MMe CcsT;j Zxllfat BCTPffifllB Vesk ift Jurch Kurland nach Wga. Schilderung, von Land fönltchert und Leuten vor Ausbruch des Rrieges nach per Erinnerungen und Erlebnissen. von paul Areutz. nflfä6t zwei Jahre vor Ans tJl vruch bei Weltkriegs. Mit mst Windeseile saust der J Schnellzug Berlin Evdt kühnen durch Osipreichisch-Lithauen der russischen Grenze entgegen. Vorbei an blühenden Städten und sauberen Dör fern, großen Gutshöfcn und einsamen Mhofien. Zur suchten und Linken Ivohlbcstcllles Ackerland, in dessen war inem Schoß die Wintersaat schon die ersten Keime treibt, ausgedehnte Wiesen und Waden, Das unbestimmte Zwic licht des trüben Herbsttages malt die auf dieser Strecke etwas eintönige Land schaft grau in grau und laßt ihren me lancholischen Charakter noch schärfer her vortreten. Die letzte Station Stalln ponen ist passiert und nur noch eine zZahrt von wenigen Minuten bleibt b " zu den wei'ß'.blau-rotcn Grenzpfählcn des heiligen iRiimand . .Alle Hcrrsckiasten. die über die Grenze wollen, bitte in die ersten Wa gen, die anderen werden abgehängt, Gepäckscheine und Pässe bereit halten!" In breitem ostpreußischen Dialekt, der in seinem klangvollen Tonfall das Ohr so eiackitümlich berührt, erteilt der Schaffner stine Weisung. Nun entsteht Bewegung unter den Reisenden, deren Ziel Rußland ist. Handgepäck, Decken und Ueberklcider werden zusammmgc rafft und im Gänsemarsch begeben sie , sich auf dem Seitengang des Zuges in die ersten Wagen. Mittlerweile ist der Zug in den Bahnhof Eydtkuhncn eingelaufen. Die Hinteren Wagen werden abgekoppelt und mit den beiden ersten fährt die Lokoino tive auf blankem Schiciiciisirang gemäch lich über die Grenze nach dem russischen Bahnhof Kibarty. Obwohl der Bahnhof Kibarty kaum hundert Meter von der Grenze entfernt ist, zeigt er doch ein anz anderes Ge sicht als der von , Ei,dtluhncn. Zahl reiche russische Gendarmen und Zoll bcamte, alle schwer bewaffnet, empfan gen den Zug. Sie bilden zu beiden Seiten des Einganges zur Zollabftrti-k gungs-Halle Spalier und lassen die Rei senden gewissermaßen Spießruten lau fcn. Jeder Ankommende wird miß iranisch von oben bis unten gemustert, wenn er seinen Paß gegen eine Kontroll karte zur Prüfung aushändigt. Ihr Hauptaugenmerk richten die Gesehes Wächter auf politisch verdächtige Per sonen, die vielleicht aus dem Auslande nach Rußland zurückkehren. Etwas gemütlicher wie der Empfang . rn . : n l ,75 I . ! . in nuniario ii nie Jouaoicuigllng. Sie geht sogar sehr schnell und ohne Zwischenfall vor sich, wenn man nicht j unterläßt, dem Beamten mit den (PAfiiff.Iii für hi ÄnfsM flff irsutiiifl J"(uä) den Rubel in die Hand rollen zu ' lassen. Das macht ihn blind gegen Dinge, auf die er eigentlich ein beson dcrs scharfes Auge haben sollte. Ungewöhnlich genau und eingehend war diesmal, gegen früher, die Revision der Pässe von Reichsdeutschen. Die da mit betrauten höheren Beamten stellten vielerlei Fragen und blätterten zwischen durch recht oft in dicken Folianten mit Äamen und Photographien. Und die fcs fast feindselige Verhalten der Bcr treter des offiziellen Rußlands hatte eine -tiefe Bedeutung. Es war ein sicheres , Anzeichen dafür, daß die traditionelle Freundschaft Zwischen Rußland und Deutschland einen Riß erhalten hatte, seitdem auf Rußlands Einspruch gegen die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich-Ungarn das Wort von der Nibelungentreue ge fallen war. Auch im täglichen erkehr der Grenzbewohnn beider Länder, der früher einen vertraulich freundschaft lichen Charakter trug und ziemlich sin und ungehindert vor sich gegangen war, machte sich das gespannte Verhältnis zwischen den beiderseitigen Regierungen schon damals stark fühlbar. Nach der Paßrevision noch schnell einen .Nikolaschka" zur Herzstärkung. Unwillkürlich stockt der Fuß. wenn man den mit verschwenderischer Pracht auS gestatteten Wartesaal erster Klasse des Bahnhofsgebäudes in Kibarty zum er stenmal betritt. Er ist den angrenzen den goldüberladciitN Empfangsräumcil für fürstliche Reisegäste angepaßt. Der hier aufgewendete Reichtum steht im krassesten Gegensatz zu der ärmlichen Umgebung und dem traurigen, schmutz! am Anblick, den der benachbarte Ort" Wirballcn geivährt. Ueberhaupt wechselt das freundliche Bild, das man in Ost Preußen empfängt, nach der Uebcrque rung der Grenze wie Tag und Nacht. Der russische Schnellzug' steht zur ftftt,-ifYl farpU T?nr immer 0imHsft lieft UlW W in .. v t)v .( ''fjsfint die altertümliche Lokomotive dem ;itnenden agcn zu rcouen; oenn ivr un förmlicher Tender trägt statt Kohlen eine schwere Last dicker Holzscheite. Mit einer Geschwindigkeit von kaum mehr als dreißig Kilometern Per Stunde geht es vorwärts, tiefkr in Rußland hinein. Gegen Abend kommt Kowno in Sicht. Aus 'der breiten Masse des Häuser gnoirrs ragen die mächtigen Schlote der Tillmannschen Eisen- und Stahlwerke, wohl ihrer zwanzig, in verschwommenen Konturen aus dem grauen Tämmer hervor. Die gewaltige Fabrikanlage, in der Viele deutsche Ingenieure und Hun deite von gelernten deutschen Hand werkcrn neben dem Gros der übrigen Arbeiterschaft beschäftigt wurden, ist wob! eines der stärksten Wahrzeichen deutscher Tatlrast auf russischem Boden gewesen. Auf dem Bahnhof in Kowno. wo es länaeren Aufenthalt gibt, frohes Wie l , . :i n ....v.(.m Wi.ä K.rn rt.ifn HUI lllUUIl.'Hll. viui Hl' räiMiiqen Waitescml schlägt einem eckt "iSüie Atmosphäre, in unbestimmtes ' Gemisch von Zigaretten, Tee, Spiri tuose und Weihrauch, entgegen. Die in gedämpftem Ton geführte Unterhaltung der zahlreichen Besucher, unter ihnen viele russische Offiziere, wird oft von lebhaften Gesten begleitet. Lautlos eilen die Kellner hin und her und servieren den heißen Tee, der einem riesigen, blitz blanken Samowar entströmt. Am, Spätabend Abschied, aus dieser ungewohnten Umgebung. Und wieder mit dem .Schnellzuge" nordwärts über Schadow und Szawle, von den Deut schen Schaulcn genannt, auf Kurland zu. Diesmal in Begleitung eines Bei wandten. Im Morgendämmer des nächsten Ta ges haben wir kurländischen Boden unter uns. Die ersten Strahlen der auf gehenden Sonne fluten über die Land schaft, deren Charakter scharfer hervor tritt. Man glaubt sich nach Ostpreußen, etwa in die schöne Umgebung von Tilsit, zurückocrseizt, nur daß die Merkmale des uralisch'baltischen Landrückens hier schon prägnanter in die Erscheinung treten. Höher hinauf ist der Connenball in das leuchtende Blau des Himmels ge stiegen und übergießt nun alles mit gleißendem Licht. Die herrlichste Fern ficht eröffnet sich. Wunderbares Land. Auch mit der gemächlichen Fortbewegung des Zuges söhnt man sich allmählich aus, denn sie gestattet, die Eindrücke des Landschaftsbildes tiefer in sich auszu nehmen. Unermeßliche Wälder, über die der Hcrbstwind braust, einsame, von Silber birken umsäumte Seen und hier und da, role aus der Erde hervorgezaubert, riesige Findlingsblöckc. Zwischen freundlichen Dörfern und schloßähnlichen Herrensitzen mit riesigen Gutshöfen sauber bestelltes Ackerland in stetem Wechsel mit Wiesen und Weiden. Stunden und Stunden geht die Fahrt, ohne daß das Land sei iicn an Deutschland erinnernden Chural tcr Ludert. Schließlich ist das Ziel der Eisenbahn fahrt erreicht, und nun geht es mit dem Fuhrwerk weiter landeinwärts. Jetzt kommt man erst ganz zum tiefen Schauen und Empfinden. An den schmalen We gen, die von der Hauptstraße abbiegen, stehen auf freiem Felde und im Wald wie in den Dörfern zu Hunderten die Harnisch geraten. Alle möglichen Fra gen werden angeschnitten und auch auf die Weltcreignisse kommt man zu spre chcn. Unser Gastgeber ist bestens infor micrt. den die Tägliche Rundschau", ein bekanntes Berliner Blatt, ist hier, wie in vielen evangelischen Pfarr und Gu!släuscrn, des Baltenlandes ständiger Hausfreund. Das gespannte Berhalt niö zwischen Rußland und Deutschland wurde auch hier mit wachsender Sorge betrachtet. Die wenige Monate zuvor durch einen russischen Offizier auf dem Bahnhof Kibartn unter Svionagever dacht erfolgte Verhaftung des pnußi schen Grenzkommissärs Hauptmann Drcßlcr und die ein paar Tage darauf von einem Gendarmerie-Wachlmcistcr y Z" uflt'T " s .f ", f. jjM . i 1 m, , , i f i 4 t, " . !. V.? -9S" . "-,,. a ;- Lwi i H h 11. r 'V"""'' M-1" Ff ' Hif rf" , . ?r llß ? . . f'' ' . llIL ',41. k r Wfiv. " wüt A.k& Tb v - " " ',;: ; F , TA km V:' ? : - tiwti&iÄiaw,: lM-t U uffr- f ß ,ifTJ i,-VV--!' J l , -tmnatv r&r Vtl1 . ' ...M... z..-. I;4m'-J V!- '.V V SS " TsW1 Ü,,": ! " l0tArcr?3 , ' vwft jutritut .'. v "'iV " J:ßrSii 'i-'-.v,. 'aeMMtL -i .. ''.: ''. i i rW&trteriQ VS- not ,x V ' ''. ''jfwf.'.'Wift. fti ? tMt , ' K ; v ,. ' ' A , . ' ""'-vefto, tnw- i . f .ST" i . i ImUt " WS Blick auf Üiöslu. " 1 r- 1 l r, : ' I ' i J'-ß. t r ( :..."..'. : ' ' i'.' , . 'S . ( 1 J1 : V - ' ' 'h .1 !? '' ' ' ' 4 " j ' II ) ' t " s " 1 iL . i 's - - ' ' ' - ' - f-u ' ' i Jrk i-vVr n , V-w t " i " h- r f ' t $ 4 M J'' 41 H 0, 1 k SrfT'' : r: tu . -tt lißhJ-k . -1-$ . v; trB v l L 1 , . . w , rv V r "'Vlt l : -n t Jfy0;; f i u 4Wt " f V z. , ' 'kMr - f Äd- ' . . j, UtmV' zTJPr;X't;r ' ' -,,5 , fvm.evcr-ir:i tA . ; t c " Wtevi-rA H4i vj ' ,f 7t 'u ' ' , !"b i rtV'jl ' r 4i'.:: . i u v i- i -5' ; ; ' -'-'l, al."' 7)'. .1 --V h ; ;. ' ! hif-rr?.?4'' Z ?i "'. .e-- 3. - . ;- ;''fAhyJy :iy 7i ' -v sl l ißK z, , ' "s i a ,. rA Sr r ü'l f sS h , Uti"i ' , t ? ' "a f ' '" jjLi?ji i -- rfi i ,i i - t "C v', t Kv -- Jt f " '7) i j- ;-l4 : FS v rfitsskin ih 4t t " 4t ?tA$. ' .3 -. t I M IV ii--r- K i' rvT , rr- ' " v- v -rvmc "-'- - - JA AbO r-i l "JA'-i- - 'Ui f MiKKiteaij 115 Q.fcKy rnrnene 1 IB0R5 : (4!?iIS'n3f!v-rS -Mni .MMdunoi fx ßaltiichpbt , V, - i acl v sÄa ;ti 0 ""l iiina i ZWMMx j f&t!?Ps' Cj jposc WA'P? ? MSEL- L' '( VvMW I ' MvMedÄss? T JlKÖlkfk- aL. Ol l 3 . .rH. 7 00 '4 itoT' ni ttIellZk -ÄNÄ, DxZSD 'f li t0 tClTft rj ryWe"!c- o y"0" p ,?J "Itnpot V 1 ) I I Zihan C M ita iN4- i- &tl03U T!r-5SS1. fRossittnk -"' frwsMigj,"i r i F i Ill ö5S. " fG freytaqBrnrftWiiw. "5Wme 'WM DEUTSCH Tic cftffrfnrt li'iisif.titha. alten morschen Kreuze und Heiligenbil der. Vielfach umwuchert Moos diese naiven Machwerke frommer Volksseelen und Zllctier'Efeu rankt an ihnen empor. Mit ehrerbietigem Gruß geht der lithaui sche Bauer an ihnen vorüber und ichlagt sein Kreuz. Weltabgeschieden und der borgen schlummern kleine Dörfer und einsame Höfe im Schutze der Wälder. Hier und da tauchen im Sehkrcis des Auges schlanke Kirchtürme auf,, steinerne Zeugen aus längst entschwundenen Zei ten. An eincin prächtigen Herrensitz vor bei führt der Weg. Er gehört dem Ba ron von Behr. Tief im Park versteckt das massige, Jahrhunderte alte Schloß und weiter abseits der gewaltige Guts Hof mit seinen riesigen Ställen und Scheunen.. Meilenweit dehnen sich die zum Gut gckörigcn Felder, Wiesen und Wälder. Alles atmet peinlichste Ord nung und Sauberkeit. Mit einem Wort eine Musterwirtschaft. Auch das Torf für die Gutsangestellten paßt in den Nahmen hinein, "s.aba dienn pone." Guten Tag, Herr' schallt es uns von allen Seiten zu. Ehrerbietig ziehen Manner und Knaben beim Gruß die Mütze vom Kopf, während die Mäd chen sich meisieiiö vergeblich bemühen, graziöse Knizc zu' machen. Das Ende der interessanten Fahrt naht. Die Pscrde verfallen in eine leb haftere Gangart und in wenigen Minu ten hält das Gefährt vor dem. schmucken Paflorcnhaus. Die Begrünung nt überaus herzlich, denn die Menschen geben sich hier frei und natürlich. Bald umfängt uns die wobltuende Behaglichkeit, icr deutsche Geist des evangelischen Pfarrhauses, und abends im gemütlichen Studierzimmer deS Pastors angeregte, lebhafte Unter haltunz, bei der beide Tcilc oftmals in auf preußischer Seite vorgenommene Verhaftung eines Majors der russischen Grenzwache wurden auch hier als alar mierende Anzeichen gedeutet. Alle daran geknüpften Gedanken 'und Erwägungen leiteten auch auf das völki sche Problem zurück, dem man feit der blutigen Revolte der lettischen und esti schen Landbevölkerung gegen ihre deut schen Gutsherren im Jahre 1905 beson dere Aufmerksamkeit schenkte. Was unser Gastgeber darüber zu sa gen hatte, war von dieser Seite beson ders interessant. Danach hatte seit dn Beginn der Russifizierung der deutschen Ostsceprovinzcn die russische Beamten schaft keine Gelegenheit vorübergehen lassen, den lettischen und estischen Teil der Bevölkerung gegen die Deutschen einzunehmen. Wer sich nicht zur Bc stechung entschließen konnte, unterlag auf jeden Fall. Namentlich gegen die deutsche Vorherrschaft und die deutsche Kultur suchten die russischen Beamten den Haß der Letten und Esten zu ent flammen, wohl wissend, daß sie die tiefste Kluft zwischen beiden Teilen bil dcte. Und als dann die Saat des Has fcs ihre blutigen Fruchte trug, als zahl reiche Deutsche ermordet und über zwei hundert Güter niedergebrannt wurden, da rührte die Regierung keine Hand zum Schutze der Deutschen. Erst als die Wut des entfesselten Pöbels sich auch g'gen ihre eigenen Vertreter wandte, wurde der Aufstand mit militärischer Wacht niedergeworfene Infolge der letzten Entlvickclungen in Rußland ist die Frage der Zukunft der baltischen Provinzen und damit auch das völkische Problem wieder in den Vordergrund gerückt, sidß ihr hier, ab schweifend, einige Betrachtungen gcwid met werden sollen. , Äarl H. von Wiegand. dek iekarmk Tas Hans der Schwarzem Häupter. amerikanische Journalist und gute Ken ner deutscher Verhältnisse, sagt hierüber in einem kürzlich erschienenen Artikel: Eine der politischen Folgen des Jal les von Riga wird eine Übertragung der Annezionspläne von Belgien auf die baltischen Provinzen sei. Als ich von Deutschland abreiste, sprach man davon, sie den Russen abzukaufen, um sich so mit dem Programm keine gewaltsame Annexion" abzufinden." Die Absicht der deutschen Regierung, die baltischen Ostsce-Provinzen auf die eine oder andere Art an sich zu bringen, bedarf wohl kaum eines weiteren Ko:n mentars, wenn man bedenkt, daß in die scm ursprünglich deutschen Kolonial land auf dem gleichen Flächcnraum, der in Deutschland 'II Millionen Menschen Platz gewähren muß, nur 2,o Millio nen Menschen leben. Dazu kommt, daß die Letten und Esten, die den Haupt bcstandtcil der Bevölkerung bilden, sehr starken germanischen Einschlag aufwei sen und ihre gebildeten Stände sich der deutschen Spiache bedienen. Bemerkenswert ist auch die Wandlung, die in der öffentlichen Meinung Deutsch lands bezüglich der baltischen Provinzen vor sich gegangen ist. Die vor mehr als zwei Jahren erfolgte Besitzergreifung von Kurland erweckte keine besonders starke Freude in Teutschland, und weite Schichten des deutschen Volkes bekunde ten nur geringes Interesse für den in den baltischen Provinzen lebenden Bru derstamm. Letzterer ist sich dieser Tat sache voll bewußt gewesen, denn tausend fach wurde den Angehörigen der In vasionsarmec die Klage entgegengchal ten, daß nian die Balten im Stamm Vaterlande vergessen habe, daß sie dort auf taube Ohren und verschlossene Her zen gestoßen seien, als ih, Hilferuf wegen der gewaltsamen Russifizierung der Ostseeprovinzen über die Grenze drang.. Inzwischen scheinen sich infolge ungehinderten Verkehrs innigere Bezie hungcn zwischen beiden Teilen heraus gebildet zu haben. Zweifellos hat man im Muttcrlande erkannt, daß in diesem Bruderstamm, der unter wechselvollen Schicksalen und russischer Gcwalthcrr schaft Jahrhunderte hindurch an seinem Deutschtum und feiner Religion mit niedersächsischer Zähigkeit festgehalten hat, ein ungeheurer völkischer Reichtum steckt. Schließlich ist wohl auch die Letten frage als leicht zu lösendes Problem er kanut worden. Ihretwegen ist ja feit Entfachung des Wellbrandcs wiederholt der Vorwurf gegen das Deutschtum in den baltischen 'Provinzen erhoben wor den. daß es rückständig und in konscrva tiven Anschauungen vollständig vcr knöchcrt fei und infolgedessen seine große Aufgabe, die eingeborenen Vollsstämme zu germanisieren, nicht erfüllt habe. Die ser Vorwurf mag in Bezug auf den Landadel eine gewisse Berechtigung haben, gegen die Allgemcii5!eit und namentlich gegen die Deutschen in den Städten' trifft er keineswegs zu. Im übrigen sind die Deutschen seit Jahr Hunderten so schwach an Zahl gewesen, daß sie eine wirkliche Gcrmamsicrung -überhaupt nicht hätten durchführen kön nen. Seit einem Menschenalter ist das Vcr langen der estischen und lettischen Bc völkerung nach geistiger Gleichbcrcchti gung immer stärker geworden. Die deutsch BildukigSfragi wurde ,ur Pa role und zum Fcldgcschrci, weil nur durch ihre befriedigende Lösung der Weg zu einem höheren Mcnschheitsdascin für die Verlangenden freigelegt werden konnte. Ohne Kenntnis der .deutschen Sprache war für die eingeborene Be völkerunc,, namentlich in den Städten, ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Emporkommen einfach ausgeschlossen. Infolge Verweigerung aller ihrer beziig liehen Forderungen hatten die Letten seit Jahren einen tiefgehenden Haß gegen die Deutschen genährt, der, von der ruf sischen Regierung entfacht, iin Jahre 1903 zu der vorerwähnten Revolution in den baltischen Provinzen führte. Tcr Gegensatz zwischen Deutschen und Letten, die den protestantischen Glauben gemeinsam haben, läßt sich aber mit Leichtigkeit überbrücken, sobald dem be rechtigtcn Verlangen der letzteren Rech nung getragen wird. Nach dieser Abschweifung wieder zu rück in das gastfreie Pfarrhaus bei Gol dingen. Volle zwei Wochen, länger als beabsichtigt, dauerte der Besuch. In sei nem Verlauf kamen wir mit zahlreichen baltischen Familcn in Berührung, und hatten immer aufs neue Gelegenheit, ihre frische, von Lug und Heuchelei freie Art zu bewundern. Auch aus dem Schloß kam. getreu der geheiligten Gastfrcund schaft der Balten, durch den Pastor eine Einladung an den Freund aus Deutsch land. Sie hatte einen anregenden, unge zwungcnen Abend im Kicisc baltisckzer Gutsbesitzer, Fabrikanten und Gelehrten zur Folge. Vor der Weiterreise nach Riga noch ein kurzer Besuch in der freundlichen Stadt Eoldingen. dessen Gymnasium seit langen Jahren eine belebende Kraft ausströmt und ein Muster guter Schule auf baltischem Boden ist. Ebenso in Liban, das auch feinen deutschen Eha rakter nicht verleugnet. Wieder trär uns der russische Schnell zug durch das herbstliche Land, daö in tiefe Träumerei versunken scheint. Man kaun sich nicht fattschen an der herben Schönheit der Landschaft, die weiter nach Mitau zu Partien enthält, die leb haft an die Romiiitencr Heide erinnern. Schon von weitem winkt das präch tige Hcrzogsschloß in Mitau, i x Haupt stadt Kurlands, von waldiÄränzter Höhe sein Willkommen. Der Anblick des massigen Baues, der vom Italiener Rastrclli Ende des 18. Jahrhunderts er richtet wurde. Ivcckt historische Erin nerungcn. Vor bald 12O Jahren war die deutsche Herrschaft über ZZurland, das allerdings schon vorher Jahrzehnte hindurch unter russischer Botmäßigkeit gestanden hatte, ruhmlos zu Ende ge gangen. Als letzter Herzog von deutschem Blut verließ Petcr Viron aus dem Hause Sagan, dessen Vater Ernst Johann von der Zarin Kathaiina aus sibirischer Vcr bannung befreit worden war, sang- und klanglos die schöne Residenz an der Aa wie auch das Land. ' Sein Wirken hatte alles andere eher als Spuren deutschen Geistes und deut scher Tüchtigkeit hinterlassen, die unter den früheren Herzögcu reiche Segnun gen über das Ld gebracht hatten. Was letzter w vollsten Bewußtsein ihrer Pflicht in jahrhundertelanger Ar beit aufgebaut hätten, das glaubte die ser fürstliche Renegat in einem halben Mcnschenaltcr wieder niederreißen zu können. Deshalb jagte ihn der kurlän dikckk Landtag wegen schreiender Miß wirtschaft kurzerhand zum Teufel. So wurde Kurland im Jahre 17W endgiil tig russische Provinz und teilte damit das Schicksal, in das sich seine beiden Schwestern Livland und Estland schon früher hatten fügen müssen. Hinter Mitau gestaltet sich die Land schaft noch mannigfacher. Tort nimmt Livland seinen Anfang. Hohcnziige, die sich teilweise über 300 Meter erheben, ungeheure Wälder und annähernd tau send Seen bilden seinen schönsten Schmuck. Auch hier wie in Kurland blühende Land- und Waldwirtschaft und die damit zusammenhängenden Jndu strien. , Nicht lange nachdem Mitau, dem seine !tirchen ausser Ordenszeit schon von weitem deutsches Gepräge verleihen, außer Siebt ist, nähert sich der Zug dem stolzen Riga, der Königin der Städte im Baltcnlande. An beiden Ufern der hier ungefähr 700 Meter breiten Düna, wohl zwei deutsche Meilen von ihrer Mündung in den Rigaischen Meerbusen entfernt, er hebt sich breit und plastisch die alte, stolze einstige Hansastadt mit ihren zahlreichen massigen Monumentalbauten und den schlanken Türmen ihrer zumeist in der Ordensritterzeit erbauten Kir chen. Meilenweit grüßen sie ins Land hinein. Ein seltsam eigenes Heimatgefühl strömt Riga, das ganz den Eindruck einer modernen Großstadt macht, auf den Besucher aus. Wenn man die Gas scn und Gäßchcn der Altstadt, in der jeder Fuß breit Erde historische Bcdeu tung hat, durchwandert, könnte man sich nach Lübeck, Bremen oder Danzig der fetzt fühlen. Ein Geschäft neben dem andern, überall Namen deutscher Aerzte, Nechtsanwälte, Gelehrten, Hotels, Wein siuben und Restaurants, überall deutsche Laute, überhaupt eine ausgeprägte Eigenart, auf der der russische Einfluß wie ein dünner Firniß liegt. Die Stra ßenschilder in riesiger Frakturschrift in deutscher Sprache ausgeführt und dar unter, bescheidener, kleiner, in russischer Schrift. Im Etraßcngetricbe neben der nur selten auftretenden charakteri stisch düsteren Uniform der russischen Schuljugend im bunten Wechsel, ganz nach deutschem Muster, die leuchtenden Farben der Mützen unh Bänder der Studenten des Polytechnikums. Und selbst die riesigen Wächter der Ordnung an den Straßenecken, umgürtet mit förmlichen Schlachtfchwertern, geben sich gemütlich deutsch und erteilen den Fremden in deutscher Sprache Aus kunft. Der Altstadt gegenüber liegt auf dem linken Ufer der Düna d Mitauer Stadtteil, dem sich verschiedene Vororte anschließen, die das sogenannte Jndu strie-Viertel bilden. Im Gegensatz zur Altstadt enthalten der Petersburger und Moskauer Stadtteil herrliche breite Straßen mit prächtigen, stilreinen Häu fern und von schönen Alleen eingefaßte Boulevards. Sie bieten in Gemein schaft mit wundervollen gärtnerischen Anlagen und zahlreichen großen Paris ein fesselndes Bild. Das Deutschtum Rigas unterhält ein reges geistiges und geselliges Leben, des sen Mittelpunkt das Deutsche Stadt theatcr. ein unschöner Monumentalbau mit prächtiger innerer Ausstattung ist. Da daö Theater nach alter Tradition stets ein hervorragendes Ensemble unter hielt, so brachte es durchioeg glänzende Vorstellungen, namentlich klassischer Werke, heraus. Tüchtige Darsteller von bedeutenden deutschen Bühnen gingen stets gern Engagements an das Rigaer Theater ein, an dem kein Geringerer al Richard Wagner einstmals als Kapell meist wirkte. Zu den eifrigsten Thea terbcsuchern gehörten stets die Offiziere der Garnison Riga, die zumeist deutscher Abstammung waren. Es gewährte des halb einen eigenartigen Anblick, wenn beispielsweise bei der Aufführung von Goethe's Egmont" die Loaen und die ersten Parkettreihen vonussischen Off! zieren besetzt waren, die sich an dem dich terischen Schwung des Olympiers eben so bi'gcisterten, wie ein deutscher Musen söhn. Wohl in jeder Saison haben bedeu tendc deutsche Sänger und Musiker Gastspiele in Riga gegeben. Verschiedene Philharmonisch? Vereinigungen, drama tische Gesellschaften und Klubs pflegen edle Musik und Theater, die bildende Kunst wird durch den bedeutenden Ri gaer Kunstverein und die Kunsteckc", einen Klub von Künstlerinnen, gepflegt, und Polyhymnia hat in bedeutenden Männcr-Gcsang-Vereincn, dessen ältc ster die 1833 gegründete Rigaer Lieocr tafcl ist, eine warme Pflegestätte gefun den. Eine große Reihe von teilweise hervorragenden wissenschaftlichen Fach vereinen, Gesclligkeits- und Sport-Vereinen gaben außerdem dem stark pulste rcnden Loben in Riai das Gepräge. Viele wissenschaftliche und flefcEig. Wn eine zahlen lettische Acrzte,Jiir!sien. Geistliche. Schriftsteller und Künstler zn ihren Mitgliedern. Die Gastfrcund schaft, die Überhaupt eine hervorstechend: Tugend der Deutschen in den baltischen Provinzen ist, wird auch in den Vcr einen und Klubs hochgehalten. Es ist für den Fremden wohltuend und be glückend, im Schlosse des adeligen Groß grundbesitzcrs ebenso herzlich anfgenSm men zu werden, wie im Hause des Bür gers in der Stadt. Wcr mit den Bak ten näher in Berührung kommt, sie in ihrem Wirkungskreis und ihrem Heim zu beobachten Gelegenheit hat. der wird starte Eindrücke von ihr.r Wcsü.rt empfangen. Zur Vermittelung und" Vertretung ihrer geistigen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen standen den ungefähr 200,000 Deutschen Rigas vor dem Kriege drei große, gut redigierte Tageszeitungen, die Nigaschcn Neuesten Nachrichten", die Rigasche Rundschau" und das Rigaer Tageblatt", ferner die Baltische Post" und die Baltische Mo natsschrift" zur Verfügung. Unter den zahlreichen historisch und künstlerisch bedeutsamen Baudenkmälern Rigas, aus der Zeit der Ordensritter nimmt der Dom, auch Marienkirche ge nannt, die hervorragendste Stelle ein. Mit seinem Bau wurde im Iah 1211 begonnen. In den Kriegen, die im Laufe der Jahrhunderte Riga verheerten, ist der Dom mehrfach zerstört und immer wieder neu aufgebaut worden. Nach seiner letzten Beschädigung im Jahre 1775 erhielt er die stilwidrige Haube, die ihn heute noch krönt. Zahlreiche Grabsteine, herrliche Glasscnster und Ge mälde im Innern des Doms zeugen von der wechselvollen Geschichte Rigas. In einer Nische ruhen die sterblichen Ueber rcste des Apostels der Livcn, Meinhard. Das schönste Bauwerk Alt-Rigas ist der Kreuzgang, dessen Entstehung in das Ende des 13. Jahrhunderts fallt. Er besteht aus 28 Kreuzgewölben, in deren inneren Arkadenbogen Gedenktafeln ein-, gelassen sind. Im Kreuzgang selbst ha den, eigentlich unpassend an dieser Stelle, eroberte Geschütze aus dem Mittelalter Aufstellung gefunden. Ungefähr gleich alt wie der Dom ist auch die St. Petrikirche, deren schlanker, 113 Meier hoher Turm gewissermaßen das Wahrzeichen Rigas bildet. Er wurde, nachdem die Kirche ebenfalls mehrfach durch Feuer zerstört worden war, im Jahre 174(3 in seiner jetzigen Form durch den Rigaischen Zimmcrmann Heinrich Wülbern vollendet. Das Innere ist. reich an kostbaren Schnitzereien, Glasmale rcicn und Gemälden, die fast durchweg an historische Begebenheiten, erinnern. Auch die Jakobi-Kirche und die Johan ncskirche sind Jahrhunderte alte, intcr essantc Bauten. Von den Profanbautcn ist zunächst er wähncnswert das Schloß, das im Jahre 1515 vom deutschen Ordensmeistcr Wal ter von Plcttenberg an Stelle des Jahr Hunderte früher errichteten, später aber zerstörten OrdensschlosscS erbaut wurde. Das Schloß enthält unter. 'gnd'iem sehenswerte Gemächer der. jxcvlnu ferliclM Familie. Ein imposanter Bau ist auch das Rat Haus, das in den Jahren 1750 bis lTGÖ an der gleichen Stelle erbaut wurde, wo das alte, schon im 14. Jahrhundert er richtete Haus der Natmünner gestanden. Die Festrede bei der Einweihung des Neubaues hielt der Kirchendichter Herder, der damals in Riga Prediger dar. Das älteste Profangcbäude der Stadt ist das Haus der. Schwarzen . Häupter, das in der ersten Hälste des 14. Jahr Hunderts errichtet wurde. Damals diente es der Großen und Kleinen Gilde zu Versammlungen und Festlichkeiten. Die Kompagnie der Schwarzen Häupter war eine feldmäßig ausgebildete und ausge rüstete Schar junger, unverheirateter Kaufleute, die unter der Fahne mit dem heiligen Mauritius, der seit alters her mit einem Mohren in Verbindung ge bracht wird, als erste, dem Feind ent gcgcnzogen. Demgemäß führte die Kom pagnie auch das Schwarze Haupt in ihrem Wappen. Das Acußcre des Hau fcs ist mehrfach um und verbildet wor den. Eine prächtige Ausstattung zeigt das Innere. Der Silberschatz der schwer reickzen Kompagnie ist eine Sehcnswür digkeit. Erwähnenswert sind ferner das Zeug haus, der Rigaer Stadtpark, der Pulver türm, der heute der Polhtechniker-Ver bindung Rubonia" als Kneipe dient, die Gebäude der Großen und Kleinen Gilde, die Börse, das Herder-Denkmal, das Grabmal Konradin Krcutzers, des Kom poiiistcn des Liedes Der Tag deS Herrn", das ein von der Rigaer Lieder tafel gestiftetes weißes Marmorkreuz schmückt, sowie der Philosophcngang, eine aus 200jähr!gcn Bäumen bestehende Allee, die ein Licblingsaufcnthalt deS Philosophen Johann Georg Hamann war. Wieder wurden bei wochcnlangcm Ve such alle diese Stätten wie auch die schöne Umgebung besucht, mit zahlreiche Freunden und Bekannten im Familien kreise oder in einem der vielen Klubs oder guten Hotels anregende Stunden verlebt. Und als man diesmal für lange Zeit Abschied nahm, da ahnte man nicht, daß das damals schon drohende Unwetter sobald hereinbrechen und hart in das Schicksal wohl eines Jeden eingreifen werde. Neid ist dem Menschen natürlich: dennoch ist er ein Laster ,td ein Unglück zugleich. Der Neid der Menschen zeigt an. wie unglücklich sie sich süylen; und ihre beständige Aufmerksamkeit auf stem des Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen. Der Schlaf borgt vom Tode zur Aufrechterhaltung des Lebens, oder: er ist der einstweilig: Zins des Todes, wel eher selbst die Äapitalabz:l,lung R Tiefe wird um so später gefordert. t reichlicher und je regelmäßiger sie gezahlt iverdcn. Der höchste denkbare Grad der Gleichheit, der Kommunismus, ist, weil er die Unterdrückung aller natürlichen Neigungen voraussetzt, der höch der,! ban Grad d ÄneHtscha