Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 01, 1919, Image 3

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    Tügriqe Omaha TrliSne
.
V
om alten und
DaS Heine Weimar mit feinen 32,000
Einwohnern Versllgt übet tinei der schön
sten und überdies praktisch vollkommen
sten Thealer Deutschlands.
Seltsam feierlich und zugleich doch tief
wehmütig wurde mir umS Herz, als zum
ersten Male in diesem schönen HauZ wie
von unsichtbaren Usern hei die gewalti
gen Tonsluten der Orgel, mit strahlen
den Hörner und Posaunenchören der
mischt, daherbrausten. Es waren die
Tonfluten einer neuen lärmenden Zeit,
die das gute alte Weimar mit feinen
hochhcrrlichen und süiztraulichen Erinne
rungen unter sich begrub. Schlummert
kö nun da im Mätetjentraum, ein anoe
tei Bineta? Oder wiro es auch für Die
Zukunft ine glückselige Insel deoeuten,
an deren festen Usern vie gierigen Wellen
mit viel Settatel sich die Kopte einren
kicn und zu eitel Schaum zerschellen?
Als ich vor nunmehr dreißig Jahren
nach Beendigung ' weiner Studien in
JlmAthen mich nicdcrliefz, erschien mir
daö als etwas ganz Selbilverständliches
für einen jungen Menschen, der sich zu,
Poeten berufen glaubt. Freilich dürfte
ich mich mehr als andere junge Musen
söhne in Weimar heimatbercchtigt sllh
len, da die teuersten Erinnerungen niei
ner Familie mit der klassische Glanzzeit
aufs innigste vcrmoben smv. Waren doch
wein Großvater und mein Grofzoheim
'Mitfchüler Schillers auf der Karlsschule
und ihm sein Leben lang innig befreun
det gewesen. War doch der Groszoheim
Wilhelm später in Weimar Schillers
Schwager und Goethes Kollege im ge
Heime Rat geworden, mein Großvater
schon als junger Offizier Schillern bei
seinen Studien über den dreihigiährigen
Krieg und den Vorarbeiten zum Wallen
stein behilflich gewesen, nach de! Dichter?
Tode aber, als General. Bormund seiner
Kinder geworden. Außerdem lag unser
Familienbesitz im Großherzogtum, den
mein Großvater von der Familie v. Kalb
erworben hatte, angrenzend än das Be
schtum der Frau v. Heygendorf, wo Karl
August und Goethe so oft weilten. Aus
meiner frühesten Kindheit erinnerte ich
mich noch der Erzählung einer munteren
Greisin aus unserem Dorfe, die dabei ge
Wesen zu fein behauptete, wie der junge
Herzog, vondem nichtsnutzigen jungen
Herrn v. Goethe verführt, in unserem
Parke mit Pistolen geschossen hätten!
Was Wunder, wenn eS mich da mit
gar liebreich gewaltiger Lockung nach
dem alten glorreichen Musenfche zog.
Nicht nur so, wie man als junger Mensch
einmal einer verehrungswürdigen Ehren
tante der Familie einen Anstandsbesuch
abstattet, sondern wirklich auZ der festen
Ueberzeugung heraus, daß jenes fried
samt thüringische Städtchen auch heute
noch als die treue Pflegemutter alles
deutschen Idealismus, aller deutschen
Poetenl und hochstrcbenden Künstlermelt
überhaupt anzusehen sei. Und ich fand
damals der Enkel noch mehcere vor. Dcr
Legationsrat a. D. Wannci, v 'r
den ich als Zunger Student noch kennen
gelernt hatte, war zwar jüngst gestorben,
aber Walter v. Goethe hauste noch in
dem stattlichen Hause am Frauenplan,
in einsamer schrulliger Junggeselle, der
aber doch noch zuweilen bei Hofe er
schien und dort einmal im kleinsten
Kreise sogar eigene musikalische Kompost
tionen zum besten gab. Und der Enkel
Schillers, Ludwig Freiherr VZ Gleichen
Rußwurm, in der Kesichtsbildiing und
Körperlänge seinem Großvater sprechend
ähnlich, malte dort seine merkwürdig
grünen Landschaften, von den meisten
Kunstgenossen als ein malender Baron
über die Achsel angesehen, von einigen
wenigen aber damals bereits als ein mei
sterhafter Könner von großer Kraft und
persönlicher Anschauung erkannt. An dcr
Kunstschule hatten Böcklin. Genelli. Prel
kr, Gussow. Thedy gewirkt, und nun
mehr lebten und schufen dort vorbildlich
Tbeodor Hagen, Brendel, Linnig Vater
und Sohn. StruyS. Graf Kalckreuth der
Jüngere. Fritz v. SchenniS und eine
Menge andere, spater gleichfalls zu hoher
Anerkennung gelangte Maler. Regel
mäßig mit der warmen Frllhlingssonne
kehrte Liszt in seine Sommerresidenz an
der Hofgärtnere! sin und machte Wei
mar auf einige Monate zum Mittelpunkt
der fortschrittlichen Musikbewegung des
ganzen zivilisierten Europas. Dieser
wunderbare, gütige, temperament und
weisheitsvolle Greis, der seit dem Jahre
1822 eine Weltberühmtheit gewesen,
überall und nirgends daheim, vergöttert
wie kaum je ein Künstler vor ihm. hatte
sich das kleine Weimar auserwählt, um
ihm durch wahre Großtaten selbstlosester
Hingabe an daö Werk von ihm zuerst n
kannter genialer Begabungen den der
blichenen Glanz deS alten Ruhmes neu
zu vergolden. Er war es, der des ver
bannten Wagners .Lohengrin' nach
Ueberwindung zahlloser Schwierigkeiten
zum ersten Male in Deutschland in dem
einstigen dürftigen weimarischen Hofthea
terche'n aufführte. Er war es. der. allem
Gespött und noch größeren Widerwärtig
leiten zum Trotz, die erste und noch im
wer beste deutsche komische Oper neuen
Stils. "Peter Cornelius' Barbier von
Bagdad", hier auf die Bühne p'llte,
nichdem er vorher bereits dem großen
französisches Bahnbrecher einer neuen
Jnfttumentat!onskunst, Hektar Berlloz.
den gleichen Di-nst erwiesen. Zu meiner
Zeit waren ei die damals noch gänzlich
unbekannten jungen Russen und Tsche
chen. denen er seine starke Hand mit
aufmunterndem Lächeln entgegenstreckte.
Kammermusik und Lieder von Smetona
und Dvorak klangen, von Weimarschen
Künstlern aus dem Manuskript borge
tragen, zum ersten Male im Salon dcr
Frau V. M'stkndoiff. inr geistiq hockte,
deutenden Russin, eybßtm'n Prirjeffis
stktsckakoW, die neben ihrer ftimfibe
stsiflerunq noch s tW ecküe Freundschaft
und prami-rn Verstand iibrij, hatt?, um
dm arns-ir! fsrj'filn?i!t r'9 a-envf
lr. gu!Mvn'MM? Lisü M e
P''5 eitiigeimatf simmt7.zuhz!lcn
Erinnerungen von
und ihn vor allzu gröblicher Ausbeutung
zu schützen. Auch HanS v. Lülow sprach
ziemlich regelmäßig, wenigstens einmal
iir, Jahre, bei seinem EZschwiegervater
vor und erwies ihm bei der Gelegenheit
dann jedesmal einen Liebesdienst, zu dem
einzig nur er taugte, indem er die vielen
zudringlichen Talentlosigkeite, die der
langmütige Altmeister nicht loszuwerden
Wußte, durch seine göttliche Grobheit da
vonscheuchie. Freilich kamen die meisten
dieser lästigen Ueberflüssigen, die Bülo
zur Vordertrcppe herunterbefördert hatte,
sobald er den Rücken gelehrt, durch in
Hinterpförtchen wieder herauf. In einer
Ärgerlichen Aufwallung soll er einmal I
spateren Jahren den ÄbbS einen alten
Komödianten gescholten haben aber
man braucht dergleichen nicht tragisch zu
nehmen: cs gehört allerdings eine be
trächtliche Portion Komödiautentalent
dazu, um mit so wahrhaft königlicher
Würde, wie Liszt das verstand, die
Gottheit der Musik für ganz Europa zu
präsentieren. Wagner, der impetuose
kleine Sachse, verstand diese schwere
Kunst jedenfalls nicht nd wäre an den
vielen schwierigen diplomatischen Auf
gaben, vor die ihn daö Werk von Bay
rcuth stellte, oft genug kläglich gcschei
tert. wenn er nicht Frau Cosima zur
Seite gehab! hätte, die als ächte Tochter
Liszis jenes königliche Komödianten
talent geerbt hatte.' ,
Es sei mir gestattet, hier eine Schil
derung des Liszt'schen 5!reiseö einzu
fügen, die ich noch unter dem frischen
Eindruck des jüngst Erlebten verfaßte.
DaS heilige Originalpflafler, welches
einst Goethes und Schillers Füße tta
ien, hat im Lauft der Jahrzehnte wohl
einem profanen neuen Platz machen
müssen, aus welchem lein- Pegasus mehr
Hippokrenen hcrvorstampft. aber dennoch
weht cs noch manchmal wie vom hohen
Olymp herab über daZ freundliche Jlm
Athenchen dahin und andere Musen
schlagen ihr Lustgezelt dort auf wenn
Altmeister Franz Liszt in den ersten
warmen Frühlingstagen sein Quartier
in der Hosgärtnerei wieder bezieht.
Dann gewinn! mit einem Mal das Le
ben und Treiben der Residenz einen ganz
anderen Charakter. Im Winter dreht
sich alles um den Hof, das Theater und
die Kunstschule, von welchen drei Jnsli
tuten daS letztgenannte den meisten Lärm
zu machen sich bestrebt. Wöchentlich
zweimal rollen die Hof und Miets
Equ'pagen, mit den famosen kanarien
gelben Droschken vermischt, in den
Schloßhof; der alte und der-junge Hof"
lassen abwechselnd tanzen. Das The
ter ist stets gut besucht und leistet meist
recht Zlnerkennenswerles. besonders was
die Fülle der gebotenen Novitäten be
trifft.
Und mit dem Meister nahen sich auch
alljährlich die schwankenden fragwürdi
gen Gestalten seiner Schüler und Schi!
lerinnen. Ach, was seh' ich! Da ist ja
wieder die junge Dame mit den sehr
kurzen Kleidern, seh: bunten Strümpfen
und aufgelösten Haaren; da ist die fesche
Ungarin mit den großen kohlschwarzen
Augen, und dem dicken Reispulver im
Gesi'zt; jene Schöne hat ja immer noch
den liesigen purpurnen Rembrandt auf
dem Kopf, und da sind die jugendlichen
Jünglinge, welche voriges Jahr mit den
russischen Hemden und türkischen Fezen
herumspazierten; ob 'sie wohl heuer chi
ncsische Mandarinenhüie mit Glöckchen
aufsehen werden? Sie gericren sich sehr
ungeniert auf der Straße, diese Genies
denn das sind sie natürlich samt und
sonderS sitzen im Hotel Chemnitius
alle an einem Tisch, sprechen und singen
sehr laut, kurz, sie suchen auf jede mög
licht und unmögliche Art aufzufallen,
und eikeichea meist glänzend ihren Zweck.
Ob sie noch ein weiteres Lebensziel ver
folgen, weiß ich nicht, denn man hört
spater selten etwaS von ihnen. Ali
.Liszt'Cchüler" treten sie in mittleren
Provinzialstädten auf, werden von den
Lokalberichterstattern vielleicht als hür
nene Siegfriede, welche klavierisiische
Lindwürmer bezwingen", gepriesen und
versinken nach ein oder zwei Konzert
tourneeS gewöhnlich in daS Dunkel des
KlavierpädagogentumS, wenn'S gut geht!
Solange sie noch ihren König und Ho
henpriester so bunt und lärmend um
schwärmen, mit ihm von einem Ort zum
andern ziehen, so lange sie noch Genies
sind mit einem Wort, leben und lieben
sie in dulci zubila, und wenn sie sich
genötigt sehen, irgendwo eine Kleinigkeit
schuldig zu bleiben, da wendet die allzeit
offene Hand de grundgütigen Meisters
das Unheil von ihren Häuptern ab. Die
wirklich hervorragenden Schüler sieht
man selten in der Kumpanei jener Kory .
tauten und Mänaden. Die Eugen
d'Albert, Vera Timanoff, Martha Rein
wert, Karl Pohlig und ihresgleichen
sitzen zu Hause vor dem Instrument und.
meißeln im Schweiße ihre Angesicht
an Ihrer möglichsten Vollendung, und zu
ihnen gesellen sich auch die bescheidenen
armen Schlucker, welche sich damit be
gnügen. im Dunstkreise des Meisters zu
leben und eh Rast und Ruh von früh
bis abends spat cn der Zerrüttung ihrer
(und ibrer Nachbarn) Nerven zu arbei
t'n. um möglichst bald vor Sein Ange
sicht treten zu dürfen und Ihm Seine
Don Juan-Fantasie oder sonst einen
.Lindwurm' vorbändigen zu können.
Da kommt der Meister die sonnige
Marienstraße herunter, im langen
schwarzen Rock, einen geistlichen Hirten
Hut auf dem prachtigen Greisenkopf mit
dem langen, schlichten weißen Haar und
elegante Halbschuhe an den Füßen. Ter
Herr mit grauem Backenbart und ans
rasiertem Kinn zu feiner Rechten ist
Hoskapellmeister Eouard Lassen, dessen
reifende LieVr überall gesungen werden,
dessen köstlich: Faustmusik aber noch diel
zu wenig bekannt ist. Und zur Linken
des ÜW-i g'ht Napoleon der Große in
Mblnftiaer öleiialt, nur im biir.rlichen
Gewand userer Tage: das ist Konzert
weiftet Kämpft, der Li'hlmaMiitkr
frprM, einer d'r for'.üetlichftfn t'it
schn Ez'g'r, aber dem terlsttin Ar
neuen Meimar.
Ernst von Molzogen.
tuoscnium so abhold, daß sein Name nie
so berühmt geworden, als er ti ver
diente.
Die drei Herren gehen zum musikali
scheu Nachmittag zu Frau von Meyen
dorsf. Folgen wir ihnen dahin.' Die
Baronin eine wahrhaft vornehme
Danie mit einer außergewöhnlich gründ
lichen Bildung ist eine der treuesten
Freundinnen und Verehrerinnen LisztS
und nimmt ihn!, so lange er in Weimar
ist, olle irdischen Sorgen und Geschäfte
ab. Sie versammelt die Elite der Ari
stokratie und der Künstlerschaft in ihrem
Haufe; auch der Hof ist häusig anwesend.
Man spielt ein neues Streichquar
tett. ' Liszt klopft applaudierend seine
gewaltigen Hände zusammen: Hm
Ha Pcha Bravo!" Er springt
auf und klopft den Künstlern freundlich
auf die Schulter. Eis wird herumge
reicht. Der Meister ist in goldiger
Laune, er rückt mit seinem Stuhl in
einen Kreis von Damen, immer plau
dernd, lachend, scherzend, streichelnd und
klopfend; denn volle Arme und weiße
Nacke.? liebt er sehr, und die Baronin X.
und die Gräfin 'S. wird so gut geskei
chelt und geklopft wie das schüchterne
junge Mädchen, das ihm zum ersten
Mal etwas vorspielt. Wer wollte auch
diesem herzensguten, liebenswürdigen
Greif: eine kleine Freiheit übelnehmen;
kommt doch das alles so natürlich heraus
und gehört so unzertrennlich zu feinem
ganzen Wesen wie dies, trotz der be
rühmten Warzen, so ideale, durchge!
stigte, grundgütige und darum auch
schöne Gesicht.
Jetzt setzt sich , Liszt selbst an den Flü
gel, um seine neueste Komposition nach
dem Manuskript zu spielen. Wie ge
bannt lauscht der Kreis der Anwesenden
dem mehr als siebzigjährigen Zauberer,
dessen wuchtige Griffe in dem einen
Augenblick ein ganzes Korps von Trom
peten, Zinken und Pauken aus dem Flü
gel heraiisschmettern und dröhnen las
sen. während im nächsten Augenblicke
von seinen leicht auf und niederhuschen
den Fingerspitzen flimmernde Tonkaska
den brühen. Es gibt keine Musik, die
so schwer verständlich wäre, daß Liszt!
Spiel und vor allem der Ausdruck seines
Gesichtes beim Spiel sie nicht vollständig
klarzumachen verstünde. Bei wilden,
ernsten, dämonischen Stellen runzelt er
die Stirn ein wenig, der breite Mund
zieht sich mit den Winkeln etwas nach
unten, das Angeblickt ernst und gerade
vor sich hin er sieht ganz Beethovensch
aus! Dann kommt vielleicht ein sehn
suchtsvolles Eantabile das Antlitz er
hellt sich, die Fältchen um die milden
Augen zucken leise, und seine Blicke
suchen die einer schönen Frau. Jetzt
wird die Modulation etwas verwickelt
er neigt den Kopf, wie um feiner zu
hören, ein wenig seitwärts und Nickt be
friedigt, wenn das siegreiche Thema wie
der aus dem harmonischen Defilce her
auskommt. Bei besonders trotzigen, seit
fanen Akkordenfolgen wirft er auch wohl
einmal ein halblautes Pcha! dazwischen
und läßt die Hände aus ansehnlicher
Höhe auf die Tasten fallen. Nun wird
der Charakter des Stückes humoristisch
wie lächelt und locht da jeder Muskel
in seinem Gesicht! Wie schleudert er
übermütig die Triller und Läufe heraus,
und bei einer recht unerwartete, bizar
ren Wendung zieht er die Augenbrauen
hoch, öffnet den Mund und lacht wohl
gar laut, oder er wirft den Kopf zurück
und macht über die Achsel eine scherzhaste
Bemerkung. -
Seine Wohnung in der Hofg'ärtnerei
besteht nur auS einem Vorzimmer, einem
Salon und einem Schlafzimmer. Alle
Türen find geöffnet und die zahlreichen
Gäste stehen in kleinen Gruppen bis auf
den Korridor hinaus in lebhaftem Ge
plauder. Der Kammerdiener des Ab
Hi, früher ein edler Grieche Namens
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Empjang bei 1. tsVt ScrtjitfjgnuBl 2tfl4 W9 im lktzGAeUwöittu. atts.
Spiridion, jetzt ei Italiener von ge
heininisvoller, hoher Abkunft, regiert
vom Vorzimmer aus die aufwartenden
Hoslakaien und sorgt für Speise und
Trank. Es gibt erst Tee mit Kuchen,
welcher präsentiert wird; später, in der
großen Pause, bedient man sich selbst von
den hohen Bergen feiner Sandwiches und
von den Wein und Biervorräten. Ein
Essen im Sitzen geht natürlich in diesen
engen Räumen nicht an. Im Vorzim
mer drängt sich besonders der Ameis
Wimmelhäufcn" der dunkleren Genies;
er redet in verschiedenen Zungen, gesti
kuliert, ißt und trinlt diel und stürzt auf
den Meister zu, um ihm. frenetisch die
Hände zu küssen, sobald er sich im Vor
zimmer blicken läßt, um einen oder eine
von ihnen zum Spielen aufzufordern.
Zwei Hofcqiiipagen rollen durch das ge
öffnete Gartentor. Liszt und Frau von
Meyendorff gehen den Herrschaften bis
an die Haustür entgegen. Man macht,
so gut es bei dieser Enge und Fülle von
Menschen geht, eine Gasse.
Der, Großherzog, eine hohe, schlanke
Gestalt, ganz Kavalier der alten Schule,
schreitet, Frau von Meyendorff am Arm.
freundlich grüßend durch die sich mehr
oder minder anmutig verneigende Schar
dcr Gäste, ihm folgt am Arme Lisztr
die Prinzessin Elisabeth, eine licbens
würdige, kluge und musikalische junge
Dame, ein kleines Gefvlge von ganz we
nigen Hofchargen schließt sich an.
Im Salon sehen wir Hans von Bü
lom mit seiner schönen Tochter Daniela,
die trotz ihrer neunzehn Jahre schon eine
vollkommene Dame der großen Welt ist
und mit Witz und Anmut eine Konver
sation zu leiten weiß Eigenschaften,
die sie von ihrer hochbedeutenden Mut
ter, Frau Cosima Wagner, überkommen
hat. Dcr untersetzte Herr mit dem
schwarzen Haar und Backenbart, den
hochgezogenen , Augenbrauen und dem
schwarzen HornPincenez ist Baron von
Loön, der Intendant des Hoftheaters.
Die beiden Damen in roten Garibaldi
Blusen sind die Töchter Adolf Stahrs.
welche fehr. besiebte Klavierlehrerinnen
sind und zu den bekanntesten Erschci
nungen Weimars gehören. Der statt
liche Mann mit dem rötlichen Vollbart
und der Brille ist Professor Müller
Härtung, der verdienstvolle Leiter der
sehr tüchtigen Orchesterschule.
Das Konzert hat begonnen. Durch
die offenen Fenster des Salons weht
weiche Frühlingsluft herein, und die lei
festen Flügelklänge begleiten die klagen
den Seufzer einer Nachtigall, die drau
ßen im mondbeglänzten Park ihr Lieb
chen lockt. Alles lauscht aufmerksam und
stumm, nur der eher niaitre" selbst
gestattet sich hie und da eine halblaute
Bemerkung, ein schmunzelndes Pcha
bravo!"' Er setzt sich nachher selbst ans
Klavier and begleitet einen jungen Gei
ger. Die Produktion -ist eine recht
mäßige, aber der Meister ist doch sehr
freundlich zu ihm. um ihn vor der Ge
scllschaft nicht zu blamieren. Der junge
Mann, der zu den Myrmidonen gehört,
wird im Vorzimmer von seinen Kollegen
mit Fragen bestürmt: Qu'est e qu'il
it dit.?" Wos Hot er g'sogt?" Klavier
vorträge allcr Art Zwei und Vier
händer wechseln mit Gesang ange
nehm ab. Meistens sind es die hervor
ragenden Schüler, welche hier Zeigen,
was sie können, doch auch fremde Künst
ler kommen an die Reihe. So trägt ein
russisches Fängerpaar nationale Duette
vor. mit mächtigen Stimmen und präch
tigem Ausdruck. Der Meister wechselt
während des Konzertes öfters feinen
Platz -und gibt stets selbst das Zeichen
zum Beifall. Schließlich setzt sich auch
Hans v. Bülow an den Flügel und be
gleitet einer Sängerin einige von ihm
selbst komponierte Lieder. Dieselben
sind etwas langatmig für meinen Ge
schmack, und ich ziehe mich daher in das
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gleichfalls geöffnete Schlafzimmer zu
rück, das fast so einfach und schmucklos
ist als da Goethes. Eine spanische
Wand verdat da Bett; am Fenster
steht eine Kommode mit einem kleinen
Bücherbrett darauf, welche susschlicß
lich Breviere, Gebetbücher und dergleichen
enthält. '
. Den gesellschaftlichen Mittelpunkt die.
se frisch lebendigen Weimar vom Ende
der siebziger und Anfang dcr achtziger
Jghre bildete der großherzogliche Hof.
Das ist weder eine Selbstverständlichkeit
noch eine höfliche Lüge. Denn daß eS
nicht so sein muß. beweist die Tatsache,
die wir heute alle vor Augen haben, daß
nämlich vom Hofe protegierte Kunst und
die talsächlich führenden Geister in ganz
verschiedenen Quartieren hausen. ES war
höchstens in München anders, wo wenig
stens die bildenden Künste und die Mu
sik bei einzelnen Mitgliedern deS Herr
fcherhaufcS einer wirklich verständnisvot
len Teilnahme begegnen und die beircf
senden Künstler auch mit ihrer Person
den fürstlichen Gönnern ohne ängstliche
Rücksichtnahme nahetreten, wogegen selbst
der temperamentvollste, kunstverständigste
und modernste unter den früher re
gierenden Fürsten Deutschlands, dcr
Großherwg von Hessen, im allgemeinen
nur aus kühler Höhe dem Treiben zu
schaute, und sich nur für ein einbegrenz
tes Sondergebict persönlich einsetzte.
Großherzog Karl Alerander aber, der
als Kind noch auf Goethes Knien ge
sessen. war wirklich ganz und gar durch
drungen von seiner Pflicht als Hüter
des ererbten kostbaren Schatzes; aber diese
heilige Pflicht war für ihn zugleich Le
bensinhalt und höchste Lebensfreude ge
worden. Dieses letzte in Deutschland
lebende Urbild eines vollendeten Grand
scigneurs des 18. Jahrhunderts mit der
etwas steifbeinigen Würde, der niemals
auf billige Popularitätshascherei, etwa
durch burschikoses Sichgehenlassen oder
anmaßende Leutseligkeit ausging, dieser
vollkommene Edelmann, dessen ange
borene Hoheit kein Menschenkenner mit
Dünkelhaftigkeit verwechseln konnte, die
scr rücksichtsvolle, fast schüchterne Mann,
dem alles Laute, Plumpe, Unmanicr
liche in der Berührung mit der Oeffent
lichkeit ein Greuel war und der vermöge
seiner zersireuten, stotternden Sprech
weise in den Verdacht gekommen war. der
Urheber so mancher unfreiwilliger Sere
nissimusscherze zu sein dieser selbe
Mann war im ' engen Kreise seiner be
vorzugten Künstler. Gelehrten und
etlicher feingebildcter Kavaliere der lie
benswürdigste Wirt, der dankbarste Zu
Hörer und sogar der beredteste, kenntnis
reichste Plauderer. Seine Anrede an
mich, so oft er meiner im Cercle der
Hofgesellschaft ansichtig ward, begann
unvermeidlich mit den Worten: Es
freut mich ungemein. Sie hier in diesen
Räumen begrüßen zu dürfen, wo Ihre
hochverehrte Frau Großtante" .......
s. w. Uno dann pflegte, er nach einigem
Besinnen die Frage folgen zu lassen:
Kennen Sie die Gedichte von Heinrich
Vierordi?" Wodurch ich mich schließlich
in die Zwangslage versetzt sah, diese Ge
dichte käuflich zu erwerben. Seit ich
aber die stereotype Frage zum ersten
,,Male mit ja beantwortet hatte, waren
diese Gedichte ein für allemal erledigt.
Wie anders aber im kleinen, von ihm
selbst geladenen Kreise, wenn der Fürst
sich niht unter dem .lähmenden Drucke
des Zwanges befand, jeden der zahlrei
chen ihm gleichgültigen Anwesenden mit
ein paar freundlichen Worten zu beglük
ken! Dann befand man sich einem vor
nehmen weltgewandten alten Herrn ge
genüber, der mit Vergnügen, mit innerer
Anteilnahme seinen jüngeren Gästen aus
dem Schatze seiner Erinnerungen. Er
fahrangen und Kenntnisse zu spenden
hatte. Dann schleppte er wohl eigenhän
diA aus einer kostboren Sammlung von
Handzeichnungen alter Meister Mappen
herbei und wies uns die einzelnen Bläi
ter mit den Erläuterungen eines ge
schmackvollen Kenners vor, oder er er
zahlte von feinen Reisen, von seinen Be
gegnungen mit bedeutenden Persönlich
leiten der Vergangenheit und Gegen
wart. Oder er verstand es das ist
auch ein wertvolles Talent für einen
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Fürsten daS Gespräch in einer Weise
anzuregen und zu lenken, daß der Ge
laden G-elegenheit bekam, seine eigenen
Kenntnisse und Ansichten über da Lieb
lingsgebiet seines Nachdenkens auszukra
wen. Wenn Liszt in solchem engsten
Kreise bei Hose erschien, war eS deson
derS interessant. Dcr Großherzog trat
dann ganz bescheiden vor seinem be
rühmten Gaste zurück und überließ eS
ihm, daS Gespräch nach seinem Geschmack
zu leiten, wohin eS ihm beliebte. Bon
Gespräch war dann freilich wenig mehr
zu spüren: Liszt erzählte und die an
dern hörten zu. Und da Liszt ebenso
wie der Großherzog seine stärksten Ju
gendeindrllcke dem Paris der vierziger
und fünfziger Jahre verdankte, so spiel
ten Erinnerungen an diese Zeiten und
die bedeutsamen Persönlichkeiten, die
ihnen den Stempel ihres Geistes ausge.
prägt haben, die erste Rolle in ihren Ge
sprächen. Und wir spät Geborenen durf
ten ein posthume Bekanntschaft machen
mit George Sand. Alfred de Müsset.
Chopin, Heinrich Heine. (Liszt hatte ihn
noch in gesunden Tagen gekannt). Ros
sini, Meyerbeer, Victor Hugo und zahl
reichen anderen in Kunst. Wissenschaft
nd Politik bedeutsamen Persönlichkeiten
aus ven Tagen LouiZ Philipps und Na
poleons des Dritten. Häufig wurde ich
auch allein zum Großherzog beschieden.
um ihm über die neuen Erscheinungen
auf dem Gebiete der schönen Literatur
Bericht zu erstatten und ihm daraus vor
zulesen. Ich trug dem Fürsten unter
anderen fast den ganzen .Tannhäuser"
von Julius Wolfs vor, der damals eben
schienen war, denn alles, was von sei
ner überaus geliebten Wartburg han
delte. konnte von vornherein aus ein
günstiges Vorurteil bei dem derzeitigen
Burgherrn rechnen. Er erkannte aber
doch vamals schon die etwas billige
Mach: in dieser effektvollen Buhenschei
benpoesie. - Und als ich ihm später ein
mal den Heiligen" von Konrad Ferd?
nand Meyer aus Westermanns Monats
heften, wo die Dichtung 'eben erschienen
war. vorlas, entging ihm der gewaltige
Unterschied zwischen diesen beiden Poe
ten keineswegs.
Aber was gab es auch außerhalb des
höfischen Kreises in dem guten alten
Weimar für Prachtgestalten, alte Ori
ginale. komische Käuze, weisheitsvolle
alte und draufgängerische junge Leute!
Im Genelli-Zimmer des kleinen Gast
Hofes zum Adler hockte fast allabendlich
eine Tafelrunde mehr oder minder son
derbarer und doch für einen lcrnbegieri
gen Menschen ersprießlicher Gesellen bei
sammen. Da war, der alte Dichter Ju
lius Große, Sekretär der Schillcrftif
tnng, der den überaus kennzeichnenden
Beinamen Der vertrocknete Flußgott"
führte, da waren einige der, älteren und
jüngeren Mitglieder der Kunstschule, so
weit sie allgemeinen Interessen und phi
losophischen Disputen zugänglich waren,
fowie einige intelligentere Mitglieder des
Schauspiels und der Oper wie Jocza
Savits und Max Martersieig. Dcr
merkwürdigste von allen aber war Otto
LehfelX jener letzte Komödiant großen
Stils. Wenn die Wogen der Debatte
hochgingen und die Köpfe sich vergeblich
erhitzt hatten bei der Lösung der letzten
Fragen, dann fuhr wohs der alte runz
liche Mime aus dumpfem Vorstchhinbru
ten empor, gebot mit einer gewaltigen
Geste Schweigen, und führte mit dem
ihm eigenen, stets wirksam zugespitzten
Zynismus die Lösung aller noch fo ver
worrenen Streitfragen aus die einfache
Formel zurück: Kinder, erhaltet euch
eure Jugend. das ist die beste Philo
sophie!" Er sagte es nicht fo. Er sagte
es mit unvergeßlichen, aber unsag
baren Worten. Und wenn erst einmal
ein solches Stichwort gefallen war, dann
hatte Otto Lebfeld für den Rest der
Nacht das Wort allein. Eine glänzende
Anekdote reihte sich an die andere, fast
ausnahmslos kräftigst papriziert, aber
immer durch die Originalität des Aus
drucks überwältigend. Der Schluß die
scr Sitzungen war gewöhnlich der, daß
Lehfcld sich bei dem Leben feines ein
zigen Kindes hoch und teuer verschwor,
'es solle nie mehr eine Zote über feine
Lippen kommen; was aber keineswegs
ausschloß, daß er uns nicht noch auf dem
Nachhausewege einige Prachtstücke auZ
seiner reichen Sammlung servierte.
'DaS waren die Alten. Es trieb sich
aber auch junges Volk genug herum, in
dem cS brauste und gärte, und das dann
später seine Eigenart mehr oder minder
glänzend zur Geltung gebracht hat. Un
ter den Lisztschülcrn machten sich
dÄlbert. Reisenauer, Dingeldey, Siloti,
Friedheim, Pohlig. Stadenhagen befon
ders bemerkbar. Im Theater wirkten
der junge Achenbach, genannt Alvary,
und der junge Scheidemantel nebenein
ander. Ein bleistifidünner, hochaufge
schössen Jüngling mit laugwallenden
blonden Locken, Schulte vom Brühl,
versuchte mit glühendem Eifer seine
Kraft auf allen Gebieten der Dichtkunst,
Helene Böhlau begann als schwärmeri
sches. seltsames junge! Mädchen mit
ihren ersten novellistischen Versuche
Aufmerksamkeit zu erregen und in Ga
briele Reuter erblickte man allgemein
mit innigem Mitleid eine zarte Blume,
die zu frühem Welken bestimmt sei. Ich
trug sie einmal die Treppe hinauf in eine
Gesellschaft, weil sie sich so überaus
schwach fühlte und so leicht beim Stei
gen krampfhafte Hustenanfälle bekam.
Federleicht war das langaufgeschossene
Mädchen. Und dann hat sie dennoch ge
siegt im Kampfe mit dem Tode und,
wa noch schwerer war, auch im Kampse
mit dem Leben und all seinen dummen
grausamen Vorurteilen, und ist durch die
vorbildliche Tat ihre Leben! eine wirk
samere Vorkämpfern für die Frauen
oewegung geworden als die meisten zun
gen und fkdergewandten Agitatorinnen.
Sie hat uns eine reiche Ernte kluger, ge
mütvolln. fein Bücher beschert. Und
heute leuchten auS dem immer noch ju
gendfrifchen Gesicht unter dem früh
schneeweiß gewordenen Scheitel die gro
ßen sanften Augen so verständnisvoll
begreifend und verzeihend lächelnd in d
toll krause Gegenwart hinein.
Da war Weimar von damals. Don
btntn, die dort mit mir jung waren,
sinö nur mag? wenige treu auf dem Po
f!en geblieben. Die aber damals schon
rif waren urv dnt fl'lfliQfn Leben dn
, iirirt zKÄkWi. iZliU
ten. hat fast alle der Tod hinweggerafft.
Und nun ist auch daS alte liebe Hof
theaterchen spurlos verschwunden; ver
schwunden die Bühne, die seit 1825 so
manchen stolzen Triumph der klassischen
Kunst, so manchen heißen Kamps dek
Alten mit dem Neuen erlebt hat; der '
fchwuuden sind die traulich-dämmerige
Proszeniumslogen, in denen Karl
August und' Karl Alexander NJ'sfhfn
dem Spiele zuschauten, Franz Liözt,
beim Schein einer Kerze in dn Partitur
nachlesend, den Aufführungen moderner
umsik.dramatischer Werke folgte; ver
schwunden ist der durch ThackerayS
Vanity fair zu drolliger Berühmt
kcit gelangte erste Rang, in welchem dcr
Adel links. daS Bürgertum rechts saß
und die Damen eifrig ihre Handarbeiten
förderten. Ueber dcr altgcweihtcn Statte
erhebt sich nun der neue stattliche Bau
als ein glänzendes Zeugnis modernen
Geschmacks und praktischer Ausnutzung
aller in Betracht kommenden Errungen
schaften der Technik. Keck steigen die
Sperrsitze biS fast zur Höhe des ersten
Ranges hinauf. Auf diesem selbst gibt -es
ke': Verstecken und Absondern der
Stande gegeneinander mehr. Mit den
Proszeniumslogen sind die letzten
Schmoll oder Koseminkcl für die Bevor
zugten gefallen. Und selbst den beschei
denen Besuchern dek hohe Olymp ist
eine beqeumer Platz mit ungehinderter
Ausschau beschert und keine düstere nie
drige Decke mehr untertänig gesenkten
Köpfen in bedrückende Nähe gerückt. Vor
der Majestät der Kunst seid ihr alle
gleich daS soll diese neue Anordnung
wohl symbolisch ausdrücken.
Sollte nun wohl dieses neue Weimar
mit dem neuen Spielhaust berufen sein, .
in reiner Gesinnung der Majestät der
Kunst würdig zu dienen?
Ist es überhaupt noch möglich und er
sprießlich. der großen Kunst abseits von
den Großstädten in stiller Abgeschieden
hcit der Provinz festliche Heimstätten zu
erbauen? Konzentrieren sich nicht all die
großen Mittel, die sie zu ihrer Ausfüh
rung. alle Intelligenz, die sie zu ihrer
Auffassung benötigt, in den paar Welt
und. Großstädten? Und schließlich: ist e!
nötig, den geistigen Frieden der Klein
stadt durch den leidenschaftlichen Kampf
schrei neuer Tendenzen, neuer Probleme
in Inhalt und Form des Kunstwerkes zu
stören und kann aus der Billigung oder
Mißbilligung eines so harmlosen Publi
kums eine wertvolle Förderung im
Kampfe des Neuen mit dem Alten er
wartet werden? Ich möchte diese Fra
gen heute bestimmter denn je zu Gun
sten der Kleinstadt beantworten und in
Sonderheit zu Gunsten der durch eine
ruhmreiche Tradition geweihten Kunst
statten Deutschlands.
Die ächte liebevolle Pflege kann die
Kunst wirklich besser in der Ruhe erhal
ten. Und das durchgesiebte Publikum
eines geistigen Zentrums, dem, wenn
auch in ferner Vergangenheit, macht
volle Persönlichkeiten seine Eigenart ge
geben haben, wird zu solchem Hüter
und Pflegeamt doch wohl eher berufen
sein als daS unkontrollierbare Menschen
gewimmel der Weltstadt.
Bei der feierlichen Eröffnung des
neuen HoftheaterS glänzten ' viele von
uns - alten, tteuen Weimaranern durch
Abwesenheit man hatte vergessen, uns
einzuladen! Dafür aber drängte sich je
nes Ganz-Berlin. daS überall dabei fein
mußte, wo eS eine Sensation gab, in
dichten Scharen in dem neuen Musen
tempel. Gewiß waren diese typischen
Erscheinungen, die in der Weltstadt über
das Geschick alles Neuen in der Kunst
zu entscheiden Pflegen, nicht nötig, um
dem neuen Weimar fein charakteristische
Gepräge zu geben; ober immerhin, es ist
ganz gut, wenn Berlin zuweilen nach
Weimar pilgert! Möge daS neue Wei
mar die Verpflichtung, die ihm da alte
niitttleat bat. in solchem Sinne beani
fen und auch die übersatten Hungrigen
noch recht oft zwingen, an seiner reichen
Tafel zu Gaste zn sitzen.
Die pfeifenden Damen.
Habt gehSrt Ihr, liebe Leute.
Daß die Damen nprer Etadt
Eine schauerliche Mode
Neuerlich ergriffen bat?
Allenthalbe werde Pfeis.Clubs"
Jetzt gegründet ohne Zahl,
Wo die jungen Damen lerne,
We man pfeift zu ns'rer Onal.
Pfeife wollen sie Duette,
Trios auch und fclbst im Chor,
Und dann pfeife., in Konzerte
Ihresgleichen sie 'was or. ,
Fürchterlich dünkt mich die Sache,
Wenn im Stillen matt bedenkt.
Was i Folge dieses PfeifenS
Uns an Unheil wird geschenkt.
Pfiffiger alS wir, die MSnne,
Werden alle Frauen dann.
Und och mehr als früher werde
Pfeifen sie auf jeden Man.
Doch am schlimmsten ejechi' dem
Gatte:
Grimmig wird er angeranzt,
Wen er nicht allzeit gehorsam
Nach der Gattin Pfeife tanzt.
Boshafte Ergänzung.
A. : ,..WaS? Sie find ein Gegne,
der modernen, realistischen Künstlich
tung? O. ich sage Ihnen, der Boden,
den die Kunst heute betreten hat, wird
erst in der Zukunft die herrlichsten
Blut, und Früchte ,rragen! Die jetzigen
Vertreter sind bloS. na, wie sag' ich
denn schnell.?"
B. : ,N. sagen wir d Dünger!"
Abgelehnt.
Lieber Herr Meier. Slren El txV.
in der angenehmen Lege, mir zweihiy
dert Mark zu. borgen?"
Liebster Herr Schmidt, ft SV
arcßm Didautt, bin ich mc-rxt::
JL&J& '