Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 29, 1918, Image 7

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Aber r hat'S doch so nötig, gnä'
Frau,' entgkgnete der Chauffeur. ES
sd zrhn bci'ihm zu HauZ. Oder 'n
Dutzend. Und ez macht doch seine Cachs
so orntllch!" '
Die Gnädige wendete den Kopf lässig
zur Heite und entschied: .Reden Sie
doch nicht ewig. JohiU Ich mag nun
i;ial nicht so ein widerwärtige
Öreiiel im Hause leiden." - ' . ,
Die glatte Stirn liber der schmalen,
geraden Nase - krauste sich, und die
Stimme schauderte gleichsam vor Ekel.
Ich will hübsche Leute um mich ha
ben." fuhr ij: foxt. im Hause wenig
sn will ich sicher sein vor diesem
häßlichen, gräßlichen Pack. Lassen Sit
mir einen anderen , kommandieren,
John!" '
Sprach'S, schürzte den Nock ungeniert
ziemlich hoch, und stelzte auf den ge
schweiften Absätzen die Stufen hinan.
Der Chauffeur schlug die Hacken zu
lammen und schielte hinter ihr drein.
Tann verzog sich sein glatte Bedienten
gcsicht zu einem eitlen Grinsen. ,Hllb
sche Leute im 81 . . . da mußte
wahr sein. Dii Jungfer und die zwei
Hausmädchen ... er schnalzte mit der
Zunge; man brauchte sich nicht ztt schä
men, wenn man sie am Arm .hatte.
Auch die alternde Köchin war zumln
-dcst sauber und appetitlich. Und er
selber . allemal, wenn er sich vor
dem Cpieg'l die Pomade ins Haar
durilele, dächtt er: Ganz 'n Englan
der!" ...
Also. Jan, eZ nutzt mV sagte er
in der Küche, du mußt fort."
Jan. ein blasser Bursche, der aus
einem Schemel hockend, irgendeinen Es
sensreft aus einem Emailnapf der
zehrte, erhob sich schwermütig und
schickte sich an. seine Siebensachen zu
sammenzusuchc:: und in ein Bündel zu
packen.
Also, eZ war rein gar nix zu ma
chen," beteuert John. .Na, aber Jan,
l bci Wagenwascheii kannst du mir schon
Weiterhelfen, früh, wenn die Gnädige
schläft, weiß' du!"
Jan nickte trübselig.
Die Köchin aber ereiferte sich: Ja,
da frag' ick au bloß: Warum soll er
denn fort, der Jan? ,
Der Chauffeur zuckte die Achseln.
Hübsche Seilt will sie um sich, hat
sie gesagt." flüsterte er.
Die Köchin schüttelte den Kops und
lief in die Vorratskammer. Eine halbe
Rehkeule, eine Ganslebcrwurst und
einen derben Nest Schinken sch'cppke sie
herzu. .Pack's ein. Jan? sagte sie.
Jbr konnt's brauchen."
Und Jan sackte gehorsam ein.
Zuletzt lud sie ihm noch eine Tiite
Eier auf. Und sie legte noch ein Pfund
Zucker zu. : - . .
Jan halte einen gloriosen Abgang,
Der Chauffeur fchlenderte die Strafte
entlang und trat in die Cchenksiube
der Wirtschaft zum schwarzen Dia
mcinten". Die Kneipe, nqefähr in der
Mitle zwischen den Cchächtn Mat
Halde, HimnielZfürst und Constantia l
imd.IV gelegen, hatte den lebhaftesten
Verkehr weit ringsum. John ließ sich
einen .Halb und halb" eingicßen. und.
während er die überfließenden Tropfen
auf der durchlöcherten Blechplatte des
Schanktisches zerrieb, sagte er: .Den
Herrn möcht' ich mal haben. Marieken."
Pitier Strcuwel. der Herr, schlampte
in seinen Filzpantinen heran. Zu die
ncn. Herr John?"
Tarauf brachte der Chauffeur etwa!
von oben herab sein Anliegen, vor; die
Herrschaft brauche einen neuen Luf
jungen; Bedingung hübsch und sauber:
denn der Jan hätte 'eigentlich nur we
gen seiner scheußlichen Visage fortge
musst. Ob Streuwel einen wisse?
Ja. meinte der zwischendurch, dag
wurde Wohl schwer halten. Seit dem
lebten Streik hätten die Leute eine ko
lossale Wut auf die' Villa; dem alten
Y. Tiihrkoov feien wäre eZ mächtig ver
r 3 r.c.n w.fc t:
' T nur ii luviucil, ci eil uu yuigc
1 V lassen Härte.
Mit einem Male jedoch hob er hör
chend die Elohaugen. Hinten im zwei
tcn Zimmer kreischte eine Weiberstimme,
halb unwillig, halb belustigt; ein hel
leZ Manncslachcn klang dazwischen. Er
deutete mit dem Zahnstocher rückwärts
über die Schulter und ließ sich verneh
' men: .Da, der Baron! Hat's wieder
mal mit d?r Käth't Nehmen Sie den!"
Pitter, Sie sind verrückt .Oder . . ,
ist das Ihr Ernst?"
flott ja! Warum nicht, Herr John?
Hübsch und sauber ist er."
Na, reden kann ich ja ma! mit ihm."
Ter Wirt nickte und schlurrte Hirt
auä. Ich schick' ihn herüber," brummte
er. .Reden Sie mal mit ihm, Herr
John." .. .
Der Handel kam zustande.
Anfangs entsetzten sich alle vor dem
Schützling des Chauffeurs, die Jung
.s?r. die beiden Hausmädchen und vor
llem die Köchin. Denn der Aaron"
Ubrizns beileibe kein Freiherr von
Soundso, sonder das uneheliche Kind
einer OTigb, die beharrlich, vielleicht
selbst beilegen von einem polnischen
vnron als dem Sinter deS Knaben ge
k nfelt hatte . dieser Baron also, stand
ttincs.regz auniiiaem j;cumuno. und
allzeit hatte rS mit We,bS!eut?n. mit
t'.n balbwiichfiaen Töchtern der Zechen
xxtciUx, die zu Haufe Zigarren Wickel
ten, mit den Kellnerinnen der Schen
k-n oder mit den Teppichknllpferinnen,
sie ins Nachbardorf zur Fabrik gingen,
zu tun. Vielleicht hielten ihn gar die
Zü-'l-erleule aus.
Bild genug glückte eZ seinem glatten
Eiser. eine Bedenklichkeit nach der an
d'ren bei dep tier Frauenzimmern des
f auätnltfl beiseite zu schieden, ja. mit
d'r Zeit steigerte sich die anfängliche
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3trtooi
s- ,
von Franz Adam Veerlem,
Kühle der vier Damen sogar zu einer
recht erheblichen Wärme.
' Angesichts dieser Veränderung war
eS nicht verwunderlich, daß der Chauf
feur eine täglich wachsende Lust ver
spürte, den Baron wieder vor die Tür
zu befördern. Seit dieser Bursche, der
UibrigcnS wie die meisten Leute in
dieser Landschaft wiederum Jan
hieß, eingezogen war. kamen ihm, Jojjn,
die kleinen Licbesschnsuchten der drei
hübschen kleiner. Mädel und die eher
mlltterlich-praktische Neigung der jtö
chin nur mehr zur kargen Hälfte zu
gute, und solche Entbehrung nach den
Zeiten des Besitze tat wehe.
Und John , empfand diese Schädi
gung um so mehr, als er gerade in
diesen Tagen einen harten. Dienst hatte.
Wie fast alljährlich zu Beginn deS
Winters waren die Belegschaften wie
der einmal, draus-und dran, in einen
Streik einzutreten. Da gab eö Be
fprechungen der Werksdirektorcn früh
und spät. Mitglieder des Aufsichtsratcs
waren von der Station abzuholen, und
nebenher liefen die endlosen Diner,
bei, denen man zu Licht und Prunk die
Abgeschiedenheit aller Kultur zu der
gesscn stablc Dann ereignete es sich
wohl, dah bei der späten nächtlichen
Heimfahrt ein Stcinwurf oder ein Re
volverschufj den Wagen traf, oder daß
ein starler Draht, recht zum Stron
gulicrcn hingcspannt. eben noch von den
Scheinwerfern erwischt wurde.
Währenddessen faß der Baron in der
warmen, blanken Küche, ließ es sich
wohl, sein und verübte steten Unfug.
Entweder probierte er mit der Jungfer
einen Apachcntanz oder er spielte auf
der Harmonika den neuesten Gossen
Hauer vor.
John schwur sich, dem allen ein Ende
zu machen. Da ehe er noch Zeit
und Gelegenheit fand, seine Abficht zu
verwirklichen, trat ein Umschwung ein.
Höchstens die Köchin bewahrte von da
an dem SSirrni eine mäßige Anhänglich,
keit. ohne darüber jedoch den Chauffeur
darben zu lcssen. Die drei Mädels aber
kehrten reumiitiz zur alten Fahne zu
rück; ja, sie wendeten sich sogar mit
einer gewissen bissigen Feindseligkeit ge.
en den entthronten Liebling. aus
Eifersucht.
Denn . . . Jan, der Baron, hatte
sich in die Gnädige verliebt.
Folgendcrmas'.en war das gekommen:
Eines SamStagZ befestigte er den dik.
ken roten Texpichläufer auf der Treppe
nach dem Oberstock, da schritt die Frau
die Stufen hinunter, gan, in flickende
Seide und rieselnde Spitzen gekleidet.
Das festliche Gewand war tief aus.
geschnitten, und wundervoll wuchs auf
den welken Schultern der schlanke Hals
empor. Im Haar schwankte ein Reiher,
stutz, darunter schimmerte ein Stern von
Diamanten. Jan rutschte auf den Knien
beiseite, und mi so unverhohlener Be
wunderung staunte er empor, daß in
den kühlen Augen der schönen Frau
unwillkürlich ei warmer freundlicher
Schein aufglomm und der kleine
schmale Mund sich zu einem flüchtigen
Lächeln sckürzte
Damit wcr die Erscheinung vorüber.
Der Herr wartet schon längst im Wa
gen und sch.mpfie über die Trödelei.
Unten in der Borhalle legte die Jung,
er einen grünen Mantel um die Pracht
er Schultern, und nur der Diamant
lern im Haar sprühte noch einmal wie
ein Funkcnschwarm, als John vorn los
fuhr.
Seitdem schaute der Baron nicht
rechts, nicht links, allein auf die Frau
War sein Trachten, gerichtet.
Der gutmütigen Köchin fing er bald
an, leid zu tun; kopfschüttelnd bemerkte
sie: Wahrhaftigen Gott, er . kommt
orntlich von Fleisch bei der Dumm
heit."
Die drei Zugendlichen Schönen der
Dienstbotenstube dagegen rächten sich für
die Bernachlässigung. indem sie ihn
weidlich höhnten. Im Grunde sg
führten sie ihren Spott spazieren
stellten die Gnädige und ein Baron ja
nur ein ebenbürtiges Paar vor, und
wenn es auch mit dem Baron" etwas
hapere, man hätte ja Beispiele genug,
daß die schönsten Flauen mit ihren
Kutschern oder Chauffeuren durch,
' gegangen waren; worum nicht zur Ab
wechflung mit dem Stiefelpuber?
Jan setzte allcdem ein tückisches
Schweigen entgegen.
T Jungfer die sich zur Schau
spielcrin vorbestimmt und nur durch den
Neid deS Schicksals ihrem natürlichen
Berufe entfremdet wähnte, liebte eZ,
Wenn de, Geist ihrer wahren Bestim
mung liber sie kam. während der abend
lichen Feierstunden in der warmen
Küche vorzulesen, allerlei durcheinander
mit einem 'einförmigen albernen Pathos,
Schauerromane, Verse. Theaterstücke.
Neben "den schlechten Büchern besaß sie
auch Schillers Gedichte. Amalia" und
Dik Kindesmörderin" waren ihre
Glanznummern; die Balladen dagegen
sagten ihr weniger zu. Aber gerade
dafür hegte die sinnige Köchin eine
Vorliebe, btsonders für den Gang nach
dem Eisenbammer" sie sagte nach
dem Hochofen; dielleicht zog sie , einen
gruseligen Vergleich zwischen den beruß
ten Henkerkknechtm des Gedichtes und
den Arbeitrrn deS nahen Stablmerkcs,
oder die milde Ergebenheit des Knechtes
Fridolin tat ihrem alternden Herzen
wobl.
Alss, Betti tat ihr den Gefallen und
reziterte:
fromm Untiit war Krldulin
lind in tet ffurAI fcf Hnin,
Grjrti bft IKcbiiierm. '
5Ut MiiUn tw Clider."
. Plötzlich stockte sie. Sofort hatte sie
in ihr'm klinken Hirn die Beziehungen
der Ballade zur Wirklichkeit herausge
funden.. Ihres mageres Zcigkfingerchen,
XXX.
vorn ein wenig zerstochen vom Nähen,
wieg wie eine züngelnde- Schlange auf
Jan, und während sie in ein grelles
Lachen ausbrch, rief sie: John, Kin
der, Leute, seht doch! Da haben wir
ihn den Knecht Fridolin!"
,
Ueber dem allen war 'draußen, im
Revier, der Streik ausgcbrochen. miß
billigt von den, Führern der GeWerk
schastcn denn die Kassen waren leer,
und manch einer hatte in den Zeiten
der schweren Not auö den Listen ge
strichen werden müssen , ober von den
Arbeitnehmern mit blinder Entschieden
heit erklärt und mit inbrünstiger, eifcr,
süchtiger Wut durchgeführt. Ein ein,
fochcr Salz hatte alle vernünftigen Er
wägu.ngen mitsamt den Warnungen der
Führer hinwegegefget, ein Satz, den,
dem Gerücht zufolge, dr Direktor der
Zeche Matl'ilde gesprochen haben sollte,
als jüngst acht Bergleute im Förder
schacht durch einen unerklärlichen Un
glllckSfall das Leben eingebüßt hatten,
ein Sah. also lautend: Jeden Tag
acht auf der Strecke, das braucht's da
mit die Maschine im Gang bleibt."
' Es half nichts, daß die Zeche Mat
Hilde die am besten verwaltete weit und
breit war, und daß der Seilbruch durch
keine menschliche Aoraussicht hätte ver
hütet werde., können; es half auch gar
nichts, daß die Gerichte in einem schnei
len Bcrfahren überzeugend darlegten,
nicht brutal und ausbeuterisch, wie die
Erzählung von Munii zu Mund lief,
fondern mit ehrlichem menschlichen Be
.dauern habe der Direktor der Grube,
übrigens der arbeiterfreundlichsten Be
amten einer, von den acht Toten als
den heldenhaften, leider notwendigen
Opfern des großen täglichen Ringens
gesprochen die Belegschaften 'verharr
ten im Streik.
Sie holten die hohen ursprünglichen
Forderungen der letzten Bewegung wie
der hervor und versteiften sich blind
wütig darauf, obschon sie überzeugt sein
mußten, daß eine Erfüllung ihres Bcr
langeyg ir, der währenden Periode des
Niederganges schlechthin unmöglich war.
Unaufhaltsam fraß das Fieber weiter
im Land. Es sprang über die Grenze
hinweg ins Belgische hinüber und nach
Frankreich hinein. Der dumpfe Groll
über die henfchende Teuerung und' das
ungewisse grauenvolle Bangen vor der
drohendeu Not des beginnenden Win
ters ließen allenthalben die Menschen in
einer blöien Verzweiflung dem Streik
zufallen. Plötzlich, in einer wilden
Feuersbrunst, loderte die geheime, fchwe
lende Sehnsucht gen Himmel, es müsse
endlich, endliÄ und mit einemmal alles,
alles anderZ und besser werden.
Kalt, gelasini warteten die Wcrkver
waltnngen au? den Augenblick, in dem
der Hunger die Ausständige zur Arbeit
zurücktr.'iben mußte. Gendarmen und
Soldaten bewachten die Schächte, einst
weilen bedienten die Ingenieure die
Wasserhaltungsmaschinen, und die Be
amten und Volontäre schippten Kohlen
für die Feuerungen.
Die Gewerkschaftsführer ließen für
den Anfang den Massen ihren unge
schickten Willen und hielten sich seitab;
sie wußten, in den Tagen der ersten
ursprünglichen Empörung war es
schwer, die erwünschte Ordnung zu hal
ten schwerer noch. Einlenken und Bcr
flunft zu predigen. Veberdies verstanden
es die Behörden auch nur zu gut, jeg
liche Versammlung zu hintertreiben.
Dafür wurde die Glut in den Häu
fern und Wirtschaften desto eifriger ge
schürt. Die Frauen insbesondere, die
beim täglichen Einkauf das trostlose
Ende immee deutlicher herannahen fa
hen. stachelten die' Männer auf. wenn
es denn im guten nicht ginge, es ein
mal mit Gkwalt zu versuchen, und in
den Schanlstättcn, wenn die Mägen
leer blieben und die Köpfe heiß wurden,
erhoben die wildesten und radikalsten
Schreier immer kühner ihre Stimme.
Die wüste Helden der Naufhändel
führten das große Wort, stopften jeden
verständigen Mnnd mit der Faust oder
bedrohten den Widerspruch mit ihrem
immer bereiten Messer. Sie hatten kei
rierlei Verantwortung im Nacken und
forderten immer kecker den offenen Auf
rühr.
Nur Jan, der Baron, der in einer
Dachkammer des schwarzen Diaman
ten" feine Schlafstelle aufgeschlagen
hatte, mußt, .allabendlich das Asyl der
friedlichen Küche verlassen. Statt dessen
saß er in einer Ecke der Wirtsstube
und verschlang mit hungrigen Ohren
die Brandreden, die immer drohender
von Mund zu Mund flogen und immer
unverhohlener zur Revolution hetzten.
Ter Gendarm war weit weg, und an
dcrwärts brannte der Aufstand fchon
lichterloh. Im Belgischen sa ging
daS Gerücht waren die Genossen
bereits Herren aller Städte im ganze
Kohlenbecken, und in Frankreich
daran war kuz Zweifel wehte längst
allerorten die rote Fahne.
Ab und an, wenn über dem wütigen
Reden auch die Gläser in Gefahr gerie
ten. schlampte Pitter Streuwel. der
Wirt, zwischen den Tischen durch und
mahnte: Na. na. JungS! Red't euch
nich um Kopf und Kraaen!"
Saßen ihm dann die Gäste, die nebstiei
wenig gcmia verzehrten, zu lange, so
lieh ti gemach die Oefen ausgehen, und
bald trieb die Kälte einen nich dem
anderen heim.
Ter Baron aber tastete sich im dun
feinde Hause die Stiege zur Dach
lammer empor und kroch, wirr im Hirn
und mit fiebernden Sinnen, unter seine
Decke.
Eine? Ncch!S ,Zkdoch verließ er mit
den andere die Wirtschaft und hängte
sich an den wüstesten der Schreier. Mit
einm Male blieb er stehen, faßte Posta
aus seinen schwankenden Bnen, blinzte
IHii
Jan von oben herab an und fragte,
volltönend, als ob r zu einer Bolks
menge redete: Nun, mein Kleiner, wat
wüllst du?" '
Der Baron schnappte nach Atem.
Nämlich ja,' brachte er hervor, .ich
wollt' man bloß wissen . , t
.Wat wolltest du wüssen, mein Klei
ner?"
.Ja. nämlich . , . tvie das mit'dcn
Frauen wird?"
.Mit waS für Frauen, mein Klei
ner?" '
Ob auch die Frauen der
der Reichen unser gehören werden?"
Der Riese faßte Jan unter Kinn:
,Süh mal," erwiderte er, so einer bist
du? Gott behüt' dich! Ja, da sag' ich
dir. die Frauen sind dem, der , sie
nimmt, der sich traut."
.
Tags darauf waren die Frau und der
Herr zum Diner beim Betriebsdirektor
der Hohenstcinwcrke gebeten, und der
Haushalt der Villa hatte darum ge
ruhige Zeit. Um die sechste Abendstunde
aber stand die Köchin plötzlich von ih
rew. Strickstrvmpfe auf und ging auf
den Fiur hinaus, um den Krämer an
zuklingeln, er falle ihr fünf Pfund fei
eS Wcizcnmebl herüberschicken.
Mißgelalknt kehrte sie wieder in die
Küche zurück. Der Teufel hol das 2c
lephon!" knurrte sie. Er ist wieder mas
taub."
Die Jungfer' las, an den Ofen ge
schmiegt, den Originalroman Im Stru,
bei des neuen Babylon" und lutschte Pra
linöS dazu, die sie der Gnädigsten sti
bitzt hatte. Das hätt' ich Ihnen gleich
sagen können," bemerkte sie, der Herr
hat schon nachmittags keinen Anschluß
gekriegt. Es muß was kaput fein
dran."
.Wie alle mal, wenn man ihn ge
braucht." schalt die Köchin. Da hatt'
ich nu die Se.ndtorte heut machen tön
nen; jetzt hab' ich morgen olles zusam
men auf dem Halse. Jan. nicht, dann
gehen Sie mal vorbei nachher?"
Der Baron nickte.
Danach war es wieder schr behag
lich und friedlich in dcr Küche.
, Mit emcmmal erhob sich draußen ein
ungefüges Scharren und Trappen, die
Tür tat sich auf, und ein halbes Tut
zend Männer Ual in die Küche. Hinter
ihnen im Gange drängte sich Kops n
Kopf.
Ei du gerechter Himmel." brachte die
Köchin nach einem langen Staunen her
vor, das hciß' ich mir mal 'ne solide
Fkechbeit!"
Und dann nachdem sie die Brille auf
die Stirn geschoben hatte: Das is zq
der Hmnöck Möller?"
Hinnäck Möller war ein Häuer und
sonst ein stiller friedsamer Arbeiter und
Familienvater; heute aber plusterte er
sich gewaltsam auf und erwiderte: ,;a,
-Madam. Köchin das bin ich. Aber heut
abends komm' ich im Namen des freien
mikv '
Die Alte ereiferte sich: Das is
dumm dahergeschwakt. Möller. Hier sind
wir in der Küch- beim Direktor En?cl
dann. Wenn Sie von dem was' wollen
kommen Sie moraen wieder; jetzt ist
er nicht zu Hause."
Der Häuer wieate sich unschlüssig hin
und her.- Aber seine Augen begannen
wie in ein.'m Fieber zu glühen, und ein
tiefes lRol flammte in seinem hageren
Gesicht auf. Bon heute ab. Madam
Köchin," sagte er feierlich, von heute
ab is dahiee im. Revier Revolution!
.Möller. Sie sind ..." ,
Nein, Madam Köchin, ich bin ganz
nüchtern. Und jetzt holen wir uns oben
die Flinten aus dem Gewehrschrank,
und zu essen wollen wir und zu trinken.
Wir Haber . Fastenzeit gehabt lang ge.
nug, jetzt sbll's fette Tage geben. Macht
voran.. ?lunaens. Schlagt ein, wo kein
Schlüssel ist!"
Bislang hcittcn die Eindringlinge
verlegen der Zwiesprache zugehört, hie
und da ihren Führer durch Murren,
und Zuspräche anreizend; nun fluteten
lie wie von einem lähmenden Banne be
freit, lärmend und lachend auseinander,
indem sie flöhlieh den beiden Hausmäd
chen zunickten, die sich wortlos bei den
Händen hieltet' und ungewin, blöd ein
Zander anschauten. Atemlos gespannt,
wie eine Katz: auf der Lauer, lehnte
die Jungfer am Ofen und folgte dem
unerhörten Vorgang mit ihren fahrigen
Blicken. .
Die Köchin dagegen nahm achfclzuk
lend ihren Strumpf abermals vor. hob
zwei Maschen wieder auf und strickte ein
wenig krampfhaft darguf los. Sucht,
sucht!" sagte sie. In diesem Hause hat
nichts verschlossen sein mussen7 also
schlagt nichts kaput!"
Sie wußte ihre beiden Sparkassen
bücher Zu gulcr Sicherheit und war eine
erfahrene Frau. Mißbilligend schielte
sie durch die Brille auf den Hauer, der
unzufrieden mit der Aufnahme seines
Evangeliums vor ihr stehen geblieben
war. uuö flüsterte schließlich: Möller.
Mann! 'Wenn nu der Gendarm
kom j Und die Soldaten?"
äitollcr hatt? nur auf diesen Einwand
gewartet. Hc. ja. machte kr, dann
stellen wir den Herrn Direktor und feine
Frau vor uns hin, Denn sollen sie
man schießen."
Sabt ihr ihn denn schon?"
.Nein, cber wir werden ihn haben,
f Gott will." Nämlich, obschon Möl
ler dem alten Verband angehörte, war
er einer von den Frommen und erwar
tete sich eine Umwälzung unter dem Se
oen dcZ Himmels. Jawohl," fnbr er
fort, um acht Uhr ist die Esscrci bei
Hohensieii z, Eride; dann lassen wir
sie abfahren, Icen für sich, und fangen
sie einzeln. Das besorgt uns schern die
schwane Garde: dazu ist sie gut."
JesuS. die?!!' zeterte die Jungfer.
Die Schwarzen?! Dann behüt' Gott
unsere Frau!"
Um Himmels willen, wer?" fragte
die Köchin. Schwarze gibt'S doch hier
hlkiim gar nicht,"
Und sie mußte erfahren, daß die
Schwarze die jüngeren, ledig? Ar
beiter vom Stahlwerk und Hochofen wa
ren. rohe rauflustige Kerls, die ihre
Ehre drcinsitztcn, gefürchtet zu fein um
MI!
iiijnjji.iijiiiJNiituiinijjuiijjfUiijiMjj.iiii Hiuiuui wwjmwMiüii mmiui mmimun iuuiuiuuiumimu.t ""-.."f'..'".",
jeden Preis,' ti kam ihnen auf ei.ien
Messerstich nicht on und wo sie aus den
Tanzböden erschienen, derschwaiid, waS
von den Mädchen etwa auf sich hielt;
nur die Tirma blieben.
Ti: Alte schlug die Hände Lberm
Kopf zusammen; Möller aber, stolz da
raus, daß er nun doch noch eine jtar
kcn Eindruck hinterlieh, hatte ganz seine
gute Lau wiedergefunden und fragte
vertraulich: Madam Köchin, ich hätt'
wohl auch gern ein Schnäpschenz welcher
ist den daö beste?" , .
Die Köchin seufzte: .Gott. Möller,
wenn'i nu einmal nich anders ist, ich
für meine Teil hab' Rosenlilör mit
einem ganz kleinen Schmack Bittern drin
am liebste, der Herr aber sagt, es geht
nichts über einen alten Kirsch. Warten
Sie, Jan weiß, wo die Flaschen lie
gen. Jan. !"
Aber, der Baron war verschwunden
aus der Küche,
Der Häuer beruhigte die Alte: Lie
der Gott." meinte er, mir kommt's
nicht so drau an; wenn's warm macht
und bloß ein bißchen gut schmeckt,. bin
ichschon zufrieden."
?lan hatte-über dem atemlosen Zuho
ren die Jgodsticfel beinahe in Lcderfctt
ertrankt. Sobald zedoch pte ateoe aus
den Herr geriet, mit dem ja sie, die
Frau, im Wagen fuhr, stockte er. Und
er glitt hinaus, als er vernahm, die
.Schwarzen' wären hingestellt, daS
Automobil der Herrschaft aufzuhalten.
Im Gewübl deS Ganges draußen er
haschte er ncch den Ort des geplanten
Ueberfalls das Straßenkreuz beim
alten Ehausechaus. Mit einem gclin
den Gruseln sprachen sie rings von dem
Attentat, und alle schienen glücklich zu
sein, daß ihnen die sonst redlich ver
achtete Schwarze Gasse" die heikle Bcr
richtung abnehmen wollte.
Für den Boron hieß es eiln. Das
Chaussechaus war wohl fünf Kilometer
entfernt, ein Geringes für einen Kraft
wagen, für einen Fußgänger mehr denn
eine starke Wegestunde. Barhaupt
stürmte er iu das Dunkel hinein. Es
regnete leif,', und ein naßkalter Wind
blies ikzm entgegen. Seitwärts in der
Arbciterkolor.ie der Zeche herrschte ein
unruhiges Leben und vom schwarzen
Diamanten" schallten Hochrufe und Ge-
sang herüber. Durchs breite Hallenfen
ster sah er Pitter Streuwel. den Wirt.
auf den Schultern zweier Burschen
thronen, verzweifelt schimpfend und to
bend über den Hohn. Denn auch bei
ihm wax .die Plünderung nicht vorder
gegangen, und heute tranken sie feinen
Branntweii umsonst.
Danach verschlang die Finsternis die
Landstraße und das ganze Land rinzs
um. Weit weg erst schimmerten die
, nächsten Lichter, ungewiß im Schwarzen
flackernd dort lag wie in einem Eng
paß zwischen der, Halden eines ersöffe
nen Schachtes die einsame Wirtschaft
zum alten Chaussechaus", ein öder
Fleck, recht geschaffen für eine Tat. die
abseits, im geheimen, vollbracht werden
sollte.
Unverdrossen, in einem stumpft
Trotz trottete Jan seinen mühseligen
Weg durch bei Regen. Sein ganzes
Denken war glcichsam ausgefüllt von
der eine,', Vorstellung, daß die Frau der
Rohheit der schwarzen Garde preisgcge-
den sein sollte. Tann aber wollte auch
er - am Blake sein. So unverhohlen
er sie begehrte. - um so unerträglicher
dünkte es ihn daß ein anderer sie auch
nur berühren, geschweige denn, daß einer
dcr Schwarzen" seine wüsten Hände
an sie legen sollte. Er wußte nicht,
auf welche Weife er den Frevel hin
der wollte, cr verzweifelte sogar daran,
daß er irgendwie Hilfe zu bringen im
stände sein werde, aber als eine starke
Macht trieb ihn die Leidenschaft, von
einer jammervollen Neugier geleitet,
.voran inS Dl'nklc. Ungewisse.
. Zulekt als ihn. schon nahe dem Ziele,
die Kräfte zu verlassen drohten, peitschte
ihn noch einmal die jähe Hoffnung em
por, er könne den Gefährdeten entgegen
laufen nd sie warnen; vielleicht daß
er ihnen dann im Dunkel der- Nacht auf
Seitenpfadcn zum Entkommen zu ver
helfen vcrmcchte. Aber wie zum bitteren
Spott nähertet sich just aus der Rich
tung, wo des Hohensteinwerk einen ro
ten Widerschein gen Himmel, warf, die
wohlbekannten leuchtenden Augen der
Scheinwerfer, Unheimlich geschwind
rasten sie hcran,- John fuhr wild drauf
los, trotz der Finsternis.
Dcr Baron hörte vor sich einen gcl
lenden Pfiff zum Aufmerken mahne,
ein paar ungewisse Gestalten glitten von
dcr Straße in den Graben. Er keuchte
vorwärts, stürzte über einen Draht,
schlug lang hin und raffte sich von
neuem au-. Bor ihm türmte sich ein
Hindernis:' ein Lastwagen streckte seine
vier Rädee nach oben, öazwischcn und
davor waren Telcgraphenstangcn gr
schichtet, Psäble starrten vorn zugc
spitzt als eine Stachclwchr daraus cnt
gegen. Verdammt!" vcrnahm er zens 113 die
Stimme Johns. Tos sieht aus wie
'ne Barrikade'" '
Aber eh: noch der Chauffeur sich von
seinem Si$e losgelöst hatte, war der
Herr heraukacfprungen und nach vorne
gelaufen. Jni Augenblick faßten ihn
zwei, drei, vier von rückwärts; er riß
sich los, führte einen Schlag mit der
Faust und wurde abermals gepackt. Ein
Knüppel sauste ihm über den Kopf, und
er brach mit einem dnmvfcn Wutschrei
zusammen. Zehn, zwölf stürzten sich
iiber ihn und schlugen blindwütend auf
ihn ein.
Rückwärts aber, in der Tür des Wa
g?nS, stand die Frau; die Glühlampe
im Innern beschien h:ll und scharf .ihr
scbones, weiße Gcsicht und machte den
Tiamantstern im Haar in allen Farben
funkeln. Stolz, furchtlos, hochausgerich
tet stand sie; mit der Linken klam
merte er sich an eine Strebe des Ver
deck;, indes die Aechte Schuß auf Schuß
auS einem Browning in" den Knäuel
feuerte, dcr sich wirr über den Gatten
geworfen hatte. Und jcdem Knall folgte
ein Wchruf. ein Zusammenzucken und
Fallen.
mn sjn batte die Schwarze' ;
k,n Wnfli'n on v'k andere Seite er
klommen. Rohe Fäuste griffen hastig
zu, ti gab ein Zerren an einem niei,
ein kurzes Ringen, daraus plötzlich die
Frau herrlich und hell ln einem sil
bcrfltmmernoez'. cwanv iica empor
reckte, der feine Arm riß sich och ein
UMtt Mnk lo?.. die Fand schien die
Waffe wider die eigene Stirn richten
zu wollen, aber harte, ickmutzige Ringer
umspannen das zarte Viieni wie mu
eisernen Bänder, drehte eö ein ivenig,
und dcr Revolver fiel zu Boden.
Dcr Sieg war lorrcich errungen,
und es war nur ein spaßhaftes Nach,
spiel, als, unvermutet hinter der Bar
rikade hervorspringend. Jan. der Ba
ron, sich wie ein Tollrr für die Leute
aus der Villa einsetzte. Er kannte sich
nicht übel au! in dcr Fechtart der
schwarze Garde" und wußte manchen
derbe Kopfstoß und Fußtritt gcge den
Magen und manchen Jausthieb unters
Kinn anzubringen, aber er richtete
nichts aus. Man prügklte ihn Windel
weich, und schließlich machte ihn ein ge
höriger Schlag mit einem Zaunstecken
über den Schädel ganz zahm. Er spürte
noch, wie ihm die Armeauf dem Rücken
zusaMmenocschkürt wurdcn, . danach
schwanden ihm die Sinne.
Die Nacht löste unmerklich den win
terlich frühen Abend ob. Mit der Zeit
ließ dcr Regen nach und hörte schließ
lich auf; die Wolken verzogen sich all
gemach, und bisweilen wagte schon der
Mond seine Eichel zu zeigen. Dafür
aber steigcite sich der Wind zu einem
rauhen, kallcn Sturm.
Jan erwachte von dem eisigen Wehen.
Mühsam ordneten sich hinter den ge
schlossene'n Lidern seine Sinne, und nur
langsam, ganz langsam begann er sich
zu erinnern. Er fühlte nacheinander,
wie ihm Riemen tief ins Fleisch der
Ärme cinschnitten und wie sich das fiok
kende Blut vorn in den Fingern gleich
fam gläsern staute, überm Ohr brannte
ibm eine Wunde, und ex meinte, noch
das Tröhner zu spüren, mit dem der
harte Schlag auf ihn niedergesaust war.
Fast tat es ihm wehe, wieder nachdcn
ken zu müssen, und er hatte Sehnsucht,
abermals, wie just vorhin, nichts zu
embsinde. nichts zu wissen, befreit zu
sein von Schmerzen und den lästigen
Umständlichkeiten des Lebens.
Dann ober üffnete er entschlossen die
Augen. Nicht aus eigenem Entschluß,
dünkte ihn. sondern er wähnte, von
einem fremden stärkeren Willen gerne
den zu sein. Etwas Helles. Gelbliches.
das Abbid eines erleuchteten Fensters
ihm gegenüber auf einer rohen Brett'
wand, zog zuerst feine Blicke auf sich.
Danach untcrschicd er eine Krippe, die
an dem rauhen Holz hinlief, und er
sah, in di:fe Krippe waren eiserne Ringe
eingelassen, etw: in den Abständen, in
denen die Pferde eines Gespanns beim
Füttern stehen. , Nun hörte er auch
laute, wüste Stimmen aus dem Fenster
zu seinen Häupten dringen, und wußte
mit einem Male, daß er sich im Stall
des alten Chausseehauses befand, in den
die Kutscher dcr Kohlenfuhrwerke wah
rnd der Frühstücksrast ihre Gäule ein
zustellen pflcatcn.
Das breite Tor des Stalles stand
weit offen. Bitter kalt pfauchte der
Sturm herein. Er wehte die letzte
Wirrnis von d't Stirn des Barons weg
und machte ihm grausam bewußt, daß
er gefangen war, an einem gleiche
Ring aesessekt, wie er sie sich gegenüber
von den Zügeln blankgerieben blinken
sah, und daß ihm noch ausgefpart war,
zu leiden.
Matt wendete er den schmerzenden
Kopf zur Seite, dahin, wo durchs Tor
ein wenig unstetes Licht hereinsiel. Da
wurde er staunend gewahr, daß seine
Gefangenschaft einen Gefährten hatte.
Die Wolken teilten sich jetzt, klar und
silberweiß strömten die milden Mond
strahlen in dc? Raum und spiegelten
sich in zwc, weit offenen Augen.
Blutlos, gespenstisch bleich schimmerte
ein Antlitz in dem Zargen Glänze, und
gleichermaßen bleich, unlebendig leucht
teten die schönen Schultern eines Wer
des, das neben ihm an den Nachbar
ring geschnürt war.
Fragend ungläubig, starrte Jan auf
die Erscheinung . . . und die Frau, die
er für tot halte sinken sehcn, der er
hatte nachsolgen wollen, nickte fachte zur
Antwort, indem ein armselig flüchtiges,
bitteres Lächeln ein wenig ihre Lippen
schürzte.
Nach einer Zeit richtete sie sich mit
einer wehen Gcbärde auf, und groß und
ernst richteten, sich ihre Blicke auf den
Leidensgenossin Ich danke Ihnen," las
er von ihrem zitternden Munde.
Von seinen Empfindungen schier er-
stickt, erwidert cr: O. o!, Es war
nicht genug. Ich hatte müssen . . ."
Dcr schöne Kopf bcwcgle sich in einer
sanften Verneinung. Nein, nein, Jan.
Ich danke Ihnen."
Darüber blühte im Herzen des Man
ncs ein Glücksgefuhl ohne alle Maßen
auf, und er brach in ein wildes Schluch
zen aus.
Auch über die blassen Wangen der
Frau rannen helle Tränen. Aber sie
wendete den Blick wieder starr gerade
aus, und in namenloser Qual schielt sie
dem wirren Lärm aus der Schankstube
zu lauschen Tot! O, wär ich doch
tot!" drani es ihr über die Lippen.
Deutlich scballten die Reden auS dem
zerbrochenen Fenster heraus. Allmählich
unterschied Jan den einzelnen i dem
Durcheinander, und immer besser ver
mochte er in dem Tosen den Worten
einen Sin,', abzugewinnen. Viele von
dcncn, die an dem Ucbcrsall tcilgenom
men hatten, waren es nicht mehr, die
da noch zechten und schrien. Die meisten
mochten in den trägen, tatenlosen Stun
den nach kein blutigen Zusammenstoß
gemach versickert sein, der Anblick deS
Todes und die Ungewißheit iiber de
kommenden Tag hatteN'jhnen wohl den
Geschmack am Sicgksfest vergällt; j?tzt
waren als die letzten nur die Roheften
und Wüstesten übriggeblieben.
Just wäre,, sie aufs Spielen versessen.
Würfel klapperten auf dem Holztifch.
und Zubelnd. fohlend wurden jedesmal
die Zahlen aufgerufen.
Die Frau war in sich zusammcnge
5,, ii.iV k! irvi 1Mrtk in ihrftl
IllIUlll MtlU W'v
Fesseln. Aber plötzlich streckte sie sich
jäh empor und lchmellerke mi ve
Wahnsinn der Werzweisiung vcn in
tcrkopf gcqen die Wand. Vergebenes
Toben! Der dichte Haarschavf milderte.
den Prall; schwerfallig iv,tc m nur
sin Stück des KlkbewurfcS und glitt
rafchclnd n dcr Mauer nieder.
Toll Nur tc:::- iicnic ne.
link .Wfiifi war 8 fifln orauna klar.
was, drinnen den Einsatz beim Spiel
ausmachte. Um die gepeinigte, geiizie
Frau ging eö wer von den wüsten
Gesellin drinnen, die meisten Augen
warf, der sollte das jammervolle iisno
zuerst besitzen.
Er meinte in einer roten Flut z ver
sinken; es wurde ihm Nacht vor den
Augen, und nur wie ein fernes Stern
kild schaute er die weiße, reine Schön'
heit der Frau.
Ihre irren Blicke suchten ihn. und in
der höchsten Not, in grenzenlosem Mit
einanderleben, neigten sich die beiden
Gefesselten zueinander. '
Drinncn war Unfrieden ausgebrochen.
Einer betrog beim Würfeln. Im Licht
schein an der Brettwand gegenüber ball
ten sich die Fäuste.
Noch einmal!" heischten die anderen.
Und jetzt gilt's!"
Schön!" erwiderte der Verklagte.
Also, wir drei sind die letzten. Paule,
dlt fängst an!"
Zwei. Verflucht!!"
Jetzt du. Hmkcsoot'." '
Id wich. -Kickt. Kiekt! Sechs!!
Sech!!!!"
Die Frau hob das Antlitz flehend zum
Himmel. Sterben! Sterben!" stöhnte
sie. Großer Gott, aus Barmherzigkeit
laß yich sterben!"
, Gewaltsam warf sich Jan zu ihr her
um.' Mir stinen heißen Lippen berührte
er jcht die feine, weiße 5Zchle; er spürte
das Blut, das warme Leben darin pul
scn. Ein zarter Duft stieg von der wei ,
chcn Haut auf und hüllte ihn in eine
süße' Betäubung.
Weinend küßte er die feine, weiße
Kehle. Dann aber in einem jähen
Wahnsinn schlug er seine starken
Zähne in das leise Leben, biß Kampf
haft zu und gab nicht wieder nach -
wie ein treuer Fanghund dcr sein Ge
biß nicht eher wieder öffnet, es sei denn
die Beute unter ihm zusammengebrochen,
zuckend regungslos dann und tot
Er gab auch nicht nach, als ihm split
ternd. zermalmend, auf der Schneide
einer Art dcr Tod ins Hirn drang.
Das Gerede der mt$.
Zu den Dingen, die iiber Gebüh be
wertet werden, gehört das Reden der
Leute". Wir haben fast alle eine solche
Heidenangst davor, daß wir uns täglich,
ja beinahe stündlich Zwang arftrlegen,
um uns ja nicht so zu geben, wie wir
sind. Lieber opfern wir unsere Eigen
art und verleugnen - unser Selbst,- als
daß wir den Tyrannen Mode, Standes
Pflicht, Mitmachenmüssen u. s. w. uns
herzhaft widersetzten. Was würden die
Leute", dazu sagen! Nun, die Leute
werde sich vielleicht ein, paar Tage am
Kaffee oder Biertisch über den sonder
baren Kauz wundern, . der's anders
macht, als die andern, und dann
werden sie sich daran gewöhnen und ihn
gewähren lassen! - - ,
Wenn die Konversation auf den lie
den Nächsten zu sprechen kommt, da bc,
wegt sie sich ja zumeist auf der Höhe,
wie sie uns Carmen Sylva in den
Spottversen zeigt:
Wer war die Schönste auf dem Balle?
Weö schöne Frau kam jüngst zu Falle?
DaS best? Pfcrd in welchem Stalle?
üas meiste Geld in welcher Kralle? "
Die vorher schliefen, horchen alle!"
Das ist die gefürchtet Kritik der
Leute", der tiefe Inhalt der Tagesge
spräche.
Ebenso messen wir den Mieren und
Verdrießlichkeiten des Lebens in der Re
gel eine viel zu große Wichtigkeit bei.
Was ist ein einzelner Kummer in einem
sg inhaltsreichen Menschenleben! Ueber
wie vjel Leiden lächeln wir später, die .
uns erst unerträglich scheinen, und wie
vieles verschmerzen wir, was wir glaub
ten. nie verwinden zu können! ,
tZs wird von Eulenspiegel, der ein
Philosoph voll praktischer Lebensweisheit
war, erzählt, daß er beim Bcrgansteigen
immer fröhlich gelacht habe, weil er sich
schon darauf freute, z.un bald wieder
bergab gehen zu können. Das ist ein
gutes Mittel, auch die Strapazen auf
dem Lebenswege leichter zu überwinden;
man braucht nur immer eine Strecke vor
wärts zu schauen, wo der Weg wieder
besser wird.
So wie die einzelnen Erlebnisse, so
wird auch oft das Leben selbst, di. Be
dcutung dcs lieben Ich mit verkehrtem
Maßstabe gemessen. DaS egoistische
Selbst fühlt sich so ern als Mittelpunkt,
um den sich eigmtlich die ganze Welt
drehen müßte. Wir müssen uns Zedo
als Ätom begreisin lernen, wenn wir für
unsere Stellung und Bedeutung im
Weltganzcn den richtigen Wertmesser
finde wollen. Was ist ein einzelnes
Menschenleben in dem unendlichen
Schauspiel dcr rinqenden. leidenden, iu
belnden Menschheit! Solche Vcrscn'cn
in die Unendlichkeit lehrt uns unsere
Schranken kcnncn. Indem 'wir rfni
Kleinheit im Weltganzen empfind?!,,
schwingen wir uns doch auf zu ein m
Standpunkt, von dem wir aus b'itcrcr
Höhe hnabschaucn aus den wechselnden
St'om der Erschcinunaen, von dem auch
unser Leben getragen wird.
Wahlreden ehrt,
Wohlwollen währt,
Wohltun nährt. )
Die christliche Liebe darf nicht ruhen. '
bis eZ loieder h.ißt ti war keiner untsz ?.
ihnen, der da Mangel litte". ' ;
."".""""'. ..,f,JJs lsM,til Mlt1
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