!"
5-
In deutschem Kriegsgebiet.
.
Ion den Kämpfen
an der Higa-Aront.
Don elf Brandt.
Kricgslmprovlsatlon".
Die Etappe bildet zu ricgsstudicn
ilx.ia luittwJlcjiJ so intttessante Ab
schnitt wie die eigentliche Front, hat sie
doch die ungehemmtesten Entwicklung
Möglichkeiten. Unser Etappenort C. be
findet sich im Gebict der Erzbcrgwerlc.
In seiner Nahe, bei I.. wird Eisenerz
ausgebeutet. FriihmorgenI fahren wir
mit dem FLrdcrlorb ein, 2 300 Meter
in die Tiefe, begrüßt von den Tetonatio
tun der Sprengungm, die die Wandt
zitier lassen. Deutsche Grubenarbeiter
bilden den Stamm der hier tätigen
Bergleute. Die rcsjzahl sind Rujlen.
die richtige Löhnung beziehen. Die ma
schnellen Anlagen stammen von Schnei
derCreusot und vermöchten, da sie voll
ständig in den Besitz der Teutsen über
gingen, täglich einigt tausend Tonnen
Erz zu fördern. Der reduzierte Kriegs,
betrieb gibt sich mit 500 Tonnen taglich
zufrieden.
Eine Haupttätigkeil bfet Eppe liegt
aus landwirtschaftlichem Gebiet. Sie
vermag sich mit den selbstangebauten
Bodenproduktcn durchschnittlich drei Mo
nate dcS JahreZ selbst zu unterhalten.
Eine große Leistung, wenn man bedenkt,
dah sie für so und so viele Tausende
Durchgangsort ist, Arbeiter und Ge
fangene zu Tausenden beschäftigt, die
hier in Ruhestellungen zur Ausbildung
befindlichen TruPPenmachschZbe verpflegt
usm. So hat sie sich denn möglichst
rationell eingerichtet, sie drischt und
mahlt Getreide, hat TiocknimLsanstalten
für Getreide und Hackfrüchte angelegt,
besitzt einen stattliche Viehstand, eine
Käserei, wo sie Quark und Butier her
stellt, und eine große Schlächterei. Alle
diese Dinge geben, ihr ein bürgerlich be
häbiges Gesicht.
Die Etappe ist auch ein großzügiger
Architett und Baumeister. Sie baut
Brücken, füllt ausgekciraie Wege aus.
verbreitert, beschottert ud walzt, biZ ein
tadelloses Landstraßensetz die ganze
Front umstrickt.
Ei SchulhauZ in I. wurde, so klein
und winklig es war. in ein mächtige
Kricgslazarctt ausgebaut. Da sind nun
wahre Säle und ganze Zimmerfluchten.
Auszüge, Bade-EinrichtunZen. Warm-wasser-Heizungen,
Licht- und Strom
anlagen entstanden. Hier arbeitet die
Blüte der Wissenschaft im Verein mit
einem wohl organisierten Heer von Assi
sienten, technischem Personal und
Schwestern. Der Oberstabsarzt und La
zarettchef. der uns führt, ist der bekannte
Chirurg Geheimrat Wrsing aus Berlin.
Der Leiter der Augenßaiion. ein Mann
mit mädchenzarten Härchen, der die to,un
derbarstcn Auzmoperationen aussührt
und m strahlend von feinen Heilcrfol
ifjaYJtvI?at sich als Dr.Musius aus
Berlin vorge'fteÄA heknbclt sich eben
falls um eine medizinische Größe. Der
zierliche Mann besitzt, wie man sich er.
zählt, eine außerordentlich starke suggk
stwe Willenskraft. Da eine Narkose bei
den Augcnopcrationen nicht möglich ist,
im Gegenteil der Patient selbst mit sei
nem ganzen Willen mithelfen muß, er
fordert das Gelingen des Eingriffes eine
seelische Einwirkung, der dieselbe Bedeu
hing zukommt wie der operativen Kunst.
Dr. Krusius kann mir in seinen Sälen
zahlreiche Leute zeigen, in deren Augen
weiß nur haarfeine rötliche Striche als
Narben zurückgeblieben sind, die nicht er
kennen lassen, daß aus dem Augapfel
ganze Geschoßsplitter entfernt wurden
und die Einschuhstellen vernäht werden
mußten. Das Sehvermögen blieb dabei
zn allermeist ungeschwächt erhalten, eine
seine Kunst ohnegleichen, für die der
Patient dem Arzt eine rührende Tank
barkc'it entgegenbringt.
Kitten unter den verwundeten Sei
teien lieg! ein zehnjähriger Franzosen-
junge, der mit einem aufgefundenen
Zünder gespielt hatte, bis dieser platzte
und ihm ein Auge raubte und schwere
Arm- nd Brustwunden beibrachte. Sein
erstes Wort nach der Narkose soll die
echt französische Kritik gewesen sein: E3
ist doch eigentlich unglaublich, daß man
so böse Dinge einfach herumliegen lassen
kana und damit die Leute in Gefahr
html." Seine drollige Frühreife und
die Tapferkeit, mit der er das Weinen
immer verbiß, hat dem Jungen die
Freundschaft jede Lazarettbewohners
eingetraqen. , Jeder geht einmal zn fei
nem Bett, streichelt ihn. zeigt ihm Bilder
oder schnitzt ihm Spielsachen.
Gartenanlagen und Terrassen erlau
Itn den Genesenden das Liegen im
Freien, und Genesende sind hier fast alle.
Wag sieht zwar gräßliche Vcrstümme
lungen und wohl auch traurige, grub
lnische Gesichter, aber meist nur bei den
frisch Herantransportierten. Luft und
Sonne im Saal, fein ausgewählter
Bildschmuck an der Wand, die blüten
weiße Wäsche, die gute Kost und die
gleichmäßig liebevolle Pflege verwischen
bei den meisten Patienten die nieder
gedrückte Stimmung der ersten Tage.
Sobald der Wann übrigens wieder 1
einigermaßen tauglich ist dazu, erhält er
allerlei kleine Arbeiten zugewiesen, hilft
er pflegen, Essen holen, oder beschäftigt
er sich auch im Garten, den sich das La
zarett zu diesem Zwecke angelegt hat.
Das moderne Prinzip des Zur die Hei
lung so wicktzgea Bergessens durch die
Arbeit! Später werden die Leute nach
d? LszaZettea der Heimat verbracht.
Denn fest Stellungskrieg, welchen der
FrsgZsbZSnitt feit den Tagen von
Vdu fährt, schickt selten einmal einen
Franzosen in dieses Lazarett.
Sein k'.geNk Atelier hat auch der
5rt.jena.& der hier zerschossene Kiefer
ergsnjt nd, wie daheim, plombiert und
MKlikbe GeöMe einsetzt. Ihm siehe
sLi'techmfchm Vorrichtuggen und Labe
ralorie zu Gebote, gleich wie der Arzi
über die wLkderosLsik Operation
räume rersägt.
Tcs cucs nennt sich Kr-.egIiMpred'.-
S. vaas.
sation! Man soll dazu den Etappen
ausbau sehen. Die Bäder und Wasch
einrichtungcn, Kinos und Theater, soll
sehen, wie Fcldvuchhanolungcn und Lese
säle für die neuesten Zeitungsinforma
tionen und das literarische Bedürfnis
sorgen, wie schön die Schreibstuben au
gestattet find!
In C. fand ich sogar einen ganzen
Zeitungsbeirieb. Es handelt sich um
Redaktion und Druck der vorzüglich gc
schrieben? Frontzeitung Zwischen
Maas und Mosel". Solche Zeitungen
bestehen im Westen für jeden größeren
Frontabschnitt, sozuscmen für jedes Ar
meckorps. Ihre Mitarbeiter haben sie in
allen Schügcngräben. und aus dem
Schützengraben heraus ist auch diese Zei
tung gekommen. Ihr Chcfreoatteur saß
als stellvertretender Bataillons sührcr in
einem Unterstand acht Meter tief unter
der Erde, als er die ersten Artikel schrieb
und die Korrekturbogen las. Und es soll
oft vorgekommen sein, daß er in oller
Hast die Feder mit dem Revolver und
den Augenschirm mit der Gasmaske der
tauschen mußte.
Die kleinen Flachdruckmaschinen, die
Falz und Schneidemaschinen, die
Lettern der Setzerei und das Papier
alles ist im selben Raum untcrge
bracht hatte sich der Schriftleiter vor
dem Beginn der eigentlichen Zeitungs
arbeit auf dem Weae der Requisition in
allen verlassenen Ortschaften bis noch
St. Ouentin hinauf selbst zu beschaffen.
Eine seiner Maschinen mußte zuerst von
den Schäden eines Granattchusses geheilt
werden, bevor sie, arbeitete. , Heute sitzt
der Chefredakteur und Buchdrucker Ritt
meisier R. bei seiner Lerlagsanstalt und
Druckerei in der Etappe. Sein Personal
besteht aus acht Mann, zwei Maschinen
meistern, vier Handsetzern und zwei
Buchbindern, alles lazarettentlassenen
Leuten, die nach ihre: völligen Wieder
Herstellung an die Fron! kommen und
von anderen Rekonvalcszentcn abgelöst
werden. Sie besorgen neben dem Zei
tungsdruck auch Äkzidenzdruckaufträge
jeder Art, Gratulationen. Todesanzei
gen, Bisit- und Menuskirten und dergl.
Das Zcitungswesen der West- und
Oftfront ist ein völlig verschiedenes. Da
die Entfernung der Ostfront von den
großen Zeitungszentralcn eine zu große
ist, als daß die Zeitungen ohne bedeu
tende Verspätung in die Hände der
Truppen kämen ist in Kowno eine große
Nachrichtenzentrale errichtet worden, die
die Frontzeitungen mit allen wichtigen
Meldungen militärischer und politischer
Art versorgt. Die Frontzeitung des
Ostens erfüllt also den Zweck einer Ta
geszeitung, wobei sie ihre besondere poli
tische Färbung besitzen darf. An der
Westfront dagegen treffen die Zeitungen
der Heimat dank der riesigen Ausgesial
tung des Eisenbahnnetzes so frühzeitig
ein, daß die Frontzeitung sich daraus
beschränkt, als Sprechsaal der Truppen
verbände unter sich und zur Förderung
des Zusammengehörigkeitsgefühls in
diesen Verbänden zu dienen. Ganz obge
sehen vom Schützengrabenhumor fördern
diese Zeitungen eine fo reiche Gedanken
fülle und gleichzeitig eine fo eigenartige
Frontpsychologie zutage, daß die Samm
lung später ihren kulturgeschichtlichen
Wert besitzen wird.
Eine der freiwillig von der Etappe
übernommenen Ausgaben ist die Sorge
um die Schule der Einwohnerschaft. Zur
Schulführung werden, wenn immer
möglich, die im Ort verbliebenen Lehr
fräste herangezogen. Der Etappenkom
Mandant von C. hat die frühere ftanzö
sische Lehrerin wieder angestellt. Er
honoriert sie anstandig und hält nur
darauf, daß die Kinder neben dem lln
trrricht in der Muttersprache auch
Teutsch lernen. Das kann ihnen bei dem
notwendigen Verkehr mit den Truppen
jedenfalls nicht schaden. Anläßlich eines
Schulbesuches hören wir Liederstrophen
einmal deutsch und einmal französisch
singen, Verse bald in dieser, bald in
jener Sprache hersagen, den Geschichts
unterricht in französischer, den Geogra
phieunterricht in deutscher Sprache er
teilen.- Die Unterrichtserfolge sind dank
der Mithilfe des deutschen Tivistons
Pfarrers ganz hervorragend. Dem patrio
tischen Gefühl der Kinder wird in keiner
Weise zu nahe getreten. Es wäre wohl
auch zwecklos. Wenn man die Kleinen
fragt: .Wo ist dein Vater?" erhält man
fast durchwegs die Antwort: A Ver
tun." Das will sagen: im Krieg, a
der stanzösischen Front. Mehr weiß
niemand von seinem Familienhaupt.
Dafür sind die Gedanken immer bei
ihm. so gut die deutsche Etappe für die
Zivilbevölkerung sorgen mag.
Von Gefangenen und Toten.
Bereits als ein wahrer Segen erwIcZ
sich daS Abkommen zwischen Deutschland
und Frankreich, da bestimmt, daß
Kriegsgefangene vom L Mai an nicht
naher als L0 Kilometer an die Front
gebracht werden dürfen. Eine noch
größere Wohltat wäre es, wenn das
ganze Operationsgebiet von den Kriegs
gefangenen geräumt würde und zwar
nicht nur, wie dies vereinbart ist, von
Teutschen und Franzosen, sondern mit
Bezug auf die kriegsgefangenen Ange
hörigen aller Nationen. Aus zahlreiche
Aeußerungen glaube ich annehmen zu
dürfen, daß man in Teutschland einer
solchen humanen Maßregel wohlgeneigt
ist. ,
' In der Zeit vor dem 1. Mai konnte
ich noch viele Gefangene, auch Franzo
sen, innerhalb der später vereinbarten
30 Kilometerzone arbeiten sehen. Sie
erhielten ausreichende Kost, jatten ihre
Nuhezeit und zum Teil in kleinen,
wohnlichen Waldblockhäusern ge
schützte Unterkunft. Trotzdem! Es sind
vielmebr die psychischen als die phnsischen
Lebenebedingnngcn, die in solchen Fällen
ungünstig auf die Leute einwirken.
Nebe manchen fröhlichen Gesichtern, bei
Russen zumal, immer wieder gesenkte
Köpfe und stumpfe Mienen zu bemerken,
obwohl ich nirgends ein rauhes Wort
seitens der Bewachungsmannschaft fallen
hörte. Man stelle es sich nur einmal vor:
Der Kanonendonner von vorn und das
unablässige kriegerische Kommen und
Gehen hämmern es den Gefangenen
ständig von neuem ein, daß sie ihren
draußen iämpfcnden Kameraden schlechte
Dienste leisten. Tas wird bei dem aus
geprägten nationalen Gefühl der Deut
sehen auf der Gegenseite nicht anders
sein. Ich freute mich aber, daß die
humanen Vorschläge von der Seite aus
gingen, auf welcher ich die Kriegsgefan
genen im Kriegsdienst arbeiten sah.
Fast ratlos stehen die Aerzte und Ber
pflegungsleute den rumänischen Kriegs
gefangenen gegenüber. Im iKtimiinm
läget des Etappenortes C., das etwa
600 Mann beherbergt, saßen die Gcsan
genen gerade bei Tisch, als die Bcsich
tigung erfolgte. Aus eigenen Beobach
tungen und aus den Aussagen der Ge
fangenen war festzustellen, daß die Kost
ausreichend uns gut verabreicht wird.
Sanatoriumskoft gibt eS allerdings
nicht, und das Sanatorium niit allen
Regeln ärztlicher Ueberwachungskunsi
und peinlicher Tiä! wäre bei der wider
stzndslosen Konstitution des Rumänen
das einzig, was ihn hochbringen könnte.
Diese' Widerstandslosiztcit hat ihren
Grund nicht allein in der Rasse und der
Frühreife, die aus 30!ähiigen 50er
macht. Viele Rumänen aus sozial
schlecht gestellten Kreisen sind so er
zählt uns ein des Teutschen und Iran
zösischen mächtiger Rumäne selbst
bereits unterernährt zum Krieg-oienst
eingerückt und dann, infolge eines man
gelhaften Verpflegungsdienftes und der
großen Strapazen in noch schlechterem
Zustande in Gefangenschaft geraten.
Namentlich in der ersten Phase der Ge
fangenschaft hätten sie geschlungen, nicht
gegessen. Jetzt noch ist dieser Hang zum
Schlingen so stark, daß sie sich nach einer
Stunde nach den "Mahlzeiten bereits
wieder alles einverleiben, dessen sie hab
hcift werden können. Sie lesen wie
die Sektionen ergaben Zigarrenstum
mel und Orangenschalen aus dem Stra
ßenkot auf und würgen sie hinunter. Tie
Folge ist Kolik, Brechdurchfall und
schließlich völlige Entkräftung. Es ist
grauenvoll, wie sie sich hinlegen und per
ben, lautlos und in Massen wie die
Fliegen", erzählte man uns erschüttert.
Am Tage meines Etappenbcsuchs öffnete
sich auf dem Ortsfriedhof ein Massen
grab für 60 Rumänen.
Tagegen sind die Krieglfriedhöfe
etwas vom Versöhnlichsten des ganzen
Krieges. In der Etappe werden die in
der ganzen Landschaft der ersten Kämpse
von 1914 verstreut begrabenen Krieger
nach einem zentralen Fricdhof gebracht
und Seite an Seite neben Ziameraden
gebettet, die ein ganzes Jahr später vom
großen Schnitter eingeheimst wurden.
Mancher hat sich hier, nachdem er drei
Jabre als vermißt gegolten, noch einmal
legitimieren und seine letzte Nachricht
r.a der .Heimat senden tonnen.
Es ist herzgewinnend, wie jeder Orts
kommandant und jeder seiner einsachen
Helfer aus der Truppe fein Bestes auf
wendet, um dem Friedhof künstlerische
k'rstaltung zu geben. Bei kleineren
Friedhöfen geschieht dies durch die liebe
volle Ausschmückung dcS EinzclgradeZ,
bei größeren durch kineZeichmäßige An
ordnung. die auf die Gelamtwirtung
hinarbeitet. Freund und F,ind liegen
gleich gut. Zwischen beide hinein betien
sich Frauen und Kinder aus der Zibil
bevölkcrung. Der tote Gegner erhält sei
Kreuz und seinen Grabspruch genau so
schön, wie der gefallene Kamerad. Wo
viele liegen, überragt ein voir Künstler
Hand gemeißeltes Denkmal, dessen In
schrif! auch des Gegners ehrend gedenkt,
die Kreuzreihen.
Im Etappenort C. setzt der Orts
kommandant, ein bekannter Verleger au!
Gießen, seinen ganzen Stolz darein, das
Einzelgrab auch durch gärtnerische Kunst
zu schmücken. Der Friedhof von B. da
gegen, hart an der berüchtigten Combrei
Höhe gelegen, wirkt mit seinen tausend
Gräbern den Ruhestätten von Ge
fallenen einer und derselben deutschen
Reserdedivilion und einer Anzahl fran
zösischer Linieninfanteristcn mehr
durch seinen strengen Ernst:, über die ge
schlössen? Kreuzreihen strebt eine monu
mentale Säule empor. In Löwen wird
die Strenge des steinernen Gleichmaßes
durch ein großes hölzernes ChristuMreuz
gemildert, dessen Stifter Lömens iunst
sinniger Zivilkommissär und dessen
Schöpfer der Oberammergauer Bild
schnitzer Lang ist. Allen Gräbern der
kampfumtobtcren Gebieie bringt die je
weilen in Ruhestellung befindliche
Truppe die nämliche Pietät entgegen.
Tos provisorische Aussehen der in
heißen Schiachttagen entstandenen Toten,
Höfe weicht allmählich solider Ausstat
tungökunst. so daß sie noch nach vielen
Wenschenaltern von dem großen Ringen
erzählen mögen, in dem die Männer
fielen wie Kräuter im Waien. ...
Die 5kreuze, deren Sprüche von war
mer Anerkennung für die tapferen und
epfermutigen Gegner zeugen, sollen über
leeren Grabhöhlen stehen, während die
Leiber, die sie decken müßten, in baß
lichen Fabriken zu Dünger und Fett
verarbeitet werden? Wer sich je im
Banne der längs der deutschen Front
angelegten Kriegersriedhöfe befand, weift
solche 'Gedanken als ganz unerträglich
und ungeheuerlich von sich und wünscht
nur, daß die Grabstätten einmal Von
den Franzosen mit rbensolcher Pietät
übernommen weiden, mit welcher der
deutsche Soldat djese schuf.
Kultur der Unkultur on der Front.
Auf der Rückfahrt von der Eombres
Höhe und tas daraus, anläßlich der
ebenso lohnende Jährt an die Mass,
TMche Lmaha Tribune
bot sich Gelegenheit zu manchen Beobach
tunge kleiner Einzelziige, die für den
Gefamteindruck einer Frontreise nicht
unwesentlich sein dürften.
Im neutralen Lande fragt man oft
darnach, ob nicht doch der lange dauernde
Krieg ein Voll auf eine tiefere Stufe
herabdrücke und namentlich verrohend
auf den Soldaten einwirke. Daß der
Krieg im deutschen Hinterlande eine Un
summe schlummernder Energien und
sittlicher Kräfte ausgelöst hat, braucht
nicht wirder besonders festgestellt zu
werden. Daß er ich spreche nur von
dem, was ich selbst gesehen und gehört
habe und kann es unbeschadet aller Neu
tralität offen heraussagen im ätzten
Soldaten eine tiefe Pflichterfassung und
ein Auslöschen vieler egoistischer Jnter
essen verursachte, ist ebenfalls Talsache.
Ganz neu war mir, wie intensiv sich an
der Front das Gemütslcben betätigt.
Gewiß, der Krieg hat in bezug auf die
äußeren Eindrücke abgestumpst, aber die
eigentliche gcmütsmäßige Veranlagung
eher verliest. Ganz instinktiv entfaltet
sich die Anhänglichkeit an Heimat und
Familie. Halb sehnsuchtsvoll, halb über
mutig jodelt und singt der oberbayrische
Soldat oft mitten in schwerer, aufregen
der Arbeit; er lebt dafcä so sehr in sei
nen Erinnerungen, daß er mitunter so
gar die strenge Disziplin und den gc
jährlichen Posten vergißt, auf dem er
sich gerade befindet. Tas tonnte ich auf
dem Fort du Camp des Romains bei
St. Mihicl beobachten. Vielleicht, daß
dort der Luginsland den Gebirgler be
fonders zu solchen Gefüh'.u-drüchcn
anregte.
In täglicher Kleinarbeit, wie im
Kampfs ein aufopfernder Kamerad, ist
der deutsche Soldat zur vorbildlichsten
Toleranz gegen Andersdenkende gekom
men. Das' lebt und fühlt miteinander,
ist eine Armee aus einem Gusse gewor
den! Achtung vor dem tapferen Gegner
(mir sahen es z. B. daran, wie eben
gefangene Franzosen behandelt wurden),
Pietät für die Gefallenen und Vewun
derung für jede männliche Leistung sind
Grundzüge des deutsche Wehrmannes.
Manches würde der Friede nicbt fo voll
kommen erreicht haben. Versöhnt das
nicht ein wenig mit manchem Granen
vollen, das der Krieg in die Welt getra
gen?
Am reichsten entfaltet sich das Ge
mütbsleden da. wo Zeit und Gelegenheit
gegeben ist. sich daS Froutinilicu nach
eigenem Gutfinden auezugesialien. Ich
denke n manche halbzerstörte Kirche, wo
Angehörige aller 5lonfcs!incn freiwillig
wieder aufrichten und ausschmücken
halfen und sich auch hernach friedlich in
den Besuch des frommen Ortes teilten, an
das geradezu kunstverständige Bloßlegen
eines feit Jahrhunderten verschütteten
Bischofssitzes,' samt Kreuzgcmg und Re
sektorium in Haitonchütel, an die Er
richtunq eines ganzen Walddorfcs bei
M., das an Sauberkeit und liebevollem
Busbau der Tätigkeit eines schweizer!
fchen Verschönerungsvereins den Rang
streitig macht, an die Jnnenausstit
tung der Unterstände und Wohnräume,
wo feingewählter . Bildschmuck eine
große Rolle spielt, und an tausend
andere Dinge.
Der Geistespflege widmet der Soldat
ganz von selber große Sorgfalt. Es ist,
als ob das Kriegshandwerk den Mann
darauf stoße, Wenn man nach dem auf
moderne Geisteskultur zugeschnittenen
Buchervorrat der Feldbuckhandlungen
uno der Unterstände selbst auf die
Feierabenddeschästigung der Leute
schließt dann Hut ab vor solchen
Soldaten! Freilich machen es ihnen die
großen Berlag-anstalten Verhältnis
mäßig leicht, sich geeignete gute Litera
tur anzuschaffen; die Hauptsache ist
aber eben doch, daß vorwiegend Gutes
verlangt wird. Kriegsromane und der
gleichen sind an der Front meist unbe
liebt; das lesen die Leute zu Hause und
sensationslüsterne Neutrale.
Tie deutsche Heeresleitung tut alle,
dem Bildungsbedürfnis nach Möglich
keit entgegenzukommen. Sie fördert
nicht nur billige Buchausgaben und das
Heranbringen von Literatur aller Art
an die Front, sondern sie unterstützt
auch besonders die bildende Einwirkung
der Kunst. Jedes Lager, jedes Dorf,
besitzt sein Theater, in dem nichtfclten
gute Bühnenkräfte aus der Heimat als
Gäste wirken. Ihren großen Wert haben
übrigens auch die Kinos, die sich in
jedem Orte finden. Ta der Soldat hier
entweder fröhliche Unterhaltung oder
ernsthafte Belehrung haben will (na
mentlich über das, was zu Hause vor
gebt oder auch einmal über miliiär
wissenschaftliche Dinge), so pflegen die
Orts- und Einheitskommandanten einen
regen Verkehr mit den Filmunterneh
mungen der Heimat und einen ebenso
regen Austauschverkehr unter sich. Ich
kenne Offiziere, die ihrer Mannschaft
zu den Lichtbildern sozusagen Abend
für Abend Vorträge halten. Die aus
Soldaten und Unteroffizieren gebilde
ten Chöre streuen als angenehme Ab
wechslung Liedervorträge ein, wenn ihre
Rolle nicht von einer Militärmusik
übernommen wird. Die Militärmusiken
haben übrigens beim Stellungskrieg zu
meist die nickt unwesentliche Aufgabe
erhalten, auf Plätzen hinter der Feuer
linie die in de Ruhestellungen zurück
kehrcnden Truppen durch ernstes und
heiteres Spiel zu unterhalten und
was für die Nerven eine wahre Wohltat
ist zu zerstreuen. Und zwar nicht
nur Sonntags, sondern ouch on
Wochentagen, mittags und abends.
Den geistigen Bedürfnissen der Aka
demiker trägt die Heeresleitung durch
die Veranstaltung von Hochschulkurscn
Rechnung. Diese Kurse finden in der
Etappe statt und sind für Angehörige
aller Fakultäten ausgebaut. DaS Pro
fessorenkollegium rekrutiert sich wir da!
Auditorium aus Heeresangehörigen,
wenn man sich nicht für Spezialgebiete,
die wahrend des Krieges eine besondere
Entwicklung genommen haben (wir
erinnern nur an die Chemie), besondere
Dozenten aus der Heimat verschreibt.
Oft steht auf dem Katheder ein ein
facher bebrillter Landwehr- oder Land
siukmmann, wahrend zu seinen Füßen
TaS Gefecht bei Mannal.
M i t a .
In der Nacht ging bei ziemlich starker
Kälte ein heftiges Schneegestöber über
Kurland nieder. In den Stellungen vor
Riga war nicht die Hand vor den Augen
zu sehen. Drüben, bei den Russen, die
dicht vor ihrem 2lZcihnachtöfcst standen,
harschte völlige Ruhe. Man war eben
im , Stellungskrieg on der stillen
Front". Die Linie wird in der Haupt
sache durch aufgesetzte Brustwehren von
dicken Baumstämmen gebildet, dazwi
fchen sind Unterstände, die durch Bai
kendecken Schutz gegen Artilleriewirkung
geben sollen. Hinter der Linie stehen
feste und sehr saubere kleine Bluckhäu
scr. Eine Rllckenwehr besteht an vielen
Stellen nicht. Das Drahthindernis ist
breit und dicht. So führt von der
Straße Miiau Riga eine ununterbro
chene Waldstellung durch den Forst und
die kleinen, hcrcinragenoen Zipfel des
TirukSumpses. Nordwestlich Mangal
wird die Sumpfzunge breiter; dann von
der Düne südlich des BabitSces kommt
die feste Tünenstellung und die starke
Position auf dem Kirchhof von Wis
mann. In dieser etwa 30 Kilometer langen
Front standen die Posten und suchten,
wie jede Nacht, das Vorgelände mit den
Augen zu durchgingen. Dichter fiel
der'Schnee. Tie Nacht war ruhig. Nur
das Fallen der Schneelasten von zu stark
niedergebogenen Ziveigen war zu hören.
Ta fetzte an der Straße Mitau Riga
die Artillerie ein, von weither klang auch
starker Gcschlltzlärm. Gleichzeitig aber
waren die Russen mit starken Abtcilun
gen in Schneehemden vor dem deutschen
Hindernis. Alarm! Tie Eicllungibe
satzung raste an die Brüstungen, die
Maschinengewehre begannen zu häm
mern. Die Russen verschwanden im
Schneegestöber, und viele Tote und Bei
mundete ließen sie vor und in dem Hin
dernisdraht Zurück.
An drei Stellen hatten sie aber doch
in die Stellung dringen können. Bei
Buobai, an einer gcsrorcncn Sumpf
stelle im Wald. Das Regiment warf
mit Reservetruppen im Nahkampf die
Eingedrungenen aber sofort wieder hin
aus. Alle neuen frontalen Angriffe
schlug die Truppe gleichfalls ab. "Die
Lust, nach Südosien aufzurollen, um die
Straße Mitau Riga zu gewinnen, der
ging den Russen vor der Haltung des
Regiments, dessen Führer übrigens ein
mal in einem historischen Äugenblick
eine Rolle gespielt hatte. Ihm hatte
der Kommandant von Nowo-Geor
giewsk, Bobyr. bei der Einnahme den
Degen übergeben. Alle weiteren Vor
stöße von kleineren Abteilungen gegen
diese Front, ebenso wie die mehr oder
minder TcmonsirationScharokter tragen
den Stöße gegen den Brückenkopf von
Tünhof. das Gelände von Keklau und
den Streifen nahe der Küste, westlich
von Tchlok, wurden glatt abgeschlagen.
Es blieben noch m F. miitags die
beiden anderen E'rnbiuchstcllen südöstlich
und nordwestlich von Mangal. Tie bei
Mangal selbst stehenden Kompagnien
hatten ' die etwas später einsetzenden
frontalen Angriffe mit sehr schweren
Verlusten für die Russen bgescklagen,
als die Meldungen von beiden Flügeln
kamen, daß die Russen durch seien und
man bereits Flankenfeuer bekäme. Der
älteste Kompaanieführer ein bekann
ter Breslauer Schauspieler ließ dar
auf die Flügel ein wenig umbiegen. Er
holte sich seine Offiziere zusammen:
Man wird uns nicht im Stich lassen.
Wir haben noch genug Patronen. Un
junge Frontoffiziere eifrig die Kolle
gienhefte führen. Die Kurstage werden
durch strenge Arbeit ausgefüllt, wäh
rend die Abende fröhlichem ftudenti
schem Betrieb gewidmet sind, wobei
jeder Unterschied des Grades und der
Uniform der Teilnehmer wegfällt.
Angehörigen von Mittelschulen wer
den ahnliche Vergünstigungen für das
Ausfüllen der Bildungslücken zuteil.
Wenn man von Kultur oder Unkul
tur spricht so muß ouch die Körper
pflege erwähnt werden. Schwierigkeiten
bietet hier ein gewisser Mangel n
Seife. Dafür aber wird das Wasser
nicht geschont. Der kleinste Etappenort
besitzt eine schöne Badeeinrichtung, des
gleichen jedes kleine Walddorf ; im Be
reiche des gegnerischen Feers ist kS bis
weilen sogar unterirdisch angelegt.
Ganz vorbildlich sind die Verbands
platze und Lazarette damit versehen,
und trotzdem die Entlausung on der
Westfront infolge der ständigen Tesin,
fektion lange nicht mehr die Rolle spielt,
wie zu Anfang des Krieges, wurde auch
in dieser Beziehung nichts versäumt.
Zu olledem kommt die jeden Tag statt,
sindende Körperkontrolle durch die Mi
litörärzte und das an freien Geräten
oder in Freiübungen systematisch ge
pflegte Strecken der Im Schützengraben
steif gewordenen Glieder. Es über
raschle mich darum auch nicht,, wenn
mir die Aerzte vom ganz ausgezeichne
ten Gesundheitszustand der Truppen
erzählten. Sogar in den Gräben des
berüchtigten Waldes von Aillq (südlich
St. Mihiel). die sich auf knappe 30
Meier den französischen Linien nähern
und wo man sich gegenseitig diel zu
scharf auf die Finger sieht, als daß
man sich die für die rafck Blutzirku
lation nötige Bewegung gönnen könnte,
waren im verflossenen harten Winter
nur ganz wenige Krankheitsfälle zu
verzeichnen. Ein gut Teil diese vor
züglichen Zustandes ist allerdings auch
auf das Konto der guten Ausrüstung
und der nie versagenden reichlichen Per
pflegung zu schreiben.
lk!u ft!.)
ter allen Umständen halten! Nachmit
tags um drei kommen wir wieder zu
fammen." DaS Telephon nach Skangal
rückwärts war noch in Ordnung.
Wahrscheinlich wird Sie eine Sendung
Munition noch erreichen. Tie Russen
nähern sich von Südosten der Straße
Diskup Mangal." Bei einem Anruf,
eine halbe Stunde später, kam keine
Antwort mehr. Inzwischen wurden
neue frontale Angriffe abgeschlagen.
4 Uhr. .Wenn von Skangal Gewehr
seiier anfängt, treten die Reserven in den
Kampf." Man hörte plötzlich anschwel
lendes Infantericscuer im Walde hinter
sich. Tann wurde es wieder still. Man
zahlte die Patronen. Es wurde 42
Uhr. Es war finster; später war vol
ler Mondschein. Die Schüsse aus den
Flanken nahmen zu. Von Skangal her
war nichts mebr zu hören. Die Kom
pagnien hatten sich schon unter dem seit
lichen Trnck bei Mangal gesammelt.
Durchbruch! Man kam gegen Skangal
vorwärts. Eine russische Abteilung kam
uS einer Lickitung. Ergebt euch!
Hände hoch!" Die L? Mann wurden
gefangen mitgefühlt.
Inzwischen war ein Gardebaiaillon
und andere Kräfte, zum Teil mit Kraft
Wagenkolonnen, nach vor gebracht und
zu beiden Seiten der Straße Dislup
Mangal angesetzt worden. Bei hellem
Mondlicht geriet man in Waldgcfecht,
Mann gegen Mann, auf 20 Schritt.
Die Reserven gingen stürmisch mit her
vorragender Entschlossenheit vor. Der
Wald bei Skangal zeigt, wie gut sie
schössen, er liegt dicht voll russischer Lei
chen. Um 7 Uhr waren die Brustwch
ren erreicht. Tie Russen suchten sich zu
halten. Es kam zum Nahkampf mit
Bajonett und Handgranaten. Ein Teil
der Russen ergab sich, der Rest versuchte
über die Waldblöße hinter den Stel
hingen, in den dichten Walo jenseits der
Lichtung, zu entkommen. Maschinenge
wehre und Schützen schössen die Fläch
tcnden auf der weißleuchtenden Fläche
zusammen. Tie meisten sielen noch im
Hindernis, die anderen auf dem freien
Feld dahinter. Eine Kette von Toten
liegt bis zum jenseitigen Waldrand.
Am 6. Januar wurde die Einbruchs
stelle nordöstlich Mangal eingeengt. Tie
Russen verstärkten ihre Artillerie und
beschossen natürlich besonders hestig den
Rand der Einbruchsstelle. Die nörd
lichen Anschkußtruppen schlugen alle An
griffe ab und suchten sich gegen Süden
abzuschließen. So konnte am Abend des
16. ein deutscher Erfolg gebucht weiden:
1300 Gefangene, darunter 16 Offiziere,
mehrere Maschinengewehre waren ein
gebracht worden. Bis auf eine kleine
Lücke war die Stellung wieder geschlos
sen. die russischen blutigen Verluste wa
ren ungeheuer. Freilich, die deutschen
Truppen hatten in diesem.Gesccht bei
Mangal ouch ihre Krast angespannt,
und der Russe war an Stellen weit
überlegen.
.
Am 6. morgens fuhr ich über Tiökup
zu den wiedergenommenen Stellungen
bei Mangal. Tief verschneiter Tannen
Wald. Nach dem großen Betriebe der
Ausahrtsstraße auf der Schlitten hin
ter Schlitten fuhr und die großen Last
autos ratterten, kommt die Waldstraße
von Skangal wie ein heimliches, vcrges
sencs Waldidyll einem vor. Ta liegen
die ersten Gewehre am Weg. die ersten
russischen Toten; sie liegen bald dicht im
Walvgelände und dichter in dem schma
len Graben zur Linken der Straße.
Einer der vielen Totenwege. Ta liegt
ein junger Russe, noch in Anschlag
sitzend, gegen eine Brücke gelehnt, der
Kopf ist noch gerade, als sahe er zum
Feind. Von Norden her schMrt Ar
tillcriclärm durch die klare, helle Lust.
Näher zur Stellung liegen deutsche Tote.
Sanüätsmannschaften arbeiten ihre
schwere, traurige Arbeit, n der Stcl
lung sieht es wüst aus. Wie die Rus
sen es fertig bekommen, in so kurzer
Zeit diesen unglaublichen Schmutz und
Unrat zurückzulassen, ist thr Geheimnis.
Tie neue Besatzung ist beim Aufräumen.
Sie haben doch nun in schwerem Nacht
gefecht gestanden, diese jungen Gardi
sten. Aber sie find doch recht guter
Dinge für die Umstände. Wir haben
eZ eben geschmissen. Außerdem, hier
ist's augenblicklich herrlich. Die dicke
Lust fängt erst etwas weiter nördlich
an Wie war'S denn?" frage Ich einen
Gefreiten auS der Altmark. Das feste,
frische Gesicht, altmärkisches Vauernge
sicht, strahlt auf: Wir griffen an und
schmissen sie durch den Wald. 20 Me
ter Büchsenlicht." Tann würd das Ge
sicht ernst: Schwere Nacht,' verdammig.
schwere Nacht."
Von einem Maschinengewehrstand
kann man in das Vorgeländc sehen. Ta
liegen die Russen in dichten Hocken. Ein
Maschinengemehr dazwischen. Vorn be
wegen sich noch ein Paar Verwundete
und werden unruhig, wenn der Kano
nendonner zur Linken anschwillt: Wir
holen sie heute Nacht," sagt der Posten
neben mir. Jetzt geht's ja nicht." Un
aufhörlich peitschen Jnfantcrieschüsse
durch die Luft. Tie Russen würden
das barmherzige Werk an ihren eigenen
Landsleuten jetzt nicht dulden. .Zumei
len kommen gräßliche Schreit aus der
Lichtung.
Wir gehen weiter nach links. ES ist
richtig, hier ist dicke Luft. Dicht neben
der Einbruchestclle hauen die russischen
Granaten ziemlich lebhaft In den Wald.
Eine Birke fällt hinter unS über die
Brustwehr. Trüben om anderen Rand
der Waldfchntife hinter den dichten
braun-grauen Zweigen der Gebüsche
stehen fast unbeweglich braune Schatten.
ES wird dunkler. Man bereitet sich
vor. die Lücke ein Stück zu verkleinern.
Die Artillerie nimmt zu. Der Mond
Chi Aaiser, der befiehlt,
und ein zweiter, der ge
horcht. Kaiser Franz Josef von Oesterreich
und Kaiser Wilhelm I. hatten in den
achtziger Jahren deS vorigen Jahrhun
dert zu gleicher Zeit die Kur in Bad
Gastein gebraucht. Der österreichische
Kaiser war eher fertig und verabschiedete
sich mit feiner Gemahlin von dem deut
sehen Monarchen.
Letzterer wollte es sich nun nicht nch
men lassen, daS scheidende Paar noch
eine Strecke Weges zu begleiten. Franz
Josef ober fürchtete, der greise Freund
möchte sich dabei überanstrengen und bat
ihn daher, davon abzusehen. Alles Ab,
raten aber wollte nichts helfen.
Da richtete er sich in seiner ganzen
Höhe auf, nahm seine ernsteste Miene an
und sagte, mit einem bezeichnenden Blick
auf die Uniform eines österreichischen
Obersten, die Kaiser Wilhelm der Be
gegnung'ZU Ehren angelegt hatte, wäh
rend er selbst Feldmarschalluniforin
trug: Hiermit befehle ich dem Herrn
Oberst, hier zu bleiben!"
Da blieb Kaiser Willzelm , stehen,
schlug die Hacken zusammen und sagte,
militärisch grüßend und leise lächelnd:
Zu Befehl, Exzellenz da bleibt mir
freilich nichts anderes übrig, wie zu ge!
horchen."
In fröhlicher Stimmung schieden dit
Monarchen voneinander.
Die Cist des Zmprefarie.
Christine Nilfon, die schwedisch
Nachtigall", besaß in der Person von M.
Stralosch einen Impresario, wie er nicht
oft gefunden werden dürfte, denn Stra
kosch. selbst künstlerisch fein gebildet, war
nebenbei noch ein ebenso gerissener wie
skrupelloser Geschäftsmann.
Einmal sollte Christine Nilfon bei
einer Tournee durch Deutschland auch in
Hamburg ein großes 5konzert geben.
Kurz vor ihr waren jedoch in der alten
Hansestadt schon drei andere Sängerin
nen von internationalem Ruf ausgehe
ten. so daß zu befürchten stand, daS
Publikum würoe dem Konzert trotz der
geschickten Zeitungsreklame nur noch ei
mäßiges Interesse entgegenbringen. Die
Vorbestellung war auch wirklich äußerst
gering: drei Tage vor dein Konzert
waren kaum achlziz Plätze verkaust.
Etrakosch ist in heller Verzweiflung.
Geht's fo miserabel weiter, so setzt er
eine Unsumme bei dieser Aeranstaltmig
zu. anstatt wie bisher stets einen schönen
Gewinn einzustreichen. Da kommt ihm
noch zur rechten Zeit die Erleuchtung.
Er geht zu dem bedeutendsten Gold,
arbeiter der Stadt und verlangt einen
massiv silbernen Pokal aus der Sau
fensterauslag: näher besichtigen zu dür
sen.
Und der Preis deS Kunstwerks?"
fragte er nach eingehender Prüfung.
Achttausendsunshundeit Mark."
Recht hoch. Trotzdem werde ich den
Pokal nehmen."
Uüd wo darf ich ihn hinschicken?"
So weit sind wir noch ich!.- Hier
ist meine Karte. Ich bin Strakosch. der
Jmprcs.'.i! der großen Sängerin Chri
stine Nilson. die in zwei Tagen hier ein
Konzert g, ben wird, was Ihnen wohl
bekannt sein dürfte,"
.Allerdings "
Wenn wir bei diesem Konzert nun
ein ausLertailftes Haus haben, wie wir's
von ollen großen Städte her gewöhnt
sind, so werde ich Ihr Kunstiverk kaufen.
Schicken Sie's mir dann mit quittierter
Rechnung in mein Hotel. Aber, wie ge
sagt, nur wenn der Saal bis auf den
letzten Platz süllt ist. kann ich's neh
me. Adieu!"
Wenige Mimitcn später wiederholt
sich diese Unterredung in ähnlicher Form
bei einem zweiten Goldarkiier, dann bei
einem dritten, vierten und fo fort, bis
Strakosch fäniiliche Juwclierläden nicht
nur in Hamburg, sondern auch in dem
benachbarten Altona abgcklapvert hat.
Ueberall hinterläßt er eine Bestellung
auf einen sehr wertvollen Gegenstand
unter der Bedingung, daß der Konzert
saal vollkommen ausverkauft fein müsse.
Auf. diese Weise halte der Impresario
eine Menge einflußreicher Acrkaufsagen
ten gewonnen. Denn die Juweliere
gaben sich in der Hoffnung auf den ge
winnreiehen Verkauf die größte Mühe.
Freunde, Bekannte und Kunden zum
Besuche des Konzerts zu bewegen.
Am Abend deS Konzerts strömte das
Publikum in hellen Scheren herbei, und
Strakosch hatte eine glänzende Ein
ahme.
Am nächsten Morgen jedoch erhielten
die sämtlichen Opfer des geriebenen
Strakosch folgende, völlig gleichlautende
Briefe: Zu meinem Bedauern muß ich
Ihnen mitteilen, daß ich den von mir
ausgewählten Gegenstand nicht kaufen
kann. Es sind leider zehn Plätze gestern
unbesetzt geblieben, und die Bedingung,
die ich an die endgültige Abnahm
knüpfte, ist daher nicht erfüllt worden.
In der Hoffnunq. daß Sie ein andermal
glücklicher sind. M. Strakosch."
Daß der Impresario diese zehn billi
gen Plätze absichtlich nicht mitderkausen
ließ, ahnte niemand der also Geprellten.
Und als nach Jahr und Tag dann die
Wahrheit ans Licht kam, hatte keiner der
Kaufleute mehr Lust, sich auf inen Pro
zeß einzulassen.
kommt hoch. Tiefe, schwere Schatten
liegen jetzt im Wald.
Aus dem Rückweg treffen wir eine
Mann mit zwei Russen. Die wim
melten sich so an uns 'ran. Nu solle st
wenigstens das Maschinengewehr wei
tertragen." Der eine Russe, ein Hünen
hafter Sibirier, trägt ein russischeZ
Kavallerie Maschinengewehr über der
Schulter. Er grinst' über das ganze
Gesicht. , Je nun, man trägt, was man
nicht ändern kann," sagte einer der Um
stehenden. Der Russe trabt mit dem
Gewehr und Ladestreifen weiter.
Die Kälte nimmt zu. Ter Schnee
schimmert blauMiß durch den Wald.