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About Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926 | View Entire Issue (Oct. 25, 1917)
MhlrtW4 m. 4 W ! ! Tieb Vaterland Stoman von Rudolf Ltrah. (39. Fortsetzung.) Margarete Feddersen hatte wSH tend des Aufenthalts 1 Köln den Zug verlassen. Sie sah im Warte ' lad, eine Tasse Kasfee vor sicy. Sie hatte seit dem Morgen noch nichts ge nossen ' ' und dachte sich weiter: Tort flicht let Rhein. Bald über schritt man ihn. Ihr war, als sei dann die letzte Brücke hinter ihr abge brachen. Sie fühlte sich leicht und erlöst. Aber zugleich kam nach vollen betet Tat die Erschöpfung. Sie senkte müde die Wimpern und die Unruhe hielt sie doch wach. Die Zu kirnst. Sie sagte sich: Bald fahr ch weiter. In die Heimat hinein, aber auch in die Nacht hinein. In das Dunkle und Ungewisse. Von morgen ab bin ich ein anderer Mensch, der viel , zu bereuen, viel gut zu ma chen, viel abzuarbeiten hat. Wie fang' ich das an? Helfen wird mir keiner, kann mir keiner. Was mache ich aus mir? Sie hob den Kopf. Um sie war die Unrast des Bahnhofs. All die Menschen, die da hasteten und sich drängten, . wußten, wohin sie wollten. Sie hatten irgendwo draußen in der Ferne, im , Abenddämmern ein festes Ziel. Margarete Feddersen beneidete, während sie still dasaß, diese aufge regten, geschäftigen Hin- und Herei lenden. Einmal schien ihr jemand von früher vertraut dort am Ausgang ein kleiner Herr mit rotem Haar, der sich energisch seinen Weg durch die Menge bahnte. Aber sie sah den Generaldirektor Malloney nur von hinten. Er verschwand. Es war ihr gleich. Sie fühlte sich hier gebor gen, auch ohne eine Menschenseele zu lernten. Sie hörte um sich deutsche Laute, wenn es auch nur Rufe nach dem Kellner, Wortwechsel mit dem Kofferträge waren. Sie sah deut sche Gesichter . . . Offiziere, Kauf leute, Dienstmänner, Damen. . . Ein nachträglicher Schauer vor Paris packte sie das Grauen, einer töd lichtn Gefahr entgangen zu sein. Nur noch in Schritt war es bis zum Ab gründ gewesen. . . Ihr Auge schweifte über die Men schenmenge.und blieb an einer auf fallenden Kopfbedeckung hängen. Es war der breittrampige, an einer Seite aufgeschlagene Schujjtruppen Hut von Slldmest. Nun sah sie auch den Träger, einen jungen Offizier, m der kleidsamen grauen ' Reitertracht, mit den hohen gelben Stiefeln. Freunde aus der Garnison bum düngten ihn. Sie lachten und stie r Heu mit den mit Rheinwein gefüllten Römern zum Abschiedstrunk an. Manche Reifende blieben stehen und blickten neugierig hinüber. Margarete Feddersen atmete auf. Ihr war ein Gedanke gekommen. . . Sie hatte noch Zeit bis zur Ab fahrt. Sie ließ sich vom Kellner Tinte und Feder bringen und schrieb in hastigen Zeilen an ihre Freundin, das einstige Fräulein von Frisching, die nun dort drüben in Süowestasri ka als Farmersfrau lebte: .Liebe Magda! Vor 'langen Jahren haben wir als fange Mädchen einmal nachmittags in Berlin im Holet Adlon gesessen und von dem armen Robert Gellin gesprochen, dessen Todesnachricht eben aus Südwestasrika angekommen war. Inzwischen hast Du seinen Bruder dort geheiratet. Ich aber lernte an jenem Nachmittag meinen späteren Mann kennen. Ich wollte, die Stun dt wäre an mir vorübergegangen. Mir hat sie keinen Segen gebracht. Meine Ehe ist sehr unglücklich gemor den. Sie wird jetzt geschieden. Mein Kind ist tot. Ich kehre mit. leeren Händen nach Deutschland zurück und habe nur noch den Wunsch, mich mit Anstand irgendwie durchs Leben zu schlagen. Zunächst erwartet mich in Pots dam die Pflege meiner Mutter. Sie ist sehr krank. Die Aerzte lassen über kurz oder lang das Schlimmste shnen. Solange sie uns erhalten bleibt, ist natürlich mein Platz bei ihr. Aber dann? Du hast mich vor einem Jahr in fiUrÜti nia !rmit Im f?.nn& finnrln i in .... ' r l w ' " auch nach Süwest hinüberzu kommen. Heut' nehm' ich Dich beim Wort. Hand aufs Herz: Kannst Du ihn-, dort Ctuuvnf Aus Eurer Farm? Oder sonst irgendeine Familie dort? Ich hoffe doch! Man hört doch im inet, wie sehr noch dort arbeitswillige Hände not tun. ' Ich schreibt Dir ganz offen. Du warst immer ein ehrlicher, grader Kerl, schon in der Zeit, wo wir alle nod) dumme Mädel waren und die si'ätjt voll Krimskrams hatten und im einbildeten, man sei zum Vergnü Akn auf der Welt. Du wirst mich auch letzt nicht im Stich lassen, sondern mir gleich antworten. Das weiß ich. Es dauert ja doch ein Lierteljahr. bis ich Deinen Brief kriege. Abn es hat jii,völ!auf Zeit. Schreib' mir nicht, daß ich Dir liid tue. sondern ob ich kommen k.inn. Geld bringe ich tanrn Groschen mit, das sag' ich gleich! Nur meine guten Willen, Gesundheit und ein gottlob noch unverzagtes Herz. Grüße unbekannterweise Deinen Mann von mir und sei im voraus bedankt und geküßt von Deiner alten Grete." Der Brief war nach dem Postamt Windhoek adressiert und noch in Eile ingeschrieben. Der Zug hatte seine Fahrt nach Berlin wieder ausgenom men. Die Häuserreihen Kölns glit ten vorüber. Margarete saß am offe nen Fenster. Der Abend kam her ein. Daö war nicht die weibliche schwüle Luft der Seine. Es war deutscher Frühling leichter Regen schauer letztes Sonnengold im Westen frische Kühle. Und dann plötzlich die Weite: Da lag der Rhein. Mächtig ragten an seinen Usern die Kirchen. Auf seinen Wellen lebte es von Schiffen. Weithin rauchten die Schlote. Tausende von farbigen Lichtern spiegelten sich rechts und links vom Zug in dem heiligen Strom. 19. Zu gleicher Zeit mit Margarete Federsen hatte auch der Generaldirek tor Malloney den Kölner Haupt bahnhof betreten gehabt. Er kam nicht wie sie vom Westen her, sondern vom Norden aus England. In dem Ostendcr D-Zug hatte niemand son oerlich auf den kleinen, jovial .mit Kellnern. Schaffnern und Trägern verkehrenden Herrn geachtet. Aber als er jetzt, im Gedränge des Warte saals stehend, ein Glas Bier trank, riß ein Vorübergehender plötzlich den Hut vom Kops. Drüben am Tisch erkannte ihn ein Zweiter und ver beugte sich, vom Stuhl aufspringend. Ter Zeitungsverkäufer auf dem Bahnsteig stand stramm und grüßte militärisch. Und wie der Stahlge wältige nun wieder den Zug bestieg und noch eine Stunde weit von Köln durch das Dunkel in das Nuhrgebiet hineinfuhr, da wuchs von Station zu Station sein Ansehen. Die Mit reisenden musterten ihn neugierig, Herren mit Aktenmappen unter dem Arm grüßten. Auf der kleinen Sta tion. auf der er den Wagen verließ, dienerte alles. Sein Auto wartete und führte ihn in das Reich der Kohle und des Eisens hinein. In u:.üeutlichen Umnneii wölbten sich die ?chlackenhügel unter langgestreckten Fabrikgebäuden. Die Schornsteine ragten einzeln, in Gruppen, wie Pappclwälder in die Luft. Schwaches Funkensprühcn verriet ihre Spitze, mattes Leuchten am Horizont die Hochöfen, deren frühere fcharlachne Glut sich nun auch still in Kraft um setzte. Am Einganz hielt der alte Invalide Wache und schob da' Tor zurück. Guten Abend, Herr Generaldirek tor!" 'n Abend! Ist Herr Lüncmann noch im Kontor?" Befehl, Herr Generaldirektor! Herr Lünemann ist ja immer dort!" Der Generaldirektor Malloney hatte seinen Wagen verlassen und stie felte vorsichtig quer über die schlam migen Höfe dem Lichtschein zu, der aus einer Reihe Fenster zur ebenen Erde drang. Ohne anzuklopsen, trat er ein. Innen war es blendend hell. An einem mächtigen Tisch, in einem mächtigen Raum saß ein einzelner Mann, über ein Reißbrett gebeugt. Bleistifte, Zirkel, aufgeschlagene Lo garithmen-Tabellen lagen um ihn. Er war so in seine Flugbahnberech nung vertieft, daß er nicht aufsah, sondern, in der Meinung, den Bu reaudiener vor sich zu haben, zwischen seinen -Zahlen murmelte: Krause. . . so gegen Zehn müssen Sie mir Kaffee kochen! Ich habe bis in die Nacht hinein zu tun!". Wenn ich Sie nicht vorher zu Bette schicke, mein Gutester!" sagte der Generaldirektor gemütlich und tat Hut und Stock in die nächste Ecke. Glauben Sie nur nicht, Lünemann, daß ich das erst abwarte, bis Sie mir mit den Nerven zusammenklap pen, mit Ihrem unsinnigen Arbeiten in letzter Zeit. Es ist mir gar nicht wegen Ihnen zu tun! Aber ich brau che Sie! Sie sind nun mal der einzige von der ganzen Blase, zu dem ich vertrauen hab'!" Außerdem haben Sie das Talent, mit mir auszukommen!" fuhr er fort, seinen Mantel über den nächsten Stuhl werfend. DaS glückt auch nicht jedem! Ich bin ein ekliger Kerl, ich weiß es! Aber Sie mit Ihrer ge segneten dicken Haut.. . . Herrgott, sieht der Mensch aus!. . .Wenn Sie mir umfallen, Moritz dann wehe Jh nen! Dann . enterb' ich Sie! Dann such' ich mir' einen anderen Thronfol der für den Betrieb hier!" .Ich werde Nicht krank.' sagte Mo ritz Lünemann kurz und beinahe ver ächtlich. Er hatte ,,ch erhoben. Sein Gesicht hatte bei aller Energie einen überarbeiteten Ausdruck. Der kurze Bollbart ließ es älter erscheinen, alö er war. Und mehr noch der Ernst in seinen grauen Augen. Malloney war schon wieder beim Geiüäst. .Alis d Arzentmier bei ßen an?" forschte er vergnügt und rieb sich die Hände. Den Auftrag kriegen wir sicher herein. Haben Sie unsere Konstanti nopeler Code-Depcsche noch nachgeka belt bekommen?" .Wegen du: Balkanbahn?' Ja. Augenblicklich steigen unsere! Aktien am Goldenen Horn wieder rapide: Ich denke, wir drücken die belgisch.sranzosische Gruppe ganz an die Wand!" Malloney lächle. .Also kriegen wir endlich auf dem Balkan Luft! Ein Segen! Ich hab' den ganzen Flohzirkus schon dick bis an den Hals. Geschieht den Herren Feddersen und Anhang ganz recht. Warum lassen sie nicht mit sich re fitnl Ich hab' seinerzeit in , PariS Herrn Charles Feddersen gute Worte gegeben, wie 'nem kranken Gaul. Ne.. . er wollte nicht! Unter uns: er ist überhaupt ein Esel! Uebri gens. . . vorhin hab' ich seine Frau gesehen!" So?" sagte Moritz Lünemann, anscheinend ganz gleichgültig. 'Sie saß in Köln aus dem Bahn Hof und trank Kaffee. Schien auf der Reise zu Muttern. Eine schöne Person! Das muß ihr der Neid las sen!" Haben Sie auch mit ihr gefpro chen?" Nee! Wie komm' ich denn da zu! Ich werde doch nicht mit der Konkurrenz anbändeln! Außerdem bimmelte es doch gerade zu meinem Zug!" Der Generaldirektor hatte die Briefe durchgesehen und nichts be sonders Wichtiges gefunden. Er gähnte. Ich hab' Hunger," sagte er. Wissen Sie was, Lünemann: Kom men Sie mit mir hinüber und lei sten Sie mir Gesellschaft zum Abend brot. Mit ihrer verfluchten Bal lisiik hat's Zeit. Und ich bin ein ar mer Strohwitiwer! Frau und Kin der bei den Schwiegereltern! Also los!" Malloney hatt sein Haus mitten zwischen die Fabrikgebäude hinein gebaut. Ob er da nun in der Ba bemanne saß. ob er sich rasierte, ob ec Gäste bei sich sah von jedem Fenster aus konnte er jeden Augen blick den Betrieb überblicken. Das nannte er Schönheit der Lage. Ner ven waren ihm-unbekannt. Höchstens daß er, wenn der Dampfhammer be sonders in Tätigkeit trat, ein Fenster schloß. Aber sonst fühlte er sich pu delmohl in dem Lärm und Leben. Die beiden Männer hatten nur weni ge Schritte bis zu seiner Wohnung zu gehen. Er kam dort unerwartet an. Aber er hatte das Haus an den Grundsatz Zeit ist Geld!!" gewöhnt. In unbegreiflich kurzer Zeit saß er mit feinem Gefährten am gedeckten Tisch und goß ein. Trinken Sie, Lüncmann! Das bringt Sie auf andere Gedanken! Ich weiß nicht, früher halten Sie so was Humoristisches hinter den Ohren. Das ist Ihnen aber allmählich ganz abhanden gekommen!" Sie wissen ja, was passiert ist, Herr Malloiied!" Der Generaldirektor ließ Messer und Gabel sirkcn und schaute kauend, den Kopf schüttelnd, sein Gegenüber an. Zu toll!" sagte er endlich. Sie hatte ich nun immer für 'nen ver nünftigen Menschen gehalten, alter Freund und Kupfersiecher!. . . Und gerade S:: machen ausgerechnet diese Niesendummheit! Im Geschäft doch nicht!" (Fortsetzung folgt.) pst gm Direktor. Won G. Vusse-Paalma. Druckfehler. (AiiS einer Gerichtsverhandlung.) Niemand kann niir NachlässiiZkeit in meiner Geschäftsführung vorwersen; insbe sondere habe ich meinen Weinhandei niemals als Nebensache angesehen!" Ein Friedlicher. Bauer (der einen Prozeß drei Jahre hin durch erfolglos sührt, zum Advoka ten): Wissen S' was? Gleichen wir uns aus; ich bin ka Freund von Streiterei!" Ein Geschäftsmann. Herr (zum Bettler): Das ist aber wirklich stark, vor einigen Tagen waren Sie bei mir als Blinder, und heute kommen Sie mit Krücken! Bettler: Ach Gott ja. in blind" ist jeyt gerade so viel Konkurrenz! Vermutung. Fritzchen: Baron von Tollheim ist wohl rech: arm, Papa?" Wie kommst Du auf diese Fra ge" Na, er trägt doch bloß eine halbe Brille!" Großsiadtkind. Ist es noch weit bis zum Forsthaus. Tan te?" Wir sind bald da. Kind.' (Der Kuckuck ruft im Walde.) .Da schlägt schon eine Schmarzwälder Uhr!" 5?rauenlogik. Frau, Frau, soll ich denn gar keine eigene Meinung haben und Dir in allem folgen?!" Natürlich, die Kinder müssen doch ein gutes Beispiel haben!" Das genügt. Anwalt: Nannte er Sie auLdrücklich einen Lügner?" Klient: Wetterprophet kat er ge sag. da aenüzt vollständig" Der Herr Direktor hatte die neue Stellung erst vor wenigen Stunden übernoinmen. Im Armstuhl sitzend, den massiven Körper leicht vornüber geneigt, durchging er mit dem ersten Buchhalter und einem jüngeren An gestellten die Geschäftsbücher der Zie gclci. Bei der Erläuterung einer Zahlenreihe geschah es einmal, daß der vraune ouoari ves jungen Mannes die Wange des neuen Herrn berührt. Nervös fuhr dieser auf. Sagen Sie, Herr " .Lehmann". ergänzte der Ange sprochene höflich. .Herr Lehmann also, finden Sie es besonders schön, einen Bollbrat zu tragen?" Der junge Mann errötete bis in die Stirn. Eine alte Gewohnheit, Herr Di reltor!" Nun, zum mindesten ein sehr seltsamer , Geschmack." Dann rechneten sie weiter, und es wurde später Abend, ehe der Direttor die Fabrik verließ und in das große, öde Haus hinüberging, in dem sich seine Prioatwohnung befand. Am nächsten Morgen saß er um die neunte Stunde gerade beim Früh stück, als das Dienstmädchen den sein melblonden Kopf nochmals durch den iuripau ichoo. Der Barbier ist da, Herr Direk tor! Wo soll ich ihn hinführen?" Der Barbier? Hm! Er soll nur hier herein." Gut, daß er kommt, dachte er da bei und fühlte Reh mit der Öand an das Kinn, die Bartstoppeln guaen schon allzusehr heraus. Der Barbier trat ein. Es war ein lang aufgeschossener. junger Mann mit brandrotem Haar, 'das ihm borstensteif auf dem eckigen Schädel stand. Er machte eine tiese ! Verbeugung und grüßte mit nieberge 'schlagenen Äugen. j Also Sie sind der neue Verschö l nerungsrat?" rief ihm der Direttor : jovial zu. Ist auch alles da, scharf- fes Messer, leichte Hand, was! Die schmalen Lippen des jungen Menschen verzogen sich zu einem stummen Lachen. Ich hosfe, Herr Direktor!" sagte er dann. Wenn Herr Direktor sich aber erst überzeugen wollen. . ." Er hatte das Lederetui und die Seifenbüchse auf den Tisch gestellt und zog nun das Rasiermesser, eine blitzende, doppelschneidige Klinge her vor. Ganz neu und scharf wie Gift. Herr Direktor! Geht durch Fleisch und Knochen, roenn'3 sein soll!" Er grinste dabei und zeigte seinem Kunden den Stahl, ihn aus kleinen, halb zusammengekniffenen Augen an blinzelnd. In dem Direktor stieg ein unan genehmes Gefühl auf. Der Mensch gefiel ihm nicht, und es war ihm auch so, als ob er ihn kennen müsse. Von woher, war ihm freilich rätselhaft. Aber schließlich: was ging ihn auch die Persönlichkeit seines Barbiers an? Er winkte also unwirsch ab. Schon gut, schon gut! Stellen Sie den Stuhl dort an das Fen ster!" Der Barbier gehorchte, und der Direktor setzte sich. Er bekam die Serviette um den Hals und wurde eingeseift. Bei die ser Prozedur fielen ihm die großen, ungeschlachteten Hände des jungen Menschen auf. Wenn Sie das leicht" nenne!" spöttelte er mit bezeichnender Ge bürde. Der Barbier hielt mit ,dem Seifen ein und besah seine Pranken. Leicht nu gerade nicht," meinte er dann gemütlich. Aber sicher und fest t Sicher und fest! Sehen Sie mal, was die packen wollen, das packen sie; und was sie halten wol len, das halten sie!' Und wer's nicht glaubt. . ." . Der Direktor hob unwillkürlich seinen Arm wie zur Abwehr ein we nig in die Höhe. Was zum Teufel hatte der Kerl nur!? Während der lekten Worten batte er walnba'tia mit den Zähnen geknirscht, und sein Blick war tuaijch grun geworden. Ein übler Kunde! dachte er sich. Wenn das mein Feind wäre, ließ' ich mich gewiß nicht von ihm rasieren. Ich glaub's schon!", erwiderte er also mit gezwungenem Lächeln. 2lber bitte, beeilen Sie sich. Der Brief träger muß nämlich jeden Augenblick kommen." Er errötete dabei. Diese Lüge war ihm ganz unwillkürlich ent schlüpft, und er war sich selber nicht aann klar, zu welchem Awecke er sie vorgebracht hatte. Ueber das Gesicht des Barbiers, das sich gleich wieder in die vor schriftsmäßige Ruhe gelegt hatte, zuckte es flüchtig wie verhaltener Spott. Darum brauchen sich der Herr Direktor nicht zu sorgen! Die Brief schaften werden alle im Kontor drü ben abgegeben, und hierher kommt ' gewiß keiner!" Der Direktor biß sich aus die ip- pen. .Woher wissen Sie , denn oai , fragte er gereizt. Ich habe den früheren Herrn auch bedient!" Damit griff er nach dem Messer, legte prüfend die Fingerspitze auf die Schneide und begann langsam zu ra sieren. Starker Bartwuchs!" sagte er an erkennend. Kräftige, dicke Haare! Hätte das früher gar nicht geglaubt, weil Herr Direktor mit Verlaub gesagt schon eine leichte Platte ha den. Aber Herr Tireltor kennen mich wohl nicht mehr? Natürlich nicht! Ich war ja noch ein Junge!" Also doch! dachte sich der Direktor. Mir war doch gleich so! Hm, von wo kennnen Sie mich denn?" Aus Franzensdorf. Wenn der Herr Direktor sich erinnrn wollten, an die alte Goschen, die draußen am Walde wohnte, wo, der Herr Direttor nebenbei seine Jagd hatte. Ich bin ihr Sohn." Goschen, Goschen " überlegte der Rasierte zweifelnd. Und plötzlich stieg eine Erinnerung in ihm auf. Nichtig: das war ja das alte Weib mit dem spitzen, mageren Raubvogel gesicht, mit dem er so viel Scherereien gehabt hatte! Hm! Sehr behaglich würbe ihm dabei ganz und gar nicht. Er hatte ein böses Gewissen, und der junge Mensch hier, der iyr Sohn war und das haarscharfe Rasiermes ser so langsam und schwerfällig über seine Wange gleiten ließ, sah nicht gerade vertrauenerweckend aus., Richtig!" widerte er also. Ich erinnere mich duntel. Wie geht es Ihrer Mutter denn jetzt?" Cm unangenehmes Grinsen zog ich über das Gesteht des Barbiers. Danke für die Nachfrage, Herr Direktor, danle! Jetzt geht's iyr gut. totill, still und fo friedlich, wie lie s besser nicht wünschen kann. Sie ist nämlich lange tot. Und vielleicht wie der mit der alten Fine zusammen, der Hündin mein' ich, die Herr Direktor damals auf der agd erschossen ha den. An der hing mein Mütterchen ehr und hat sich trank gehärmt dar über." Der Direktor machte eine nervöse Bewegung, und als der Barbier sein Meiser für einen Augenblick von ei- nein Gesicht entfernte, stieß er hastig hervor: Das ist eine Luge! Nicht ich habe den Hund, erfchosten. Und was zum Teufel geht das mich heut noch an? Beeilen Sie sich lieber mit dem Rasieren. Ich habe keine Lust, hier eine halbe Stunde zu sitzen. O Verzeihung!" sagte der Bar- bier, ohne fich im geringsten aus der Fassung bringen zu lassen, Herr Direttor haben recht. Ich geh' ein bischen langsam vor. Aber fest und sicher, fest und sicher. Und ick) meine, der Herr Direttor sollten es auch da bei lassen. Herr Direttor haben ei- neu wohlgenährten Halö. Beinahe fett! Wirklich, beinahe fett! Wenn da das Messer in der Eile mal ein bischen zu tief ginge! ne War' 'ne verdammt kitzlige Geschichte! kitzlige!" Der Direktor spürte, wie er ihm mährend dieser Worte mit zwei Fin gern beinahe wollüstig über das ge straffte Fleisch strich. Für einen Augenblick dachte er da ran, ihn plötzlich zurückzustoßen und aufzuspringen. Aber wer tonnte wis sen, ob der schlackige, heimtückische Bursche nicht ebenso flink war und dann vielleicht erst recht losging? Er brauchte ihm ja nur die Schneide ge schickt vorzuhalten, und er schnitt sich selber beim Aufspringen das Leben weg! Nein, nein! das war zu ge fährlich. Und außerdem: vielleicht war alle Befürchtung nur ein Hirn gespinst seiner erregten Phantasie. Es war ja möglich, sogar wahrscheinlich, daß der Rothaarige ein ganz harm loses Wesen war, das sich nur durch sein sonderbares Benehmen so ver zweifelt unangenehm macht. Und dann märe er unauslöschlich blamiert gewe sen. wenn als Halbrasicrter davon gelaufen wäre! Nein, als Angsthase konnte er sich in seinem neuen Wir kungskreis nicht von vornherein ver schreien lassen! Aeußerlich ruhig, lehnte er sich in den Sluhl zurück. 'ne Lüge war's eigentlich doch nicht, Herr Direktor," nahm der Bar bier das Gespräch wieder auf. Mut ter hat mir oft genug erzählt, wie's dabei zugegangen war. Die Fine war so'n unendlich treues, gutmuti ges Tier, das selten mal freiwillig von ihr weglief. Aber manchmal be tam's doch den Koller und wollt' sich austoben und ausspielen, wie's die Hunde mal so an sich haben. Ja und wie der Herr Direktor da mit den andern Herren und den drei Tö len an unserem Hause vorbei auf die Haoelwiesen gingen, da war zufällig mal die Gartenpforte aus, und hops war sie hinterher. Kam ja so selten 'raus, das alte Bich! Mutter gleich hinterdrein, aber wie sie glücklich so weit gehumpelt war, daß sie ihre Fine vergnügt über die Wiese fprin gen sieht, da knallte schon der Schuß, und da heulte Fine schon so jam mervoll auf. daß Mutter es bis an ihren Tod nicht mehr vergessen konn tc Und dann knallte ti nochmal, und dann schleisie der Herr Direktor das sterbende Tier hinter die Weiden und stieß es dort tn eine umpnge Kuhle. Wissen das der Herr Direk tor noch? Fine war noch nicht tot und schnappte nach Ihrer Stiesel spitze dabei. Daö hat der alte Wolf gesehen, der grad' auf dem Havclsteg vorbeikam, und den der Herr Direi tor am Sonnabend drauf aus der Fabrik jagten. Er ging dann betteln, weil er anderswo keine Arbeit fand. So war's doch, Herr Direktor? Oder nicht?" Er hielt mü dem Rasieren ein und sah, ohne das Messer vom Hals zu entfernen, den Befragten haßerfüllt an. Ich schoß nicht", sagte der Di. rektor mit schluckender Stimme. Daö tat ein Gast. Der Apothe ter" Auf wessen Geheiß?" fragte der Barbier zäh weiter. Jagdherr waren Sie. und Sie alle wußten, daß das Tier kein fremder Wilderer war, son dern einer armen Nachbarin gehörte, aus deren Garten, er fast nie heraus kam. Ich war damals m der Lehre, und meine Mutter war ganz einsam danach. Ihren einzigen Schutz und Freund hatten Sie wegknallen lassen. Ihr Jagdrecht, nicht wahr? Aber tut das ein guter Mensch? Tut das ein guter Mensch?" Seine Brust hob sich erregt und keuchend, und durch den schmalen Spalt unter den niedergeschlagenen Wimpern flimmerte es ganz grün. So! Hier wären wir fertig!" sagte er mit belegter Stimme. Bitte die andere Seite, Herr Direttor. Wortlos, mit fest zusammengeknif senen Lippen drehte er seinen Kopf. Er konnte sich noch ganz deutlich an Sie Geschichte erinnern und wußte sel ber, daß er sich nicht grade oorbild lich benommen hatte. Aber, das alte Weib war ihm immer ein Dorn im Äuge gewesen. Ihr Häuschen hatte genau aus der Grenze zwischen seiner Jagd und dem Königlichen Forst ge standen, und wenn er einem wech selnden Bock mal ein bischen zu weit nachfolgen wollte über sein Revier hinaus nämlich hatte er sie man ches Mal noch tief in der Schlafens zeit auf ihrem kleinen Balkon kau ern sehen, stumm und traurig wie eine Nachteule. Manch sicherer Schuß war ihm dadurch verdorben worden. Donnerwetter!" schrie er plötzlich auf und fuhr sich mit der Hand schüt, zend vor den Hals. Er war geschnit ten worden, und seine Fingerspitze wurde warm von Blut. Bestürzt wiegte der Barbier den Kops. Ein Pickelchen, nur ein Pickel chen !" entschuldigte er sich. Eine Se künde, Herr Direktor." Eilig holte er seinett Stein hervor und rieb die kleine Schnittwunde sorgfältig ein. Dem Direktor war es aber, als ob für einen Augen- blick wieder das absckMliche Lächeln um seinen Mund gezuckt wäre, das er schon vorher einmal bemerkt hatte. ' So, so! Es blutet schon nicht mehr!" sagte der Barbier beruhigend und legte den Stein fort. Wenn ich Pickel überhaupt vermutet hätte, wäre baS nie geschehen. Aber bei einem so glatten, vollen Hals. . . .Meine Mutter sagte schon vor Jahren, da mals, zwei Tage nach Fines Tod, als der Herr Direktor sie durch den Portier ans der Fabrik treiben ließ, weil sie klagen getommen war ja damals schon sagte sie vom Herrn Direttor: Wenn er 'ne Aehre wäre, wär' sie reif zum Schneiden!" Herr Direktor waren auch damals schon gut bei Nahrung, und meine Mutter hatte gute Augen, wenn sie wen haß le. Und gehaßt hat sie den Herrn Direktor! Ja, das hat sie!" Schab schab kratzte das Messer über die andere Kinnbacke. Langsam, ganz langsam, als ob der unheimliche Bursche in dessen Augen es immer so wütend aufflimmerte, ihn für eine Ewigkeit auf dem Matterstuhle fest halten wollte. Aber der Direktor sagte sich doch: Besser ich schweige und laß ihn ruhig ausreden, als daß ich ihn reize. Einmal muß dies ver dämmte Abschaben doch ein Ende ha ben. Lebt die Dogge eigentlich noch?" fragte der junge Goschen. Der Nero? War ein wunderschönes, Herr schaftkichcs Tier, nur ein bischen böse und gefahrlich. Herr Direttor wissen doch noch, wie sie uns die Milchziege und das Zickchen zusammenbiß. Herr Direktor waren ja ganz in der Nähe, waren aber wohl heiser und konnte sie darum nicht zurückrufen. Nero wollte wohl auch nur spielen, und es war nur Spaß von ihm. daß er dem Kleinen mit seinem prachtvollen Ge biß gleich die Kehle zermalmte. Und daß er wild wurde, als die alte Ziege bei diesem Anblick sich vom P stock loßriß und mit gesenkten Hörnern tolllühn gegen ihn vorging, konnte man ihm auch nicht übelnehmen. Nicht wahr. Herr Direktor? Er war doch herrschaftlich, und das war nur 'ne Armeleuts-Ziege! Ja und er ver schaffte sich auch den gebührenden Respekt! Brach ihr erst mal das eine Vorderbein und biß ihr dann mit den edlen Zähnen das Euter zuschanden. ch kam gerade dazu, als sie über dem blutenden Leichnam der Kleinen zusammenbrach und bald ihre eiqe nen Wunden und bald die der Toten leckte. Der Junge er damals lo laut schrie, war ich. nd ich habe die Gemordeten von ihrem Weideplützchen heim in den Stall gebracht. Das hätten Sie sehen sollen. Herr Di rektor. wie die Alte da den Kops in den finstersten Winkel schob und auf stöhnte, ganz wie ein Mensch, dem man die Eingeweide aus dem Leibe gerissen hat. Sie stöhnte bis alles aus war. Zuletzt nur noch selten und ganz leise. So wie meine Mut--ter es machte, als sie starb." Ich hätt' ihr den Wert ersetzt wenn sie in schicklicher Weise daru,I gebeten hätte", stieß der Direlto?- giuiroi qtiuvi, Möglich, Herr Direktor, möglich. Aber Mutter war wohl zu dumm, um schicklich zu bitten. Sie hatte so 'ne komische Idee, daß sie ein Recht besäße, eine Entschuldigung und eine Entschädigung zu verlangen. Na tllrlich verbot da dem Herrn Direktor sein Stolz, etwas zu tun! Wir hät ten ja auch vor Gericht klagen kön nen. Nichts einfacher al3 das! Drei Stunden Wagenfahrt bis Nach Span bau. wo das Gericht ist. Advokaten Vorschüsse, Zehrgeld. Schaden in der Wirtschaft mehr hätt's ja nicht qekostet! Und hinterher hätt' der Herr Direktor fünfzehn Mark oder so was für die Ziegen bezahlt und hätt' lachen können über das kranke, arme Weibchen, daS noch sein Schwein nachschmeißcn mußte, um für eine Ziege entschädigt zu werden. Recht ist schon da, nur holen tonn man sich's nicht, wenn man ein ar mer Teufel ist, der auf dem Lande lebt! Herr Direktor hätten keine Flasche Wein weniger getrunken, aber meiner Mutter ist fast das Herz ge brochen, als sie einsah, daß sie gegen den Geldbeutel nicht auskommt. Arme Leute, Herr Direktor, arm? Leute!" Schab, schab. So. Herr Direktor. ' Jetzt nur noch eine Minute. Nur noch ein bißchen Nachrasieren." Ehe der Herr Direktor gegen diese Nacharbeit, die ihm heute ganz un nötig schien, noch Einspruch erheben konnte, sühlte er die Schneide schon wieder auf der Gutgel, und oben drein nicht schräg, sondern steil Und drohend. Langsam und grinsend, mit schiefgezogenem Akundwinkel, beugte sich der Barbier ganz Nahe an sein Gesicht und sagte, seinen Blick böse und tückisch in die Augen des Direktors bohrend, im Flüsterton: Und wissen Sie, was meine Mutter noch gesagt hat? Noch aus dem To tenbett gesagt hat? Dieser Mensch", sagte sie und hat den Herrn Direttor damit gemein, sollte hingeschlachtet werden, wie wein armer Hund und wie die Ziegen. Ich hasse ihn so, oaß ich ihm jetzt och nicht verzeihen kann. Und du sollst ihn hassen und an unsern Haß denteN, wenn du ihn mal unters Rasiermesser kriegst!" Bald darauf starb sie, und rnm,e?rj Direktor, ist es an mir " Der Herr Direttor war einer Ohn macht nahe. Es war kein Zweifel mehr, daß der Bursche ihm ans Le ben wollte. Käseweiß stieß er einen schwachen, klanglosen Hilfeschrei aus. Im gleichen Moment trat der Bar bier anscheinend bestürzt zurück. Sind Herr Direttor nicht wohl?' fragte er teilnehmend. .Vielleicht Wasser dienlich?" Eilig legte er sein Messer beiseite und goß aus der Karate auf dem Mitteltisch ein Glas voll ein. Hoffentlich habe ich Herrn Di rektor nicht mit meinen Jugenderin nerungen beunruhigt?" erkundigte er sich, als er es überreichte. Und das letzte, was meine Mutter gesagt hat .... lieber Gott, das arme Frau chen lag ja tief im Fieber! So was tut natürlich keiner! Der Barbier gewiß nicht! Nein, wie der Herr Direktor nur so erschrecken konMen!", Der Herr Direktor erholte sich wie der. Er stand auf und ging mit er regten Schritten wortlos im Zimmer auf und ab. Waren der Herr Direktor sonst zufrieden? Und wann befehlen der Herr Direktor, daß ich wiederkom men soll?" fragte er dann bescheide, während ein verhalten triumphieren des, gesättigtes Lachen in seinen Au gen stand. Ich werde Sie benachrichtigen lassen!" antwortete der Direktor kurz. Mit einem tiefen Bückling verab schiedete sich der Barbier. Eine Stunde später, als der Herr Direktor bereits wieder in der Fabrik am Schreibtisch saß, brachte ihm , Herr Lehmann einige Schriftstücke. , I Nanu!" rief der Direktor er- staunt. Wo haben Sie denn Ihren schonen Vollbart gelassen?" Abnehmen lassen, Herr Direk 'tor!" antwortete der junge Mann ! errötend. Herr Direttor äußerten Gestern so deutlich Ihr Mißsallkn I Oh! Das war aber überält!" I Er konnte sein Mißbehagen so we- nig unterdrücken, daß der junge Mann ihn ganz fassunaSlos ans.ch. I Aber Herr Direktor faguu oocy ..... Man kann feine Meinung zn dern. junger Freund. Sehen Sie. ich überlege mir selber, ob ich mir nicht einen Vollbart stehen lassen soll. Die Rasierverhältnisse scheinen hier miserabel zu sein.' Furchtbare Beöln gung. Frenndin: .Tu hast wirk, lich die Erbschait Hpiner hci-rfnrhiv, IM Tante auszMIagexi,?'' ? ' l ' i f J ! I r j i V i t ! C