Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 13, 1917, Image 2

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Der neue Lcitcr des AnSwärtigkn AmtS. Von Tr. Max ZZudolf
Kaufmann (zurzeit in Zürich).
T neue Ctaaiösekrciär bcS Aus
wärtigen Ami in Vkilin. Richard von
Küylmann, der es in selten rasch zurück
gelegter Laufbahn vom Botschaftsrat
zum kaiserlichen Gesandten und von, da
zum Botfchasiki und Staatssekretär g
bracht hat, ist eiteren Kreisen noch we
ing bekannt. Ein paar charakteristische
Züge feines Wesens mögen das bisher
bekannt? Porträt vervollständigen. Per
fönliche Eindrücke, die ich während mci
ntt Konstaniinopler Tätigkeit von die
fern geistvollen Diplomaten empfangen
habe, mögen meiner kurzen Betrachtung
?s Grundlage dienen.
Werfen wir. einen Blick auf die Land
Zarte und verfolgen wir darauf die di
ploiNatische Laufvahn des neuen Staats
sekretärsso werden wir an der Wahr
nehmnng nicht vorübergehen können, daß
Varon von .Kuhlmann eine diploma
tische Schule durchgemacht hat, wie sie
nicht bak von einem zweiten Diploma
ten auszuweisen sein dürfte. Peters
kurz, Teheran, Tanger, Washington,
London, Haag, Konstantinopel und da
zwischen Stackholm. Das ist ein Fahr
plan, der für einen Mann wie Kühl
' mann von großem Wert sein mußte,
und zwar um so wertvoller, als der
weitblickende, kühn zugreifende und auf
allen Gebieten bewanderte Staatsmann
überall zu günstiger Zeit eintraf, das
ferißt, zur Zeit politischer Hochkon
Zunttur, als es galt, seinen Mann zu
stellen.
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Tr. von Kühlmann,
der neue Minister des Aeutzern.
Als Baron von Kühkmann nach
' Kriegsausbruch als Botschaftsrat der
'deutschen Bolschast in Konftantinopel
zugeteilt wurde, kern er auf ziemlich di
rekicm Wege von London. Ein Kenner
dcö Orients, ein Wirtschaftspolitiler
und kluger Kopf, war er der Mann am
PlalL gewesen, dein Fürst Llchnowsky
die bedeutungsoollen deutsch englischen
Berb-ndlungen über die Fortführung
des Bagdad, Bahnuntcrnehmens über
tragen rannie. uunaiiu ivuir jigt
von gewissen Leuten im alldeutschen La
er. die sich einbilden, die Entdeckung
feiner Enqlandfreundlichkeit gemacht zu
Haben, ls Echrcögcspenft hingestellt,
und es kommt ihnen dabei gar nicht
darauf an, englische Stimmen, die das
Gegenteil behaupten, zu übersehen. Sie
Minen vergessen zu haben, daß es bis
kurz vor dem Krieg in der Taily
Mai!" eine ständige Rubrik cngeben bat,
in der unter bcm fett gedruckten Stich-
wort Baron Kühlmann day by dan
ieder Schritt, jede Geste des deutschen
BotschasisratZ kommentiert wurde. Was
man dort zu lesen bekam, sprach wenig
dafür, daß die englische Presse von der
sogenannten Englandsreundlichkeit des
deutschen Diplomaten überzeugt war.
In Wirklichkeit schießen beide Beur,
tcilunqen. die des Grafen Reventloiv,
wie sie in der Deutschen Tageszeitung"
zum 'Ausdruck kommt, und die, die heute
?um Beispiel der Manchester Guar
dion" seinen Lesern über Kühlmann auf
ficht, weit über die Tatsachen hinaus.
Der neue Staatssekretär ist, das kann
unterstrichen werden, als Bot
schastSrat in London weder england
freunolich noch englandftindllch gewesen.
Tfür idn aab es zur Zeit seiner Lern
"erntet Tätigkeit nur einen Standpunkt,
und das mt der eines klugen, deutschen
Tiplomateu von weitsich'Ngem Blick, der
ihm von feinen Vorgesetzten. Wolff
Actiernich. Marfchall von Bicbcrstein
und Lichnowsly. gewiß nicht verboten
wurde. Für Kühlmann oab es keine
unmitkewzn deutjch-englifchen Aek
bv:nzin. Ihm schwebte o3 Ziel
ti? 'l'chl.it vor Augen, auf einem
k's'iivniicn, eng umarenzten Gebiet eine
V'reirb-'nmg zu treffen. Diese Mög
lichkeit schi? h am ebeften auf ko-w-?-!''.'
' C;itt durchführbar. Er
y -2 u Vef.i ea Afrika. Tenfelben
''rnndraß hat von l-llhlmsnn für die
U' r,'"!:",: f-'T i Ur,1t den Bau der
La?dsdbzba aüfisiellt. Hier ging er
"n der is?:::'.' "!!';) aus, daß das deutsche
rn-bTcit Uns aagressiven Absichten
.,'q,q England kvthztte. Verständigung
mit sein: Losung, nicht Engländern
, , v n'i&i E?landfeidl!chkeit. Da
zriidwanns war beinahe erreicht,
er:, w.;ttÜat Karen fertig. . Ta kam
Y-t Kr':', und er bat die ffrage der
'iui:.-h:t da uhlmannsche
v:i: unbeantwortet gslassen.
KühlmannS Konsianiinopeler Tätig
keit stellte das Höchsimasz von Anforde
rungen. die überhaupt an einen Tiplc
matcn gestellt werden können, an ihn.
Es war ein gefährlicher Boden, auf dem
er sich bewegte, und nur derjenige wird
sein Verdienst um das dcutsch-türkische
Bündnis richtig werten können, der den
Wettlauf um die türkische Freundschaft
im Sommer 1914 miterlebt hat. Die
Namen der beiden Schiffe Soeben"
und Brcslau" werden auf alle Zeiten
mit dem Namen des damaligen deutschen
Botschaftsrats verbunden bleiben.
Kühlmann ist alles andere als ein
einseitiger Diplomat. Seine engen Be-"
Ziehungen zu Handelst und Finanz
kreisen haben seine diplomatische Tätig
keit stets beeinfluß. Der Diplomat ar
Miete Hand In Hand mit dem Wirt
schaftspolitikcr. Das zeigte sich auf je
dem Posten, - den Kühlmann bekleidete.
In dieser Hinsicht machte sich unbedingt
der Einflusz seiner nächsten Umgebung
geltend: Vom Vater, dem ehemaligen
Direktor der anatolischcn Eiscnkhnen,
hat er, in einer der bedeutendsten Han
delsstädte des Orients, in Smyrna, ge
boren, den tüchtigen Geschäftsgeist ge
erbt, den er. durch seine Verheiratung
aufs engste mit den Stummschen Stahl
werken "verbunden, in weitcsigehendcm
Maße entfalten konnte. Und dieses
väterliche Erbe hat in ihm zweifellos
auch das so überaus große kulturelle
Interesse wachsen lassen, das sich, man
kann wohl sagen, aus alle Gebiete des
Wissens und der Kunst erstreckt. Der
Diplomat imhm von jeher regen Anteil
am kulturellen Leben der Völker, bei de
nen er feine politische Mission zu er
füllen hatte. Sein Haus, die reichen
Sammlungen und Schätze, sind ein
sprechender Beweis dafür.
Kühlmanns Beziehungen zur Kunst
sind auch in den bisherigen Chrarakte
ristiken seiner Persönlichkeit nicht mit
dem nötigen Nachdruck erwähnt worden.
Denn dieses feine Verständnis für alle
Kunst hat sich bisher stets auf den Ti
plomatcn Kühlmann übertragen. Her
vorragend alte und moderne Meister
schmücken seine Besitzung in Bayern.
Das ist der Einfluß Münchens, das er
in seiner Jugend sah. Und dieser so
ausgeprägte Kunstsinn übertrug sich bei
ihm auch auf die schöne Literatur, und
von hier führten die Faden zur Presse.
Wer heute einen jener kleinen Fünfzig
pfennigbände des Jnselverlags zur Hand
nimmt, wird kaum auf den Gedanken
kommen, daß der geistige Urheber dieser
Bände kein anderer ist als der neue
Staatssekretär des Auswärtigen Amts
in Berlin. Künstlerische und verwandt
schaftliche Beziehungen zu dem bckann
ten, im Laufe des Krieges verstorbenen
Dichter und Inhaber des JnselverlagS.
A. W. Heymel, brachten von Kühlmann
in die Büchcrwett, an deren Entwick
lung er nicht geringen Anteil hat. Die
Kunst, der das Haus Kühlmann von
jeher eine Heimstätte gewesen ist die
junge, schöne, erst vor wenigen Wochen
an 'den Folgen des Typhus in Kon
siantinopel verstorbene Gemahlin, eine
geborene von Stumm, hat selbst als
Mädchen auf Montmartre der Malerei
gehuldigt brachte Herrn von Kühb
mann mit der Presse in Verbindung,
und. man darf wohl sagm, daß es bis
her keinen deutschen Diplomaten gegeben
bat der ein so großes Verständnis für
die Bedeutung der Presse aufwies, wie
gerade der neue Staatssekretär. Vcr
ständnis und Achtung. Wer je mit ihm
m dieser Hinsicht Fühlung nehmen
konnte, wird dieses Urteil unterschreiben
müssen. Gerade die deutsche Presse, die
allen Anlaß hatte, sich über ungenügende
Beachtung von Seiten der deutschen Ti
plomatie zu beklagen, wird im neuen
Staatssekretär einen Freund und Gön
n?r finden.
Blinder Direktor einer Blindenanstalt
In Florenz steht die Anstalt für die
in, Ltriege erblindeten Soldaten unter
der Leitung des Prof. Pietro Landriani.
der selbst das Augenlicht verloren ht; er
war früher Professor der Physik an der
Universität Pavia. Landriani führt,
nur von einem Sekretär unterstützt, den
ganzen Briefwechsel mit den Zweigan
stalten, mit der Regierung und den be
sonders umsckngreichen mit den Blinden
ganz allein. Außerdem leitet er das
Blindenw.useum, in welchem alles, WaS
das Leben und die Unterweisung der
Blinden betrisft. einen Platz findet; er
sorgt für die Bibliothek (in Blinden
schrist) und gibt zwei Zeitungen in
Blindenschrift herauf
Kohlcnersparnis.
Auf eine Anfrage der zürcherischen
kantonalen Erzichungsdirektwn an dus
Rektorat der Universität Zürich, auf
welche Weise eine Ersparnis an Feue
runz erzielt weiden könnte, hat das Rek
torat folgende Vorschläge ausgearbeitet:
L Ausdehnung der Weihnachtsserien auf
vier Wochen (21. Dezember bis 22.
Januar); 2. Verlängerung der Unter
richtszeit im März; 3. Ausfall des gZN,
zen llnterrichtsbetriebes am Samstag;
4. Beschränkung der täglichen Unter
richtszeit auf 8 5 Uhr und Schluß der
Seminarien, Laboratorien und Samm
lungen um 4 Uhr; 5. völlige Aussckil
hing der Auditorien; 6. tunlichste Ein
schränkung der Heizung der Sammlun,
gen und Reduktion der Korridorbeleuch
tung auk das unumgänglich Notwendig:
von 5 Uhr an, Verlegung der Antritts-dsrksunge,
.$$$$..4:
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? Artilleristen aus der Schlacht. 2,.
von
Max OLbor.
,
. . .444.f..4Mf.44.4444.4. , . f. 4
heit. Ta er meinen verblüfften Blick
sah, lachte er:
.Ich habe ein paar Tage Urlaub."
Seine Augen leuchteten in kindlicher
Aergnügtheit. Em Tertianer, der einen
Tag frei" bekommt, kann nicht naiv
Westlicher Kriegsschauplatz. Ein zer
trümmeries Nest zwischen sanften Höhen
zügen. Im Schnittpunkt dreier Talsen
ten anmutig hingelagert.
Ein paar Häuser stehen noch. Da
runter das dunkelbraun getünchte Hotel
de Ville", das in putziger Monumental!
tät einen viereckigen Platz mit einer vier
eckigen Zeile viereckig beschnittener
Bäume beherrscht es ist, wie man sieht,
die Klarheit des französischen Keistcs,
die sich von der romantisch-wüst-barba-rischen
Verworrenheit alter deuIzer
Stadtmärlie wohltuend abhebt.
Aber sonst ist nicht mehr viel da, was
den Namen stattlich" beanspruchen
kann.. Rechts und links des kleinen Fluß
chens, das sich mit schneller Strömung
durch Weidengcbüsch schlangelt, haben
Geschosse allcr'Kalitxr herumgrfegt. Von
einem Wohnhaus hat sich noch ein Stück
der Fassade behauptet, von der ein Eisen
gittcrbalton an einer verklammerten
Stange hcrunteibaumclt. Von einem
kleinen Geschäftshaus blieben als Rest
nur zwei Steinpfeiler des Erdgeschosses
mit einem' quer darüber gelegten Eisen
träger, der noch das Schiid des verende
ten Ladens krampfhaft festhält.
Deich je leerer die Mauern, um sa
belebter die Straßen. Ohne Aufhören
trabt und rattert es über das verschmutzte
Pflaster, durch die Schlannnbrühe der
anderen, ungepflastcrten Wege. Sanitäts
autos mit Anhängern sausen heran zu
dem Lazarett, das in Baracken auf der
Wiese aufgebaut ist, und setzen die ar
men Burschen ab, die vor Verdun geblu
tct haben. Sausen zurück zum Verbands
Platz, um neue Ladung zu holen. Daß sie
nicht lange darauf zu warten haben wer
den, beweist das Rollen des Artillerie
kampfcs. das fernhin über Hügeln und
Tälern die reine Luft erfüllt. Auch
Leichtverwundete kommen an. Auf Lei
tcrwagen und zu Fuß. Melden sich bei
der Sammclsiellc.
Eine Munitionskolonne zieht hinaus,
ein riesiger Wurm, der weithin über die
Landstraße kriecht. Ihr begegnet ein an
derer Zug. Zwei Batterien kommen aus
der Scblacht. Feldgeschütze und Mörser.
Wochenlang haben sie ohne Unterbrechung
gearbeitet. Run sollen sie sich in kurzer
Rcservestcllung ein bischen erholen. Sie
ziehen heran, phantastische Gruppen:
Lehmmcnschcn und Lchmwagen. Steine
Farbe der Uniform, der Mützen, der
Achselstücke, der Wagen, der Geschütze
mehr alles eine einzige velbe Masse.
Bespritzt, vertleistert. verklebt. Die Pscrde
mit einer gelben Schicht überzogen, die
fest und dann brüchig ward, als trugen
sie die Hautlruste von Elefanten. Die
Gesichter der Mannschaft blaß, übcran
strengt. Der Blick gleichmütig, ernst.
Als wollte er sagen: diesmal hat's u,,s
noch verschont; und jetzt kommt Ruhe,
Erholung, Schlaf; weiter denken wir
nicht.
Das Ganze halt! Sie steigen ab und
rasten auf der Straße, wo ein Trupp
Infanteristen zum Appell angetreten ist.
Begrüßung. Anstarren. Anfreundung.
Ein Feldaeschütz wird weiter gefahren,
um die öcke, zur Kanonenklinik", wo
irgendein Schaden repariert werden soll.
Einer der 'Artilleiieofsiziere ist vom
Pserd gestiegen, reckt die Arme, macht
Kniebeuge, verläßt den Trupp undjbc
trachtet sich den viereckigen Stadtplatz.
Er sieht aus, wie aus einem Schlamm
bad gezogen. Auch das Gesicht ist mit
Spritzern bedeckt, die auf den Bartstoppeln
sitzen. Aber inmitten all dieser Vcrwü
stung glänzt, wenngleich, ebenfalls bc
spritzt, ein Monokel. Das ist der
ruhende Pol in dem Gewirr. Es ist
das Srlennungszeicben des Vorgesetzten,
in diesem Zustand das einzige Merkmal
des Offiziers. Und es ist zugleich die
Rettung des Kulturmenschen. Dies
Rundgias stellt die verlorene Verbindung
des Kriegsmannes mit der Welt her, aus
der er kommt, und die ihm nicht ganz
entschwinden darf, will er Haltung be
wahren. Monokel man hat in Frie
denszeiten oft über dich gelächelt, jetzt
bewahrst auch du dich!
Die Batterien haben schweren Dienst
hinter sich. Sie haben seit dem Beginn
der Verdunkämpse mitgefochten. Von
drei Stellen haben sie gefunkt. Zwei
mal sind sie mäcbtige Strecken vorgerückt.
Und können erzählen . . .
Jz vorrücken" das klingt so ein
fach, meinen sie, aber was bringt das
für Mühen mit sich! Von denen des Ab
bauens, Weitcrzicbens, Wiederein bauens
nicht zu reden. Tas macht ja Freude.
Wenn auch der Franzmann auf die
Wege funkt. Aber dann heißt es. sich
leu einrickten. Im Walde Hütten
bauen". Verflucbt noch einmal! Diese
Gegend! Eine Wüste ist sie. weiter
nichts. Tie Dörfer. Gehöfte, Mühlen:
Schutt und Asebe. Tie früheren fran
zösischen Unterstände? Vielen Tank.
Die kennen die Kerle drüben ja ganz ge
nau. Jeden Meter kennen sie in dem
Gelände, in dem sie Jahre gehaust. Nun
befeuern sie das alles systematisch. Also
heißt es sich anders einrichten. Bei dem
Sauwetter, das wochenlang herrschte.
Mein Gott, die Pferde hattenes am
schlimmsten. Die armen Gäule. Oft
bis zum Bauch im Schlamm. Nachts,
in den niederträchtig kalten Nächten die
ses Februars vnd März, mit einer Decke
nur gestützt. Na. und sie selber hattcn'S
wahrhaftig auch nicht besser als die
Pferde. Nässe. Kälte. Regen. Schnee.
Stmutz. knietief aufgeweichte Wege.
Tie Wälder voll Zacken und Skolpcr
draht. Und immer Streufeuer. Herr
gott, war das eine Zeit!
Einmal hatten sie Schwarze ge,
faßt. To war im Wald von Wavril.
nordöstlich Von Beaumont. gewesen. Ein
weißer Franzose, den sie singen, hatte
ihnen schon vorher von den dunklen Brü
dein berichtet. Es war ein drolliger
!ierl. der auf die Frage, was er im
Zivilleben sei, antwortete: artisto cn
wut". Also ein Tausendkünstler. Ja,
die Neger, hatte er lachend gesagt, das
sei eine Gesellschaft. Zum Nahtampf,
mit dem BaZonett, Wohl zu brauchen.
Aber im Artillcrieseucr einfach unmög
lich. Das hätten sie nicht ausgchal
ten. Sie wären so toll geworden, daß
sie sogar gemeutert und auf die anwe
senden französischen Soldaten geschos
scn hätten. Mit Mühe und Not habe
man sie gewaltsam zur Raison gebracht.
Tann ging die Batterie weiter südlich
zum Fossct-Wald, nordöstlich von Lou
vemont, wa Kampf und Vorrücken, die
man sich vorher besonders schwierig ge
dacht hatte, überraschend leicht gewesen
wären. Ire! aufgefahren waren sie da
mals, ohne Deckung, und nun losgeschos
scn, daß die Rohre stöhnten! Und es
klappte. Tie fcindlickn Flieger sahen
sie nickt. Meist war das Wetter schlecht.
Tie Artilleristen sprechen von ihren
Lufiwächtcrn wie von schützenden Göt
tern. Freilich, die Beobachtung war
schwer. Immer wieder rissen im wüten
den Gegenseuer der Franzosen Telephon
leitungcn. Dennoch: es ging.
Einige Stunden mochten vergangen
sein, als ich wieder durch den Ort kam.
Ein Major, den ich kannte und begrüßte,
stand da mit einem Oberleutnant im
Gespräch. Und wie ich näher hinsehe,
erkenne ich das Monokel von vorhin.
Aber wie hatte sich das verändert, was
um den ruhenden Pol herumlag! Ein
neuer Mensch schien erstanden. Tadel
lose Uniform, tadellose Stiefel. Tas
Haar gescheitelt. Tas Gesicht rasiert.
Tie Hände, einen Augenblick ohne Hand
schuhe, strahlten in sauberster Gesiegt.
glücklicher aussehen,
Und dann erzählt auch er. Er ge
hörte zu der anderen der beiden Batte
ricn, deren Einzug ich vorher mitangc
sehen hatte. Eine verteufelte Ecke, sage
i,4 Virtt " T'.Us l-nrlr um 9)irVinn!
.owi'.!.. vivji, v.r.
Tie haben eS in sich! Tie alte Skat
redcnsart: auf die Dörfer gehen", als
Bezeichnung leichter Stiche, mühelosen
Einstreichcns. fei hier in ihr Gegenteil
umgekehrt. Gerade die Törscr sind hier
Brennpunkte des dichten französischen
Vertcidigungsnetzcs. Tie Häuser, die
Keller, die Garten und Fricdhos
mauern, alte massive Bauten, versteckte
Winkel, das alles gibt endlose Möglich
keilen zur Beobachtung, zu festen Unter
ständen, zum Anbringen verschmitzter
Hindernisse, zum unauffindbaren Einbau
von Maschinengewehren.
So wars bei Touaumont. Ter
Kampf um das Torf war mindestens so
schwer wie der um die Panzcrscstc. Nicht
anders steht es bei Baur, wo das Torf
in einer Schlucht gelegen, sehr stark be
festigt war. Ter Kampf ist von wilder
Erbitterung, Und das machte höllische
Arbeit!
Und wie lange haben Sie selbst nicht
ausgespannt?"
Ich? Na. es geht an. Seit einem
Jahre. Aber jetzt gchts los! Da ist.
schon mein Wägelchen. Und nun zur
nächsten Bahnstation, noch eine kurze
Strecke. Und um halb sieben heute
abend treffe ich mich in Tiedcnhofcn mit
meiner Frau! Auf Wiedersehen!"
Schüttelte die Hände grüßte
sprang auf. Und sauste davon.
Im Ilugzeng üöer die Zentraljchweiz.
Von Leutnant B. Amman in der schweizerischen Armee.
Am 2,". Juli, früh am Morgen, fuhr
ich zum Flugplatz in Dübendorf. Stein
Wölllein war sichtbar und kein Blättchen
bemeatc sich an den Sträuchern, Flug
weiter, wie man es nicht besser wünschen
könnte. Ich hatte mich aus dem Kom
mando angemeldet uno die Bewilligung
zu einem Fluge erhalten, nachdem ich
mit meiner Unterschrist auf jeden all
fälligen Schadenersatz Verzicht geleistet
chaite. Alle momentanen Bedenken waren
verschwunden, und ich freute mich unze
trübt auf die kommende genußreiche
Stunde.
Mit meinen beiden Zetteln, der eine
die Bewilligung, der andere den Bon
für Sturzhelm, Jacke und Brille ent
haltend, begab ich mich auf das Flug
feld. Ta fand ich einige Flugsiiler
im Grase liegen, die mit sachgemäßer
Kritik ihre S '-ulmaschine verfolgten,
die abwechslungZweise von den jungen,
angehenden Piloten bestiegen wurde. Im
Hangar traf ich einige Fliegeroffiziere
und ließ mir von ihnen einen jungen
Piloten wählen, der mich durch die Lüfte
steuern sollie. Ter kaum vierzehn Tage
alte Militärfliegei-Adjutant-Unteiosfi.
zier hat seine Sache gut gemacht.
Ter für uns bestimmte Toppelrumpf
Doppeldecker wurde flugbereit" gestellt,
während wir uns Sturzhelm und
Sturmjack: verschaffen und die obligato
rische Zigarette rauchten. Mein Pilot
prüfte nochmals olle Spanndrähtc, dann
schlürften wir in die Jacken, schnallten
den Sturmhelm auf nd bestiegen den
Apparat.
Also ab, keine zu scharsen Kur
den", rief ich ilirn zu, dann fing der
Motor an zu pusten, setzte noch einige
mal aus, und es ging rüttelnd und
schüttelnd über Stock und Stein. Es
sah aus. als würde man Millionen von
Fäden unter unseren Füße durchziehen.
Jetzt hate das Schütteln nachgelassen,
die Striche waren verschwunden, und
schon waren wir einige Meter über der
Erde. In eine: Spirale wand sich un
fer Vogel hinauf in fein Reich, und bald
hatten 'wir die Schuppen tief unter uns.
Immer kreisten wir noch über dem
Flugplatze und schon folgte uns ein Be
gleitcr. Als wir ungefähr 60 Meter
Höhe erreicht hatten, nahmen wir Kurs
nach West. Südlich von uns lag Zürich
und unter uns die Maschinenfabrik Oer
likon. Ueber den großen Gasometern
bei Schlieren, die uns schon vorkamen
wie drei Reisnägel, wandten wir uns
nach Süd-Mst. Richtung Luzern.
Inzwischen hatten wir eine Flughöhe
von 180 Meter erreicht. Die Seen
links, rechts, vor und hinter uns, sahen
sich an wie Wasserpsützen. Tie Berge
waren zu Hügeln geworden und die
Wälder bedeckten sie wie Moos. Feine
weiße Striche teilten die Felder in alle
möglichen Figuren. Es waren die
Straßen, die von schwarzen geraden Li.
nien, den Eisenbohnen, durchquert wur
den. Ich erblickte hier einen Zuz. dort
einen Dampfer; jener sah aus wie ein
frifch ausgeschlüpftes Räupchen. dieser
wie ein in ein Wasserbecken gefallenes
Mücklein. Die Dörfer und Städte piä
sentierten sich wie Nürnberg! Spiel
waren und einzelne Gebäude wie Kiesel
steine. Die Berncralpen strahlten in der
Morgensonne uns wie Diamanten ent
gegen. Wir flogen über die Rigi. Jetzt
gingen wir etwas tieser und begrüßten
Luzern mit einer Schleife.
Beinahe eine Stunde waren wir schon
unterwegs, und es fröstelte mich allmäh
lich trotz dem heißen Julitage derart,
daß ich in die Hände hauchte und sie
tüchtig zu reiben anfing. Immer noch
schienen die Ortschaften langsam unter
uns wegzuschleichen, obschon wir mit
einer Geschwindigkeit von 120 Km.
durch die Luft sausten. Aber ich fühlte
mich dabei so wohl und frei, daß ich zu
singen und pfeifen begann, trotzsem der
Lärm von Motor und Propeller alles
übertönte. Wir steuerten wieder Zürich
entgegen und konnten im Norden, gegen
Deutschland hin, eine sonderbare Natur
erscheinung beobachten. Der Himmel
teilte sich durch ein Linie in zwei Hälften
scharf ab; es schien mir ein Aquarium
LU sein, auf dessen Wasserspiegel Pflan
zen schwimmen. Sie schnitt wunderbare
Raphaclwolken entzwei, von welchen der
obere Teil schneeweiß herausragte. der
untere, wie im Slamm versunken,
schwarz sichtbar war. Wieder begegne
ten wir einem Kameraden, diesmal aber
nicht einem Piloten, sondern einer klei
nm, weißen molligen Wolke. Sie warf
einen Schatten auf die Erde, von uns
aus gesehen mindestens fünfzigmal grö
ßer, als die Wolke in Wirklichkeit war.
In ihrem Schatten sahen die Flüsse nicht
mehr aus wie silberne Bänder, wie sie
der Dichter besingt, sondern wie graue
Würmer, die im Kote wühlen.
So studierten wir auf der Rückfahrt
die Eigentümlichkeiten der Welt, wäh
rend wir auf der Hiinfahrt die Land
schaft bewundert hatten. Ich war nicht
angenehm überrascht, als ich Zürich bei
nahe unter uns erblickte. Wir hatten
das Mazimum unserer Flughöhe er
reicht und kreisten in 2100 Meter Höhe
über der Limmatstadt.
Da ein Ruck unwillkürlich hielt ich
mich fest, weil ich glaubte, so nicht her
unterstürzen zu können und in stei
lem Gleitfluge ging es in drei Minuten
aus 21) Meter auf 700 Meier hin
unter. iin Brummen und Summen
tönte in meinen Ohren, daß ich glaubte,
das Trommelfell zerspringe. Dann
wurde es wärmer, als käme man in die
Nähe eines Ofens, und mir war es, als
glühte ich vor Hitze. So glitten wir in
der Höhe von einigen hundert Metern
über den Zürichberz abwärts, dann
kamen wir immer tiefer über die Tücher,
dann über Bäume hinweg und zuletzt
mit schwindelnden Gefühlen wieder über
die Millionen Fäden und Striche der
Gräser und Steine. Einige schwache
Schläge, ein Rollen, und unser Vogel
stand, feinen Atem verlierend, vor seinem
Neste.
Ich drehte mich um. reichte dem jun
gen Militärflieger die Hand und gra
tulicrte zur glatten Landung. Dann
verließen wir die Maschine, zündeten
eine Zigarette an. zogen uns um und
meldeten uns beim Kommandanten zu
rück. Anderthalb Stunden nur hat der
herrliche Flug gedauert.
Kohlen für Theater.
Die Deutsche Bühnengenossenschaft
hat an den Reichskanzler eine Eingabe
gerichtet, worin sie um ausreichende
Hcizstoffverforgung für die deutsche
Theater während des kommenden Win
ters bittet, um die Durchführung der
Spielzeit ja möglichen,
Aas Krallen vorm Arcllnde.
Line Skizze aus Flandern, von Reinhard Nlcndel, Artille
ristenmaat.
An der Kscr, im Mai. Es ist eine
ganz eigenartige Stimmung jetzt im
Frontsoldaten. Um ihn grünt und
sproßt es und drängt ans Licht. Der
Spatz lärmt um den Halm, den er zum
Nestbau braucht, der Star übt einen
Minnesang, und auf den Ruinen flau
bischer Häuser flötet die Amsel ein inni
gcs iitt, Sie Natur rüstet stch zum
Aufeistehungsfcst, und der Mensch spürt
mich klier inmitten hnn CsWfnhr nd Tod.
in sich die Vorbereitungen, die sie trifft.
Er freut sich ihrer, atmet tics und vom
Druck langer sonnenloser Tage befreit.
Und Mit dock, wie aerade kkt e was
an seinen Nerven reißt. In dieser lau
warmen Luft, die über den Schützen
graben flimmert, lauert ein Etwas, liegt
siir ibn ein Abnen naker Ereignisse, und
die Reinheit des Frühlingshimmels, von
dem die Sonne herablacht, empsmoet er
als Trug. Mühelos dringt ja jetzt der
spähende Blick des Beobachters in die
Weite, unermüdlich halten ans den LUf
ten gelbe Riesenvögcl Ausschau: die
Hoch-Zeit des Artilleristen beginnt, und
mit ihr der neue wilde Tanz, in dem
die zartsreudigen Aufersichungsmelodicn
der Natur jählings ertrinken.
Für, mich ist Ruhetag, und ich 'ent
fliehe der Enge des Untersiandcs und
wandere landeinwärts in den prachtvol
lcn Frühlingstag hinein. Ein Stabilern
hinter der Front ist mein Ziel. Ich weit
dort 'einen frischn Trunk und hübsche
Augen. Tort geht der Bauer noch fried
lich'hintcr seinem Pflug, wenn auch tag
lich die dröhnenden Stimmen des Krie
acs a sein Ohr klingen. Es ist ein bit
tercs Schicksal, das ihn zu dem Wunsche
zwingt, der Feind möge nie aufgebe
müssen, was er jetzt inne hat vom Hei
matboden. AKr sein Verhalten dem
deutschen Soldaten gegenüber zeigt, daß
ihn dieser Zwiespalt i seiner Brust nicht
mehr drückt.
Ich komme an einer feuernden Batterie
vorisber und versolge mit dem Ohr die
schweren Geschosse, die rauschend zum
Feind hinukrgehcn. Ein Flieger schwebt
über mir und weicht geschickt den Wölk
chen der Schrapnells aus, die)hn hart
nackig verfolgen. Singend saust ein
Sprengstück zur Erde nieder und taucht
zischend neben mir in den nassen Wiesen
gründ. Entsetzt hoppelt ein Häslcin über
den schmalen Wassergraben, der seinen
Weg zu hemmen sucht, ,und kreischend
fährt aus dem Grase ein Huhncrliebes
Pärchen hoch, das mein kommen im
traulichen Beieinander stört. Ich zucke
zusammen zwei kurze, dumpfe Schläge
in der Ferne, und schon durchschneidet
ein unheimliches Pfeifen die Lust. Kra
chend sitzt der Aufschlag, und sekundsn
lang stehen drei haushohe Säulen vor
der 'Batterie, die ich eben im Feuer sah.
Zu kurz, zu kurz, ihr Herren . . .! Jr
gendwo im Süden tobt ein schwerer
Kampf der Geschütze. Als ob sich ein
schweres Gewitter grollend verzöge, rollt
der dumpfe Donner zu mir heran.
Fesselballons stehen im Hintergrund, und
ihre langen Schwänze wehen leicht im
Winde.
Ich habe die Straße erreicht, die zum
Städtchen führt, und überquere sie, um
schneller am Ziel zu sein. Reiher rudern
in geringer Höhe über mich hinweg' und . ,
zwei Krähen setzen einem Aussard hart
nackig zu. Geschickt entweicht der Raub
vogel seinen Widersachern wie ein
Flieger, der sich durch hundert Knisfe
vor seinen Verfolgern in Sicherheit zu
bringen weiß.
Aus dem Grünen tritt das erste Ge
höft hervor. Ich bleibe stehen. Rinder
sind auf der Mide und Schafe, auf de
rcn dünnen Veinchcn feiste, dickwollige
Körper sitzen. Friedlich und freundlich
sieht alles aus, der Acker und die Wiesen
und das weggestrichene Haus mit den
blanken Fenstern und grünen Läden . . .
Und dann trinke ich bei den Feldgrauen
einen Schoppen prächtiges deutsches Vier,
und von etwzs zarkcrer Hand lasse Ich
mir anderswo ein Pintje" Kaffee brin
gen und schwatze mit den dunkeliöpfigcn
Fläminnen über wenig kriegerische Dinge.
Da geschieht ctwas, daß mir einen
Herzschlag lang das Blut stockt; die
Mädchen aber, die Mutter und die Ahne
am Ofen kreischen auf in höchstem Ent' .
setzen. Ein unheimliches Sausen ist
plötzlich in dr Luft und ein gellender
Schlag zerreis-t den Frieder des sonnigen
Frühlingst.iges, den Frieden des kleine
Städtchens das ganz unerwartet von
den Franzosen, den Freunden seiner Be ,
wohner, vielleicht selbst von einer belgi
sckxnsztlcric mit schwerem Kaliber be
schössen wird!
EZ wird immer zu meinen traurigen
ftricgserinnerunzcn gehören, was sich
jetzt vor meinen Augen abspielte. Eine
solch wahnsinnige Angst lag über dem
ganze Ort, daß jeder ermunternde, je
der beruhigende Zuruf nutzlos war.
Ich redet? auf eine junge Mutter ein. .
die, ihr Jünqftcs auf dem Arm, mit tod
blassem Gesicht aus der Straße stand und
sich vor Schreck nicht von der, Stelle
lüyrtc. Sie blickte mich starr an, als
habe sie d;n Vernand verloren. Erst
olö alles neben ihr dem Ausgang des
Orles. der frei' .i Landstraße 3 stürzte,
kam Leben in sie und sie ließ sich mit
fortreißen, Kinder schrien und die
Männer gingen mit erkünstelter Festig
keit neben ihnen Her. Alte Frauen wur
den fortgeführt. Jhe Lippen bewegten'
sich wie im stuniincn Gebet, und auf
den runzliqen Gesichtern lag ein Aus-
-,- Viar nkiVtla T.ifl frlrtrt ?flrtf
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stehen und Ucberlca.cn. Ich habe schon '
vorher, bei ähnlichen Gelegenheiten, alte
Menschen zesehen, die der Krieg mit
harter, grausamer Hand aus ihren
Häuschen treibt, das sie ein Lebensalter
lang bewohnt haben. Ihr Anblick tat
mir stets in ticsster Seele weh. Von
den Freunden", den Beschützern" des
Landes, den eigenen Brüdern womög
lich von Haus und Hos vertrieben, hin
gemordet zu werden ist das nicht
grausam?
Aas Hagewerk des Uapsies.
Wenn um halb sechs von den nahen
italienischen Kasernen dieTrompetenstöße
der Reueille ertönen, erwacht auch der
Vatikan zum Leben. Tie Glocke der
Eapella Paolina erschallt, die Stadtsol
baten der Gnardia Palatina kriechen
aus den Federn und die biederen
Schweizer der Guardia Svizzera"
greifen znr Hellebarde. Im Latitan
wird es allenthalben lebendig, Kinder der
Angestellten, Dienstboten. Kochinnen,
kurz eine ganze Bvölkerug'krsüUt die
zahllosen Höfe. Treppen und Gassen.
Notabene diese Laien-Bevöllerung wird
demnächst aus dem eigentlichen Bereiche
des Apostolischen Palastes verschwinden,
denn der Papst hat den Bau von be
sonderen Wohnhäusern für die päpstli
chen Angestellten, in der Nahe der Porta
Trionsale, aber innerhalb der Vatikan!
fchen Mauern, angeordnet. Eine Maß
reget, die nicht weniger als zwei Millio
nen kosten soll, obschon das Bauterrain
ja garnicht in Frage kommt. Zur scl
den Zeit, als die italienischen Trompe.
ten den Vatikan geweckt, erscheint des
Papstes Kammerdiener, der im Zimmer
neben seinem Herrn schläft, im Gemache
S. H.. hilft dem Papste bei der Toilette
und dient nachher bet der Messe als
Sakristan.
Der Messe, die der Papst in 'leiner
Capella Privatissima", auf demselben
Stockwerke mit, dem Schlafgemache, ab
zuhalten pflegt, wohnt niemand an. Er
halten dann und wann gewisse hochge.
stellte Personen Erlaubnis, der päpstli
cken Messe anzuwohnen, so bedeutet dieS
für den heiligen Vater immer ein Op
fer. denn er hat sich nach dem unteren
(vem zweiten) Stocke zu begeben, wo
sich die Capclla Privata" befindet, die
in sofern die Zulassung von Publikum
gestattet, als sie einen ziemlich großen
Vorraum besitzt. Von diesem Vorsaal
aus wohnen die Geladenen dem Meß
gottesdienfte an Nach der Messe
nimmt der heilige Vater seinen Mor
genkaff und zwar in seinem Schlaf
zimmer, und begibt sich darauf etwa um
3 Uhr nach seinem Arbeitszimmer, wo
bereits einer seiner Sekretäre anwcnd
ist. Von 8 bis 9j widmet sich f j
Kr ;rif st.-f K?r $nvfsiiifnr, 1
V. UtUl i ii jt4M' nr
datkorrespondenz und laßt sich
über die Ercinisse in Italien und dem
Auslande informieren. Zeitungen liest
der Papst nur auZnahmswcise. Um Lj
Uhr steigt der Pavst eine enge Wendel
treppe zur Bibliothek hinab, wo ihn der
Kardinal-Siaatssclretär erwartet. Es
beginnt nunmehr der Bortrag des
Staatsselretärs, der Heuer nach Aus -schaltung
der unter Leg so einflußrei
chen Alt Kardinale gewissermaßen der
einzige Ratgeber des H. Vaters ist. Um
elf Uhr erscheint der Zeremonienmeiücr.
um die Audienzen des Tages vorzube,
reiten. Und diese Audienzen folgen sich
bis 1 Uhr in ununterbrochener Reihe.
Am angenehmsten für den Papst sind die '
Massenaudienzen, wo sich der H. Vater
auf einige Worte und auf Ecteilung des
Segens beschränken kann. Anstrengend
dagegen sind die Privataudienzen, di
bis ein Uhr dauern und wo der Papst
mit zahllosen Personen über alle mög
lichcn Themata sprechen muß. Schlag
ein Uhr speist der H. Vater oben im
dritten Stockwerk, aber nicht etwa vl ,
lein, wie die Etikette vorschreibt, fon
dern in Gesellschaft seiner beiden Sckre
täre, die aber an kleinen Tischen neben
dem Papste essen. Nach dem Mittages
sen kurze Siesta, dann Spaziergang nn
Garte, und um 4 Uhr schon wieder
neue Audienzen. Es handelt sich jetzt
um solche Audienzen, die von politischer
oder sonstiger Wichtigkeit sind, und von
denen kein amtlicher Bericht erzählt? um
sechs U!ir konferiert der Papst mit sei
nem Jinanzminisier", dem die nicht
ganz leichte Aufgabe obliegt. Einnah
men und Ausgaben des H. Stuhles in
Einklang zu bringen. Die direkten
Einnahmen beziffern sich nur auf drei
Millionen, dagecikn betrag' die Aus
gaben sechs Millionen. Nachdem der
Papst und der asamte Hofstaat den
Segen in der Eapella Paolina' em,
pfangen. begibt sich der H. Vater nach
seinem Arbeitszimmer im Oberstock zu
rück zur Erledigung seiner Privatkorre
spondenz. die gewöhnlich anderthalb
Stunden in Anspruch nimmt und erlt
g'gen 9 Uhr speist der Papst, wieder in
Gesellschaft seiner getreuen Sekretäre SU
Abend, worauf ein Spielchen oder ein
Plauderstündchen folgt. Damit ist bn
.gewiß sehr reiche Tagewerk des Pap,
3 ix Eöi.