Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 16, 1918, Image 2

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    Die Stadt Merkes.
icr au3 d,r Hmiptst.idt unserer
Nab'RcPnb!ik.
Za dr Hauptstadt Mexiko ist
!eiivzn. Kul:ur nd Bildung der
i vv.tn Republik konzentriert und der
; i.:l',e Mexikaner hört es gern, wenn
nan s.e mit Paris vergleicht. Den
"i'Zsehcn nach ist sie jedoch mehr der
spanischen Hauptstadt ähnlich, zumal
ri'it cchiieliur der Gebäude zumeist
im maurisch spanischen Stil gehalten
vermischt allerdings mit dem Bau
's?!l der Ureinwohner, der Azteken.
!?ci der Einfahrt in die Stadt tt
' rv.-.it einem zunächst der Bahnhof
rv.t Entläuschung. denn er ist eng.
schmutzig und dunkel. Nicht nur der
; Hauptstadt, sondern auch der famosen
:Gexa Cruz-Bahn unwürdig. Die
ersten folgenden Sirafzenzüge fiikren
J durch Armleuteviertel und lassen
einen indifferent, obschon das dringe
: siändnis gemacht .werden muß,, daß
yt t reis niKfleqt, trefflich gepflastert
' und reingehallen sind. Aber dann
l kommt auch schon das Gute und häuft
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Die Hauptkirche rnn
s.ch zusehend. Die Häuser dkiben
Va:. überall ein- oder höchstens zwei
l'Jiiq, aLein die bessere Bauart wird
..genfällig. Zwischen die Zeilen hin
ca schiebt sich allenthalben die
Jarockfasssde einer spanischen Kirche,
l:e Kranzgeßmse mit karminfarbiger
Patina belegt, der große Turm zu
t'.v.tz steinernen Glocke geformt. Bor
"feu Kirchen liegt stets ein kleiner
i a?ien,, zuweilen mit saftig grünen
Halmen bestanden.
Die Alameda kann kein Ankcmm
linz verfehlen. Sie ist ein Park in--".ltten
der belebtesten Straßen, ein
Park , von selten ehrwürdigen und
mannigfaltigen Bäumen der halb
tropischen Flora, von-breiten, schar
t'en Wegen durchzogen und durch
lc. Wasserfpiel zahlreicher Spring
l runnen belebt. In der Alameda
'.rird dem Volke zweimal wöchentlich
;Jt Tlitä geboten. Die Mexikaner
xttn ein' selten feines Musikaehör
und Liebe zu jeder Form der Ton
Für den Popolino gilt die
Ilaza mehr als die Alameda. Die
laza ist der in keiner mexikanischen
Zt?M fehlende Mittelpunkt. Haupt
Tummelplatz ixt Faulenzer und
minder. Er ist in Weriko besonders
großzügig geraten . und bedeutend
s5?n durch die begrenzenden Ge
? Jade, den Nationalpalast, die Käthe
.l nnd , das Stadthaus. Hier
;lmr kauern, choöen die barfüßigen
Indianer und verzehren das herbei
elchleppte oder auf dem Platze selbst
Vstanbcrn' Essm, wobei es ebenso ge
.rlschvoll wie unsauberNch hergeht.
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4 nes Gebäude, ist niedrig wie
"amk-'ä uns als einzigen
, Ai ix historische Glocke,
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r.sk d ils die lNerikaner zum
Tief, aufweifend. Etwas
- sf dos Innere aus. wo
,.e so- :r tt3 zur Großzügig
: L.'i .'. "T:e Kathedrale ist ein
i cii der spaten Renaissance, an
il'f,t nepaxi wurde, weder an
-i"n Watetta! noch an edlem
'k Innern strotzt sie
' t n r.l'-n goldenen Geraten
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, v - Sage gebracht.
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, i i , zrek.e Promerike
1 1 , '" 'de la KefZtma.
ein ungeheurer Boulevard, der in
sshapultepec endet und wohl das
schönste Denkmal bedeutet, das Kaiser
Maximilian zurückliefe. Hier reiht
sick eine drunkbafte Villa an die an-
dere. und der Evazieraänaer acniekit
die überraschendsten Veduten in mär '
chenbaiten Gärten. Um die lana-
CtrakenZeile zu unterbrechen, scho
der Erbauer in gewissen Pause
Nundplähe dazwischen, deren Mittel
turnst Denkmäler schmücken. Au!
beiden Seiten des Paseo. den die
Autofahrer gewöhnlich mit einer
Rennbahn verwechseln, schmiegen sich
die Villenviertel an. Gartenstädte im
besten Sinne. Wer hier sein Haus
besitzt, darf ein glücklicher Mann g'
nannt werden.
Die Stadt ist eben wie ein Schach
brett und hat auch insofern Aehnlich
keit mit einem solchen, als die Häuser
Massen in ziemlich gleichmäßige Wür
fel oder Blocks abgeteilt sind. Die
Straßennummerierung richtet sich da
nach und gibt mit der Nummer stets
auch die Zahlenfolge des Häuferblocks
an. An die Stadt schließen sich bc
deutende Vorstädte an. Der Zusam
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1 -m.
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Socalo in Mexiko.
menhang wird durch Gärten herge
stellt. Wenn jemand nach der Bauart der
Häuser fragt, so verweist man ihn
am sichersten auf den Vergleich mit
dem spanischen Haus, das die Haupt
räume stets nach dem Hof verlegt,
von welchem eine offene Stiege in den
ersten Stock führt. Die Fenster des
Erdgeschosses liegen so tief, daß jeder
Passant Zeuge des ganzen häuslichen
Lebens wird, das sich darin abspielt.
Die zu ebener Erde liegenden Fenster
sind häufig vergittert.
Einen ' Gasthof erster Klasse sucht
man merkwürdigerweise in Meriko
umsonst; dafür scheinen der Wirt
oder die Gäste zu fehlen. Auch die
Speisehäuser werden verwöhnten
Gaumen nicht gerecht.
Eine stille Wehmut liegt stets über
dem - auf hohr Zinne ragenden
Scklosse Cbavultebec und seinem un-
endlich weiten Park. Wundersame
Imi! laden zum Begeben ein. Alles.
was die Flora dieses Landstriches zu
bieten vermag, hat jich hier zu,am
menoelunden. Ein reifender schilf-
bestandener See leuchtet über eine
grüne Matte her, und stille Bäche
suchen ihren Weg unter ausgespülten
Wurzeln. Ein besonderer Permeß
verschafft den Eintritt in das Schloß,
das diesen Namen ftrner Bauan
wegen sicherlich nicht verdient. Es
sieht mehr einem mißglückten und
verbauten Gasihof gleich. Oben wird
der Eindruck etwas besser, denn man
bat mit Säulen und Architraven nicht
gespart. Das schönste ist die unend-
Hauptkirche in Nexi.
liche Ruudsicht. die man von jedem
Fenster des Gebäudes genießen darf.
Die Ebene von Mexiko breitet sich in
wunderbarer Klarheit vor uns aus,
und die grüne und weie taor ngi
mitten darin, überragt von den Tür
inen dev Kathedrale und der mäch
ihm Eiinklivvel des unvollendeten
Parlamentsaebäudes. Weiter zurück
in der Runde hebt icy oas Mianoe
zu den jurahohen Bergen, von denen
manche ihre charakteristische Krater
fnrm zur Sckau traaen. ?lm Nord'
osten aber türmen sich, als gewaltiger
Abschluß, die beiden ewig weißen
Riesen Orizaba und Popocatepeil
zum Firmament aus.
Bon den 450 Deutschen, die in
der Republik leben, erwählten 3000
die Hauptstadt zu. ihrer 'ezicenz.
Die Zahlen sind nicht genau, aber das
Derhälints stimmt nach den Angaben
5!knier ziemlich genau.
' Der Sammelpunks des deutschen
Lebens in Meriko ist wohl das groe
sMfMK.fsnfiSbfflil der Kolonie, in dem
besonders jenen, die keinen eigenen
iinsstcind arilndeten. in Ersatz zu
bieten versucht wird. Das. Haus ist
zerLumiz. eieschmackvoll einzencrkei
und vom Hauch echt deutscher tmüt-
lichteit erjuttt. es enthalt cr.es, was
man von einem modernen Zl,luh:uZ
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erwartet. Dem gesellschaftlichen e
ben, daS in mehr als zwölf Vereinen
jeder Art seinen sichtbaren Ausdruck
findet, bietet daS Haus der gegebene
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- rfc-j-ac;. I,j (.
Siii.inlich verzicrlkS $ui5ioc
Sammelpunkt. Denn es wird leb
haft geschossen, gerudert, gekegelt, ge-
ritten, gelungen uns oaruvcr oer
deutsche Wehrverein und der Flotten
verein nicht vergeben.
Die Kultur deutschen Geisteslebens
findet einen edlen Aufdruck in der
blübenden deutschen Sckule. die von
der Kolonie mit großen Opfern ge
gründet und gehalten wird. Die
i-chulerzahl uberncigt ziv, und an
dem weiteren Ausbau wird von
tüchtigen Schulmännern emsig ge
arbeitet. Teutschcesckricbcne Blätter
gibt es zwei, von denen besonders die
Teutsche Zeitung von Merito , oie
im 32. .Jahrgange steht, in der Per
son des ehemaligen Darmstädter
Staatsanwaltes Theodor Schumacher
seit kurzem einen außerordentlich ge
schickten Leiter land. Auch die
deutsche Buchhandlung darf in diesem
Zusammenhange erwadni weroen.
Die Teutschen stnd der ?,,chl nach die
drittflößte fremde Kolonie, allein dem
Ansehen nach rangieren sie an oer
Spitze.
Es n?kt im Grunde genommen kern
Nachtleben in Meriko. Etwas belebt
sind nur hi Nläke vor , den kleinen
Theatern, die das System des stund-
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Ein vergitierteZ Fuister.
lichen Wechsels der Vorstellung befol
gen. Dagegen weisen die zahlreichen
Svielböllen reaen Besuch auf. Da
wird von Damen Billard gespielt,
aus dessen AuSgang gewettet wrro.
oder es wird aevokert oder Baikarat
geworfen. Früher war das 'Hazard-
spiel nur i den luvs geouwet; vi
heutige Regierung hat das Spiel frei
gegeben, um sich von den Hüllen
besikern eine hohe Steuer zahlen zu
lassen.
Unter dem Sandlervolke und den
armen Pelados." 'aus denen sich die
StraKentstben rekrutieren, herrscht der
breitkrempige Stroh- oder Filzhui
unbeschrankt. Er ist das Gemein
same. das alle verbindet. Die Weiber
halten es in diesem Stücke oft mit
den Männern. Die Kleidung des
armen Volkes, das ' sich durch die
Straften wälzt, beliebt nur aus Öemd
und Hose. Schuhe sind ein Lurus.
den man sich höchstens am Sonntag
gestattet. An Zeder Häuserecke kauern
Früchte- und Sutzigkeitskramer, in
den Volksguartieren die Kockw?:ber.
die emsta den Maisteia zwischen den
Handen oder mit dem Rollholz platt
drücken und thu dann m die schmie
riae Pfanne werfen, um daraus
Tortillas" eine Art kleiner Psann-
kuchen. zu backen.
Besondere Straßenthpen bilden die
Wasserträger uid die Lastträger. Die
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Wassertrüger in SltfMo.
lekteren erinnern an die türkischen
Hamals. Auch bei ihnen acht die
Tragkraft des Rückens ins Unglaub
liche Eine Besonderheit des Jndia
neri ist es. den Lederriemen, der die
Last fäf't, ait um die Sck.ultern zu
schlinaen, um die Stirne zu lezen.
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Tägliche Cmasjtt XnCÜRf.
Drr Mann ohne Augen.
Nvoclctle von El Oanci.
AIS Professor Niklas, der Mathe
matiklehrer. über die Brücke schritt,
fiel ihm die Brille von der Nase und
ward auf den Steinfließen zu Scher
ben. Er war aber so kurzsichtig, daß
er nicht einmal die Scherben fand;
ein junger Mann mußte ihm zu Hilfe
kommen, damit wenigstens das gol
dene Brillcngcstcll gerettet wurde.
Und nun stand der gelehrte Herr
ziemlich hilflos an der Brückenrampe
t.nd nahm daS Mcnschengetriebe. das
vorbeidrängte, nicht anders wahr wie
eine zusammengeballte Masse im
iebeldunst.
Vorsichtig tat er ein paar Schritte
und ging dann bis zum Straßen
Übergang. Hier bat er einen Blu
nienhändler, ihm einen Wagen herbei
zupseifen.
Einen solchen Lurus eine
Droschke hatte sich Professor Nik
las seit undenklichen Zeiten nicht ge
leistet. Denn erstens scheute er alö
gewissenhafter Hausvater unnütze
Ausgaben, und zweitens bot ihm der
Weg zu und von der Schule die ein
zige 5törperbewegung. die er nach An
sicht des Arztes nötig haben sollte.
Außer diesen eiligen Schulwegen gab
eö für ihn keine Spaziergänge. Dazu
hate er niemals Zeit. Denn neben
ftincn Pflichten als Schulmann wid
mete er sich eigenen wissenschaftlichen
Forschungen und Schriften.
Und auch jetzt, da der Wagen ihn
rasch davontrug, beschäftigte ihn ein
Problem der höheren Rechenkunst, das
er jetzt gleich zu Hause und auch
während der bevorstehenden Festtage
bearbeiten wollte.
Als er seine Wohnung betrat, rief
er laut nach der Tochter: .Anna
bringe mir mal meine silberne Brille
vom Schreibtisch!"
Wie lange das aber dauerte! Un
aeduldia tavvtc er sickj durch den llei
nen dunkeln Flur und öffnete die
Tür zu seinem Arbeitszimmer, Hier
aber kam ihm die Tochter entgegen
und beteuerte: Es il keine Brille
da. Vater!"
.Keine Brille da?" Professor Nik
las durchstöberte seine Taschen.
.Habe ich sie denn bei mir gehabt? . . .
Nein! Sie muß hier sein, und sie
muß gefunden werden! Meine gol
dene ist mir nämlich hingefallen, und
beide Gläler sind kaputt!'
.Ach!" Anna erstaunte. Aber
sie staunte nur über die Redseligkeit
des Vaters. So viele Worte hatte er
seit langem nicht an seine Familie ge
richtet.
Aber seine Mitteilsamkeit wa? noch
nicht erschöpft. Er zeigte die Trüm
mer vor: Ein Junge hat mir helfen
müssen! Ich bin ja verraten und
verkauft ohne Glas ... Suche doch!
Tif fUf! m'ife bn sein!"
Anna neigte von neuem den asch
blonden Kops in alle Winkel, fand
jedoch nicht, was der Vater sie tuchen
ließ. Und endlich toctate sie die
schüchterne Vermutung: Du hast sie
vielleicht in der Schule oder in der
Bibliothek liegen lassen. Ich wifche
doch hier immer Staub ich habe
sie in den letzten Tagen nicht mehr
gesehen!"
Professor Niklas errötete. Wirk
lich. sein schmales, rasiertes Antlitz
errötete beschämt und geärgert. Auch
das noch liegen gelassen ... und
man weiß nicht wo ... Na. da hol
mal den Kneifer vor. Links in der
Schublade. Da muß das Ding wohl
liegen!"
Anna gehorchte. Der Vater aber
kam mit dem ungewohnten und ge
haßten Kneifer nicht zurecht und tat
der Feder Gewalt an. Dabei geriet
em Glas im wahren Sinne des Wor
tes außer Fassung es fiel auf die
Schreibtischkante, und ging in zwei
Stücke.
ES war aber Sonnabend .gegen
Abend. Und Anna, die atemlos dem
väterlichen Befehl gemäß zum Optiker
gelaufen war, kam ebenso atemlos
zurück, und zwar unverrichteter
Sache. Man konnte so schnell keine
Gläser herstellen und schon läute
ten die Abendglocken.
Und Professor Niklas war ein
blinder Mann. Bon seinen Büchern
und Schriften getrennt, saß er der
zweifelt irgendwo umher, um jeden
Trost als Beleidigung zu empfinden.
Mutter wollte ihm vorlesen mit
ihrer schwachen Stimme erbot sie sich
dazu; und Anna sagte mit einem
beinahe verwegenen Lächeln, daS er
zwar nicht sah, das er aber um so
mehr bemerkte: .Nun mußt Du mal
mit unserer Gesellschaft fürlieb neh
men, Väterchen! Und Deine Feder
ruht mal aus!"
Bei Tisch bedienten sie ihn wie ein
kleines Kind aber die zubereiteten
Butterschnitten schmeckten ihm unge
wohnlich gut. Dann jedoch zog er
sich wieder gekränkt undgecemütigt in
den Hintergrund zurück, während die
Frauen mit der Handarbeit am run
den 'Tisch unter der Hängelampe
saßen und hin und wieder mit cinan
der wisperten.
.Sprecht doch laut, oder störe ich
tfuch?" fuhr Professor NiklaS endlich
ncrdos auf.
Zwei Frauenqesichicr hoben sich er
schrecken. Laut sprechen? Sie hat
ten sich dach das laute Sprechen aö
lvxlxA, U Later abend! immer
nebenan arbeitete und über jedes Ge
rausch in Zorn geriet.
.Ach ", erwiderte endlich klein
laut die Mutter, unsere kleinen An
gelegenheiten interessieren ' Dich ja
doch nicht! ... Annchcn meinte
eben "
.Ich will nicht in Eure Geheim
nisse eindringen," unterbrach sie der
Professor und führte die Hand über
die glatten, warmen Ofenkacheln.
Und dabei hörte er daS feltfame
Schweigen, das entstand. Er tt
trachtete die Umrisse der zwei geneig
ten Frauenköpfe, der vorgebeugten
Schultern. Er konnte nicht die Farbe
der' Haare unterscheiden, aber er
wußte, das eine Haupt war schon
grau, das andere noch blond. DaS
eine Antlitz war früh gealtert, der
grämt, mit gespannten Zügen und
matten Augen. Das andere Antlitz
ja, das war wohl noch jpng und
hübsch. Deshalb wollte sie noch vor
kurzem Gesang studieren ... Ja, sie
glich nicht ihrer Mutter aber heute
fiel ihm doch auf. wie sie ihr ähnelte.
Er konnte fast die wispernden Stim
men nicht unterscheiden. Auch Bcwe
gungen und Schritt führten irre,
Wie alt war eigentlich Anna?
Vierundzwanzig nein, fllnsund
zwanzig! Und Mutter war dreiund
fünfzig. Vor dreißig Jahren hatten
sie geheiratet. Der Junge war schort
neunundzwanzig. Seit einem Jahre
Oberlehrer in Groß . Weidstadt.
Könnte auch öfter schreiben!
.Hat auch lange nicht geschrieben,
der Otifried," murmelte Professor
Niklas endlich. Doktor Ullrich
fragte mich heute auch nach ihm!"
Eine Schere klirrte
Ein paar Atemzüge bebten. Dann
erhob sich eine der beiden und verließ
das Zimmer.
.Wer ist da hinausgeganaen?"
fragte Professor Niklas.
.Na doch Anna!"
In dem Tone der Gattin schwankte
ein schwerer Vorwurf. Und da be
griff Professor Niklas. Ach fo ..
Doktor Ullrich richtig ... Der
Müßiggang machte schwatzhaft
richtig . . . Hatte das Mädchen etwa
noch nicht verwunden?
. .Du hättest Doktor Ullrich nicht zu
erwähnen brauchen, Mann," sagte
Mutter nun halblaut. .Sprecht Ihr
denn noch zusammen?"
.Hm hin und wieder ... Er
hat ja wohl eingesehen "
Wieder ein Seufzer dort om Tisch.
Dann ganz leise: .Eingesehen woh!
nicht . . . Aber
Aber? Was , aber? Nichts aber!
Er ist ganz ohne Vermögen und sitzt
mehr am Klavier als am Schreibtisch.
Braucht mal 'ne bessere Partie, als
Anna ist!"
Jetzt verstummte die Mutter. Aber
der Mann am Ofen vernahm das er
regte 5llopfen zweier Herzen, und
Worte längst verhallte sprachen
m semer Erinnerung. Er erhob sich
endlich aus seinem Sessel und knurrte:
.Ich gehe schlafen ... Man kommt
nur aus Summe Gedanken, wenn man
so herumlungert ... Gute Nacht!"
Er tappte sich hinaus als er
an Annas Zimmer vorbeikam, hörte
er ein heftiges Schluchzen ... Und
dieses Schluchzen blieb ihm im Ohr.
Er vernahm cs fortwährend, ver
gebens den Schlaf erwartend. Denn
seine Jettzeit war ja eigentlich noch
richt gekommen. Sonst hatte er jede
Nacht gearbeitet, vts ihm öle Augen
schmerzten und sein Geist wirr war
von Zahlen und mathematischen Zei
chen. Jetzt hörte er nur das Schluch
zen und Mutters abgebrochene Worte. '
Uno dann kam immer mehr. Aus
der Tiefe siicg'S auf und weckte sein
Erinnern. - Längftvergessenes lebte
auf Bilder, Töne und Gcscheh
risse kamen heranmarschiert und er
füllten seine aciftiae Vcrstellungsmelt.
Auch sie Mutter hatte so
schluchzen können damals, als ihr
Haar noch blond gewesen.
Du liebst mich nicht! Tu liebst
nur Deine Arbeit V hatte sie fo oft
ausgerufen.'
Und Otifried flehte: .Nicht Lehrer
laß mich nicht Lehrer werden,
Vater! ... Alles andere, nur nicht
Lehrer! Ich tauge nicht dazu!"
Und Anna ? Erst ben Ull
rich ... Tann Gesangsstudium!
Beides versagte sein väterlicher Wille.
Väterlicher Wille ? ... Wieso
väterlicher Wille? Gegen Ullrich hatte
er Bedenken lollegialischer Natur ...
Gegen das Eesangsstudium na
ja ... Fortwährend die Ueberei
die teuren Stunden Emanzipa
tionsideen . wohl gar. Paßte ihm
nicht.
Professor Niklas warf sich unruhig
r.mher. Und dann bedachte er mit
Entsetzen, daß er auch morgen so
elend dahinleben mußte halb blind
ein wehrloses Opfer aller Geräu
fche und feiner Gedanken., die wie
losgelassene Häftlinge tobten ...
Seine geliebten mathematischen For
men und Formeln hatten ihn ganz
verlassen. Das Leben selbst ent
wickelte Probleme und Ezempel.
Und der gefürchtet? Tag kam und
begann mit Festglocken. Mutter
sagte: .Geh' mit zur Kirche!" Er
ober wollte sich nicht wie ein Blinder
fuhren lassen und setzre sich in den
düstersten Winkel seiner Studierstube.
Aber bald wurde er seinen einsa,
men Gcdankcn entrissen. Sein seit
aeflern ungewkin s?eschärf:eZ Gehör
rcrnzhm ein leises Klingln dann
Sprechen im Flur und da Klappen
der Salontür. Und sein Instinkt
sagte ihm. waö das bedeutete. Aber
er blieb sitzen hielt den Atem an
und wunderte sich eigentlich über
sich selbst. Aber er wagte nicht Lärm
zu schlagen. Noch hörte er daS
Schluchzen ...
Dann ging , jemand fort leise
wurde die Korridortür geschlossen.
Anna rief nach der Küche hin: .Siel
len Sie die Aepfel auf den Herd,
Liese!"
Aber wie merkwürdig dabei ihre
Stimme zitterte ...
Und Professor NiklaS erhob sich,
tastete sich zur Tür und rief: .Anna
komm' l.ro. her!"
Sie kam.,. 'Zr sah eigentlich nur
ihren schlanken Umriß. Er strich mit
seiner feinen Gelehrtenhand über ihr
Gesicht richtig! Glüh, glühheiß ...
.Er hat wohl gedacht, ich sei nicht
da -?"
.Aber Vater!" Anna prallte zu
rück.
.Oder ich hätte keine Ohren?.
Aber seit ich ohne Augen bin, habe ich
Ohren . . . Und ich habe Dich gestern
weinen gehört ... und Mutter hat
mir Vorwürfe gemacht ... daß ich
immer nur an meine Arbeit denke . . .
na ja ... mag sein ... Aber
wenn daS nun absolut fein soll ...
Da werde ich morgen mit Doktor Ull
rich reden!"
Ein Schrei ein Schluchzen ant
wortete ihm. Und dann fühlte er
Küsse auf seinem Gesicht Küsse.
Ihm wurde ganz angst.
.Heb' daS mal für morgen auf "
wehrte er. Und da fühlte er. vaß sie
lächelte und dieses Lächeln emp
fanden seine Augen wie lang entbehr
ten Sonnenschein. ...
Baselnn.
Noch beute findet stck in der Nbein
aeacnd bei Köln und in Niederdeutsch-
land oas eigenartige !Llaieklworl
Bafelman, das heute soviel wie Kom
vlirnent bedeutet. Wie es aber auch
in der Bedeutung von Schmeichler
gebraucht wird, jo zeigt es sich auch
noch ,n oer Wortvervindung .Basel
mans malen", was soviel beistt wie
Kußhände machen. Diese Bedeutung
die ursprüngliche fuhrt aus oie
ehemalige Form deS Ausdrucks.
Baselman kommt aus dem Spanischen
und leitet sich ab von der alten
Grußformel .Beso las manos" (ich
küsse die Hände), die heute noch in
Spanien ein Ausdruck höflichen Ver
kchrs ist. In der deutschen Sprache
erscheint die Formel schon Ende des
16. Jahrhunderts. In verschiedenen
Schriften stebt da zu lesen, wie man
.Basiles manus" oder Base les
manus" macht. Wie jedoch diese
Quellen erkennen lassen, hatte sich
damals die Bedeutung gegenüber der
ursprünglichen schon wesentlich ver
schoben. Das .Base los manus" be
zeichnet nicht mehr den Gruß, son
dern die damit verbundene Verbeu
gung. Im Laufe der Zeiten traten
auch an der äußeren Form des Aus
druckes Aenderungen ein. Aus Ba
sieles und Base wird Beso und Bafa.
bald heißt es las, bald los manus,
manus oder manos wird zu man.
Schließlich wird die ganze Formel
zufammengezogcn in Baßlesman,
Baßlaman. Basselman und Baselman.
Wie in einzelnen Gegenden
Deutschlands, so hat sich die Formel,
allerdings tn oer Berdeutschung uno
in der ursprünglichen Bedeutung, in
Oesterreich noch allgemein erhalten.
Tori sagt man bekanntlich noch heute
oft .Kuß d' Hand!"
Wen Jrae bschi nehme.
.Magda. du wirst noch zu spät in
die Oper kommen!"
.Ja, ja. also gute Nacht, Lisa: eS
war sehr nett, gute Nacht!"
.Gute Nacht! Laß dich recht bald
wieder sehen! Nichts vergessen? Also,
gute Nacht !"
.Gute Nacht! Du mußt unS auch
recht bald besuchen. Gut' Nacht!"
.Ja. daS will ich tun. Hast du
denn deinen Regenschirm? Na, gute
Nacht!"
.Hahaha. ich hatte doch gar keinen
mit, gute Nacht!"
.Gute Nacht! Ich habe mich wirk
lich riesig über deinen Besuch gefreut.
Gute Nacht!"
.Gute Nacht!'
Ein .edler" Mensch.
Scharfmann hatte eben ein gefährli
ches Kletterabenteuer in den Alpen
bestanden, und kommt in sein Heim
zurück, wo er von j'iner Frau mit
Fragen bestürmt wird. ....Und als
du so in höchster Gefahr schwebtest,
dachest du da wohl auch an mich?"
Gatte: Gewiß, ich hatte dich an
meine Stelle gewünscht!
K a s e r n e n h o s b l ü i e. Feld
webel: Was, daS sollen Kniebeugen
sein? Da bückt sich ja ein Kamel
graziöser!
Neues Wort. .Ach. Otto.
Papz ist recht giftig, daß ich dir
mein Jawort gegeben habe."
.Macht nichts, Schätzchen, wenn er
nur noch kazu recht mitgistig wäre!
Der Andere. Müller: WaS
machst du denn, wenn deine Frau dir
von ihrem ersten Gatten erzählt?
Schulze: Dann beneide ich ihn!
SchkviiilinclideS KrankciihauS.
Tle saniiSnn Vinrlchtunge us einem
der Ozeanricsen,
Mit der beispiellosen Entio'icklung
der deutschen Handelsflotte haben
auch die sanitären Einrichtungen an
Bord gleichen Schritt gehalten. 3Ct
gen schon alle größeren und neueren
Schiffe mustergültige Vorkehrungen,
die weit über das hinausgehen. wnS
staatliche Behörden verlangen, so ver
dienen die sanitären Einrichtunn
auf dem Nicsenschiffe .Imperator
besondere Beachtung. Man kann das
Schiff, das so oft ein schwimmender
Palast genannt wird, ebensogut als
ein schwimmendes Krankenhaus be
zeichnen.
Sechs voneinander vollkommen ae
trente Abteilungen bilden ein in sich
geschlossenes Ganzes von zwei bis
fünf Einzelzimmern, die sich um einen
Korridor gruppieren. Man hat also
erfreulicherweise von den bisher auf
Schiffen üblichen Massenquartieren
Abstand genommen. Eine Abteilung
ist für Klassenpntienten der 1. und
2. Klasse, eine weitere für die Mann
fchaft bestimmt, die anderen dienen
zur Aufnahme der Patienten 3. und
4. Klasse. Die Abteilung für Klaf
senpatienten, eine Neueinrichtung an
Bord, liegt auf dem obersten Deck, die
einzelnen Räume zeigen die vornehme
Eleganz der Kajüte 1. Klasse, nur
sind sie noch größer und luftiger. Zu
ihnen gehört auch das Schwestcrnzim
mer. Die übrigen Abteilungen lie
gen mittschiffs in guter, luftiger
Lage. Zwei von ihnen sind Isolier
Hospitäler. Die Zimmer sind einfach,
aber modern eingerichtet, sie haben
abwaschbare Wände, elektrische Be
leuchtung, Zentralheizung, fließendes
kaltes und warmes Wasser, maschi
nelle Zuführung frischer Luft u. f. w.
Zu jeder Abteilung gehört auch ein
Badezimmer, das teilweise sogar mit
Sußwasser gespeist wird,, ein vuzus.
den nur noch die Kaiserzimmer und
die Luruskabinen aufwei'en. Beson
ders bemerkenswert ist cs, daß man
von dem Uebereinanderturmen zwner
Koien. das sonst noch in ollen
Schiffshospitälern Brauch ist, abge
sehen hat.
Das Glan!,stück des Krankenhauses
auf dem .Imperator" bildet' ein
regelrechter Operationssaal, wie er
sonst nur auf großen Kriegsschiffen
vorbanden ist. Mit Kachelwändcn
und Fliesenboden mit Wafferablauf
ausgestattet, enthalt er den Zpera
tionstisch, einen Jnsirumententisch,
zwei Operationswaschbeckcn, einen
elektrischen Verbandsstosssterilisator
und zwei Jnstrumcntenfchränke. Das
Instrumentarium ist sehr reichhaltig,
sogar eine Menge rein spezialisttscher
Instrumente stehen zur Verfügung.
Die Vorbedingungen für ein afepti
sches operieren sino oie venivar gun
stigsten und werden verbürgt durch
den rubiaen Lauf des Schi'fes und
durch reichliche Assistenz. Denn auf?
einer erfahrenen Schwester haben di.
Ehesarzte nicht weniger als drei j
Aerzte an Bord angestellt, wo doch
nur t'mer nefebMrt: SJWfifsrifl ist.'!
Das ärztliche Personal wird vervoll
ständiat durcb drei Dien,?, ls'
Warterinnen, einen Masseur und
Masseuse.
Für die Mannschaft ist ein beson
deres Nerbandzimnikr im Munn,
schaftshospital vorhanden, in dem sich
auch die Apotheke für das Personal
befindet. Drei rindere Apotheken sind
in besonderen Räumen nnte?kkriickit.
die mit den Aerztewohnungen in un
mittelbare Verbindung stehen. Die ,
Wohnungen der Aerzte entsprechen l
nach Lage. Größe und Ausstattung
den Außenkabinen erster Klasse. Es -
sino lustige, behagliche Zimmer, die '
mit einer bis ins einzeln n-kinkn
Fürsorge ausgestattet sind. Zu dem
.lazmimmenoen ztrankenyaus' m
weiterem Sinn sind nrhm
Turnsälcn, die in ihrer Ausstattung
T. v ; r . Mr.:i..i rn .
vua uui,'vj;uwuyt )11UUI CIl -CSsU
darstellen, noch die hydrotherapeutische
und die Lichibäderabteiliinn! it
len. Neben gewöhnlichen Wannen
oaoern sinoen nq .neisiiusidaoer.
Dampfbäder, Sitz und Duschbäder
iedkr Anwendunassorm f,f,i;ff;,4i
. - , , .
.r.fi.rfx. mit.. . .,.1 1
iiuuj ciuuiu;c zver ver verianeven i
sten Arten. A
- In diesem Sommer
wird seitens des russischen Marire
Ministeriums der in Norwegen ange
kaufte Polardampfer .Hertha" zu
nächst nach der Westküste von Nowaja
Semlja gesandt werden, um der un
zulänglich ausgerüsteten Nordpole?
pedition des Leutnants Sedom, die
im vorigen Sommer aufgebrochen
war, Hilfe zu bringen, findet man
die Vermißten dort nicht, so soll ver
sucht werden, weiter nordwärts bis
Kaiser Franz . Josephs cnt
vorzudringen. Eine zweite Expedi
tion auf dem Polarschisf .Eklipse"
wird der bekannte norwezis.be Nord,
polfahrer O. Sverdrup ins 'arische
Meer führen, um nach dem rufsiichin
Leutnant Bmssilow zu suchen de
mn irrn cyisr .eilige Anna'
Herbst 1912 eine Fahrt in das siU.
rische Eismeer antrat und fhn,'t"
verschollen ist. Lei dieser Gelegenhi! :j
WU man auch öaZ Schicksal v
Kapitän Nussanom aufzuklären, d?
im ommer 3312 über Spttzberie
nach Nowaje Semlja fuhren woltt
aber dort nicht anzeksminen ist.
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