Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, December 31, 1918, Image 8

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    OCJISIT.'TTTLT.lyi.TJ V-T T'.T.TTf'.!.V.lV''TT f V , T T'
in Weihnachtsabend.
saufende Mäuse? Automobile, selbst
fahrend allcS zum Aussuchen, alles
beweglich!"
'Knarren hier noch' Sechser das
Stück'."
Der letzte Hampelmann, mein Herr,
Kirr noch ganzin Cilbcrgroschen
Und ehe Ernst Witte sich'Z versah,
halte cr auch schon den Hampelmann in
der Hand und den Groschen audcr
Tasche gezogen. Das war nun schon
der zweite. Was fing er nur damit an?
Sie seinen Jungen in der Schule mir
dringen? Was würde da der strenge
Herr Rektor wohl für ein Gesicht ma
chen, wenn er als ehrbarer Gemeinde
schullehrcr den Buben Hampelmänner
schenkte, anstatt ifjren jungen Gemütern
mit Muhe und SW den Ernst des Le
bens beizubringend Er lächelt unwill
kürlich bei dem Gedanken. Und als er
in die Taschen des dünnen Ueberzieher?
greift, suhlt er außer den Hampelmän
ziern nock eine .Scchserkarrc", zwei
lausende Mäuse", und verschiedene an
hnt Gegenstände, für die er beim besten
Willen kine Verwendung hat. Sie
müssen dich für einen Ehemann oder gar
für einen Familienvater halten, daß
stc dir chre- Sachen so vertrauensvoll in
die Hand drücken" denkt er, belustigt,
und das Lächeln huscht ihm nun auch
in dic Augenwinkel hinauf. Es wird
ihm ganz behaglich zumute, und ein
trauriges Eiusamkeitsgefühl, das ihm
vorhin noch das .Herz bedrückt hStte,
schwindet nun, ganz. Jetzt erst scheint
?r ,das fröhliche Leben, das sich um irrn
herum bewegt, in sich aufzuncbmcn. Es
steckt ihn an, reißt ihn mit sich fort.
Neberall helle Augen und lächelnde Ge
sichtet, die teils vor Kälte, teils vor freu
digrr Erwartung glühen. Erwachsene
und, Kinder mit Paketen beladen! zGroß
und Klein In jenem skligen Tänmel,
wie ihn nur das WeibnachtsZesi hervor
rüst. Ernst Wille läßt sich von der Menge
die Leipziger Straße hinaus- und hin
ntaschicbcn und bleibt, manchmal fest
eingekeilt, vor dem prächtig ausge
schmückten Schaufenstern stehen. Dabei
stampft cr von einem Fuß auf den an
dern und zieht den fadenscheiiiigcn
Mantel fest auf der Brust zusammen.
Ei schneidender Nordoft weht. Ein
paar verlorene Schneeflocke fliegen
durch die Luft, in die erregten Gesichter
fcer Vordeihastcnden. Schon werden die
Laternen angezündet, und die Stund;
der Bescherung rückt näher und naher;
die Straßen werden nach und nach lee
rer. Vereinzelt tauch! an den Fenstern
der Schein der brennenden Lichterbäurne
ans.
Ernst WilkZ wandert nun ziemlich
verlassen an den Geschäften orb:!. Es
ist das erste Mal", dafz er das Fest in
Berlin verlebt, wenn auch nicht das erste
Mal, daß er von zu Hause fort ist. Die
Familie dc? verwitweten Frau Wille, ist
Zahlreich. Tie Söhne sind fast alle Be
ernte, und d Töchter verheiratet und
im Lande vnßreuk. Selten nur finden
sich alle zu den Festtagen in der Hei
matstadt ein. Ernst hat einen Pklzkra
cen nach Hause geschickt, und das Serz,
klopft ihm schneller, wenn er sich Mut
ters freudig überraschtes Gesicht vor
pellt. Daß er selber nun mit seinem
neuen Ueberzieher bis nach Weihnachten
wartete, um ihn billiger bei irgend einem
Ausverkauf zu erstehen, brauchte Mt
ter ja nicht zu wissen. Er lächelt, wenn
on ihre mahnenden Worte denkt, die
sie ihm im letzten Briefe geschrieben . . .
lieber Junge, zieh' dich nur ja' warm
an. daß du dir keine Lungenentzündung
Iwlft, Lieber ein bißchen mehr für einen
r'venilichen Ueberzieher ausgegeben, als
das Geld zum Doktor getragen. - Du
weißt auch, daß du, wenn du die Anfiel
1.ing bekommen willst, etwas auf dein
Aeußeres geben mußt . . , Liebe, sor
genve Mutter! Die Anstellung war so
gut wie sicher. Tas hatte der sonst so
strenge Herr Rellor mit wohlwollendem
Lächeln im Weihnachtswunsch angedeu
tet Und eine Lungenentzündung.? Wo
sollte er die wohl herbekommen? Er
war jung und kräftig. Also hätte er
das Geld für den Ueberzieher am lieb
. -steit für eine Fahrkarte nach Königsberg
angelegt, um die liebe alte Frau ans
Herz zu drückn. Doch er wußte, daß
sie seine Freundin von derartigen Ueber
raschunzcn war. "und, eher schelten als
s'ch fteuen würde.
Noch immer ertönten die Stimmen
btt Ausrufer von den rschiedeun
Ständen her. Jeder wollte den letzten,
f leine Nest noch schnell verkaufen, um
"dann auch endlich nach Hau!? zu eilen,
wn Frau und Kinder bei geschmücktem
i' briftbäumchtn schon warteten. Ob tt
such auch ein Bäumcken schmücken sollte?
Aber das würde wohl' gor zu einsam
werden. Und Freunde hatte er bei sei
vcm kurzen Aufenthalt hier noch nicht.
Nun, cr wurde feinen .Wnhnachtsbnm
mel", wie die Berliner eS 'nannten, so
lange wie möglich ausdehnen. Er schrei
tet kraztiger aus. denn der Wind dfiff
ihm doch ziemlich eisig durch cfc Kleide?.
Hoppla da hätte er an, der Stra
ßenecke beinahe einen kleinen Knirvs
umaelauken. Nanu. Schröder, bist du
es?" Der Junge wird bis über die
Ohren rot. Abend. Her: Lehrer."
stammelt er und zieht mit ffinen Ihsgr--frorenen
Finaern die Mühe. Dabei
tritt er unwilllürlich voneinem Fuß ai's
ten andern.
7h, komm' nur mit. Junge, :r)M
um kehrt. Zum StiUstehe ist es zu
teil.' Wille faßt ihn an den Schuld
km und dreht ihn brum. 2-Junge
hc.i ein böses Gewissen dos s'a.io
fest. Ten mußte man aushncken. Hn&
war es ihm lieb, daß er 5-n flehien
Grr.rijot mal ganz tfki taut oier
A:,g,-g in sich hatte. Er. gehökke
l'S-Uti Lorgenkidrrn in der Kla''e.
ti nö st junge Lehrer b'.!ie n sick y
r'tet tr: anrrnfN''", im ti?'ii'V.T' i"?
icn-in-n r: !.,
Wj biPmft du Seim her. Z$:
utr
Novcllctte von Cucie vartels.
Bon zu Hause." sagte der Junge
kleinlaut. 's,
Vater ist nicht zu Hause, wie?"
See"
'Nein heißt es. Und Mutter auch
nicht?"
..Nein.'
Aba da halte er den kleinen
Sünder aus frischer Tat ertappt. Der.
Junge war ebenfalls auf einem kleinen
Äeihnachtsbummpl" begriffen, aller
dings auf einem vejbnienen. Alfo das
Verhör mußte fortgesetzt werden. Er
war scheinbar auf der richtigen Fäkrte.
.Und Mutter hat gesagt, daß du zu
Hause bleiben und aus die kleinen &
schwistcr achtgeben solltest, nicht wahr?"
.Ich hab' ja man bloß 'ne lleene
Schwester." '
Junge, berlinere Loch nicht so. Also
auf das Schwesterchen hast du acht ge
den sollen, und bist einfach fortgelaufen
und hast sie allein zu Haus' gclaf
seit -"
Ach, die " sagt der Junge veracht
lieh, .ick hab' sie ja g:sr,igl. Sie wollt'
aber ich mitkommen. Den sanzen Tag
sitzt sie in die Ecke und weent."
In d?r Ecke und wein! " vcr
beffert Wille mit sirenger Miene. In
nerlich aber muß er über die moralische
Auffassung des Schlingels lächeln.
Nun, das nächste Ä!al, Echräder. wenn
Mutter dir einen Auftrag gibt, wird er
ausgeführt, verstanden? DaZ ist genau
so, als ob ich dir in der Schul: kl was
sage, oder," fügt er hinzu, tm se'ne
kleine Predigt recht eindringlich zu nta
chen, ,aS ob der Herr Ncltor dir etwas
!!. Er hielt es für seine Ps'.icdt
als Lehrer, dem kleinen Sünder den
Kopf etwas zurechtzustulzci,. Tac; als
er es hcrauehattc. atmete cr erlci.cht'rt
auf, denn ihm selbst war hcutc am He!
ligen Abend nicht nach schelten zu Ate.
.Wo wohnst du denn l" freute er ii:io
brauchte sich gar keine Mühe zu dem
freundlichem Tone zu gebe, .
Alvcnslcl'en Ecke Bülowsüüsie,"
sagte der Junge in feinem gcwo'nUichn
mürrischem Zone. .Es war keine 'cr
knirschtheit oder Reue, die aus ibm
sprach, sondern ein gewisser herausfrir
dcrndcr Trotz, den Wilke im'ncr an ihm
zu bemerkn schien. Seine Lippen !va
ren meistens fest aufeinander gepiZzl,
und in den sonst so hellen Äugen kon'rte
oft ein dunkler Unwille aufbliiz.'N.
Seine Antworten in der Schule waen
jedesmal kurz, fast unfreundlich, und
alles, Lob wie Dadel, ließ er mit der
größten Gleichgültigkeit ül'er sich tu
gehen.
Ein Weilchen gingen t schweigend
nebeneinander her. Tann fragt Witte:
'.Junge, was willst Tu denn mal wer
den?", Er bat das Bedürfnis, sich das
Vertrauen des Kindes zu errinaen.
Lehrer sagt Wilhelm Schröder
kurz.
Lehrer?" Witte hat nicht lachen
wollen, aber die Antwort kam ihm zu
uncrwartet, Konditor oder Droschken
kmscher ja. das hätte er verstanden,
das wollte er ja selbst immer werden,
aber Lehrer? Lüelcher Junge will denn
gern Lehrer werven? Ncch dazu einer
wie Wilhelm Schröder, dessen Versetzung
zu Ostzrn sraglich war.
Wenn Tu Lehrer werden willst. a
mußt Tu aber noch viel lernen, und be-
fnnhofä W Ä?rlinsk musst T Tsir
i-. - s
ifi(irvnnfiiicn "
Na, ' k wer's ja ooch janich." setzt
Wilhelm in seinein schönsten Dialekt wie
zur Bekräftigung hinzu. Bater sagt,
nischt zumachen mit'n Lehrer. Arbecter
wirste, Jeld verdienen sollst?."
Und was sagt Mutter dazn?"
Mutter weent und sagt, wenn ick doch
bloß Maurer werden soll, brauch' ick
oech in die Schule nischt lernen."
Wille hat längst ausgehört, seinen
Schüler zu verbessern. Erstens hält , er
es für ganz nutzlos, und dann hat ihn
bei den Worten des Kieme selbst eine
merkwürdige Traurigkeit beschlichcn.
Also auch hier scheinbar das unglückliche
Familienleben, wie bei so vielen feiner
kleinen Schüler, deren Heim er schon
kennen gelernt hat. Und er nimmt sich
vor,, Wilhelm Schröder bis in die Woh
nuncz hinauf zu begleiten, um Vater
oder Mutter kennen zu lernen. Viel
leicht konnte er helfen. Er wußt: aus
Erfahrung, daß das Wort des Lehrers
der Kinder aus der unteren Volkssckicht
auch auf dic Eltern einen großen Ein
fluß au-iibte.
Komm schnell. Junge!" sagt er in
herzlichem Tone, sonst ist am Ende der
Weihnachtsmann schon da mit der Be
schern ng,"
Ei Nkincs spöttisches Lächeln geht
über Wilhelms Gepcht. Hat sich lvas
mit Bcschiruna. 'n Paar jcstrickte Woll
lmndsnche jibt's von Muttkrn, Und der
Weihnachtsmann an den jlood' ick
nich mehr, Herr Lehrer."
Aber denk' doch mal an die armen
Kinder, die nickt einmal wollene Hand
schuhe haben," sagt Wilke belehreus, und
doch recht kleinlaut, denn als sein Blick
auf Wilhelms blaugefrorene Hände
fällt, versagt ibm all' feine erzieherische
Begabung. Die Handschuhe denkt
e? unwillkürlich hat er sich wirklich
redlich verdient. Ein Stich geht ihm
durchs Herz. Welche Ueberlegenheit und
welche Btttcikät klang durch die Stimme
des Achtjährigen! Da war er ein an
derer Junge oew?i?n wild und im
bündig freilich, oft sogar ungeksrsam,
aber von einem Glauben bcfeelt, den
ibm die Enttäuschungen seines jungen
Lebens so leicht nicht zu rauben vermach
tcn. Noch heute erinnert er sich daran.
wie, er Mutters Rockärmel a,,s der Ver
kinsun d's Weihnachtsmannes Kaite
borgivtkt, sehen. ' !Lor Schrecke blieb
e', in seinem Spruch Nicken. Und aH
Xncä-t Auxpiech: mit dr Rute drohte,
.-m'üklte er: .Mutter. Dem Rock,' Uns
Mutter hl oviaU, ,i,,d als sin seiit b.'
Kiirztez .fit sät), fl'N'Jk:
Jurge. Ii'f'i Tu d'nn mtiii nc an.
ken Weibi''chtrris,'? Je
He:!.' ?iicht :?ar ,öe rnx.lückltckkk sei
es t'.kns g,wese er, der Elstz-
TT'T T"T' y yyy'"f TTT
rige, hatte sich vor Scham und Enttäu
schung in den Schlaf geweint. Aber
denkt Wille lieber glauben und ent
täuscht werden, als nie geglaubt haben.
Denn wie schön waren selbst noch die
Erinnerungen an den seligen .Kinder
glaubkn! Und ein kleiner achtjähriger
Junge, der mit spöttischem Lächeln am
Heiligen Abend erklart, daß er nicht
mehr an den Weihnachtsmann glaube,
kam ihm plötzlich als das Trostloseste
auf der Welt vor, wo heute alles, ttroß
und Klein, Jung und Alt. in glücklicher
Erwartung und froher Dankbarkeit
lebte.
Jetzt fingen die Glocken der Luther
Zirche an zu lauten, als die Beiden auf
der Bülowpromenade einbogen. Ernst
und siierlich klangen sie und riefen viele
Fromme zur Weihnachtspredigt.
Wille, der heut' nicht zur Kirche ging,
hörte auch ouS dem Glockengiläut eine
Predigt heraus. War es nicht, als
mahnte die große Glocke mit ibren
gleichmäßigen, volltönenden Schlägen
zur Bruderliebe?
Ernst Wilke kört die Mahnung, und
das Herz schlägt ihm freudiger in er
Brust. Ja. er wollte dem Jungen eine
kleine Areude machen. Alles, was er, in
der großen Tasche barg, sollte ihm ge
hören. Es war zwar nicht vikl, aber er
gab, was in seinen Kräften stand, und
gab es gern. Auch für das Schwester
chen wollte er nachher, eine kl.'ine Puvpe
kaufen.
Ich! erst mal den Jungen abliefern,
den sie waren vor dem Hause ange
langt, ,
Wilhelm steht einen Angc,:b!ick uu
schlüssig da, und zum ersten Mal schwin
det der Trotz aus seinem Gesicht. Ein
Paar KinSerauaen Bliesen den Lehrer
wie hilfesuchend au.
Na, Junge, ich geh' mit Dir." sagt
Wille lachclilv, .damit Mutter nicht s,ar
zu sehr fchilt."
Ach Mutter die schimpft, nich.
?lber wenn Bater oben is. Und ick
bin ja ooch blaß jcjaitgcn, weil wir ja
doch nischt kriegen, und" und "
plötzlich lauf, r? ihm die Tränen über die
Backen und , da wollt' ick mir bloß
dic die Ausstellung bei Wert
hclm. anqucken."
Wilke blickt ratlos auf das schhich
zende Kind. Er ist es ich! gewöhnt,
daß seine Jungen weinen. Und noch
da? dieser hier, der kleine Trohkops. der
so überlegen lächeln konnte. Ader schon
hat er sein großes Taschentuch cheraus
gezogen und iährt WilMin damit etwas
unbeholfen über's Gesicht.
Laß nur, Wilnelmch:. komm', sei
ruhig " er streichelt ihm mit zitternder
Sand über das blond widerspenstige
Haar.
Baier schimpft überhaupt Im
mcr, Und und ZU Muttern is
er is er auch immer -?"
Tm Rest verschlingt ein bitteres As-'
schluchzen, Wie schwer war dies? Zaum
auszcsprochwe Anklage aus Kinder
mund, und gerade beute, am Weih
ackisabend. dem eite der Kleinen, wo
sie glücklich und fröblick fein sollten!
Wie beiß fielen diese Kinderträuei, in
das Herz des jungen Lckrers, und jetzt
erst fül'lt er es. wie, lieb er dienn Iun
gen hat. dessen Leib und Seele ihm teil
weiie anberiraut worden sind wie ein
httliges Pfand, worüber er eines Tages
Rechenschaft abzulegen batte vor seinem
eigenen Gewissen. Er't jetzt erfaßt er
leinen Lebrerberus voll und oanz. Ernst
Witte ist ein warmblütiger Mensch, des
sen Herz nur ollni schnell dazu bereit
ist, mit dem Verstand? durchzugehen.
.Junge." sagt er plötzlich sröhlich,
dem, er hat einen Einsall. der ilim das
Blut in die Wangen treibt, was sagst
Tu nun, wenn ich Kncht Rupprecht
heut' schon getroffen hab', und er mir
gesagt bat, daß cr zu Euch kommt?"
Is es wahr?" Wilhelm hebt den
Kopf und blickt ihm ungläubig in die
Augen. Toch als er das Leuchten darin
sieht, schwinden alle seine Zweikel, und
ein glückliches Lächeln geht über das
kleine Gesicht und läßt es ganz kindlich
und sorokos erscheinen. Schon um
diests Lächelns willen denkt Witte
lohnt es sich, den ganzen Winter zu fric
ren. Aber ihn friert gar nicht mehr,
idm ist so wohl und warm, und viel
kälter als heute konnte es kaum werden.
Wilhelm jetzt aber schnell nach oben."
Er lann in seiner Freude auf dic Ueber
raschuug die Zeit garnicht erwarten. Tc:
Junge ist ganz glücklich und stolz, daß
sein L'ehret so 'freundlich zu ihm spricht,
und trocknet mit dem Aerinel nun noch
den leisten Nest seiner Trämn.
Oben öftnet eine blasse kleine ?xrau
die Tiir. Sie iii erschreckt, als sie den
fremden Herrn erblickt, doch als sie er
fährt, deiß es Wilhelms Lehrer ist. fühlt
sie sich beruhigt uns geehrt zugleich.
Ti? kleine Wohnung macht denselben
Eindruck wie die Iran, sauber, aber kahl
und ärmlich. Man sieht es ibr an, daß
viele Tränen hier g-weint wurden, und
manchem sorgenden Gebanten nachzegrü
be!t worden ist. .
Frau Schröder ist zuerst ki:vas be
drückt, aber nach und nach verliert sie
alle Scheu, und als der jung: nett: Herr
Lehrer ihr auf dem alten Sopha gegen
üb sitzt, sind sie ins Plaudern über
ihren Ingen g.konime, rhnc selber zu
wissen ioic.
Nein Bater war Lehrer,' saa.! sie,
.von dem hat's der Will Helm. Zcatür
lich nicht fo'n feiner, gebildeter wie Sie,
Herr Wille, bloß 'n einfacher Torf
fchullehrer. Da stehet noch alle feine
Bucher, die, er hinterlassen hat." Sie
deutet a,!f einen Holjitänder,, auf dem
alte, zum Teil erzilbtt miffenfchaftliche
Bückn liegen, prüder bad' ick auch
manchmal dcia gelesen. Zcgt sei! mein
ivlana außer Sll'g iii.. nab' ich nich!
nebr Zeit da;.r. Nu ,,b' ich i'ur we
nigstens gedosst. daß mein A ,,!?-. sie
noch 'im? brcnieb'N kann.
Al Witte, ikic kc-üt B dükn i?'kr
ÜXbnwi .".!, ;:i rr:'c-tn t'tt,
c:lt fit dass ans Irmmt mit einer Zchö
ypp"Pyy"yypii''i(i' y
nc:i blauen, ini! Silbcr derz'lerleil Mappe
zurück.
Hier sehen Sie selbst seine Zeugnisse,
Herr Lehrer. Hicr deutsch sehr gut,
Rechnen sehr gut. Da hat er immer
noch Erster gesessen. Alvr seit Batcr
gesagt hat. nichts zu machen rnit'm e
rcr, da ist er wie umgewandclt. Abcr
vielleicht trinkt Hcrr Wille ein Täßchen
Kakkcc mit. Es ist ja schon spät, aber"
seht sie beschämt hinzu Beschc
ru g lpbcn wir dicsmal doch keine."
, ,öcr weiß. Frau Schrödcr ".
Wickc blickt sie mit fpigdiibi'em Lächeln
an. .Ich habe Wilhelm schon erzählt,
daß ich den Weihnachtsmann getroffen
bade. !l!un sag' mal, was wünschst Du
Dir denn imgc?"
Ter 'Kleine steht unschlüssig, fast
s Züchtern da.
Jia, so red' dock,. Wilhelm." dräng!
die riuitcr.
'n Schlitten," sagt er leise, mit
glühenden Wangen.
T ! vcrwcinte Schwesterchen ist auch
schon längst aus seinem Zicrstccke her
vo.. kommen und sängt an, Zutraulich
zu werden.
Und Tu. Lieschen?" fragt Wille,
,'nc uvve mit Schlasaitgcn und
und richtige Hore, und und "
Na m, ist aber genug." sagte die
Mutter mahnend.
Tann roeri... die Kinder i.. die Ki';
geschickt, und drinnen im dämmerigen
Zimmer gibt es eine geheimnisvolle, Be
ratu g, trobej die kleine blasse ft.a
sich mehr als eininal über die scucht gc
wordenen Augen fahrt.
7rnd draußen die Glocken verklin
gen, fliegt durch die ärmliche Wohnung
der Weihnackttöengil mit, wunderbarem
niiiaelrauschcn uns läßt dic Harzen der
Kleinen und dzr Großen in f-.eudigcr Er
Wartung heißer schlagen.
Nach wenige Minuten stürmt Wilke
wie ein großer Junge die Treppe hiiiun
tcr. Er fübli sich, plötzlich selbst wieder
als Kind. Der Wind, der ihm das er
hitzte Gesicht kühl!, ist so wohltuend, daß
cr gar t.ine Winterlälle spürt. Lustige
Samceilockcn iagcn in muntere, Wirbel
durch die Luft. t .
Nu hat Wille fein? Wohnung cr
reicht und das Gclz, das für den Ueber
zicher bestimmt war, aus dem Schrank
genommen. Und n;rn ging es ans Ein
laufen. Jetzt hafte .auch cc Sorgen,
wie all' die Vorllerhas!enden, dic es so
eilig lialten Wcilmachtrsorgen, dic
einzigen, die nicht drück,, sondern cr
heben und befreien. Bald sina die Ein
kaufe besorgt, ciu Schlitten für Wil,
belm, und eine Puppe mit Lchlafaugen
für Lieschen, da;u Aepfel. !1tü'se un)
Pfefferkuchen. Frau Schröder hat in
zwischen das Laumchm besorgt und ge
schmückt. Nun ist es auf einmal nicht mehr
ärmlich und Zahl in der kleinen 5e)o'wol
nung. in die so selten ein Strahl Sonne
dringt. Heute am. Heiligen Abend leuch
tet darin die schöiche Sonne, die es auf
Erden gibt, Kinec:g!auben, öliuocrse
ligleit. Wilhelm und Liccben, bt vorhin noch
mißmutig u verweint in der duntlrn
Ecke herumgesessen hztkn. standen jetzt
mit leuchtend!.!! Augen umer dem strau
lenden Lichkerb.7,W und sanqeiz in froh
sicher Inbrunst: Stille Nacht, heilige
Nacht ..."
Toch als der Schlüssel vraiibe in der
Tür herumgedreht wurde, fuhren sie zii
tcrnd zusammen uno wrrscn äugstlielü
Blicke aus die Mutter und Herrn Witte.
Der Aaier! Ein Mann mit vergräm
ten Mienen und müden Augen tritt ins
Zimmer und bleibt stulzeud sieben, als
er den Weihnschtscaum und den frein
den Herrn erctt,
Na, singt nur ruhig weiter. Kinder,
ich stör' Euch nicht." sagte er mit trau
rigem Lackeln, als er sieht, daß die 5ilei
neu scheu vor ihm. zurückiveichen. Ich
tu' Euch heut' nichts. Ich seh' Ihr habt
auch schon Bescherung geqabt."
Herr Wille. Wilhelms Lehrer, ist
so freundlich gewesen " sagt rau
Schröder mit 'schüchterner Stimme.
Ter Weihnachtsmann war da, Ba
ter, und hat mir' Schlitten gebracht!"
Und mir 'tts Puppe "
Und Pfefferkuchen "
Aepscl und Nasse "
Die Kinder haben plötzlich alle Scheu
vor dem Batcr berloren, den sie in lctz
ter Zeit fürchten gelernt hatten. Aber
heute schien er wirüich nicht böse auf sie
zu fein.
' Herr Schröder stccct't dem jungen Leh
.rer beschämt die Hand bin. Liele Worte
'kann er nicht machen. Tann erzählt er
ihm seine Geschichte.
Ich bin gelernter Buchbinder. Hcrr
Wille, bin aber außer Stellung und
kann leine Arbeit finoen. Bin manch
mal tagelang von früh bis spät rumae
lausen und l,ab' den Mut verloren,
Abends habe ich mich dann nicht nach
Hause getraut. Ich wußte. 7zrau und
Kinder warten vsü denken, ich hab' 'in
Stell? gefunden. ' Ich hab' schon Angst
gebabi daoor, daß ich immer wieder
nein" sagen musste, Ta bin ich denn
oft weg geblieben, bis sie ichliefkn und
hab' angefangen zu trinken. Das soll
nicht wiedcrvorkommen, Herr Wilke. Ich
hab's früher nie getan."
Wieder streckt er ihm wie zur Bekiäf
tiöunz seiner Worte die Hand hin. die
Wille ergreift uns herzlich drückt.
Und Wilhelm?" fraat er läckelnd.
'.soll der Maurer werven?"
' .Wenn er fleißig ist. Herr W,!ke, ich
hab' nichts dagegen, wenn Sie'n Lelzrer
aus ihm machen."
Ernst Wilke füllte die ernsten Ka
berizugen groß una freudig auf sich ge
ricbiet. So war ihm plötzlich ei Auf
gäbe für die Zukunft geworveii. Sein
Herz pocht so starj, daß es ihm zu eng
und schwül im Zimmer wird. Es treibt
ihn hiunas
ihn binaus ins Zreie. Kinder," sag!
er, zieht Euch an uns komm!, wir wol
ltu Scklittn salzren,"
Draußen ist es still geworden. Der
Wind hat sich g'leqt. Äerickneit liegen
die Straßen. Krij:'g y.tti Ernst Wik'e
den Sch.iUen an. Die i'jrR ser bei
den ftir.Hr driuP ibu! ir Herz, ans
ki, fecur Ans zeit bat rr nfi an:
Weidnachts'.s'ktp nich: it.'2r r
uns gltickl' fiil.lt T t friir. tit .i
endlich, cfüt t s iekiz'N'oi'.nes!',! Men
jchea Ab'child ushziriej Frau Zit:i
yYwyyy y1 y f'','ff''l'y''yw'y,'
Wie fein und leise draußcn dcr Schnee
niedcrricselte und wie behaglich sich'
hier iin stillen Fraucnstübchen bci glim
mcrndem Kaminscner träumen ließ!
Morgen war Christabend. Konnte
man schönt res Wcihnachtötvcticr wiin
schen als den dichten Schneefall, der
Baum und Strauch und die ganze Land
sckft mit schimmernder Decke einhüllte?
Dazu die Luft rein und mild gar zu
seht würden die armen Leute im Torfe
diesmal nicht frieren dürfen.
Und 'ftrrnj Brigitte, die sich da eine
seltene Mußestunde im LcHnstuHl gönnte
und die sonst immer fleißigen Hände
verschlungen im Schoß ruhen ließ, dachte
mit Befriedigung daran, daß hre zahl
reichen Weihnachtslörbe für die Orts
armen nicht nur gepackt, sondern auch
schon befördert waren.
Run d'irfte sie ruhen und sie
brauchte diese stille Stunde. Tcnn im
Innern der noch jungen, blühenden Frau
sah es nicht so friedlich und behaglich aus
als um sie ber. Ta loderte es heiß und
verjchrcnd empor, und sie hafte so das
Gefühl, daß es Wohltat sei müsse, wenn
auch dort kühlender Schnee niederfiele
nrd die Glut stillte, über die sie selber
erschrak. Wie war das nur geschehen
wie hatte sich aus dem anregenden, gei
stigen Verkehr mit dem jungen Gelehrten
nur diese Lcidenschast entwickeln können,
von dcr sie bisher .kaum etwas gcalmt.
und die nun ihr plötzlich über dem Kopf
zusammenschlt;?
Wobl nfttßte sie, was das zuwege gc
bucht hatte: sein stilles, heißes Werben
mit jedem Blick, mit jedem Druck der
Hand. Das .ziindet schließlich, wenn man.
jung und seelisch cinsam ist und von dem
großen tfiiick, von dem die Dichter sin
ci.ni und sagen, noch nichts empfunden
hat. Und das hatte Stau Brigitte nicht,
trogdcm sie zwölf Jahre lang nach der
Mcinung der Welt fchr glücklich verhci
ratet gewesen, obgleich sie drei liebe Kin
der hatte, dic scit des Gatten frühem
Tod -dcr Inhalt ihres Lebens waren.
Eiii halbes Kind noch, kaum siebzehn
Jakre war sie gewesen, als der viel altere,
ernste Mann um sie gcworben hatte.
Und da sie ilm. dcr lange Jahre im
Elternhause verkehric, gut leidcn mochte,
und die ganze Familie sehr für diese
Heirat war, halte sie ja gesagt ohne
Ahnung freilich, welch eine schwere Be
deutunz dies Ja entbikli.
Und es war eine höchst korrekte, fried
volle Ehe geworben, . Nur daß Brigitte,
als sie zum Weibe herangereift war.
mehr und mehr eine innere Leere, ein
Sebnen nach Ungekanntem, Unfaßbarem
erfüllte, die trotz der abgöttischen Liebe
zu ihren Kindern nicht weichen wollte.
Sie fing an, sich Mig mehr zu be
schäftiaen,' besuchte Vorlesungen, ahm
literarische, kunsthistoriickk und Musik
stunven. .Tcr Gatte lnbte das nickt,
ließ sie her gewähren, als sie trotzdem
die pflich!treA'!e Gattin und Mutter
blieb,
Nun war sie seit drei Jahren Witi.
Schon mancher Bewerber hatte sich ge
meldet, der die junge, blühende und recht
vermögende Frau gern heimgesührt
hätte sie Hatte nichjt einen Moment
geschirankt, nein zu sagen.
Toch jetzt jetzt das war etwas
grnz anderes. Noch Hatte der sehr junge
Pricatdozent, dessen Vorlesungen sie be
suchte, und der von einem gemeinsame
Freunde in ihr Haus geführt worden
war. nicht offiziell, mit keinem, Wort um
sie geworben. Aber sie wußte, daß dies
täglich zu ermarten war, und sie gedachte
ihm ein Ja zu geben, ein jubelndes Ja
obgleich
Es lag leider ein Steinchen auf dem
Wege, der sie ins volle Herzensglück fllh
ren sollte. Jede andere hätte ihn viel
leicht leichtfüßig übersprungen oder gc
ringschätzig beiseite geschoben ' Brigitte
war zu ernst veranlagt, als daß sie nicht
grübelnd davor gestanden und gezaudert
haben würde
Doktor Riftland war jünger als sie.
Nur ein paar Jahre ober doch jünger
Das wäre ja ganz nebeßsächlich geme
sen, wenn sie nicht Kinder, vor allem
nicht eine heranwachscnde Tochter gehabt
hätte.
, Irma war vierzehnjalzre. Sie hatte
dcr Mutter hohe, kraftvolle Gestalt und
sah dc-halb älter ai;s, als sie war.
Und iveim die Grübelnde daran dachte,
daß ,
Abcr da ivaro ihr Gedankengang durch
lautes Geräusch und fröhliche Stimmen
im Vorslur unterbrochen. Tie Kinder
kehrten vom täglichen Nachmittagsfpa
zicrgaug heim und stürmten nun ohne
weiteres ins Limmcr der Auttcr.
Heribert, der jüngste, sechsjährige, wnu
schlang sie stürmisch.
Ach, Mutti, war das schön im Walde!
So. als ob man jeden 'Augenblick dem
Weihnachtsmann im Schnee begegnen
müßte."
Und Wolf, der um drei Jahre ältere,
rief: '
Nur .Kälte muß noch kommen, damit
wir Eisbahn zum Fest und in den Weih
nachtsferien hätten."
Irma aber neigte sich über ihre Hand
und fragte:
Weshalb so in: Tunke ln, Muttchcn?
Soll ich nicht wenigstens deine Sichre ib
tischlampc anzünden?'
Brigitte strich liebkosend vber das
dunkle Haar der Tochter. Der ge
wisse Lichtschein, der von der offenen
Bocflurtür hereiimcl, lufz Irmas Ant
lik besonders lieblich erscheinen, und der
Mutter kam tl zum erstenmal zum Be
der ihm noch nach: .Herr Wilke sollten
sich einen wärmeren Mantel anziehen,
ie müssen ja frieren,"
Da lächelt er nur bot sich hin und
der,:!,: Wer jung ist und die Welt lieb
bat, 'det friert nicht.' uern wird das Herz
arm! Auf dem Heimwege war :rn
ki Licht u i zumute, wenn es auch
rock g.'lt, beute Abend einen Vricf zu
i.i rcic.'N. sie Reichte a die "'Mutier,
lenn rns :v'.t tt. daß. swi'.n Mutet
a.i fetn't Se a? vklcn ar?, fit z -nii
s z:hanöe!t h:!te.
Ckristrosen.
inc lvcihilachtsgcschichtc von veria
wiifztsein, wie hübsch ihr Töchierchen ge,
worden.
.Nein. Kinder, laßt mich noch ein wc.
nig im Dunkcln." sagte sic dann. .Ich
war so miidc von oll dem wcihnaclitlichen
Tun und träumte ein wcnig. Geht nur
ins Wohnzimmer, bald komme ich nach."
Ja. wir bavcn auch noch zu un."
meinte Wolf wichtig. Bcsondctö Jtnia
nicht. Schwcsterlcin?" .
Sie nickte.
Mutti wird unö gewiß heute gleich
nach dein Abendessen entlassen und hat
wobl selber noch mancherlei vorzubcrei
tcn.'
Dann fiel sie plötzlich der Mutter um
den HalS. Und nicht wahr, liebste, beste
Mutter, ich bekomme doch gewiß und
wahrhaftig ein langes Kleid! Ich bin
so groß, die größte aus der Klasse, und
die Mädels lachen mich schon aus."
Dabei pflanzte sie sich, der. Kopf reckt
hochreckcnd, gerad' vor dcr Mutter auf.
Und diese sah mit staunenden Blicken,
daß ihre Acltcste wirklich erwachsen, ja
fast ihr selber über den Kops gewachsen
war. Nie bisher war die Aehnlichkcit
dcr Züge, ja selbst deren Ausdruck ihr so
aufgefallen als jetzt, da Irma in dcr
dämmernden Beleuchtung vor ihr stand.
Ja." sagte sie mit weicher Stimme,
du bist ein großes Mädchen geworden.
Und lanaerc '.Kleider werden nun Wohl
angeschafft werden müsien."
'..Ach. Mutti, jetzt erst denkst du daran?
Frau Brigitte lächelte.
Ist's denn so schrecklich cilig damit?
Warum auch gerade morgen, du ungc
duldiqes Kind?"
.Wir haben doch Gäste," meinte
Irma, nun etwas vcrlegcn. Großmut
tcr ist da und Onkel Theodor, da!
Stifisfräulcin von drüben und Dok
tor Rittland. Tu hast ihn doch ringe,
laden nicht?"
Doktor Rittland die ?)Zuttcr ,;uckle
förmlich zusammen. Dachte ihre Irma
in lindlicher Schwärmerei an den just
an dcn
Ihr Ton klang etwas unsicher, als sie
nun sagte: Wir wollen das allcS be
schlafen, Kinder. Geht jetzt und ruft
m'ck zum Abendessen,"
Nun war sie wieder allein und hatte
doch plönlich esellschast erhalten den
brennenden Schmerz, dcr ihre ganze
Seele iiberilutcte. .
Eine fast erwachsene Tochter in
zwei drei Jahren würde sie es völlig sein
lonntex sie der zumuten, zu dem
jugendlichen Mann Batet zu saaen?
Und er wurde er der schweren
Mission gewachsen sein, Irma gegen
über stets dcn rechten Ton, die rechte
Art zu finden?
Renn aber nun gar das aufblühende
Mädchen an dem zweiten Gatten der
Mutier ein tieferes Interesse nahm, wie
es ja den Anschein hatte wenn sich die
fast unbewußte Backsischschwärmerei zur
wirklichen Neigung ouswuchs es war
nicht auszudeuten!
Ta gab es nur eins für sie: Verzicht.
Aber nein, nein, sie wollte m-fi ver
zichten, sie konnte ei nicht so. schrie es
in ihr. Auch sie wollte ihren vollen An
teil am Herzcnsglück haben, wollte auch
wie die anderen an reich besetzter Lebens
tascl schwelgen, sich von einem leidcn
schastlich gclicbten Mann umfassen lassen
und ihn selber glücklich machen!
Wie die andere
Weshalb stockte ihr Gcdankcnganz bei
diesen Worten? Weshalb stiegen da
plötzl-ch di Gestalten so vieler anderer
Frauen ihres Verwandten- und Freun
deskreises vor ihrem Gcistesauge aus, die
auch nie volles Hcrzensglück gefunden
und viel weniger noch als sie ein fried
liches Ehelcben geführt hatten? Da wa
ren zuerst ihre beiden älteren Schwestern.
Sie hatten ganz nach ihrer Neigung ge
wählt und den Eltern die Einwilligung
zu dieser Verbindung abgctrotzt. Beide
warenticht glücklich geworden; die eine,
früh verwitwet, kinderlos, saß einsam
und verbittert in der Ferne., Die andere
hatte durch leichtsinnige Unternehmungen
des Gatten ihr ganzes Vermögen einge
büßt und lebte nun mit der großen Kin
derschar in drückendsten Verhältnissen.
Und jene ihrer Freundinnen und An
verwandten es war eine ganze Reihe',
wie Brigitte heute zum erstenmal seuf
zend nachreecbnete die unvermählt ge
blieben, obgleich sie vielleicht eine foge
nannte glänzende Partie hätten rnachen
können und jedenfalls eines reichen
Glücks würdig waren wie nur je eine
Frau? Waren sie unglücklich, beklagens
wert, weil sie mit dem halben Herzen'
lebten, wie Brigitte das stets bezeichnet
hatte? Nein, gewiß nicht. Die meisten
von ihnen hatten sich einem Beruf zuge
wendet, der nun ihres Lebens Jnbali gc
worden war. einige beteiligten sich an
scgensvoller sozialer Arbeit, da sie nickt
um die Existenz zu sorgen hatten alle
ober gingen frei und tapfer, in stolzem
Selbstaenüqen durch Leben und dachten
gar nicht daran, eine Berminstehe einzu
gehen, wozu sich 'gewiß oft genug Gele
genheit 'rqab. Brigitte hatte diese
Frauen stets im stillen beneidet, weil sie
ganz ihr eigener Herr und keinem frem
den Willen Untertan waren. Denn auch
die glücklichste Ehe legt Pflichten und
Lasten auf wie oft hatte ihre traft
volle Eigenart das empfunden in der
sonst so harmonischen Gemeinschaft mit
dem dahingegangenen Gatten!
.Mutti das Abendessen 'ist oufgf
kragen sitzt du denn noch immer im
Dunkeln?'
Irma riess, den Kops hereinsteckend.
Brigitte erhob sich und reckte sich tief
atmend aus.
Dunkel? Sieh doch, wie der Schnee
hereinlenchtet, der weiß', ine, sänfti-a-ndc.
Schnee. Der bat ein förmliches
Licht in meinem Herzen entzündet
aber nun komm, die Jungen werden
Hunger haben, und'
.Und morg'n ist Weihnachten!"
jauchz'! ihr diese schon von wei?:m ent
"g'N.
Schon früh in onbcrrn Morgen be
mv.n Frau Brigitte die ZescheruNZ
lvcaner Zett.
i
rüste. Draußen ging die HauSglocle
eigentlich ununterbrochen, dcnn Briefe
und Pakete wurden abgegeben, bestellte
Sendungen abgelicfcrt. die Dienstboten
da und dorthin mit Aufträgen gesandt.
Noch Immer rieselte dcr Schnee nieder;
die Tannen im Borgartcn sahen aus, wie
mit Zuckergufz überzogen herrlich.
Da brachte ein Bote ein zart verhüll
tes Pakct, und als Brigitte daS weiße
Seidenpapier löste, dustctcn ihr wunder
bare Marcechal-?:icl-Noscn. ihre Lieb
lingsblütcn, entgegen. Sie wußte, von
wem sie kamen, noch bevor sie daö Schrei
den gelesen, das die köstliche Gabe bcglci
tetc. Mit gesenktem Haupt stand sie ein
paar Minuten davor und sog den bcran
sehenden Dust kin. Dann aber holte sie
eine hohe antike Base und stellte die Ro
sen hinein. Sonst hatte sie dergleichen
Geschenke siillbcglückt auf ihr Jimmer
getragen, heute jedoch erhielt der Etcanß
seinen Platz auf der "Weihnachtstafel.
dicht unter dein bereits fertig gcfchmllck
ten Christbaum. Denn für alle sollten
sie sein, und alle sollten sich daran freuen.
Nur den Brief nahm sie mit in ihr rige
nes kleines Reich, und am Schreibtisch,
unter dem Bild des Gälten, las sie ihn.
Waltet Rittland schrieb:
Weihnachten, Frau Brigitte. Ehrist
fest ! Das Fest der Frcude und Ucb.r
raschimgcn. Und wie in Schuljunge
freue ick mich aus den kieiliaabend. d.l
CVftniMt rrt'it "Vfitifn hr!jfin k.R
luf vit ;nikii, llll .'ll.lt viuiuin ,
freue mich auf Ehristbanm und firfn.
glänz nd Kinderjnbcl! i
Wollen Sic auch mir höchste Fcstsrcuo
und beseligenden Hcrzeiisjubcl gönnen,
teure Frau, so bitte ich um etwas, was
Ihnen ein lilcines ist, .mir, aber Au
war!sckst auf berauschendes Zukiinfts
glück bcdcutet trage Sic ocutc abend
eine dcr !!Zosen,,dic uns Christrosen dc
beuten sollen, und die Ihnen vcrchruuas
voll zu Füßen legt Ihr Walter Ritt
land."
Brigitte, dic mit stockende Pulsen d
letzte Zeilen gelesen halte, atmete eins.
Gott sei Dank, das war keine klare An
frage, auf die sich nnt mit ja oocr nein
antworten ließ.
Tcr Abend kam. Früh schon erilrah!
tc die Kerzen am hochragenden Ehtls!
bäum, denn Brigitte pflegte ihrem Haut"
personal vorher zu bescheren und mit
ihnen und den Kindern ein paar Weil,
nachtslicdcr zu singen. Tann empfing
sie die wenigen vertrauten Gäste d's
.Hauses im Nebenftmnier. Rittland er
schicti zulekt. Er neigte sich aus die
&ind der Hausfrau, dann überflog fein
Blick die höbe Gestalt, die in ein weißc4
Gcwand gekleidet war sie truz die
Nose nicht
Nicht einmal dies kleine Gewähren?"
flüsterte er febnienlich.
. Tie Blüten sind zu köstlich, alS daß
sie nutzlos welken sollten," gab sie ebenso
leise zurück. Sie stehen unter , dem
Christbaum, allen zur A,idd?.'-
Dann schritt man zur Bescherung.'
gab große und kleine Ucbcrraschungen,
liebe und sinnige Gaben, hallenden Jubel
und glänzende Augen beim lungen Volk
chcn. Irma war übkrglücklich. Sie
hatte nicht nur ein lanzcs Kleid", sou
der deren drei erhalten, da Großmama
noch eins zu den beiden gefügt, die Bri
gittc besorgt hatte. Aber wenn diese
Kleider auch dcn Haupiinbeilt ihres kind
lich laut geäußerten Entzückens bildeten,
so kam doch sicher gleich danach die
Freude über das reich illustrierte Werk,
das ihr Rittland zu den anderen Ge,
schenken unter dcn (Ibristvaum gelegt. ,
Für junac Mädchen" stand daraus. Wie
sic das beseligte für junge Mcidchcn.
Sie war alfo lein Kind mehr man
rechnete sie bereits halb und halb zu dcn
Erwachsenen!
Und als nun gar Großmama lä
chelndzen Wunsch auesprach. Irma doch
nun auch in dem langen Kleid" sehen
zu wollen, war ihr das eigentlich ein
weiteres Weihnachtsgeschenk, um das sie
die Mutter ja schon vorher gebeten hatte.
Aber nun die große Frage, welches von
den dreien. ,.
Da kam ihr Rittland z Hilfe. Jch
würde das blaue nehmen," sagte er '
lächelnd.
Natürlich das blaue das gefiel ja
auch ihr selber am besten! Und sie
stürmte damit sort auf ihr Zimmer, um
nach wenigen Minuten im neuen Ge
wände, das sie vortrefflich kleidete, zu
riickzukchren und vor jedem der Anwesen
den besonders einen tiefen Kni; mit
drolliger Grazie zu vollführen.
Sieh, sieh, sägle Großmama liebe
voll, da hätten wir ja nun ein junas
Fräulein im .Hause!"
Noch nicht." meinte Brigitte ernst.
Noch wird sie ein paar Jahre tüchtig
lernen müssen, abcr dann habe ich
eine große Tochter."
Sie sagte das langsam, fast mit
schwerer Betonung, als ränge sie die
Worte einem wunden Herzen ab. Vor
ihr dufteten Nittlands herrliche Nolen.
und langsam, wie in tiefen Gedanken,
nahm sie eine davon und steckte sie Irma
ins dunkclglänzende Haar.
Wie es sie kleidet." sagte sie leise.
Wenn ich Irma erst auf den Ball führe,
soll sie oft gelbe Nof'n tragen "
Ta neigte Rittland mit zuckender
Lippe tief das Haupt. Er hatte sie ver,
standen. ,
In fr Mcuagcrik. p
Besmhr: Sagen Sie. Herr Tire!
tor. ist dcr Elephant sehr klug?"
Direktor: .Gewiß! Ich habe ihm
sogar, beigebracht, in diesen Kasten hier
ein Geldstück hineinzulcgen . . . Wollen
Sie eZ 'mal probieren? Geben Sie eirre
Mark her!" Ter junge Mann gibt
dem Direktor das Geldstück und der El,,
phant führt das besagte Kunststück aus.
Besucher: Tas ist wirklich sehr hübsch!..
J'ht srll er mir aber das Geld ro'-a
0,'tVn!" Isiittot: Abernte, nviti Herr.
d'Z habe ich ihm r.ch nicht beibripzen
formn!"
r
?
4
P-.