu vkrstaal.
I.chcu, oder, wie eS heute meist heißt, zu
l, .sozialisieren", daß matr ohne UeScrtrci
; lang von kin.'m c-oziciüsicrurigzfieber
sprechen kann. Wurde noch vor zwei,
drei Jahren die Forderung, die durch die
, Äctrttbs, und Kap!kal:on,cntration oder
d,!kch die fortschreitende Kartcllierung zu
PriLatmsnopobn gewordenen Industrie'
iWitf in den Staatsbetrieb zu uberneh
wen, als CtaatZmonopolismus. Staats
fozislismu. Staatskapitalismus u. s. w.
; vspoUch so hat sich in den letzten Wo
itm ein geradezu beängstigender Mono
; polisicrungSeistr herausgebildet in Be
weis dafür, wie schnell Stimmungen und
: . .41.1 n . . ... fcM..4,s.f. . 11.
uiuDimin ivui)cui utuKinjui. in
roch im August und September viel er
mmt Frage: .Wie leiten wir die
Kriegstvirtschaft in die Jriedenswirt
t s,t,aft. iiberZ" wird fast völlig beiseite
- eschoben. das Ucbergangswirtschafts
pc?blnn.,a abgetan betrachtet und da
I für die möglichst schnelle Ueberfuhrru!
, aller GroKbetriebe. der industriellen, wie
M kommerziellen, in den Staatsbcich
v,clangt. oij ohne jede Rücksichtnahme
au? ihre Bcsassenheit und ihre Ber-
NWiung mit dem wirtschaftlichen Ge
szmtgetriebe und zwar wird unter der
sogenannten .Sozialisierung- nicht eine
?c!zrütwcüe. allmähliche JndeflgnK.hme
dcr Betriebs eine Aufeinanderfolge or
oas.'.satorisch technischer VerwaltungZ
maßnahmen verstanden, sondern ange
nommen. durch einfache Staatsdekrete
ettr Nechtsdcklarationm liehe sich kurz
weg die kapitalistische GesellschaftZfor-
niauon in eme sozialistische umgestalten,
das heißt nach Belieben ließe sich die
Wins!baft5?chk Lebensfunktion der Ge
fcllichcft ändern. Ter alte Dekreten
. glaube der Konventsmänner der französi
scheu Revolution,, der vermeinte, durch
ftaailiche "Gesetzgebungsakte das gesell
schaftlich Leben in jede gewünschte Form
pressen zu können, ist wieder in alter
Glorie entstanden. Daß der Sezialis
mus eine höhere Form wirtschaftlicher
Organisation, eine höhere Wirtschafts
erdnung ist. die sich nur unter bestimm
t:n entwicklungsgeschichtlich gegebenen
Bedingungen durchzusetzen vermag,
scheint fast vergessen zu fein.
In feiner Kritik des Gothacr Pro
MmmentWurfs erklärt Karl Marx, daß
wen die deutsche Arbeiterklasse jenen
Pzzqrammsatz annehme, der, statt die
besteyende Gesellschaft als Grundlage des
öcstchende Staates zu behandeln, den
Staat vielmehr . als ein selbständiges
Wesen- ansehe, sie dadurch nur beweise,'
daß ihr die sozialistischen Ideen nicht
einmal kmuttief" säßen;. Wie würde er
in seiner satirischen Verbheit erst gefpot
iü haben, wenn z hätte sehen müssen,
irie heut nach hr als vierzig Jahren
m' Entwicklung von sogenannten
arriftm nicht nur , der Staat als-.ein
Z'lliädiges W?ftn", sondern dinL glö
kiindlage dc Gesellschaft betrachtet
und deshalb die Staatsordnung, nicht als
bedingt durch die SefcllfchastsordnLNg.
sondern schlankweg die GefellschastZord'
nung als bedingt durch die CtaatZord
nu!7z aufgefaßt, wird.
Trotz del einst so beliebten o6.i:5
über den -EtaatssszialiSmuS habe ich
stets die Ansicht vertreten, daß, soweit
ocr kapitalistiZche Betrieb monopolreis ist,
er in den, Staatsbetrieb überfuhrt wer
den ,iuß. Schon im ersten Kriezziahr
habe ,ch ans Ne durch den Krieg herbei.
Msührte wirtschaftliche Konzentration
ud Verfchmelzungsbewegung hingewie
hi uö als Folge dieser Entwicklung wie
der sich voraussichtlich nach Kriegsende
ersiiZpeuenvtn Jmanzisge vie Rvtwen
digkcik der Ueberführung bestimmter In
duftrieMkiae in den Staatsbetrieb be
tont, zum Schluß meiner 1916 geschrie
;?r.en Abhandlung über die Kartellmono
pole) heißt es: ,
Die Frage lautet schon heute richt
nvhr: .Sind Siaatsmonopole er-wünschtZ-
sondern: Welche Industrie
der Handelszweige eignen sich am be
sten zur Umwandlung in Reichsbetriebe.
uno wie wird je nach, der Eigenart die
fer Betriebe unter Berücksichtigung der
neq:benen Finanzlage des Staates die
Aconspolisierung zum Nutzen der deut
scheu Volksmasse am besten durchge
Still" Ganz zweifellos abn ist. daß
stch zur Ueberführung in den Eigenbe
rub des Staates vor allem jene Jndu
nriezweiae eignen, in denen die Kartel
lierunq sowie die Betriebs und Kapital-.':.-z?nt:at'on
am weitesten gediehen ist,
und die andererseits am weitesten auf
dein ZLeze der Monopolisierung der un
k'-.'b'hrlichen Lebensmittel oder der
v loslösten industriellen Roh- und Hilft
s:cli: tcrqeschritten sind.
D:r Vocwurf, ein Gegner der Äer
fD'l'chunq kapitalistischer Großbetriebe
- l t !", kann mich olss am wenigsten
trenen; sser wenn ich mir heule so
Verstsstlichungsplane und ihre
;:anii;ng ansehe, ttirs mir schirinde
I:g. 1-uQl soll nicht alles verstaatlicht
tz tyn Nach mancher Ansicht soper
: i ü t den kleinen Kramladen hinaus
, '.r.. Ladengeschäfte. Und wie
'd di'se croernng begründet? Veist
' 1 de Ji'"!nii der Betriebsverhäll
, LkiensbkdmcMNgen der zu
," a "i:lTitn UnrnehmungZgrup
r ' r t ir,'tisiun und ihres Ausam
""'s n'.i dem fszialwirtschaft
t ' t "cchiilrnui.
.. viele die VerstaetlichunzZ
' :,. i-v' 'tn, tüat sefcon des Den
, , j Glichen Vorstellunaen und
: -rr, tn .brauch ganz falscher Be
r . 'i'e fichr.unsfn. Auch bei
; rr ; . Za wird von einer Sozis
' . -'. t" r i , lelllchnft gesvrochen. ?sa.
.- . t -.i . t f.
jü i' i 4 vui - m.. v -jy rt
. t C- .frischest. Und tres ist
8n q -vN"?. ttrt
t t t Äunov. Clt
,, : i. ,;f .:jTf). ; rl i. ' i'i'li CM
-5 rr!i3 i'.'ll. XciiXt Hl
r, 1 tJl ',
Von Xjemrtd Cunsw.
darunter zu verstehen? Dann wieder
heißt es: Nationalisierung der Groß
betriebe. Ein .Ausdruck, der auZ Eng
land und Frankreich stammt, wo meist
der Begriff der Nation mit dem des
Staates, respektive der Staatsgemein
schast. identifiziert wird. Versteht man
aber unter Naiion eine Sprachgeinein
schaft. eine durch bestimmte historische
Schicksale oder Eigenschasten verbundene
lilturgcmeinschaft, eine ethnischhisto
rische Ebaritergemeinschaft oder wie
sonst die Erklärungen lauten mögen, so
ist das Wort Nationalisierung sinnlos,
denn die Nation als solche hat gar keine
Bcrwaltungs- und Regierungsorgane.
die Betriebe übernehmen und leiten
löiintcn. Die Organe, die das können,
sind Staatsorgane. Ebenso unrichtig
ist wenigstens vom marxistischen
Standpunkt aus der Gebrauch des
Wortes Sozialisierung. Marx unter
scheidet zwei Arten der Sozialisierung.
Die erste besteht in der Entwicklung des
individuellen Kleinbetriebs zum gesell
schastlichen. das heißt kooperativen Be
trieb, zur .gesellsch-astlichen Produktion'.
wic sie sich schon in der kapitalistischen
Geiclllchaft rollzieht oder, wie Marx
sich ausdrückt, in der Verwandlung der
woivivuellen und zersplitterten Produk-
rionsmittel in gesellschaftlich konzen
trierte. daher des zwerghaftcn Eigentums
vieler in das massenhafte Eiaentmn we
Niger"; die zweite besteht in dem Ueber-
gang der Produktionsmittel in gesell
schastlichen VchiX der aber mit ihrer
NeberfübrMa in CtacitÄigentuin durch
aus nichk identisch ist. Die Vergesell
schaftung folgt vielmehr erst später der
Verstaatlichung. Zunächst werden die
Produktionsmittel nach Mari-Enaels-
scher Auffassung Staatseigentum. Aber
damit verliert der Staat mehr und mehr
leine politischen Funktionen und seine
Bedeutung. Er wird eine Verwaltungs
rrganifatwir. An die Stelle der frühe
ren. Regierungsfunktionen tritt die Lei
tlmg .des Produktionsprozesses. Der
politische Staat stirbt ad; er löst sich, wie
man lageu tann m die Gesellschaft auf,
und damit wird nun auch das Staats
eigentunr zum GesellscbaftseZgenwm. die
Äerztekettlichirng zur Wergesellschaftunc,.
Diese Art der Lergesellschaftung ist aber
durchaus nicht gemeint, wenn heute von
Sozialisicrung gesprochen wird, sondern
oer ue vergang ra Ktaaisde ik. Ware
der Uebergang der Produktionsbekriebe
t. den ÄefiI von freien Wnk,chzfiLver-
einiauzgen, Produktiöassoziationcn, &t
roert) chartert . s. w. geplant, so könnte
man im Marxscheu Sinne von einer So
zialisierung sprechen: aber hie Besitzer-
areimna der Betriebe durch den Staat
ist .Berztaatlichung. ihre Besikcrgreifuna
durch d:e Gemeinde Kommunalisikrung,
oziauuerung.
Doch diese und andere Begriffsver,
wechslungen erscheinen als unbeträchtlich
neben dei ' Ignorierung der Marxschen
Gruudthese. daß ,eme GesellschaftKsorm
Nie untergeht, bevor alle Provuktions
kräfte entwickelt sind, für die sie weit ge
nug ist-, und neue höhere Produktion
Verhältnisse (daS heißt sozialw'rrtfchaft
liche Beziehungen zwischen den Gesell
fchaftSmitgIiedcrn nie s die Stelle der
alten treten, .bevor die materiellen E
stenzbedlngungen derselben im Schoße
der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet
worden sind. . Die Frage, inwieweit
durch die bisherige Entwicklung bereits
die Vorbedingungen für den Ueberqang
eines,, nsustrikzwelgz oder einer Be
triebskategorie i den Statsbesitz .ausge-brütet-
worden sind, wird meist gar nicht
gestellt. Die Tatsache, daß die betreffen
den Unternehmungen Großbetriebe sind
und eine gewisse Betriebskonzentration
stattgefunden hat, genügt, wenn nicht
überhaupt diese Frage ganz beiscitege
schoben und statt ihrer ethische Erwägun
gen, fiskalische Betrachtungen szum Bei
spiel die Erwägung, aus welchen Be
trieben der Staat Wohl am meisten Ein
nähme herausziehen kösnte) oder politi
sche Rücksichten (zum Beispiel die Er
wägung, wodurch der Einfluß bestimm
ter reaktionärer Schichten am besten ge
brachen werden könnte) als ausschlag
gebend in den Vordergrund gerückt wer
den. Das Vorbild, das einzelnen bei ihren
Verstaatlichungeplänen vorschwebt, ist.
wie sich bei näherem Eingehen auf diese
ergibt das Bersahnn der bolsckewisti-
scben Regierung. Gerade diese Spuren
muffen aber jeden Wirtschaftspofitiker
schrecken. Denn was durch jene Enteig
nungspolitik erreicht ist. itl- nicht organi
sche Ueberleilung der kapitalistischen
Vroduktion in eine sozialistische, die
Grundlegung und der Aufbau einer
neuen Wirtschaftsorganisation, sonder
lediglich die Zerrüttung des Kapitalis
mus eine Störung seiner wirtschaft
liche Funktionen und damit zugleich die
Heraufbcschwörung eines allgemeinen
Notstandes und einer steigenden, grancn
yasken Arvkitölostgieit.
Ter Uebergang bestimmter Kateao
rieu von Großbetrieben in Staatsbesitz
ist erforderlich, schon aus staatsfinan
ziellen und fiskalischen Gründ:n: aber
er ist nur so weit möglich, als die bis
herige Entwicklung dafür bereits die
nötigen organisatorische l Vorbedingun
gen elrescrt hat. das he,ft soweit sie
bereits eine hochgradige Betriebskonzen
tration erzogt, die Produktionsleitung
von dem Eigentum an den Produktions
Mitteln getrennt, , technisch zusammen
gehörige Betriebe zum methodischen Zu
lammknardelttg vereinigt, eine uraf
Kartcllierung rder Syndizierung her-
vorgeoraTl un? vamit in dem btres
senden Industriezweig schon ein festes
Privatmonopol geschaffen hat. Und
selbst unter diesen Bedingungen kann
die Berstsatlichung ur unter Berück
sichtigung des funktionellen Zusammen
tanzet der ktresfenden Betriebegruppe
mit der wirtschaftlichen Siesamtoraam-
sakio erfolgen; denn der kontinuierliche
ge?ell!chsttliche . Wirtschz'tsproß' .arf
titi sMt, dir Produktion nicht in?
Stocken bracht ?i?n. Er xnz Kan
es sich nicht nk um Auftechterhal
tung des inneren Gciriebcs. sondern es,
muß auch Bedacht darauf genommen
werden, daß nicht der Wiederaufbau des
drachgelcgtcn Wirtschaftslebens und die
Wiedergewinnung der früheren Stellung
Deutschlands innerhalb der intcrnaiio
nalcn Wirtschastsverzweigung gehindert
wird. Auf der Höbe der heutigen Ent
wicklung ist für einen Industriestaat, wie '
es Teutlchland seit dem Kriege von
187071 geworden ist, die Abschließung
vom Weltmarkt, die Herstellung eines
.geschlossenen Handelssiaates'. ganz un
möglich, und jedes solcher Experimente
müßte aus innerer Notwendigkeit mit
einem Zufammenbruch enden. Mit an
deren Wortcne es dürfen nur solche Ber
staailichungsmaßnalzmen vorgenommen
'wcrcdn. die sich organisch in die Maß
nahmen zur Wiederausrichtung des
Wirtschaftszetrikbes einfügen.
Das Wichtigste ist heute, wie d'aZ
schon Ellingcr in der Neuen Zeit" her
vorgehoben hat, die Steigerung der Pro
duktivität, die Vermehrung der Güter
erzeugung unter Einsatz möglichst gcrin
er Produktivkräfte, der Maschinerie u.
s. w. Nur durch gesteigerte Gütcrcrzeu
gung kann Teutschland heute seine Fi
nanzlage bessern, fein: finanziellen Ber
Pachtungen gegen das Ausland ersü!
len, seinen Zinsendienst begleichen, die
aus dem Ausland bezogenen Waren be
zahlen, die Geldentwertung 'rückgängig
machen und das Wichtigste die Le
benshaltung . der großen Produktivität
muß daher, auch in erster Linie den Um
fang und, bie Formen 'der Betriebsde!
ftaatlichllngcn bestimmen.
' Deshalb können meines Erachtens
auch nur solche Betriebsgruppen für die
Verstaatlichung in Betracht kommen, in
denen eine gewisse Stabilität der Ver
hältnisse und eine gewisse Ertragssicher
heit gegeben ist, nicht Kategorien, die
durch den Krieg ihre alte Fundermente
verloren, deren Arbeitsmethoden in einer
völligen Umwälzung begriffen, deren
Beziehungen zu anderen Wirtschafte
Zweigen gebrochen sind, die also in
folge . des Krieges vor einer völlige
Nzufundierung und Neuorientierung sie
hen und deren Tendenzen und Grenzen
sich deshalb noch kaum erkennen lassen.
Eine Verstaatlichung der Seeschiffahrt,
die hrute so vielfach empfohlen wird,
wäre zum Beispiel nach meiner Ansicht
ein recht gefährliches Ezperimknt.
Am ersten kommen ür den Ueöergang
in Staatsbesitz jene großindusiricllen
Betriebszweig: in Betracht, die b?reits
zu straff.' kartellierten kapitalistischen
9Rrih!f?rlrtsmnTn rtutr.nrhan lirtb nK,v Vi,
....t.tt.vtbii uii.ui.kli pilV Vt.l Vl
bereits, ausschließlich oder jn der Haupt
sache für deT Siaatsbedarf. arbei:???.
und zwar sind auch hie Privatmonopole
wieder danach zu unterscheiden, znwik
weit sie einfache WassenartUel.sür eine
bestimmten gesicherten Bedarf erzeugen
oder verschiedenartige Epezialartikel für .
einen schwankenden Martt, vielleicht für
fremd; wechselnde Ervortrnärkte. ob die
Produktion bereits eine ewisss Gleich-
förmigkeit und Einheitlichkeit' er?angt
hat. ob völlig gleichartige Produkte, also
zum Beispiel bestimmte unentbehrliche
Roh- und Halbstoffe hergestellt werden
oder leicht wechselnde und vergängliche, j
der Mode unterworfene Artikel. Am
besten zur Verstaatlichung eignen sich
demnach beispielsweise die Rüstungsin
dustrien. die von staatlichen Aufträ-
gen lebenden Betriebsgruppen (wie
Eisenbahnwagenbauereien. LokomoZiv-
fabriken, Schienenwalzwerken u. f. w.Z.
Die gronen oh tos ,vnd,Iate wie das
Kohlen- und das Roheisensyndikak.. oder
jene Industriezweige, in denen die Ver
schmelzung so weit fortgeschritten ist. daß
nur noch wenige fusionierte Betriebe von
hoher Rentabilität vorhanden sind, die
den Markt völlig beherrschen, wie der
Farbwarenkonzern.
Aber selbst die Ueberführung solcher
Industrien in Staatsbesid kann nickt in
Bausch und Bogen nach einem vorher
festgestellten Schema erfolgen. Es ist
deshalb anzuerkennen, daß die jetzige
Reichsregierung eine Sachverständigen
kommission zusammenberufen bat. die
erwägen soll, welche Betriebsgruppe sich
am besten zur ' Verstaatlichung eignen
und wie diese durchzuführen ist nur
haben in dieser Kommission meiner An
ficht nach vorläufig noch die Volkswirt-
schaftlichen und sozialpolitischen Theo-
retiker ein z" großes Uebergewicht; nötig
Ware, daß noch einige hervorragende
Betriebsfachleute, sowie auch Vertreter
der genossenschaftlichen Produktion und
des genossenschaftlichen VertriebeSi wie
zum Beispiel der Hamburger Produk
tion" und der Großeinkaufsgesellschaft.
hinzugezogen würden.
Nehmen wir als Beispiel kur die Ver
staatlichung den Kohlenbabau. einen
Industriezweig, der wohl nach allgemei
ner Ansicht am reifsten für die Enteig
nung ist. Hier ergibt sich sofort "die po
litische Vorfrage: Wer soll Besitz?,.
Kohlengruben werden: das Reich, die
einzelnen Bundüstastcn, in deren Ge
biet die Gruben liegen, oder auch die
einzelnen Provinzen oder Bezirke? Und
wenn die Gruben in den Besitz der ein-
zelnen Bundesstaaten übergehen, wie
we,t soll ihr Besitz- oder Verfügungs
recht reichen? Sollen sie berechtigt sein.
einem ankxreil ZLundeiltaat die an-
spruchien Lieftrungn zu verweigern oder
zu verkürzen, dessen Industrie durch
ty.TfiTiZ itTTrt &Y9fnfiT&ntinnn V
Transporterschwerumzen zu bermchteili
gen? Soll das Reich eine Obereigen
n' Mll WitVtVV4kMllUtiVt) WV
tumsrecht oder oberes Lcrfügungsrecht
haben? Soll das Reich eine obere Kon-
troll oder Reairlieruninstanr' bilden.
oder soll ur der Besitz den einzelnen
Bundekstaaten bleiben, der Vertrieb aber
ganz oder zum Teil dom Reich, vielleicht
durch eine Reich-vertriebs- oder Reichs
Handelsgesellschaft übernommen werden?
Eine e.ar.ze Reihe Fragen, deren Beant-
irvnung von der Ordnung der pohh
sck'g Beziehungen deö Reiches zu den i
Bndeistaaie abhärzZ, die daher auch
nur m .!uksVir.ekar. mit den TZrss'n
der tinzelstaottiche ScltstLrdigk'it und
e.cstreiiraitllrg gelcst werd: tonnen.
Und weiter: Sollen die einzelnen Ze
chenbcttieb? in ftaatlicke Nenie iibernmn,
wen vielleicht unter Belaifuna der
bisherigen Direktoren und Betriebsleiter
auf ihren Posten oder soll die Syn
ditalsversaffunz bestehen bleiben und
nur neuen Zwecken angepaßt werden?
uno wie wllen die bisherigen Besitzrechte
abgelöst werden, nach'welchen Wertmaß
stäben und in welcher Weise? Sollen die.
iüilien,itzer Nentcutiteb erhallen, ver.
zinsliche oder unverzinslicbe,. und wie
Iuen v!k,e vefchnssrn sein? Oder soll
nach Festjekuna des Wertes der Anlo
gen, der meines Eraaitens weder nach
oem ziurswttt der Akti,m noch nach dem
Buchwert erfolgen kann, eine Verstaat
lichungsanleihe aufgenommen werden
und der Aktionär nach Abzug einer be
stimmten Vermögensabgabe Schuld
scheine, auf bestimmte Termine lautend.
ausgefolgt erhalten? Sollen diese
Schuldscheine ihm ganz oder nur teil,
weise' ausgeliefert werden, oder sollen
damit eine Ueberflutung des Marktes
mit wichen' (scheinen verhindert wird
und sich nicht in anderer Form der As
signatenharidel der großen französischen
Revolution wiederholt, die Schuldschein?
vom Staat behalten, amtlich deponiert
uno dem Eigentumer nur zu bestimmten
Fälligkeitstermine ausgeliefert werden?
Wie weit soll ftrner diesem Eigentümer
das Rccbt der lleberiraauna seines Be
sitzcs auf andere durch Umschreibung
oder durch Bcrerbung zustehen?
Dieses Verfahren wäre j,'doch nur eine
oer verschiedenen u.'coglich?eiten der Be
sitzablösung. Es können auch borläufia
die Aktieninhaber im Besitz ihrer Aktien.
verbleiben. Ter Staat kann sich zunacbst
darauf beschranken, das als Akiiengesell
schaft gegründete Kohlensyndikat r
banden sind 8000 auf Namen lautende
Aktie!, if it.mO- miati). die Verkaufs
Organisation, der Zechen, zu übernehmen.
derart, daß er das heutige Neckt des Bei
rats lZ:cl?enausschusses. die Richt- und
VerkkchnukigZpreise festzusetzen, und
ebenso das Recht der Beteiligungsziffer
kommission, über die Produktions- und
Absatzbeschiinkungen sowie die Höhe der
Beteiligung (der Anteile der einzelnen
Zechen an der Gesamtproduktion) zu
entscheiden, einschränkt oder ganz aus
hebt, sich selbst die Festsetzung der Preise
und bei Produltionsquantcn vorbehält
und nur den Vertrieb der ihm von den
Zechen zu bestimmten Erzeugungspreisc
abzuliefernden Förderungsmengen über
nimmt, vielleicht durch staatliche Koh-lenhandels-
oder Vcrtriebsgescllschaftcn,
deren Eewinne ihm zufallen. Die Ze
chen könnten also in bisheriger, Weise
weiterarbeiten, nur daß nicht mehr das
bisherige Kohlensynditat. sondern die
staatliche Syndikatsverwaltunz die Pro
duklionszifftrn und die Produktions
preise ststsctzt und der Gesamtveririeb
der erzeugten Mengen durch die Hand
des Staats beziehungsweise der von ihm
errichteten BeriribSämker geht. Dabei
kann wieder der ttleinvertauf zu be
stimmten Preisen staatlich konzesiwnier
ten Kleinhändlern oder Konsumgenossen
schafte überwiesen werden, oder auch
den Gemeinden oder Eemeindeverbändcg
die Berpslichtung zur Errichtung kom
munaler Kohlenhandelsiiellen bezie
hungswcise iommunskcr Kkemvertriebs-
ämter auferlegt werben '
Das sind nur einige der Wonopolisie-
rungsmöglichkeiien und der sofort auf
tauchenden Frage... ' Und jede dieser
Fragen schließt wieder -eine ganze Reihe
anderer in sich. Dabei ist unzweifelhaft
der Kohlenbergbau nter allen Jndu
rikzweigen am nisnen kur die er-
staatlichung. deshalb diese am leichtesten
durchzuführen. Schon- ein flüchtiger
Blick aus int Betriebs- nd Adsatzver
höltirisse anderer Industrien zeigt, daß
sich bei einer Verstaatlichung dieser noch
ganz andere Möglichkeiten lind Schwie
rigkcüen ergeben. Alle diese Fragen
aber müssen berücksichtigt und sorgfältig
erwogen werden im einzelnen, nicht
schemaiisch. Das Verfahren nach rus-sisch-iolschewiftifchem
Rezept wäre zu
gleich das russische Chaos. Welche Folge
hätte nicht zum Beispiel eine Stockung
der Kohlenproduktion für die gesamte
Warenerzeugung, für das Transport
wesen und darüber hinaus für unsere
ganzen Handesbeziehungen zum Aus
lande; denn die Kohle wird in den nach
sten Jahren, wie das schon während der
Kriegszcit zum Teil der Fall gewesen
ist. einer unserer wichtigsten Exportarti
kel sein, dessen Ausfuhr wir nicht durch
verkehrte Experimente hindern dürfen,
wenn wir den Tiefstand unserer Valuta
heben, Lebensmittel- und Rohstoffe ins
deutsche Land hinein haben wollen. Mit
fertigen Erpropriationrezepten und re
folutionen ist nichts zu machen.
TaS Räsnnikrrn der Untertanen.
Eine sachsen-weimarische Regierungs
Verordnung aus dem Jahre 1738 sagt:
Das Räsonieren der Untertanen w'rd
mit ein halb Jahr Zuchthaus bestraft
und habm die Beamten solches anzuzei
gen. Maßen das von Uns und nicht
von den Bauern abhüngt.-
Hiindrrt Jahre spüln , besagte eine
Preußische Regierungeverosdnung: .Es
ist versazk, die Handlungen der Regie
rung an den Maßstab des Heschräntten
Untk.rtanenvers!andeS zu legen.-
AuS diesen Beispielen, die sich l:!cht
vermehren ließen, kann man ersehen, wie
sich die Zeitöerhältnisse inzwischen ge
wandelt haben.
Ans einer Kritik. '
.Als sich der Vorhang zum drittenmal
heb. geriet irrtümlich ein Theaterarbeiter
auf die Bühne die einzige lebenswahre
Gestalt, die wir diesen Abend zu sehen
dkk!Z
Reife Splitter.
.Bubi, wenn Xu noch einmal nnce
zogen bist und ineinen MiÜaiMchlof
störst, kriegst Tu keinen EuZelhupf:'
7I(, warte, Warna, wenn st
d'r
Giig!lhupf alle ist:-
- Tnkbrk?ir.
. : reine ,tat von unlart wund.
Mb dick mit Txate and Harke efinifc.
ETn Ttückch'N Erde, init Sii'fe bestellt.
Deweift dir immer, keß Tont in der
IsilL
cSiii Monist im cSis.
Es' rappelte mehr und mehr im Kops
Kustavs IV.; die Schweden konnte ihn
nicht länger mehr schalten lassen und so
stellten sie ihm den Tron vor. die Zllr.
Er aber dachte gar nicht daran, die ent
fallene Krone wieder aufzulesen, verzich
tete auf jegliches Konspirieren und lehnte
die ihm geboiene Absindungsumme
trotzig ab. um fortan als armer .Oberst
Gustavson- verschieden,, Länder zu durch
streifen, bald hier, bald dort auftauchend
nd verschwindend. Im Iah 182ti be
suchte er einmal den schwäbischen Dichter
und Geisterseher Juftinius Kerner zu
Weinsberg. Kerners Sohn Theobald.
damals ein zehnjähriger Knabe, erzählt
darüber: .Es trat ein schlanker, blonder,
etwas gebeugter Herr, dos lederne Ränz,
chen auf dem Rücken, den Stechpalmen
stock in der Hand, bei uns ein und stellte
sich meinem Vater mit den Worten vor:
.Ich war, einst Gustav IV.. König von
Schweden, durchirre als Oberst Gustav
son wie Ahasver die Welt und möchte
kurze Rast bei Ihnen halten.- Er aß
mit uns zu Mittag, äußerte sich bitter
über das ihm . gewordene Unrecht und
fügte dang hinzu: .Gleichwohl habe ich
jetzt, befreit von der Etikette und falschen
Höflingen, oft sa glücklicht. Stunden, wie
ich sie nie als Herrscher genoß. Er
sprach viel über Magnetismus und zeigte i
sich in der mystischen Literatur sehr be
lesen. Nach Tische grisf er wieder zu
Ränzel und Stock, um nach Heilbronn
weiter zu pilgern. Die Beiden küßten
sich zum Abschied innig und dann ging
jeder feines Weges. Offenbar fühlte sich
der irrende Ritter am wohnten in der
Schweiz. Er nahm erst in Basel länge-
01 Quartier, kaufte ein Haus, bewarb
sich 1813 um das Burgerrecht, und ein
stimmig wurde ihm dieses vom Rat er
teilt. Wieder m den , Saal berufen, um
das Ergebnis der Abstimmung zu, der
nehmen, sprach er musterhaft kurz: .Ge
boren und erzogen inmitten kines freien
und selbständigen Volkes, weiß ich das
Zutrauen zu schätzen, das Sie mir er
wiesen: ich danke Ihnen. Warum er
die Rheinstadt bald verließ? Er hielt
sich närrischer Weise für einen Feldherrn
erst Größe, soll auch geräumt haben,
Befehlshaber der Basler Truppen zu
werden und aus Aerger, daß daraus
nichts werden konnte, fortgezogen sein;
nach einem anderen Gerüchte vertrieb
ihn ein .bißchen Liebe'. Er kam wieder
und ruckte wieder ab, um an einem
Herbstabend des Jahns 1833 seine letzte
Ledensstation zu betreten: das saubere.
behaglifte Gasthaus zum .Rößli- in St.
Gallen; geführt war tl von einer Fa
milie Nä'f. Da fühl!, er sich wohl, die
Kinder bereiteten ihm viel Freude, er
spielte mit ihnen, unterwies sie wohl
auch in höfischen Formen. Bismarck
schrieb bdanntlich einmal, er habe eine
ganze Nacht durch gehetzt. Ter Oberst
Gustavson verbrachte eine bedeutende
Spanne Zeit mit der gleichen Arbeit
und sein Haß galt vornehmlich Napoleon
und den Franzosen. Er verfaßte eine
Menge Streitschnsten und Journalarti
kel, konfuses Zeug, daS nie!ns las,
und ein pensionierter greiser Schulehrer
diente ,hm als Sekretär, dessen Feder den
Diktaten ft kaum zu folgen vermochte.
Und in sternhellen Nächten, deklamierte
der Entironte oft feierlich in schwedischer1
Sprache am offenen Fenster ins Grüne
hinaus. Von Kindern und Gattin lebte
er getrennt. Letztere hatte ihren Aufent-
halt in Lausanne und auf der Durchreise
klopfte sie mehrmals bei ihm an: doch
niemals erlangte sie Einlaß, wie er denn
jeglichen Verkehr mit der Verwandtschaft
aufS strengste mied. Bedürfte' eS eines
Einkaufs, wandte er sich stets an die
dienstfertige Frau Näf, die. sich under
weilt mit ihm nach dem Laden begab
und für reduzierte Preise sorgte; der
Karlsruher Hof beglich dann geräuschlos
die Differenz; er aber als rüstiger
Knicker zeigte sich ganz entzückt, daß in
der Schweiz alles so billig zu haben sei.
Hatte er anfangs an der.Table d'höle
gespeist, veranlaßten ihn gewisse Jndis
kretionen, daS Mahl i? noch auf seiner
stillen Bude einzunehmen. So verein
famte er völlig in feinem freiwilligen
Ezil, und als der Dreiundfünfzigjährige
schon .vor dem Tod den Toten gleich
sich zum Kleiden hinlegte, ward
ihm nicht manche Träne nachgeweint.
Auch die Presse strengte sich nicht an in
der Schilderung seines Hinfchieds; der
.St. Galler Erzähler' hatte zirka drei
ßig Zeilen dafür übrig und andere
Schweizerblätier schwiegen sich völlig
auS, Man balsamierte die Leiche ein
und transportierte sie nächtlicherweise
beim Fackelschein nach der Magnus
kirche. Während des feierlicheil Zuges
leuchteten am bleichen Himmel erst ein
Heer von Sternen, dann rötete sich der
Horizont und vor den erstaunten Äi
lugen
zog ein schönes Mondlicht auf.
Ein glücklicher Gatte.
Kommerziellst (soeben geadelt, in'l
Zimmer stürzend): Denk' dir, Rosalie
A h n s r a u bist -de geworden!'
Toppelsinnig.
Gustav: .Sehr verdächtig, mein Lie.
bei! Tu Verkehrs! ja ausfallend oft mit
Fräulein M i!'
Franz: .D durchaus nicht anhaltend!-
.
tät' mir leid.
Tatz Alles dagewesen aus der Erde,
Hat meine Stimmung nie getrübt.
Tch dächte ich, daß Alles wieder
kehrte.
Was ikutzntas' eS auf der Erde ibl,
Womit wir groß oft tun nd stolz
nicht minder
TaS tät' mir leid für unsre jiindeS
Binder.
, Kennzeichen.
A.: .Mir scheint, der Huber hat sich
B.:' .Warum?'
A.: Nun, w::l er jetzt immer fo cr.n
herumlauft: - .
Will jilliW ZjiUlll!illckeilili1.'
Aon N a y Bevkkidgk
Spartakus der Freund von Rosa
Luxemburg.'
.Ja. hier ist Mb Beveridge.'
.Mein. Aater sagt mir, Sie möchten
gern mit Frau Luxemburg zusammen
kommen würde ti Ihnen morgen
früh passen? ja darf ich heute
abend zu Ihnen kommen, um die Ab
machungen mit Ihnen zu vereinbaren?'
Dieses Gespräch fand an dem Tage
statt, wo Spartakus sich des offiziellen
sozialdemokratischen ZeitungsorganeS
bemächtigt halte. Ich faß abends ge
rade beim Essen, als die Klingel er
tönte. Marie, mein hübsches blondes
Mädchen vom Lande ging zur Türe
ich hörte eine männliche Stimme und
dann ein seltsames Schweigen. Ich
dächte, irgend etwas sei nicht in Ord
nuna. und ging ins Vorzimmer Ma
rie stand gegen einen Stuhl gelehnt, ihr
Gesicht war totenbleich in der Tür
stand ein großer, blonder Jüngling in
einer flechtsitzenden feldgrauen Uniform
mit allen äußeren Abzeichen der Spar
takisten.
Ich bin ein Spartakusmann und
komme von Frau Rosa Luxemburg mit
einer Botschaft für die ' Amerikanische
Dame.-
Marie zitterte. Ein Spartakist war
für sie das Sinnbild des Schreckens.
.Es ist gut, Marie. Sie können
gehen.' ) v
Ich wechselte einen Händedruck .mit
dem Knaben, bat ihn, seine Mütze ab
zllleg.cn und führte ihn in mein Bou
doir. Er zögerte ehe er sich auf einen
gelben Stuhl setzte.. .Sie müssen ent
schuldigen ober ich komme dom Kampf
Platz, ich war gerade da. wo eS am toll
sten herging - ich schwitzte wie ein
Bär und wie Sie sehen, habe ich
einen Faustschlag auf den Mund bckom
men. Ich wäre nicht so zu Ihnen ge
kommen, aber Vater ließ rklir sagen, daß
Sie unsere Führerin sprechen möchten
und ich komme, um Ihnen zu
sagen, daß sie Sie sehen möchte.'
Ich erklärte ihm, daß ich mich freute.
Frau Luxemburg kennen zu lernen, aber
.ich bit5e Sie, ihr zu sagen, daß ich
nicht eine ihrer Anhängerinnen bin
daß , ich bereits Camille HuysmanZ,
Axclrod, Branting und viele Anführer
der Internationalen Sozislistcn kennen
und schätzen gclern habe daß ich aber
weder Sozialistin noch Spartakistin bin
wirklich. Herr Eisner, ich liebte
Deutschland von Herzen unter dem alten
Regime ich liebte die Ordnung
die Ruhe und die Sicherheit.' - ' .
Ein Aufblitzen in OtioS Auge zeigte
mir. daß r.t Junge Sinn für Humor
hatte. Ich stellte mir vor, wie' sich die
Schlacht vergegenwärtigte, die er soeben
im .Vorwärts' durchgefochten hatte,
und der Kontrast amüsierte ihn. Ja
ich werde eS Frau Luxemburg sagen.'
.Nein, eS ist besser. Sie nehmen ihr
mein Buch "'über Deutschland mit, sie
wird dann selbst daraus er?'i''n, wie
ich über ihr Volk denke." '
,Jch gehe jetzt auf den Kampfplatz
zurück, sehe aber vorher noch unsere
Führerin.' '
.Nein, erst sollen Sie noch eine Tasse
echten Bohnenkaffee init mir trinken
dann haben Sie immer noch Ze,t genug,
zu kämpfen.'
Ich nahm den Knaben mit mir ins
Eßzimmer. Er schien sich in dem mit
einfachen alten holländischen Möbeln
eingerichteten Raum bald heimisch zu
fühlen. Wir tranken unseren Kasfee,
und er erzählte mir alles Mögliche. Tat
fachlich versuchte er es, mich zu bekeh
rin. und während er sprach, kam ein
Leuchten in seine Augen der Blick
des Fanatikers.
.Und glauben Sie, daß eS Ihnen ge
lingen wird, die jetzige Regierung zu
stürzen, Herr Eisner?- .
.Natürlich werden wir d3 e3 ist
nur die Frage von wenigen Tagen, dann
werden wir in Berlin und später in
Deutschland herrschen ober das ist
nichts die Welt ist rund und dreht
sich Sie können etwas derartig Rie
scnhaftcS wie unsere Bewegung nicht
aufhalten sie geht über den ganzen
Erdball. zuerst i ZlZußland jetzt
Teutschland dann Frankreich Jta
lien, England und auch Amerika.
Es ist alle! vorbereitet. Jn Italien hat
eS begonnen nichts kann un! zurück
halten. Wissen Sie, daß unsere Agen
ten überall arbeiten? Sehen Sie nicht,
daß wir überall Anhänger haben?
Ebenso wie unsere russischen Brüder Zn
Deutschland gearbeitet haben, f arbeiten
wir in allen Ländern."
.Aber wie?'
.Hier waren die KriegSgefangenea
sie befördern die Botschaften dann
sind die Heizer auf den Dampfern sie
stehe zu unS jedermann, der nicht!
hat, muß sehen, daß wir im Recht sind
DaS war feine Logik.
Aber Herr EiSner, glaube Sie wirk
lich, daß die deutsche Bürgerschaft
die deutschen Offiziere sich einfach ruhig
unterwerfen und Sie tun lassen werden,
wS Ihnen beliebt?-
Ter Ausdruck äußerster Verachtung
gl;!t über del Jüngling, ausdrucksvolles
Gesicht e tat mir weh. t'.t tfi mir
jemand einen Schlag versetzt hatte.
x i
im. ' Berliner Vottvartö". .. ,J
.Offiziere wo sind sie? Bürger,
schaft. waZ ist sie? Sie haben Anglt.
Jetzt steht daS Proletariat auf wir
haben das Volt wir haben die An
führer. Schauen Sie auf Lenin
schauen Sie auf Liebknecht und wo
gibt eS eine zweite Rosa LuxemburgZ-
Nehmen wir aber an, daß die Entente
nun Truppen hersendetr
.Truppen? Alle Truppen sind un
sere Brüder sie werden alle zu uns
übergehen. Wir wünschten, sie würden
Truppen hersenden, denn dann könnten
wir sie wenigstens lehren, daß die Welt
uns gehört.'
" .Haben Sie denn für Ihr Vaterland,
für Deutschland, gar nichts übrig?'
Dcutschland was geht mich
Deutschland an! Ich will weg von hier
ich will nach Amerika etwas tun
jemand fein.'
.Aber warum iun Sie nicht was Sie
tun wollen, gleich hier?'
.Wie kann ich? Ich habe niemals
studiert, ich habe kein Geld. aber wenn
wir gesiegt haben, wenn jeder einzelne
20,000 M. bekommt, dann kann ich
Schauspieler werden oder vielleicht
Schriflstcllcr. Sehen Sie wenn wir die
Welt erobert haben, dann kann jeder
von unö werden, was er will. Seche
Si; mich an, ich bin ein Spartakist. iBn
ich nicht gut angezogen? Ich kann Geld
haben, ich bckomme Nahrung und ich
bin ein freier Mann.'
.Wie alt sind Sie?'
.Am SonntagTAierde ich achtzehn.'
' .Aber Sie waren im Felde?"
Ja. ich bin auZgerückt, als ich fünf
zehn war. und wurde Soldat. ich
log ich sagte, daß ich alter fei. Nein,'
ich habe es nicht gern getan, cs macht
mir keine Freude zu kämpfen, und nach
dritthalb Jahren desertierte ich.'
.Warum?'
.Weil mein Leutnant mich einen
.Lausbuben' schimpfte daS hat mir
nicht gepaßt, ebenso auch nicht die Tiszi
plin. Es hat mir nicht gepaßt, zu
kämpfen, deshalb kniff ich aus.'
.Aber Sie kämpfen doch jetzt Sie
könnten doch tatsächlich heute nacht Ihren
Brudcr erschießen Ihr Bater erzählte
mir, daß er zu den Regierungstruppcn
gehört.'
.Erschießen ich in alle den Jah
ren, die ich an der Front war, habe ich
niemals .einen Menschen erschossen, und
ich werde auch hier keinen erschießen.
Ich nehme einfach mein Gewehr und
ziele recht hoch und niemand kann eZ
wetten. Ich will niemanden töten ich
will nur vou hier weg und mich in die
Höhe arbeiten.' ,
..Erzählen Bit u;ir doch, wieso S!i
Spartakist wurden.'
Jch habe keine Arbeit Lebcnsmit
tcl sind teuer ich ging in die verschie
denen Versammlungen, überall wurde
viel gesprochen, aber niemand bot mir
etwas an. Tann nahm mich ein Freund
mit. um Liebknecht reden zu hören. Er
erzählte unZ. daß die Welt rund sei,
i.i erzählte uns, daß olles unS gehört,
l?-nn wir die Welt erobern. Und dann,
'.ehen Sie, bot man mir Arbeit an. Ich
kann Geld verdienen, 10 25 M. täglich '
und guteZ Essen. Sie geben uns Was
sen, und jeder macht uns Platz. Sie
werden eZ morgen selbst sehen,, wenn ich
Sie mit zwanzig Bewaffneten abhole,
um Sir zu unserer Führerin zu brin
gen. Wir gehen durch die Straßen, Sie
werden sehen, waS eS bedeutet, ein Spar
tat ist zu sein niemand wird unS an
halten wir werden direkt durch die
RegierungZtruppen hindurchgehen .
man wird unS nicht aushalten wir
werden durch die ärgste Schießerei hin
durchgehen keiner unserer Leute wird
auf unZ schießen. Ja, ich kann Sie be
schützen, und dann, wenn Sie mit un
serer kleinen Anführerin gesprochen ha
ten werden werden Sie sich unZ an
schließen, Sie werden eine der Unsern
werden. Aber jetzt muß ich nach dem
.Vorwärts' zurück, denn heute nacht
wird eS schwere Kämpfe geben.'
ES war 11 Uhr. und wir hörten kn
der Ferne dumpfen Donner.
'Warum gehcn Sie nicht heim heute .
nacht? Sie find müde. Wenn Sie sich
heute nacht ausruhen, können Sie mor,
gen arbeiten außerdem ist Ihre Mut
ter krank und abgehetzt.'
Schließlich versprach er mir, nach
Hause zu. gehen und daß er mich am .
nächsten Tage anrufen würde.
Ja jener Nacht gingen die Regie
rungslruppen zum Angriff vor mehr
malS hörte ich schweres Schießen, und
ich war froh, daß mein junger Sparta
kusfreund zu Hause bei seiner Mutter"?
war. i t
Am nächsten Morgen um 10 Uhr lau-
tete mein Telephon.
.Hier ist Eisner die Schießerei, ist
ürchterlich ich kann heute nicht zu
Ihnen kommen unsere Führerin läßt
Sie bitten, noch einige Tage zu warten.-
.Aber bitte, denken Sie an Ihre
Mutter.'
Ja, Fräulein, ich bin veraanaene
Nacht zu Hause gewesen, sie war so froh,
mich zu sehen, aber jetzt muß ich g'hen
und kämpfen ich werde Sie in drei
Tagen abholen aus Wicderseh'n!'
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4,
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