Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 09, 1917, Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Tägliche OmZz TrlbZve
JSk
n deuijlhem Kri
egsgeöict.
Von 5.-Qaas.
' (2Iu6.)
' 2)lit Zwifchrnfpriingen in die Jeucr.
l Pinie.
A..;--' Mit frvhlich:n ZwischenfLNen vollzog
v' sich tn Uebergang zur Sommerzeit.
? Die Ordonnanzen trommelten bereit!
U lag zuvor ihre Offiziere eine Stunde
trüber ans den Fcdrrn. in der ehrlichen
V Ueberittiauna. dak licker eben sicher sei.
i Aber das war auch der einzige Nachteil,
I ' i... ! ..... , . svM'Un
eil icy von 0(1 V2inmci,tii (uiui
bekam. Man hat viel mehr vom
- Leben." rühmt man ihr nach, und zwar
im Felde wie zu Hanse. Die Sonne
glitzert schon im Spiegel, ivcnn man
... sich davor den Schntel zieht; sie be
gleitet noch zu einem späten ErholungS
bummel im Freien und, was wichtiger
ist. zur Kleinarbeit im Garten und
' Feld, wenn es Feierabend geschlagen
hat. Eltern. Lehrer und Aerzte erklär
ten mir rund heraus, daß bei der Som
m.erzeit von einer Cchlafverkürznng bei
hm Kindern wie von bNgienischcn
k Nachteilen überhaupt keine Rede sei.
J; Dabei besitzt das deutsche Haus zumeist
,'' nicht Fensterläden, wie wir sie in der
! ' Schweiz gewohnt sind. Der Bauer be.
1 batikt allcrdinaS nach wie vor die Hab
. nenkraht als Wecker. Ein einsames
Torfchen in Schleswig-Solstem soll sich
sogar gcweiqert haben, die Turmuhr auf
die neue Zeit einzustellen. Der Schaden
für die Allgemeinheit ist nicht besonders
riesia! Eine Stunde mehr Sonne
wer 'kann sich darüber grämen?
In SommerzeitMorgensruhe hängen
wir die am Abend zuvor angepaßten
Glasmassen um. Dir Mige Griff sitz!
bereits, so daß wir das Ungetüm in
wenigen Sekunden vor dem Gesicht hat
ten. Dann jagt unser Auto mit 65
Stundenkilometern der Front zu. Sehr
zustatten kommt ihm bei feir.:r Hast die
wundervoll geglättete breite Straße, an
deren Rändern stets noch etwas ausgebest
seit Wird. Mars-la-Tsur fliegt vor.
übe;. Ein emsiacs Leben krabbelt schon
im Städtchen, trotzdem der Franzose der
besetzten Gebiete, gleich wie der Belgier,
noch genau nach alter sranzösisckier Zeit
rechnet und bei jedem Stundenschlak der
aus deutsche Zeit eingestellten U'.- stim
eigene Berechnung laut oder leise dazu,
sügt. Das Schlachidenlmal von 1870
wird Von unseren begleitenden Oskizie.
, len ftumm qegriißt. Das kleine Stand,
bild der Jeanne d'Arc lockt etwas Heiter,
leit hervor, weil ein deutscherSoldat der
kriegeriWen Jungfrau ein Fähnchen nnt
der Äufsorderung. wacker auf die Kriegs.
" nleihe zu zeichnen, in die Ha.nd gedrückt
hat. . ..
Die AivilbevöNerung wird mit jeder
neuen Ortschaft spärlicher. dafür füllt
militärisches Leben die Gassen aus. An
den Brunnen werden Pscrde ff trankt und
gestriegelt. " Die Offiziere haben vollauf
zu tun. die Grüße von rechts und links
- erwidern. Ueberall recken sich die
ir&Mm auf. fliegt das Kinn energisch
- in die Höhe. In Ermangelung eines
Besseren wird der Stallbesen bei Fuß ge
' rammen. Die Häuserreihen zeigen. schon
deutliche Kriegsspuren. Da ist eii, Haus
glatt auZ seiner Ncche herausacschossen.
Die Trümmer sind so sorgfältig bcsei
tigt? dah sich die leere Stelle ausnimmt,
wie eine Lücke in einem sonst vollständi
fin Gebiß. Bei näherem Zusehen ent
deckt man freilich in jeder Han'mauer
Splitter und Gewehrkugelcinschlage, da,
neben sonderbar zersetzte Bäume und
ruinenhafie Türme.
Später saufen wir unter wunderlichen,
bald höher, bald tiefer gespannten Tri
mphbogen hindurch und werden von
einem goldigduichschimmerten Gitter. daS
die Straße Zlanlicrt. auf weiten Weg
strecken begleitet. Es sind treuz und
; quer übereinander geschachtelte Flieger,
bedungen, die mit unsäglicher Muhe aus
Schilf zusammengesetzt wurden. Aus
. der Zogclschau gesehen, sollen sie das
Straßennetz kaum von der übrigen
Landschaft unterscheiden lassen. Diese
, Landschaft, das von sanften Hüaelwellen
durchsetzte, weite Glacis der Feste Ver
dun, hat einen lieblich schwermütigen
Charakter In sumpfigeren Strecken
würde ein Maler auf geradezu packende
r Motive Ttwfrnf Die deutschen Kriegs-
' maler,' solange su nicht nach aktuellen
Vorwürfen fahnden, wissen sie zu schäl.
,z,m. Vielleicht auch finden sie binnen
kurzem in der WcköicLandsckast so
nennt sieh die Gegend wieder oufrei.
zendere Bilder.
Die blaue Kontur am westlichen Hon
zont faltet sich beim Näherrückcn in der.
- kinzelte Bcrgzüge auseinander, aus deren
Mitte sich die ' Combreshöhe. als einer
der berühmtesten und beriichtigstcn
ü,nm5 der ceam Werdun abriegelnden
Totes Lorraines. scharf heraushebt. In
1' ifc,r WM? wandeln sieb bie Dörfer in
Ruinen, die sied, von der Höhe gesehen,
Sie Mondkrater aufnehmen. Ji. Unter.
V'rechungen fällt hier, den Bergrücken
überfliegend, französischer Granaten
Hagel ein, der auch die Felder in eine
wüste Mondlandschaft verzaubert hat
bisweilen ist der Voden buchstäblich um.
stülpt, das Innersie zuoberst gelehrt.
iii hieße aus den Steinen Lrot machen,
. wollte man dieses Land noch einmal sei.
rn rsprünalickiea Bestimmung zusiih
' ren. An geschützten Stellen klettern stütz,
lost ReliÜaudcn armselig den Hang hin.
,,, Sonst niehis von Erünkultur. als
?g? sich der Soldat etwa an Suppen
gemule oder Blumen gezogen hat. Die
zahlreichen Soldatenbehausungcn wur.
den tiberall dahin verlegt, wo man sie
am wenigsten sucht, an oder in die Hü.
gel. Nur wrr in unmittelbarer Nähe da.
rcn vorbeikommt, bemerkt menschliches
Leben. .Aus Fliegerhöhe werden die
erdbraunen Häuschen und Unterstände
kaum zu anne fein.
" Vollständig iniakt ist das Straßen
ii'tz. an dem wir uns mit dem Auto
rasch auf den ssombreZrückcn hcraufwi.
ten. Wer es weiß, daß daS knapp mc
terhohe Knsippelfeld auf der Höhe und
vollend die Steinwiifte des Sattels ehe
dem einer der schönsten Waldbestände
war, dem will sich das Herz im Leibe
umdrehen. Einzig der lichtblaue Flor
von Lkberblnmen z Füßen der Baum
stumpfe mildert die grauenvolle Oede.
Diese Oede entstand nicht von unge.
fähr. Ehedem von den Deutschen hatt
erkämpft (einige unserer Beglcitosfiziere.
sind noch dabei gewesen), brandete im'
Februar 1315 einer der Hauptstöße der
gewaltigen französische Offensive Wi
schen Maas und !ofcl gegen die dort
brcshöhe an. Mit einer Riescnzange
wollte damals Gjcneral Dubail den fioa
der Combreshöhe bis zum Pricsterwaldc
vorsvringcnden deutschen Frontbogen
abdrücken. Wäre die überragende Com,
brcshöhe in französischen Besitz übcrge
gangen, so hätte der Franzose die weite
Woevre-Ebene beherrscht und die Deut,
fiten gezwungen, ihre Front an lener
Slksse bis ans Metz zurückzunehw.'i'.
Aus einer deutschen Bedrohung von
Verdun wäre eine französische Ein.
schließung von Metz geworden; die
deutschen Truppen in der Ebene hatten
sich einkesseln und aufreiben lassen
müssen. Erst die Besitznahme einer seit
lich der Combreshöhe sich hinziehenden
Höhe der Tranchöe de Calonne, durch
die Deutschen, beendigte damals die zwei
Monate dauernden Schlachten um die
Riegelstellung. Die Tage der Combres.
kämpfe werden zu den allcrblutigsten
gezählt. Heute noch berichten die großen
5lricgcrfriedhöfe am ganzen Höhcnsaum
davon.
Aus diesen Feststellungen geht die ge.
waltige Bedeutung der Combreshöhe
zur Geniige hervor. Sie ist ein ebenso
heiß umstrittenes Bollwerk wie der
Hartmannswcilerkopf, die Lorcttohöhe
und die Butte de Tahnrenur viel wich
tiger. weil sie den Stoß in das Herz
der deutschen Front, die Zentrale Ä!eh,
abhält. Heute ist das vom franzö.
sischcn Trommelfeuer zerstampfte Ve
biet von gewaltigen deutschen Befesti
gunqsanlagen zerschnitten und unier.
wühlt.
Einer dieser Anlagen -gilt unser Be
such, der uns überzeugt, daß das Er
starren der Front kein Erstarren der
Wachsamkeit und der Borsichtsmaß
regeln aller Art mit sich brachte. Die
täglichen kleinen Schiebungen. Spren
gungen und die Patrouillenvorstöße zur
Feststellung der gegnerischen Einheiten
stehen zwar in keinem Tagesbericht?
aber sie-ntsesscln doch eine Feuertötig.
kcit, dici' Neutralen recht erklecklich
dorkommtJrgendwc in der Tiese
rattern auch heute die Maschinenge,
wehre in gehässigem Eifer. daS dumpfe
Abfeuern der Geschütze und das hellere
Einschlagen der Geschosse scheinen nicht
auszusetzen.
Ein deutscher Flieger späht hoch im
Blauen nach den französischen Batterie
stellungen. Erst ist er völlig unbehelligt,
bis mit einem Mal ein wüthendes Ab.
Wehrfeuer einseht und der Apparat
mitten in gaukelnden und langsam ans
ttnandcrfallenden Schrapnellwöllchen
seine Kreise ziehen muß. Wo er geweilt
hat, erscheinen wenige Sekunden später
die gefährlichen Schneebälle, die er aber
gleichgültig wie Schneebälle behandelt.
Plötzlich eine Schwenkung. Der Flieger
wir lernen ihn ein paar Stunden
später persönlich kennen hat genug
gesehen und rast davon, um seine Mel.
dnng zu überbringen. Eine beängsti.
gende Stille tritt ein. Inzwischen
nähern wir uns den Vordersien Graben,
anlogen, auf der Höhe einer Lichtung
einen Laufgraben begleitend, derweilen
die Autos hinten auf der Straße einen
versteckten Platz suchen.
Da fallt in die Stille ein ferner Ka.
nonenfchuß. Ein heißer pfeifender Laut,
halb Miauen, halb Schnarchen, komm!
übe? die Höhe, und .Krach" sagt es
einige hundert Meter hinter uns. Eine
Granate Ihr folgen rasch einige siebzig
und achtzig Stück. Immer näher schla
gen sie ein, bald zur Rechten, bald zur
Linken, bald hinten, bald vorn. Schon
.hört man das Splittern in den abge
hackten Stammen, zuletzt fünfzig Meter
von uns entsernt. Man hat das Gefühl,
als ob die von drüben etwas suchen
und zufällig unsere kleine Truppe enger
und enger einkreisen. Wie es zu toll
wird, verschwinden wir im Laufgraben
und machen uns, an die vordere Gra.
benwand gedrückt, klein und häßlich.
Beim ersten Geschrei, daS derart über
uns hinwegsähet, reckt jede? den Kopf.
Später wird man bescheidener. Sie
sind cht wenig gastlich und zuver
lassig da drüben," meint einer'der Ossi
ziere zu mir. Ich finde das Gegenteil.
Denn so habe ich doch wenigstens gleich
meine Feuertaufe empfangen.
Im raschen Vorrücken durch den
Graben langen wir bei einer Bcobach.
tungsleiter an. Kaum sind wir den
und haben einen Blick auf die am West
fuße der Höhe anklebenden französischen
Gräben getan, jagt uns der neu und
heftiger einsehende Feucrllberfall wieder
hinunter und zwar diesmal in einen
wahren Kellerunt, Island. Es ist sast
beschämend. Derweil stehen die Äcann.
schaften draußen Posten und zwinkern
nicht einmal mit einem Augenlid. Eine
Viertelstunde später klettern wir wieder
n die Lust, und nun geht es zurück.
weil eine Provokation der Franzosen
nicht in unser Programm aufgenommen
worden ist. Rasend einfallendes Ge.
wchrgeknattcr liegt uns im Ohr, als
wir auf der Osiseite aus dem Graben
steigen. Wie wir später vernehmen,
haben die Deutschen im Anschluß an
das Artilleriegesccht eine Patrouillen.
Unternehmung ausgeführt. Daher das
Gewehrfcuer. Ein paar franzosische Ge
fangene hört der uns begleitende Nach,
richlenoffizier des ArmeeObcrkomman
doS am Abend noch ab.
Wir sind wirklich Glückspilze! Eine
deutsche Batterie hatte wenige Stunden
vor unserem Besuch einen kräftigen
Morgengruß nach den von den Fran.
zoscn besetzten Waldhöhen geschickt,
worauf diese gerade mit einem Feuer.
Übersoll antworteten, als wir eintrafen.
Vergeblich suchten die französischn
Granaten nach dem vorzüglich ringe
deckten Gegner, den wir beim Brauen
einer Erbksuppe fanden. Die Geschütze
hieb und stichfest" eingemauert, die
Mannschaften tief unter der Erde,
darüber Rasen und Tannendickicht
bis auf zwei Schritte Distanz konnte
niemand die mit allem Raffinement
ausgebaute mächtige Artilleriestellung
auch nur ahnen.
Dagegen gestattet unS .spater ein
zweiter Auslug die gründliche Bcobach
tung der französischen Stellungen, die
sich Verdun voklagern und in denen
uns namentlich ein haarscharf in den
Himmel stoßender französischer Beob.
achtungsiurm aufsällt. Sonst herrscht
nun sonntägliche Ruhe. Die französi.
schrn Fesselballons stehen wie goldige
Butterblumen über dem Waldgrün.
Unsere Gasmasken sind gar nicht nötig
geworden. Torsichtigcrweise aber hält
sich immer jemand in der Nähe des
Gangs auf. der im Ernstfalle Gas.
alarm verkünden müßte.
Die Autos finden wir nur mit Mühe
einige Kilometer weiter hinten. Sie
sind mit knapper Not por den franzö-fischen-
Granaten ausgerissen. Die
Jahrer müssen erst aus Unterständen
hervorgepfiffen werden.
.Auf der Rückkehr, die sich ebenso
ereignisreich gestaltet, wie die Herfahrt,
lernen wir auch, wie man ein so inten
siv ausgebautes Festungsinafsi vc'rpro
vmntiert. Große Sögercien summen in
der Umg'gend, unsern werden Stein
blocke und Platten aus den Hügel
korpern herausgeschnitten. In ununter
brochenem Bertchr schleppen die emsig'n
Wagen der von den Deutschen gebauten
Drahtseilbahnen das Material in die
Höhe.
Flieger, Knvnsscrie und KricgSnialer.
Wenn von Elitetruppcn gesprochen
wird, kommen mir immer die deutschen
Flieger in den Sinn, die schlanken,
zugcndlichen Leute, denen der Wage
mut ans den Augen blitzt. Keine beut
sche Waffe (die Marine ausgenommen)
hat von allem Ansang an einer frf be
deutenden Uebermacht gegenübergestan
den. Keine bedürfte erst noch derart der
technischen Vervollkommnung. Keine
hat aber uch verhältnismäßig größere
Erfolge davongetragen. Man kann
sich an der Fron! immer wieder bestäti-
gen lassen, daß bis vor kurzem das
deutsche Flugzeug an CchnelliLkeit dm
gegnerischen nicht ebenbürtig war. Erst
in der letzten Zeit wurde mit dem
Albatros-Kampfwppeldecker ein Typ
geschaffen, der es mit jedem anderen
aufnimmt, ja. eine qualitative Ueber
legenheit besitzt. Bis dahin hatte außer,
ordentliche Tüchtigkeit der Bemannung
den Ausgleich zu schaffen.
Zu Anfang des Krieges bestand die
deutsche Fliegeraktion übrigens euch
viel mehr in der Abwehr als im An
griff und in der großzügigen Luftauf
klärung. Was dagegen bei dem legten
Ansturm der Engländer und Franzosen
von deutschen Fliegern ausgerichtet
wurde, wie sie in glänzender Weife für
Aufklärung sorgten und sogar den zum
Gegenstoß ausholenden Infanterie
Massen vorausslogen und mit Maschi.
ncngcwchrfeucr den , ssjegner beschossen
und verwirrten. Hai mich, nachdem ich
die Waffe in ihrer neuesten technischen
Ausrüstung bei der Arbeit gesehen,
nicht weiter verwundert. So diel ist
heute jedenfalls 'sicher, daß das deutsche
Fliegerkorps, indem es zum vorziig
lichen Menschcnmaterial ein kongeniales
Flugzeug erhalten hat, auf der Höhe
seiner Aufgabe steht.
Der Kampf in den Lüften wird
gerne als eine Ungeheuerlichkeit bezeich
et. Tatsächlich zerrt kein Schauspiel
an den Nerven wie dieses. Trotzdem
besitzt gerade der Fliegerkampf das rit
terliche Moment, das der moderne Krieg
sonst völlig unterdrückt hat. Da ist kein
Verstecken möglich? man kämpft mit
offenen Visieren. Leute wie Jmmelmeinn,
Boelke, Richthofen. werden von den Deut,
schen als Helden gefeiert. Kühler Kopf,
Wagemut und positives Können sicher,
ten ihnen die Erfolge. Was sie ihrem
Volke und Heere bedeuten, geht nicht
nur aus der allgemeinen Landestrauer
hervor, die sich bei dem Tode Jmmel
MannS und BoelkeS kundtat, sondern
auch aus dem obfolutcn Zutrauen zu
der Fliegerarbeit und aus dem außer,
ordentlichen Andrang zu den Flieger
schulen. Nicht nur in diesen Schulen,
sondern auch in den Kampfstaffeln, wo
nur völlig ausgebildete Leute' zur Ver
Wendung kommen, spielt der besonders
Befähigte die Rolle eines Lehre. S, dem
sich die anderen freiwillig unterordnen.
In glänzenden Taten wetteifern die
Schüler mit den Meistern. Denn der
Erfolg ist hier nicht nur ein Resultat
des Mute, sondern auch einer gewisse
Taktik, und die Taktik des Leiters ver.
erbt sich auf die ihm unterstehenden
Offiziere. Auf diese Weise hat die
Jagdstaffel Richthoscns Rekorde um
Rekorde erzielt. Aehnliche Leute,
stehen an der Spitze anderer Staffeln.
Es ist erstaunlich, wie viel Ernst und
Vcrantwortlicbkeitsgefühl sie trotz ihres
jugendlichen Alters und Tatendurstes
entwickeln. Stolze, ritterliche Jugend!
Und wie ist sie wieder fo selbstkritisch
und bescheiden. Man höre nur einmal
der Unterhaltung von Fliegcroffizieren
zu: Das haben wir gut gemacht, aber
das imd dos hat nicht geklappt, es muß
noch viel besser werden Ein alter Ge
schaftkfreund des SeifenfabrUankn
Schafer in Crcfcld erzählte mir, wie
bescheiden dessen Sohn, der eben ge
fallen Fliegerleutnant Schäfer, bei
jedem Urlaub seiner Mutter Pakete und
Marktnetze nach Hause getragen habe.
Die Oberste Heeresleitung beweist
ihre besondere Fürsorge für bewährte
Fliegeroffizien nicht nur dadurch, daß
sie die Leute auf den rechten Platz zu
stellen und anzufeuern sucht, fondern,
daß sie diese auch wieder nach Möglich
leit schont, ja. sie bisweilen, wenn es
nottut, ganz gegen den Willen der Leute
zu organisatorischen Zwecken und als
verantwortliche Leiter von plötzlich ge
bildeten Staffeln zurückhält. Genau so,
wie man den Feldherrn nicht ins Hagel
dichte Feuer schickt. In die edle Fliegerei
ist viel zu sehr Planmäßigkeit gclom
men, als daß man dem Taten und
Abenteuerdurst uneingeschränkt den
Lauf lassen würbe.
Zu der Schonung gehört übrigens
auch die besondere Sorgfalt und Auf
merkfamkcit, die die Oberste Heeres
leitung dem Gesundheitszustand der
Flieger zuwendet, und zwar sowohl in
physischer als psychischer Hinsicht. Wenn
man sich vergegenwärtigt, wie sehr der
Flieger, Beobachter nicht minder als
Führer. Herr seiner Nerven sein muß,
so wird auch die Fürsorge in letzterer
Hinsicht verständlich. Ein Flicgcrleut
nant meinte einmal zu mir: Wenn ich
um Urlaub einkomme, weil ich einen
Onkel beerben möchte, so erhalte ich ab
schlägigen Bescheid. Sage ich aber,
meine Nerven seien angegriffen, so
schickt man mich mehr, als daß man
mich gehen läßt." Ockonomie der
Kräfte!
Es ist immer eine kleine Versuchung,
über das Hinreißende eines Fliegerauf
stieges zu berichten. Wir wollen ihr
nicht unterliegen. Es braucht auch nicht
besonders bclont zu werden, daß der
Flieger in vorbildlicher Weise den an.
deren Waffen in die Hand arbeitet. Ein
schöner Teil seiner Arbeit besteht ja in
der Betät.,ng im Bereiche des Flieger
schuppens, in Proben, Ausbesserungen,
Ziclübungen und, an der deutschen
Front zumal, auch in der Belehrung
und Aufklärung der Mannschaften
anderer Waffen. Die von uns besichtigte
Jagdstaffel von H besitzt in ihrer Nähe
einen eigenen Kino, wo sie den benach
Karten Truppen anhand von Flieger
photographieren den Wert und die Art
guter Fliegerdeckungen auseinandersetzt
und sie über die Flugbahn und Spreng
Wirkung abgeworfener Bomben oder
übe' erfolgreiche Fliegerbcschießung
unterrichtet.
Wo aber bleibt die Kavallerie, nach
dem ihre besten Funktionen von der
Fliegertruppe übernommen wurden?
Die letzte Schlacht, die sich Kavallerie
Massen lieferten, wurde in der Walachei
geschlagen, wo der deutsche General
Graf Schmettom die rumänischen Rei
tcrdioisionen auseinandersprengte. Seit
her wurde nur noch bekannt, daß die
Engländer anläßlich der Somme-Of-fcnsive
von 1916 große Kavalleriekörper
für den geplanten Durchbruch bereit
stellten. (Nachträglich wurde sonder
barermeise auch von einem englischen
Kavallerievorstoß bei Missine,s anläß
lich der Iunischlacht in Flandern be
richtet.) Mit dem Aushörcn des Bcwe
gungSkricges ist die Kavallerie zum
großen Schmerze ihrer Angehörigen so
zusagen aus Amt und Würden ent
lassen. Zahlreiche Kavallerieosfizierc.
Hufaren. Ulanen, Dragoner, sah ich als
Froutoffiziere bei der Jnsanterie Dienst
tun. Sie sitzen genau fo in den Stollen
vergraben müssen mit Gasmaske und
Handgranate ebensogut Bescheid wissen
Ivie der Erdgeborene". Ist ihnen das
Glück besonders günstig, so erhalten sie
einen Posten als Adjutant zugewiesen.
Im Verwaltungskörpcr des Heeres und
der Heimat fand ich keine Truppen
gattung so stark vertreten wie die Ka
vallerie. Wie sich ja auch die Leute von
der Marine als Landratten mäuserten.
Ich weiß übrigens nicht, ob System
darin liegt, daß sich mancher deutsche
Kavallerist heute in der Türkei befindet,
wo zeitweilig noch ein frischfröhliches
Reiten möglich sein soll. Ob er aber im
Besahungshccre, als Reserve, In In
fanteriegraben oder im Vcrwaltungs
dienst verwendet wird, immer hofft er
darauf, daß auch für ihn die Stunde
noch einmal schlagen werde. Sie fallen
sehen, wenn " und dann entwickelt
uns der Kavallerist die ganze Kriegs
läge, aus der deutlich hervorgeht, daß er
noch lange nicht ausgedient hat.
Eine' ganz besondere Menschcnspezies
ist der Kriegsmaler. Soweit er kriegs
verwcndllngssLhig ist, steckt er im Wehr
kleide, wie jeder andere auch. Seine be
sonderen Aufträge führen ihn aber ab
seit? seiner Einheit im ganzen Kriegs
gebiet herum. Er ist überall zu Gast,
einmal bei der Mannschaft, ein ander
mal beim Ofsizierskorps. Zu allermeist
halt er sich im vordersten Feuerbcreiche
auf. was an seine Nerven die größten
Anforderungen stellt. Er sitzt still da,
während der Feucrhagcl rings um ihn
niedergeht: er hat sich auch zurückzu
halten, wenn seine Kameraden aiks den
Gräben springen und sich in dos Hand
gemenge stürzen. In enger Fühlung mit
der Heeresleitung,' läßt er sich immer
dahin schicken, wo ein größeres Ereignis
erwartet wird. Zwei, drei Tage grun,
diert er, malt er Landschaftsaiisschnitte
und Stellungen, um dann bei Beginn
des KamvfeZ in wenigen Minuten die
nervenanfpeiischenden Geschehnisse in
das Bild zu setzen, Tank einer fabelhaft
entwielelten Technik vermag er derart
die Photographie in wertvollster Weise
zu ergänzen, begehrte AlbumS zu füllen.
Zeitschriften zu illustrieren, für seine
spät'ren großen Gemälde Studien zu
machen, die Museen zu bereichern und,
wenn er sicl' der Genauigkeit befleißigt,
dem geplanten großen Gcneralstabs
werke vorzuarbeiten.
Auf der Eombreshöhe lernte ich den
bekannten Künstler Vollbehr als 2kr
treter dieser Spezies kennen. Er erhielt
ehemals in den Tropen als Begleiter
des Herzogs Adolf Friedrich von Weck
lenburger eine gründliche Borbildung für
feine heutige Tätigkeit, Rom deutschen
Kleine Kriegsepisoden.
Ein entgangener Fang.
AS einem Feldpostbrief.
Gegen Mitte des Monats wurde mlr
befohlen, mit meinem Bataillon in einer
Stellung abzulösen, die seit Wochen
unter dem englischen Trommelfeuer ge
legen hatte und in der, ivie mir gesagt
wurde, von einem eigentlichen Schützen
graben überhaupt nicht mehr die Rede
sein konnte. Am 16. hatten zwei mei
ner Kompagnie die vordere Linie oe
zogen. ' Sofort aber lief die Meldung
ein, daß so die Sache nicht bleiben
könne, ein Ausbau sei unbedingt erfor
derlich, die Drahthindernisse seien fast
überall vernichtet, Unterstände kaum
vorhanden, kurz, es wurde mir klar,
daß schleunigst etwas geschehen müsse.
So entschloß ich -nich gleich am ächsien
Morgen die vorderste Lini: abzugchen
und mit den Offizieren den neuen Aus
bau zu besprechen, bor allem auch die
Linie des neu erstehenden Grabens ab,
zustecken.
Am 17., um 6 Uhr früh, machte ich
mich mit zwei Musketieren auf den Weg
nach vorn, um mir die Stellung anzu
sehen. Wir kamen glücklich bis zum
Unterstand und fingen von hier aus
jetzt zu fünf nach vorn. Das Ge
lände Aach vorwärts war flach wie ein
Tisch, aber mit Tausenden von Grai,at
trichtern und unzähl.gen Minenspren
gungen besät. Zu den etwa 120 Metern
Luftlinie brauchten wir fast dreiviertel
Stunden. Die Stellung, oder besse. ge
sagt, die als s.lche dienende Reihe ein
zelner mcht zusammenhängender Gra
nattrichtcr bcskht aus zwei gestaffelten
Teilen,' die unter einander mx durch
BaPtrouillcngang gesichert sind. Es ist
nicht einmal ein Trahthinderni zwi
scken diesen beiden Teilen, ebcn'o wie
vor der ganzen Front des Bataillons
kaum noch Drahthindc ni e vorhanden
sind.
Wir arbeiteten uns so gut es ging vor
und kamen an den linken Flügel des
rechten Zuges. Da ich gerade den Teil
der Stellung besichtigen sollte, der nur
durch Patrouillen gesichert wird, um mir
vor allem hier über den weiteren Aus
bau klar zuwerden, ginge'' wir von dort
aus weiter rn der Richtung auf den rech
ten Flügel des linken Zuges. Die bei
den Züge liegen etiva 200 Meier von
einander getrennt. Zuerst ging es sehr
gut vorwärts; da hatten wir rcchterHand
immer noch das Drahthindernis. Als
das aber aufhörte, wurde die Sache
schwierig. Zu schen war noch nicht viel,
wenn es auch schon etwa gegen halb acht
Uhr war. Der Himmel war sehr bedeckt
und es schneite ab und zu. In einer
Stunde konnte es ganz hell sein und bis
dahin mußte ich wieder zurück f.'. l. Wo
wir uns in diesem Augenblicke genau be
fanden, tonnte niemand mit Sicherheit
, sagen, denn durch das ewige Jm-Kreisc
Laufen um die Granailöchcr war an ein
Geradeausgchen nicht zu denken. Wir
versuchten, uns durch Umschau zu orien
tieren und entdeckten schließlich ein"
Drahthindernis, auf das wir nun zugin
gen. Es lag etwa zwanzig S -ritt vor
uns und war stark zerschossen, so daß
wir leicht durchkommen konnten. Bei
all der Kletterei hatten vir uns jausend
mal bald rechts, bald links gewendet und
die Ansichten, ob wir bei weiter.,.; Bor
oehcn uns hierhin oder dorthin halten
sollten, widersprachen sich. Dicht vor
uns, auf einer kleinen Anhöhe, i.i etwa
vier bis fünf Schritt Entfernung, er
kannte man jetzt ganz deutlich einen
Schützengraben. Hauptmann der
vor mir ging, steuerte senkrecht auf den
Graben zu. Mir kam die Sache aber
plötzlich sehr zweifelhaft vor, denn ich
sah dauernd links rückwärts Leuchtrakc
ten aufsteigen. Ich sagte deshalb:
Hauptmann I., halten Sie mal, ich
glaube, wir sind zwischen den beiden
Linien. Welches aber die englische und
welches die deutsche Linie ist, weiß ich
nicht. Wir wollen doch mal nach dem
Kompaß sehen." Wir bleiben also sie
hen, holen den Kompaß hervor und fiel
len fest, daß der Graben dicht vor uns
die Front nach Osten hat. es war also
wohl der englische. Im selben Augen
blick fallen auch schon von dort her einige
Schüsse. Zu unserem Heil geht alles
fehl und wir können blitzschnell in einem
großen M'uientrichter verschwinden. Da
waren wir ja nun zunächst vor den In
fänterieschüssen geborgen. Wir hatten
aber noch immer keine Gewißheit, wcl
ches der englische und welches der
deutsche Graben war, nur das eine
war sicher: wir waren zwischen
den beiden Linien und sobald wir
uns zeigten, erhielten wir Feuer!
ES war inzwischen acht Uhr geworden
und schon so hell, daß man auf hundert
Schritt einen Menschen sehen konnte,
aber es war noch immer etwas nebelig.
Also erst noch einmal den Kompaß raus!
Die Wahrscheinlichkeit, daß der Graben
dicht vor uns englisch ist. wird fast zur
Gewißheit! Zweifel bleiben aber doch
möglich, da die Gräben hier fo kreuz und
quer laufen. Durch den eig.ntümlichen
Knall der Gewehre sie knallten etwa
wie Jagdflinten wurde ich zwar in
der Ansicht bestärkt, Engländer bor mir
z.' heben, wurde aber andererseits wie
der stutzig, da uns aus dem anderen
Graben hinter uns immer ein Zeichen:
sstl sst!" entgegen ntc. Warn , riefen
uns die Leute nicht ein deutsches Wort
zu? Die Schützen im Graben vor uns
mußten natürlich auch im Zweisel sein,
ob wir Deutsche oder Engländer waren,
denn wir hatten Mützen auf, wie die
Engländer!
In dem Minentrichter konnten und
wollten wir doch nicht den ganzen Tag
über bleiben. Die Engländer hatten uns
Kronprinzen protegiert, malte er die
großen OsfensivZämpfe um Berdun.
Seine einzige Sorge ist, daß er fallen
könnte, bevor er das wertvolle Studien
Material rundlich aMebeutkt bat .
dann sicher bald erkannt und mit Hand
granaten eingedeckt. Heraus mußten wir
also, mindestens in einen andere,, Trich
ter. Am liebsten aber wollten wir wie
der nach Hause! So entschlossen wir
uns, einzeln zu dem. in östlicher Rich
tung liegenden Graben zu kriechen. Die
Entfernung betrug vielleicht 80 bis 40
Meter. . Einer sollte vorkriechm und
wenn er die Gewißheit hatte, sich Deut
schen gegenllberzufinden, dann sollte er
uns ein Zeichen geben. Inzwischen war
es ganz hell geworden, was das Unter
nehmen nicht gerade erleichterte. Lcut
nant G. machte sich zuerst auf den Weg.
Er legt sich ganz am Rande unseres
Trichters auf die Erde und kullert sich,
durch Drehung um seine .angZachfe, in
den nächsten Granattrichter und so geht
es weiter von Loch zu Loch. Jedesmal,
wenn er sich über einen I.richtcrrand
wälzt, fallen einige Schüsse. Aber die
Schüsse kommen immer zu spät, denn
bis Tommy fein Gewehr anschlägt, zielt
und abzieht, ist G. wieder im nächsten
Granatloch verschwunden und das hoch
aufspritzende schlammige Wasser zeigt,
wo er jetzt badet. Gut, daß kein Ma
schinengcwchr bereit stand, denn dann
wären wir nicht herausgekommen.
G. gelangte jedenfalls wohlbehalten
bis dicht vor den jenseitigen Gra,..:, daß
er ihn mit Sicherheit als deutsch er
kannte. Nun lag er aber vr: unserem
Drahthindernis! Und während dies
sonst überall zerschossen war, war es hier
natürlich ganz intalt. Ein urchlom
men war an dieser Stelle ganz unmög
lich, er hätte dem feindlichen Feuer zum
Opfer fallen müssen. Indes konnte er
sich nun mit unseren Posten verständigen
und diese wiesen ihm 5 Meter weiter ein
Loch, wo man durch as Hindernis
durchkonnte. Inzwischen hatte ich mich
auch schon auf den Weg gemacht und be
obachtet, wo G. in unseren Graben ge
Kommen war, und steuerte nun darauf
zu. Jeder von uns wählte natürlich
ein' n anderen Weg, damit uns nicht ein
Schütze so sicher aufs Korn nehmen
konnte. Gegen neun Uhr vormittag wa
rcn wir alle glücklich wieder im deutschen
Graben. Bis auf die Haut durchnäßt,
lehmfarben angestrichen, aber alle fünf
völlig unversehrt. Damit waren wir
obe noch lange nicht zu Hause. Ein
Verkehr nach rückwärts ist bei Tage näm
lich nicht möglich. Aber-auch diesmal
hatten wir Glück! Durch einen Minen
stollen konnten wir in unsere Minen
galerie gelangen und durch diese krochen
wir etwa 300 Meter weit nach links und
kommen damit in den Raum des Nach
barbataillons, von wo aus ein Weg nach
rückwärts führt. So kam ich also um
elf Uhr vormittags, allerdings bis auf
die Haut durchnäßt und mit zerrissenen
Hosen, wieder zu Hause an.
Wenn von meinen Leuten jetzt aber
eines Tages einige fehlen sollten, ehe der
Graben wieder durchlaufend ausgebaut
ist, so wundere ich mich gar nickt. Hätte
der ante Kanadier nicht fo unüberlegt
früh 'auf uns geschossen, so wären wir
sicher seclenvergnügt in den feindlichen
Graben ' hineingesprungen. . Hinterhex
haben wir noch viel über unser kleines
Abenteuer und das Wellenbad gelacht.
Ich habe aber doch mit großem Wohl
behagen mich am Nachmittag ein Stund
chen auf mein Bett gelegt und mir dabei
ausgemalt, .wie der Tag beinahe hätte
verlaufen können. Wie leicht konnte ich
jetzt schon auf der. Fahrt nach England
sein! F. v. B.
,
MöAer Gnbaschk.
Von Edgar Stem.
Auf der beschwerlichen Reise nach der
abseitigsten der Fronten machten wir in
euier Großstadt Syriens eine Zeitlang
Halt, um Ausrüstungen zu ergänzen,
Proviant einzunehmen, Pferde zu tau
fen und zuzureiten ufw. Für die euro
päische Kolonie dieser Stadt, die vom
Krieg noch wenig gesehen und gehört
hatte, war das willkommene Abwechs
lung, und bald stellte sich ein herzliches
Einvernehmen und ein reger geselliger
Verkehr zwischen ihr und den deutschen
Offizieren und Kriegsfreiwilligen her.
Der österreichische Konsul, ein kluger und
eigenartiger Kopf, zählte zu unsern be
sondern Freunden. Eines schönen Ta
ges kam er zu uns mit der Anfrage, ob
wir nicht einen jungen Landsnann von
ihm, der eben angekommen war, als
Freiwilligen einstellen möchten. Die
Umstände, unter denen der Bewerber
schließlich hier gelandet war, ,n mit
Hilfe seines Konsuls nach der Heimat
zu reisen und sich dort als Freiwilliger
zu stellen, waren so abenteuerlich und
sprachen so beredt für 'cn Jüngling,
daß wir nach Erledigung der nötigen
Formalitäten mit der Hcimaibehorde
ihn gern in unser Fähnlein aufnahmen.
Möller, so wollen wir den Jüngling
nennen, war ein oder zwei Jahre zrvor
als ganz junger Bursch nach Kairo oe
kommen, wahrscheinlich von jugendlicher
Wanderlust und dem 'Drang nach Aben
teuern, den wir alle in diesem Alter ge
kannk haben, getrieben, und veri.tlich
g'gen den Willen seiner El!, . einer
biedern, kleinen Beamtenfamilie in
Wien. In Acyypten hrlTie er nackeinan
dn in verschiedenen der großen Hotels
in Kairo, Helimn, Assuan usw. Anfiel
lung gefunden ünd sich anscheinend red
lich durchgeschlagen. Wenigsies gab
fein Aeußcres, ein Flachskops mit fri
schen Wangen und treuherzigen Blcu
äugen, durchaus die Ueberzeugung, daß
er sich von den Lastern und Verjuchun
gen der kosmopolitischen Orientgrvß?
siädte ferngehalten hatte. Ku-.z nach
Kriegsausbruch hatte er feine Stellung
verloren und war zunächst von den Eng
ländcrn interniert worden, da er inzwi
scken das landsturmpfl üigc Alter von
18 Jahren erreicht hatte. Es gelang ihm
aber, zu entwischen, und er faßte den
mehr- kühnen als wohlüberlegten Plan,
über den Suezlanal und 'durch die
Halbinsel Sinai nach der Türkei zu
wandern Und sich von hier als Kriegs
freiwilliger nach Haus schicken zu lassen.
Seine Flucht war nicht unbemerkt ge
blieben, und ehe er nach Port Said kam,
saß er zum zweiten Male, diesmal frei
lich hinter Schloß und Riegel, in eng.
lischem Gewahrsam. Sein harmloser
Eindruck und eine gewisse geistige Be
schränktheit, die er mit dessen Hilfe bet
zutäuschen wußte, verfchaffte ihm indes
bald eine gewisse Bewegungsfreiheit, die
er schleunigst dazu benutzte, um zum
zweticü Male auszubrechen und stire
Flucht in der geplanten Richtung fort
zusetzen. Er kam denn auch glücklich
bis über doi Kanal, ehe er zu, dritten
Male von der englisch-ägyptischen Gen
darmerie abgefaßt und, nunmehr mit der
Aussicht auf Bestrafung, gefangen gesetzt
wurde. Seine bisherigen Erfahrungen
hielten ihn jedoch auch bei dieser neuen
Prüfung ausrecht, und die schon erwor
bene Prazis im Aus brechen gestattete es
ihm nach wenigen Wochen, zum dritten '
mal den richtigen Augenblick zu einem
Fluchtversuch wahrzunehmen. Diesmal
gings nicht so harmlos ab. Er wurde
von einem größern Aufgebot feindlicher
Truppen verfolgt, gegen Abend einge
holt und, auf große Entfernung frei
lieh, beschossen. Die eintretende Dunkel,
heit erlaubte ihm jedoch, sich zwischen
Steinen zu verbergen und seine Aerfol
ger von der Spur abzulenken. Ohne
Wasser und Mundvorrat hielt er so zwei
Tage lang aus, bis der Weg frei zu
sein schien, und setzte dann aufs Gerate
wohl seinen Weg in östlicher Richtung
quer durch die Wüste der Sinai Halb
insel fort. Vorüberziehende Beduinen,
denen die mangelnde Ausrüstung deS
armen Burschen nichts Verlockendes bot,
halfen ihm m Allahs wien mit Dat
tcln und Wasser und wiesen ihm die ?
unsichern und schwer auffindüaun WL .
stenpfade und Wasserstätten. Ohne
einen Pfennig Geld in der TasZe, ohne :
Waffe, Kompaß, Zelt. Reittier ode. ir
gcndwelche der primitivste. Beqnemlich
leiten, wie sie selbst du. abgehärteten .
Eingeborenen für solche Wllstenreisen
nötig erachten, fetzte er feine Wanderung
in Tagemärschen, von 80 bis 40 Kilo '
metcr sort,. bis er endlich in El Arisch
auf türkische Truppen traf, die ihm ein
wenig auf die Beine halfen und ihn so
weit stärkten, daß er Weiterreisen konnte.
Immer noch zu Fuß denn es fehlte
ihm an Geld, um etwa die nördlich von -Berseba
beginnende Seitenlinie der Hed
schasbahn zu benutzen - wanderte er '
weiter, als Kriegsfreiwilliger, als eine
Art Mudjahid, win die Araber ihre eigc
nen freiwilligen Gwubenskämpfer mn
nen. von der Bevölkerung mit dem Nö
tigsien unterstützt Bier Wochen nach
dem Beginn seiner Flucht kam er in Je
rusalem an, wo er einen jungen Freund
anzutreffen hoffte, der gleichfalls in'
Kairo in Stellung gewesen war. Dessen
Angehörigen nahmen ihn denn snch'lj.ß
lich auf, ersetzten seine vollständig Zer
lumpte Kleidung durch Stücke us der
Garderobe des abwesenden Freundes,
bekleideten seine wunden Füße, sobald
diese das wieder vertragen lonnten
denn er war zuletzt ohne Strümpfe' in
Schuhen ohne Sohle und mit zerrissenen
Kappen gelaufen und gaben ihm
einen Zehrpfennig mit m.; die Weiter
reise. So war er schließlich, ein wenig
mager, sonngcbräunt und .nit t.äcrl.and
kleinen Narben und Gebrechen, bei 'dem
nächsten österreichischen , Konsul. , eben
unserm Freund, ei .'Ioffen und hatte
ihn um die Mittel und Papiere zur
Heimreist und zur Gestellung als
Kriegsfreiwilliger in Oesterreich gebeten.
Seine Geschichte, die an schlichtem' Hcl
dentum und opferwilliger Vaterlands
liebe ein schönes Beispiel unter vielen
darstellte, ließ er sich nur stückweise durch
Fragen entreißen und behandelte sie, als
wäre alles, was er gewagt, erlebt und
überwunden hatte, ein ganz alltägliches
Ereignis. ,
Da unsre eignen Aufgaben Berwegen
heit, Abhärtung und Unternehmnngs
geist forderten, lag der Gedanke nahe uns
einen Jüngling zuzuteilen, der sich nach
dieser Richtung hin schon im voraus so
bewährt hatte, und Möller ergriff auch
freudig die Gelegenheit, gleich an Ort
und Stelle mit seiner militärischen Aus
Bildung zu beginnen und sich weiterhin
in vielleicht gefährlichen, sicher aber in
teressantcn Aufgaben zu bctätiqcn, die
ihm das Verweilen im Orient, in diesen
Landen, von denn Zauber man so
schwer loskommt, gestatten sollten. Er
erwies sich als äußerst anstellig und rni
litärisch brauchbar, ward bald ein guter
Reiter und Schütze und unterwarf sich
den Ansordcmngen . der Disziplin mit
wahrer Begeisterung. Im weitem Ver
lauf unserer militärischen Tätigkeit mel
dcte er sich mit BorNebe zu schwierigen
oder gefährlichen Aufträgen und wurde,
bald befördert. Als Unteroffizier, On
baschi nahm er dann schließlich an ein!
gen Patrouillen auf den vorgeschobenste
Außenposten der Südfront teil, und bier
hat ihn leider das Schicksal ereilt. Drc
reißende Karunflufz auf persischem Bo
den. der bei Mohammerah kurz vor dem
Einfluß in den Persischen Golf dem
Schatt el Arab zuströmt, ist sein Grab
geworden, nachdem er mit zwei Otsizie
ren in einer dunklen ?cacht eine Fluß '
mine auf schwankern Floß in die Ctrö,
mung gebracht hatte, um den bis Abwaz
hinauffahrenden englischen Kanonenboo :
ten ihr Eingreifen in die Kämpfe zu
erschwer. Der brave Unteroffizier
Möller, der die Auszeichnungen, zu de '
nen er bereits eingegeben war. nicht rrchr
erleben sollte, hat wie ein Recke der Vor
zeit eine ganze Schar feindlicher Geister
als Gefolge mit nach Walhall nehme
dürfen.
Jeder Mensch hat seinen eiümen
Stil, sowie seine eigene Nase, und es ist
weder artig noch christlich, einen ehrliche
Mann mit seiner Nase zum kstcn zu
babcn, wenn sie auch noch so sondcrb
ist,
V