Tägliche Omaha Tribune Der Linjam. Erzählung von S. VarZnkay. i Wie zugcdappt war dem Dolf der Schnabel gewesen, Kein Wort hat er gesagt, daß die Amei gern sieht. Zu niemand. Auch zu'ihr nicht. Sie hat' .,-eilich aui seinen nufzsarbenen Augen pemerkt, die hinter ihr her waren, wie die braunen Gucker eines hungrigen DackclZ. Aber geredet hat er nicht.' Und die stille, sanfte Amei war nicht die, die's ihm herauslocken hätte können. Ihm mit einem leichten StuPZ die Zunge lösen, da vermochte sie nicht. Zudem war sie armer Leute Tochter, und er sah als Selbständiger mit seiner alten Mutter in einem schmucken Gut chen. Vielleicht w o l l t e er darum nicht sprechen. ES gibt Menschen, die alle Liebe verschlucken und verstecken nur dcS Vorteils willen. Dolf gedachte Wohl eine Wcrmögliche zu heiraten! Sie drückte deshalb die Warme, die bei seinem Anblicke in ihrem Herzen aufstieg, tapfer hinunter und, war eifrig beflissen, ihm und keinem zu verraten, wie teuer er ihr war. So kam's, daß eineZ TageS der Matthias Johl, als er bei ihren Eltern um sie anhielt, das Jawort erhielt. Auf wa! sollte sie warten? Batcr und Mut ter waren selig, sie von der Schüssel zu bringen. Dolf würde früher oder später eine kronenschwere Bäuerin auf feinen Hof setzen; sie nicht, gewiß nicht! Also ein Ende all den zitternden Hoffnungen, den bitteren Zweifeln! Matthias war ein flotter und saube ker Bursche und sie konnte stolz auf ihn fein, wenn er auch nichts besaß als ein fast armseliges Häuschen. Er hatte in Wien bei einem Kavallerieregiment ge dient und war als Mann von Manieren zurückgekehrt, die dem ganzen Dorf im ponierten. Eigentlich war er Holzfäl ler; aber wie selten nahm er die Akt über die Schultern. Etwas anderes trug ihm die runden, glänzenden Füchse ein. Oft und oft ging er als Führer mt den vornehmen Herren in die steirischen Berge auf die Jagd. Gewandt, intelli. gent, frisch und froh, war er jedem ein ngenehmer Begleiter. Nach sechs Wochen schon hielten sie Hochzeit. Matthias hatte es sehr eilig, nd Amei war nicht dagegen. An einem lenzschönen Apriltag traten sie an den Vltar. Viele 'neidische Auqen ruhten uf der Braut, die mit dem Kränze! im blonden Haar an deS hochgewach jtjenen Manne! Seite stand. ! Sie war eine weinende Braut. Das , beuteten die Leute gut. Tränen am , Hochzeitstag, das gibt Lachen in der (5hc! Sie begriffen nur nicht, warum ,'die Amei weinte. Um die Armut da heim brauchte ihr doch nicht leid zu sein! Und sie blieb ja im Torf! Konnte Vater und Mutter jeden Tag sehen! Und den Matthias mußte sie doch gern haben, den hübschen, feschen Burschen, !der manchem Mädchen mit Mitgift will, kommen ewesen wäre! Sie weinte eben. Man fragte sie nicht allzulang, warum? ' ?Z war Amek selbst nicht ganz klar, Mrum ihr die Tränen flössen. Gleich zu Anfang der frommen Handlung Zhatte sie mit einem Blick seitwärts ge schaut, und da schoß es ihr heiß durch ven Sinn: Wenn Dolf so neben mir stünde?! Der Gedanke war wie ein Wunsch. Durchs Herz ging ein Stich und die Augen begannen zu tropfen. Sie faßte sich zwar und war ganz bei der Zere monie, gelobte mit warmer Aufrichtig Zeit dem Manne neben ihr Treue und Ergebenheit. Aber die Tränen liefen Immerzu. Warum flennst, , Matthias. .Sollst Zbet mir! Sie wischte und schluckte und lächelte Zhn an, als er den Neif an ihren Fin ger steckte. Der Zug ging aus der Kirche über den Friedhof. Die Musikanten voran zbliesen einen lustigen Marsch, das Hoch zeitspaar schritt Hand in Hand mitten . unter den Gästen. Bunte Bänder flat jerten, Kinder jauchzten, die Finken schmetterten ihren fröhlichen Schlag dazwischen. Da mußte Amek nach rechts blicken. IHinter einem Grabstein stand Dolf, die braunen Augen brennend auf sie gerich iet. Die Braut wurde kalkweiß und Zehnte sich an Matthias. Was hast, Hascherl?" sagte der und legte den Arm um sie. Eine Fledermaus!" log sie. Die Zbringt Unglück!" .Geh, wai dir einfällt! Die Schla. Hauben lassen sich um Mittag nit sehen! Hast di verschaut, es war gewiß ein Spak! Oder ein Schwalberl, Schatz, has Nester! .bauen will, wie wir!" Die Leute, an denen Amei vorbei Wußte, tuschelten: Es is ihr übel wor den von dem dumpfen Geruch in der Kirchl' Und die hinter ihr waren, wis selten: .Die Liab! Wie sie sich halten!" 'DaS Häuschen der jungen Ehcleute V , siebt mit der Rückseite gerade nach Dolss Hof. Kaum dreißig Schritte ist ei ent. f ernt. Wenn sie abends' vor der Tür sitzen, wo Matthias unter einem krum - men, malerischen Hollcrbaum eine Bank nebst Tisch aufgeschlagen hat, liegt das niedliche Anwesen etwas erhöht stehend, im letzten Abcndlicht vor ihnen. Es ist still zu allen Zeiten drüben. Einen kuriosen Nachbar haben wir. gel, Amei! Laßt sich uit schauen und nii hören. Magd und Knecht gehen nach Feierabend vom Hof, weil' ihnen daheim zu tot is. Die alte Mutter betet in einem Winkel ihren Rosenkranz und der junge Bauer sitzt an einem Fleck wie in Bildstöckl und schaut in den Him mcl, als wollt' er die Englein seh'n und ihnen das Fliegen ablernen! Nur Zithernschlagcn tut er manchmal, aber recht traurige Stücke, und singen dabei wie ein Grabsänger! II ein Sonder, ling der! War schon als Bub ein sol eher. Der Schnabel ging ihm nit auf. weder zur rechten roch zur nnchtea Amei?" flüsterte es ja gut haben Zeit! Wie ein traumiger Lalatz is er , herumgestanden, wenn wir gespielt und gejuchzt haben. Spater hatten die hub schen Madeln im Ort vor keinem mehr Ruh' als vor dem Leimsieder. Konnt' längst ein Weib haben, dann tät's doch ein wenig lebendig werden im Haus!" Amei nickte still mit dem Kopf. Da Gespräch machte sie beklommen. Sie wollte von Dolf nichts sehen und hören und gar nicht denken an ihn. Was ging er sie an! Sie war ein ehelich' Weib, hatte ihr Tagwerk und ihre Pflichten und wollte sich nicht mit etwa beschäf tigen, was sie unruhig machte. Dolf hatte ihr nichts zu sagen gehabt! Daß seine Augen hinter ihr einmal nachgeschlichen, war vorbei. Es war ge wiß anders gemeint gewesen, als sie vermutet hatte! Und sein Aussehen an ihrem Hochzeitstage war gewiß nicht so schlimm gewesen. Sie halte sich's ein gebildet, oder es war ihm vorher weiß Gott was über die Leber gekrochen! Was sie selbst sllr ihn gefühlt, hatte sie weit zurückgeschoben und zugedeckt. Sie wollie es vergessen. Das war ihr Vorsatz schon vor der Hochzeit gewesen, und es war ibr leicht geworden, ihn auszuführen, denn Matthias war ein guter Mann. Wohl ein bißchen lcich, ten Sinnck, aber offenherzig und immer froh und vergnügt. Wenn er nicht fort war, in den Bergen mit Fremden oder im Wald bei der Arbeit, dann klang fein Pfeifen und Singen den ganzen Tag durchs Haus, und man hörte es weiter als dreißig Schritte. . In das Pfeifen und Singen mischten sich bald andere Töne. Ein gesundes Kindlein schrie und kreischte und krähte. Es ging laut und lustig zu. Wie ein stilles Klöstcrchen stand der Bauernhof daneben. Eines Tages starb die alte Mutter DolfS. Amei und Matthias waren beim Begräbnis. .Nun wirst wohl bald heiraten?" meinte Ameis Mann, als sie nachher ein paar tröstende Worte zu dem Sohn sagten. Der junge Bauer lächelte schwach. 0 nein!" enlgegnete er. .I bin ein Einsam und bleib' ein solcher. Es is mir gut dabei!" Er hob kaum den Blick. Sie reich icn sich die Hände. Das junge Weib sllhlte einen Moment lang seine eiskalten Finger in ihren lebenswarmen und schauerte. Matthias schüttelte sich lachend, als sie weg waren. .Prrr! Mit den weh leidigen Augen! Tr hat die schwarze Mlancholei!" Amei lachte nicht. Sie ging schwei gend nach Hause, Matthias mit den andern Männern zum Trinken. Er saß überhaupt gern am Wiris tisch. Einen lustigen Menschen leidet's nicht lange im engen Htfm; er braucht Genossen und Publikum für feine Schnacken und Schnurren. Matthias war das Einkehren von seinen Wände rungen in den Bergen gewöhnt. ' Eine Zeitlang genügten ihm wohl Weib und Kind ganz. Aber dann zog es ihn mehr und mehr in die Schenke. Es ließ sich dagegen nichts sagen. Er gab nicht mehr aus, als er durfte und er versäumte keine Pflicht. Amei war an vielen Abenden allein. Sie ging zu den Eltern nd diese be suchten sie; doch sie saß trotzdem man ches Stündlein einsam unter dem Hol lcrbaum. Da kamen allerlei Gedanken übe.- sie, die besser ungedacht geblieben wären. Und die Einsamkeit schwächte ihren anfänglichen Widerstand. Hatte Dolf sie nicht doch am Ende gern gehabt? Seine Augen! Wenn sie sich die vorstellte, so tief und dunkel und sprechend, dann überfloß es sie heiß und bang. Ihr Verstand sagte ihr freilich: Du hast geträumt! Sein Mund ist doch stumm geblieben! Doch ihr Herz klopfte anders: Ja, er hat dich lieb gehabt! Und die Neugier frug: Tut er's noch? Bin ich ihm noch' etwas wert? Es sitzt I. heute noch keine Bäuerin auf seinem Hofe. Auf welch' gefährlichem Wege sie war, daS spürte sie minutengleich, wenn ihr Mann heimkehrte und sie aus ihren Ge danken heraus in sein frisches, froheö Gesicht sah. Da war sie doppelt freund lich und liebevoll. Hatte er daS HauS wieder verlassen, kroch die Versuchung aufs Neue an sie heran, und sie grübelte wieder. Das lachende, lallende Kind verscheuchte un tertagS wohl die Gefahr, aber abends schlief es im Vettlein, und die einsame Mutter verfiel ins Sinnen. .Hat Dolf mich liebgehabt? Liebt er mich noch? Diese zwei Fragen übten einen unwidcr stehlichcn Reiz auf sie aus. Auf sie konzentrierten sich nach und nach ihre Gedanken und ihre Begierden. Der Frühling hatte bereits seinen Einzug ins Tal gehalten. Erstes Grün war an den Zweigen und über die Wie scn und Hänge gebreitet; der lichtblaue Himmel prahlte in den glänzenden Spiegeln der frosifrcicn Gewässer wider mit duftenden Kelchen und rosigen Säu men blühten Veilchen und Maßlieb; auS ollen Vogelkchlen klang der Jubel. Nur auf den nahen Alpen leuchtete winterlich noch der Schnee. Der Hollerbaum hatte tellcrgroße Blü tenfcheiben und sendete würzigen Geruch aus. Eine Amsel sang abends in den Zweigen, Aber nicht der lauschte Amei. Im Gegenteil. Sie verscheuchte mit flatternder Schürz den schwarzen Vo gel. Dolss Zitherspiel tönte herüber, und S war ihr, als hebe sich dazwischen seine Stimme. Sie schlich so nahe hin als möglich und horchte angespannt. Nach einigem Proben und nach einleitenden, schwer mütigen Akkorden begann er nun. Kein Laut entging ihr in der stillen Abendluft. Ein Lied der Sehnsucht sang der Ein sam, ein Lied vo jchn Blumen, die an unzugänglichen sselsen blühen, von der Sehnsucht, die da am größten, wo der See am tiefsten, die Bergwände am Ichroffsten sind. Der letzte Ton verhallte, dann blieb' stumm. Ameis Wangen brannten, ihr Herzschlag jagte. Jetzt hatte sie die Antwort! Aber auch noch anderes offenbarte sich ihr: heiß stieg in ihr ein Etwas auf. da! sie mächtig hintrieb zu dem einsamen Mann. Sie flog ins Haus zurück und an da Bett ihre Kindes. O, ott', nur nichts mehr, denken und fragen, nichts mehr fühlen! Sie hatte Treue gelobt, die wollte sie halten, auch im Herzen, Matthias war ihr ein redlicher, braver Mann; n ihn wollte sie sich klammern mit aller Kraft und sich um jenen andern nicht mehr bekümmern! Nur hinunterdrücken, was da empor wollte zum Licht und Leben, und wenn eS auch harten Kampf kostete. DaS war die Strafe für ihre lüsterne Begier! Welch ein Frevel, als Mutter dieses unschuldigen KindlcinS warm für einen andern Mann zu empfinden, als den, der ihm Vater war! Matthias fand sie weinend, als er heimkam. Beim heiligen JcsuS, Amei, waS hast?' Sie hing an seinem Hals. .I hab' Ml g furchtet! Du sollst nimmer fort gehen, so auf die Nacht!" Schallend und gutmütig lachte er. Bist etroan ein Schulmadel worden, Amei? Furcht'! Das darf i nicman den sag'n, sonst wirst ausg'lacht! Das mußt dir abg'wohnen, Frau! Da könnt' i ja nimmer fort mit die Herr'n. Schau, morgen geht's mit einem Vor nehmen in die Berg'! Die Birkhähnen kollern! Die will er jaqern, und dag is eine große Plag'! Leicht bleib' i etliche Tage aus. Wenn du di da furch fest ? Geh. Amei, jetzt schämst di schon! Uebrigens könnt' i ja den Einsam bitten, daß er sich ein wennerl annimmt um di! Das tut er wohl!" Sie spreizte abwehrend die Hände. Na, na, warum?" I brauch' niemanden! Mir war nur ungut heut', und da hab' i mir ein bildet, i fürcht' mi!" Scherzend drohte er ihr mit dem Fin gcr. Am nächsten Mittag holte ihn ein stattlicher Herr mit Rucksack und Gewehr ab, und sie wanderten fort. Nach achtstündigem, beschwerlichem Kraxeln und Waten kamen sie todmüde an ihr Ziel: eine Almhllite, in der sie rasteten und nachteten. Am frühesten Morgen brachen sie auf und schritten im Granduft der Däm merung weiter. Es hieß noch eine Weile scharf ansteigen, dann wurde es ganz licht um sie. Nur struppiges Knieholz gedieh hier noch, und das lag verschneit. Plötzlich stutzten sie, und Entzücken rieselte wärmend durch ihre Adern. Ganz in ihrer Nähe grübelte ein Hahn. Schon brachte in einem günstigen Augen blick der Jäger das Gewehr in Anschlag, als ihm Matthias die Hand nieder drückte. Ein zweiter Spielhahn slog zu. und ein toller Zweikampf begann. Die Flü gel klatschten; unter Anspringen und ge genfeitigem Zerkratzen stoben die blauen Bruftfedern lustig herum; sie hieben mit den Schnäbeln, stießen mit den Stän dein. Ein doppelter Blitz und doppelter Knall. Puwerdampf verhüllte die Strei tenden. Als er sich verzog, lagen sie getroffen, im letzten Kampfe mit den Flügeln schlagend, da. Es war ein Meister und Glücksschuß gewesen. Vergnügt steckte der Jägers mann die zwei prachtvollen, blauschmarz befiederten Vögel in seinen Nucksack und selig mit der Beute zogen sie weiter. Es war vollends hell geworden. Für heute war auf keinen Hahn mehr zu hoffen. Sie durften auch mehr wie zu frieden sein. Wie oft sind alle Mühen ohne Resultat. Auf einem Umweg ge dachten sie abzusteigen. In der Totenstille tönte nur selten der schrille Schrei eines hungrigen Raubvogels, der über den Schluchten kreiste. Beißend und 'scharf wehte die Luft; der Schnee ächzte und knarrt,. Der Hauch ging wie ine Dunstfahne unruhig von ihrem Munde. Stcifgcfro. ren, Eiszapfen in den Barten, gelangten sie auf den Bergkamm und schritten hintereinander vorwärts. Eine finstere Wolke hing dicht über ihnen. Der Wind erhob sich und strich schneidend über die Haut. Nach fünf Minuten setzte jäh ein wilder Wirbel wind mit heftigem Schneegestöber ein. Schnell Deckung gesucht! Sonst sind wir verloren!" schrie Matthias und schob seinen Herrn hinter ein kiim merliches, verkrüppeltes Tannenbäum' chen, daS dieser krampfhaft umklam werte. Ihn selbst drehte es ein paar mal. dann schlug er zu Boden, halb geworfen tm Winde, halb freiwillig. Der Orkan hätte ihn In die Tiefe ge schleudert. In einer Viertelstunde waren sie im Schnee ganz begraben. Von Zeit zu Zeit, wenn daS tolle Wehen ein wenig nachließ, richtete sich Matthias auf. chütielte und rieb sich, stampfte und chlenkerte und der Herr machte es eben o. An ein Weitergehen war nicht zu denken, und sie fürchteten, zu erfrieren. Eiskrusten überzogen Gesicht und Hände der frische Schnee klebte, wenn sie sich erhoben, wie ein milchweißer, gläserner Ueberzug an ihnen. Sie schwankten und taumelten wie steife Pfosten, die keinen Halt hatten, und fielen jedesmal schwer und dumpf und unvermittelt nieder. Die Stimmen, mit denen sie sich anriefen, lallten und röchelten. Keiner verstand den andern. Der Sturm tobte, pfiff, heulte und warf die Flocken durcheinander, die in unheimlicher Menge kamen. Sie häuf ten sich beängstigend schnell, füllten Lü cken und .Gruben, rundeten Spitzen, Pfeiler und Zacken und verhüllten die Flächen in drängender Eile, als könn ten sie nicht erwarten, allcS, was da zum Himmel ragte und was lebte und atmete, einzudecken, , sanft Ruh, Matthias und der Jäger kehrten nicht mey, yeiml ... , Als der Mai seinen Blütenschauer in daS Tal schüttete und die Berge wieder zuganglich wurden, brachen einige ge wandte Kletterer auf, um die Benin glückten zu suchen. Auch Dolf war un ter ihnen. Nach langem Umherirren fand man die Körper der beiden Man ner in einer Schncerinne. Am selben Tage noch nahm sie ein geweihtes Grab im kleinen Friedhof auf. Ameis Schmerz war groß und aus richtig, denn Matthias war ihr wert gewesen, wenn auch nicht so ficht, wie sie legt im iscymerz waynke. Dolf hatte sichals Nachbar ihrer so fort angenommen und sprang ihr bei in Dingen, von denen sie als Frau nichts verstand. Sie sah ihn gleichmütig ein treten und gehen; ihr Herz zitterte nicht. Es war zu voll von Trauer. Er schaffte ihr auch Arbeit. Sie und da Kind hätten nichts zu leben gelxibl für die Länge. Er ließ ihr aus Wien eine Nähmaschine schicken, und sie nähte sllr die Dörfler die schlichte Wäsche. Sie ließ sich bevormunden und tat, was er wollte. Das Unglück hatte sie willenlos gemacht. Aber ihr Verhalten gegen ihn war ein eigentümlich kühles, verschlossenes, rauhes. Als alleS geregelt war, zog er sich wie der zurück. Sie hauste herüben und er drüben; selten sprach er über den Zaun und fragte, wie es ihr ginge. Kcins war schwatzlustig; sie zeigte sich wohl freund lich, aber kurz, und vermied es, ihn anzu sehen. In einer Nacht klopfte das junge Weib an den Laden ihres Nachbarn. Sie war in Aengsten und bat um seinen Beistand. Denn ihre Eltern waren greise Leute, sie konnten ihr in nichts mehr helfen. Den Kleinen warf das Fieber. Dolf spannte sofort an und holte den Doktor und dann die Arznei. Und jeden Tag kam er ein paarmal und trug ihr zu, was sie brauchte und teilte Angst und Sorge mit ihr. In dieser Zeit rückten sie einander näher. Als das Kind wieder genas, trippelte cö hinüber und herüber und war bald dem Einsam so zu Hause, wie bei der Mutter. Der Name paßte gar nickt mehr auf den jungen Bauern. Dann kam es vor, daß Amei das Kind manchmal holte und er es manchmal brachte. Das letzte geschah einmal, als sie an einem Sommerabcnd an ihren Lieblingsplatz, unter dem Hollerbaum, saß, der in Laubsllllen strotzte und ein Nest mit lustigen Finken trug, die fast slllgge waren und dem jungen Weib um den Kopf flogen. Dolf ließ sich dicht neben ihr nieder. Mit einer gewissen Verlegenheit tat er's und stotterte einige belanglose Reden da her, bis er endlich sagte: Amei, es is viel länger als ein Jahr, daß dein Mann tot is! Denkst du nit ans Heiraten?" Sie war erst blaß und wurde dann rot, sah ihn erst selig-erschrocken an und senkte dann den Blick. I weiß nit! So recht hab' i noch nit dran gedacht!" entgegnete sie läse. Es is weil nämlich der Wclserbauer der der hat mi 'fragt, ob du am End' Lust hälfst?!" Ihr Auge traf ihn wieder, aber der Ausdruck war ganz starr und ihr Gesicht wurde jetzt schneeweiß. Plötzlich stieß sie schroff und hart hervor: Unnützes G'red! I mag net!" Sie hob das Kind vom Boden auf und ging ins Häuschen ohne ein Wort. Dolf verkroch sich wieder in seine Ein samkcit. So war also Amei für immer verloren, wie es ihm schien. Sie konnte ihren Mann nicht mehr vergessen, mochte keinen zweiten' freien. Heftig und un freundlich hatte sie seine Werbung für den Welscrbaucr abgelehnt, und damit war so glaubte er auch für ihn selbst jede Hoffnung zerstört. Bald hcrbsteltc es. Die Hollunder blütcn waren zu schweren Beerentrauben geworden und die Amseln und Stare naschten eifrig an den schwarzen Früch ten. Nebel schlichen durch die Dorfgas sen. Amei saß hinter dem Fenster und ließ die Maschine klappern. Sie hatte einen frohen Zug im Gesicht. Sie war überhaupt eine andere geworden. Sie scherzte und lachte und wirkte wie ein junges Madel. Ja, als ein solches war sie ganz anders gewesen, nicht so rasch, eher schüchtern und still. Dolf wurde ganz irre am Charakter der heimlich Ge liebten. Immer deutlicher gewann er den Eindruck, als ob sie sich über ihn lustig mache. Gar nicht mehr sehen mochte er sie schließlich. Er wich ihr aus. Und er wäre wieder der alte Ein sam geworden, wenn nicht das Kind ihn daran verhindert hätten Das lief halbe Tage lang bei ihm herum. Er brachte es jedoch nimmer herüber. Amei mußte es jedesmal holen, und kam er ihr dabei bor die Augen, lachte sie übers ganze Ge sichi. Er fing an. abzuzehren. Ihre Heiter keit folterte ihn. Der Verdacht nistete sich bei ihm ein, daß sie ihren Vorsätzen un treu geworden und vielleicht einen Lieb sten habe. In seine Augen stieg merkbar der Gram. Einmal traf ihn Amei in der Stube, als sie umS Kind kam. Sie warf einen schärfen Blick auf ihn und fragte dann mit gesenkten Lidern: Du. Nachbar, was is jetzt mit dem Wclserbaucrn? Hat er nix mehr g'sagt?" Sein stilles, mageres Gesicht zeigte volle Bestürzung. .Der Welserbauer? Der! Ja nein ! weiß nit! Hast ihn vielleicht gern? Willst heiraten?" Du fragst neugierig und brauchst nit alles zu wissen! I hal nur grad' g'meint! Geh', sing' mir doch ein Licdl. weißt du, das von dem Blcamerl, das nit für di blüht! Du hast ! einmal g'sunaen früher, und i hab' dir zuge hört!" Er wurde feuerrot, holte schweigend die Zither und sang: ? tcufit kwl a Wranifrt, iöi w,mdersa ftlün&t, Lnmd's n,t of an G'wiwd, . . Z ta Eisig öufifiibntl 3 Irufti wol a $ertl, 7l,g dolla iWn schlaal. 3 die tttfj'n verbot', To mi Ldert tragt.' Weißt du, das Licdl stimmt aber jetzt immerj 6'i schon, a Steig da, mutzt KnMe redivivus. Skizze von Georg Xjirfc&fclS. TWtoe Emanuel Fröhlich hatte im Sommer des großen Sturmes mit dem Rock nicht Völlig auch den Beruf wech sein können! Er war aus heißem Her zen wieder Soldat geworden, aber der Schulmeister steckte ihm. wie er mit mil der Selbstironie lagte, vocy nocy ein me nia in den Knochen. Er glaubte daS Ucberbleibscl der Fricdensznt sogar als Segen empfinden zu können, solange er auf dem Kasernenhof lernet Mlerziaoi Kriegsfreiwillige gedrillt hatte. Vor dieser Mannschaft, die ja ohnehin die beste für inen plötzlich einberufenen Vizeftldwebel war, konnte er oft wie vor gereiften Gymnasiasten stehen und fand mit seiner sanften und doch so festen Gründlichkeit das hingegebene Verstäub, nis akademischer Rekruten. Dann aber war der Befehl ins Feld gekommen, und Doktor Emanuel Fröhlich war in ein Landwehr Ersatzbataillon übergetreten. Der Abschied von seinen seltsam gewan delten Schülern, mit denen ihn in aller körperlichen Anstrengung das geistigste Band verbunden, hatte ihn schmerzlich berührt. Aber er war stark genug, vor allem fein eigener Lehrmeister zu sein. Das hatte ihm das harte Leben des Ver waisten beigebracht. Er nahm sich mit aller Energie vor, seine' pädagogische Liebe auf die Landwehrmänner, die ihm unterstellt waren, zu übertragen. Als er mit ihnen an die französische Grenze gekommen, war es ihm nicht nur schon geglückt, sondern er verstand sich selbst nicht, warum er sich solche Mann schast nicht immer gewünscht hatte. DaS war eben der Schulmeisterrcst, mit dem er jetzt-nicht mehr auslam. Er, zwang sich ganz in die Erkenntnis hinein, daß es etwas wie geistige Bevorzugung nicht mehr gab. daß es ihm nicht mehr gestat tct war, sich in einen begrenzten Kreis der Verständigung zurückzuziehen. Hier ist, unter feinen Soldaten, begriff er ganz, was das Volk war, das sich er hoben hatte. Die Opfer für das Vater land hatten bei Bauernknechten und Universitätslehrern denselben Namen. Im Gegenteil, je röter und unvermisch ter das Blut war, das er entströmen sah, desto echter schien es ihm aus der Herzensquelle deutschen Wesens zu kom men. Doktor Emanuel Fröhlich wandelte sich im Felde mehr und mehr. Hätten ihn jetzt die Damen Klostermarn, in deren traulicher Pension er gewohnt, wiedergesehen, sie hätten ihn gewiß nicht erkannt. Dieser lange, magere PLda goge hatte etwas Festes, Sehniges und fast Kraftvolles bekommen. Sein feines, blasses und sonst rasiertes Gesicht trug die Maske eines wulstigen Bartes. Nur die nach Menschenwert spähenden, güti gen Augen hinter der Brille waren die selben nh. Die und der Rest, der halb widerwillig, halb sreudig getragene Schulmeisterrest, waren des Doktors Zeichen. So sah er sich seine Leute an und lernte sie gründlich kennen. Sie stamm ten meist 'aus seinem engeren Heimat land, und er verständigte sich im Dialekt mit ihnen. Kameradcndertrautheit, die jeder Stunde sicher war, verband den Vizeftldwebel mit der Kompagnie. Die Offiziere wußten eigentlich nicht, warum der' Lehrer ein so guter Soldat gewor den hing es doch mit seinem Unsol datischen, seinem prüfenden Träumer blick zusammen. Aber der Hauptmann ließ ' sich am liebsten von Fröhlich über die einzelnen Leute informieren. Nur einer machte ihm Schwierigkeiten. Es gelang ihm, während er mit ihm durch halb Frankreich zog, nicht, ihn wirklich kennen zu lernen. Dieser eine war der Unteroffizier Franz Hinschke. Es war besonders schwer für Fröhlich, der inzwischen zum Feldwebel ovan ciert, daß besagter Hinschke fein direkter Untergebener war und zu den besten Soldaten der Kompagnie gehörte. Fcöh lich suchte sich vor diesem rundlichen, aber behenden Manne, der mit feinen blanken Augen immer guter Dinge war. auf den ersten Grundsatz der Pädagogik zu besinnen. - Für ihn hatte er immer gelautet: Erziehe, aber entwickle zugleich die ' Selbständigkeit deines Schülers. Nun. selbständig war Franz Hinschke in so hohem Grade, daß man mit ihm nicht auskam. Zugleich ober hatte er eine so begeisterte Disziplin im Leibe, daß alle Vorwürfe in der Kehle stecken blieben. nur Kurasch' hab'n; und verbot'n is die Straß'n jetzt auch nimmer." Amei. Amei!" Er starrt wie ent, seht. Weißt denn, daß i dir gut bin?!" Freilich! So dumm is doch kein Weib, daß nit merkt, wann'ö ein Mann gern hat! Warum hast nit g'redet, wie i noch ein Acadcl war? Weil i ein Stockfisch war! Ein Dalk! Weil i eine Zung' Hai wie ein Glocken Hammer so schwer und ein Gemüt wie ein Gamsbock so scheu und dumm! Bis i mich hätt' traut, war's spät! Und dann hab' i's tragerk müssen!" Ja, ja! Du bist ein Tiefer, ein Ver stocttcr, ein G'fpaßiger! Aber i hab' dich rauskriegt! Der Welscrbaucr, für den du g'fragt hast, der warst du! Denn der Richtige, der hat ein Madel feit Jahr und Tag, und am Kathrcinfcst feiern'S Hochzeit! AuS feinem eig'nen Mund weiß i's, und nach mir hat er nie o'schaut! Lügen kannst doch, du Lolli! Und verdreht bist ordentlich! Und Schneid hast keine in der Lieb'! Nit sür einen Kreuzer!" Aber gern hab' i dich, Amei! Groß mächtig gern! Durch und Durch! Jezt is endlich heraus, Gott sei Dank! Und du mich?" I hab' dir' schon g'sagt. Leicht hätt" können wieder ein anderer kommen, dum mcs Mannsbild, und du hättest wieder 'S Nachschauen g'habt!" Von feinen wehleidigen Augen ging ein Strahlen au, wie von der Sonne, wenn sie nach einem araucn, düsteren, kalten Nebelmorgen mit voller Mittags glut durchs Gewölk dringt! - , Hinschke machte oft die ganze Kompagnie unruhig. Ein flackernder Mut war ihm eigen, ein rastloser Unternehmungsgeist, und wenn er eben eine Dummheit zu machen schien, erwies er sich weiter schauend als fein Feldwebel. , Was sollte man dazu sagen, wenn Befehl gegeben war, mäuschenstill im Schützengraben zu liegen, - und Franz Hinschke, der wie ein Affe klettern konnte, saß plötzlich in einer hohen Baumkrone? Er kam zurück und meldete die Stellung des Feindes. Man konnte nichts sagen. Ein anderes Mal war der tolltühne Mensch, statt zu schlafen, bei Nacht er schwunden, aus dem eigenen Schützen graben querfeldein in den französischen hinüber und weiter noch bis zum Dorf, . wo die feindliche Artillerie stand. Er kam mit Schüssen in Arm und Bein, halb tot, aber wild lachend zurück, und fein Bericht war so wertvoll, daß der Hauptmann ihn fürs, Eiserne Kreuz vor schlug. Der Feldwebel Emanuel Fröh lich war es, der den Tapferen umarmte. Er konnte durchaus nichts sagen" . . . Trotzdem blieb ihm die Unsicherheit vor diesem Manne. Er kam mit ihm nicht aus. Er konnte ihn auf keine Re gel bringen das war es, was Ema nuel Fröhlich nicht z-ur vollen Freude an einem Menschen kommen ließ. Der Schulmcisterrest gewiß aber auch die geheiligte Subordination. Befehl war Befehl. Wo blieb man im Kriege ohne das? Umsonst war der Prinz von Homburg" nicht eine fo schöne Dich tung. Wenn ein einfacher Soldat aus wildem Bauerntemverament heraus im mer wieder den Willen seiner Vorgesctz ten durchkreuzte! Es durste nicht sein, auch wenn er recht hatte! Aber Ema nuel Fröhlich hörte nicht auf, über das Problem Franz Hinschke zu grübeln. In den Vogesen wurde mit rastloser Verbissenheit gekämpft. Immer wieder ging man im Sturmangriff auf die Franzosen los Schritt für Schritt mußte der blutige Boden errungen wer den. An Fröhlichs Seite kämpfte Hinschke. Wie. hatte der Lehrer heute den unerschrockenen Dorfschmied lieb! Hinschkes Kraft und Ausdauer waren ins Fabelhafte gewachsen. Und das Lachen blieb auf feinem Gesicht, das schlaue Lachen, das fo unberechenbar war und mit dem der Lehrer niemals fertig geworden. Die blanken Augen lockten gleichsam den Feind. Der immer noch feiste, breitschultrige Kerl schien eine Behendigkeit zu haben, die an jeder Ku gel vorbcigliit. Doch plötzlich geschah eS. Fröhlich ' hatte eben nicht zu Hinschke hingesehen. Dann merkte er, daß der Unteroffizier an seiner Seite fehlte; entsetzt sah er ihn einige Schritte zurück am Boden liegen. Fröhlich kniete bei ihm, er un Versuchte ihn hastig es war zu spät. Er sah ein Ringen in den starken Mann kommen, das nur der Todeskampf sein konnte. Verfluchtes Saupack!" knirschte Hinschke noch. Hat mir doch einer je kricht! Lassen Se man, Herr Feldwebel da nutzt nischt mehr! Ick hab's im Bauch der Kerl hat jewußt, wo daß ick empfindlich bin! Aber tun Se,mir noch 'n einz'gen Jcfallcn, Herr Fcldwe bel! Bitte!'." Fröhlich nickte erschüt tert. Alles, alls. Hinschke! Sagen Sie mir " Nehmen Se meine Sachen . . . Und links da is noch was für meine Frau ick hab's ihr in Metz gekauft wenn Se mal jesund nach Hause kommen bringen Se's ihr nich schicken das soll erst nachkommen wenn Friede is als Jrutz von mir Ach Jott, ick kann nich mehr!" Der Sterbende schloß seine Augen. Fröhlich sah auf die Kompagnie weit fort er mußte nach, er mußte! Da schickte ihm das Glück zwei Sanitäts soldaten vorüber. Fröhlich schrie nach ihnen sie hörten ihn und kamen. So konnte er seinen armen Hinschke ihnen überlassen und selbst mit springenden Beinen der Kompagnie folgen. Der Kampf schien auch Fröhlichs Schicksal zu entscheiden. Der Feldwebel wurde mit zehn seiner Leute, die nicht weichen wollten, von den Franzosen ge fangen genommen. Man verschleppte den deutschen Lehrer weit. Unter Miß Handlungen und fast entmutigt kam er auf den Weg nach Paris, aber die große Stadt, die er als Sieger hatte erreichen wollen, betrat er jetzt nicht. Unterwegs wurde der GefangenenTransport von deutschen Truppen überfallen. Man haute die armen Dulder heraus, und sie wurden selbst dabei nichts weniger als Dulder. Fröhlich war gerettet. Er folgte feinen neuen Kameraden. Das Land wehr-Bataillon, mit dem er ins Feld gezogen, war nun fern. Er wurde Er satzmann in einem Regiment an der Äisne. Aber an seine Leute in den Vo gcsen dachte er oft. Am meisten an den armen Franz Hinschke. Alles, was mit dem Toten zusammenhing, bewies noch feine tolle Zähigkeit. So hatte Fröhlich jenes Geschenk, das ihm der Sterbende für seine Frau gegeben, heil durch die französische Gefangenschaft gebracht. Es war ein hübsches seidenes Brusttuch. Oft, wenn stille Minuten kamen, betrach tetc der Feldwebel es mit nachdenklichem Lächeln. Drei Dinge waren ihm merk würdig daran. Erstens der beträchtliche Umfang des Tuches, der ihn Hinschke doch noch für dicker hatte halten lassen, als er gewesen. Dann der kleine Blut fleck in der Mitte dort war das Tuch mit Hinschkes Wunde in Berührung ge kommen. Schließlich aber ein Bildchen, das in einen Zipfel eingewirkt war und einen Soldaten zeigte, der ein Bauern mädel küßte. Ob daS nicht ein Spaß gewesen, den Franz Hinschke sich mit sei ner eifersüchtigen Frau hatte machen wollen? Ob das Tuch nicht deshalb so spät erst in ihre Hände gelangen sollte, erst wenn Friede war"? In ihrer Wiedersthenshoffnung 1 sollte Frau Hinsckike noch den leisen Stich von ihrem bösen Franz bekommen. Ader daö Son derbarste war er hatte im Sterbe noch diesen Spaß vor Augen gehabt. Er hatte ja zu Fröhlich gesagt: .Brin gen Sie's ihr nich schicken! Da soll erst nachkommrn, wenn Friede is!" Nun, Friede war ein anderer für ihn und der wahre. Fröhlich ober wollte ihm Wort halten. Noch monale lang trug er das seidene Tuch mit dem kleinen Blutfleck, wo Hinschke es ?etra gen. Es schien ihn zu feien. Als Fröh lich im November von einem Schrap nell getroffen wurde, kam er ganz uf davon. Aber nun mußte er heimwärts fahren. Der kazarettzug brachte ihn Anfang Dezember in seine Vaterstadt. Er erholte sich langsam. Die Pflege der Damen Klostermann, bei denen er wieder eingekehrt, brachte ihn auf die Beine. Mit glücklichem Stolz sahen die alten Fräulein ihren Ritter vom Eifer nen Kreuz über die Straße gehen. Dann hatte Emanuel Fröhlich einen Wunsch, den die Damen Klostermann nicht ohn ten. Er wollte seinen Auftrag ausfüh ren. Er wußte, wo Frau Lina Hinschke wohnte. Es war ein Torf, daö gar nicht weit von der Stadt gelegen und mit einem Bummelzug bequem zu er reichen war. Von Nachmittag bis Abend konnte er dort gewesen sein. Etwas verspätet kam er in die Pension noch zurecht. Er machte eine Ausrede, denn in seltsames Gefühl drückender Erwartung beherrschte ihn, und er konnte keinen Mitwisser haben. Brachte er nicht den letzten Gruß eines , Toten? Kam er nicht am Feierabend der Liebe, um ihn wahrhaft zu bestätigen? Mit pochendem Herzen fuhr Emanuel Fröhlich in daS dämmernde Land hinaus. Das seidene Brusttuch und Hinschkes .Habscligkeiten trug er sorgsam bei sich. Das Dorf mit feinen alten Schindeldächern lag schwei gend im Schnee, an den Bäumen glitzerte das frühe Mondlicht. als ob sie alle, Tannen, Linden und Kastanien, als Christbäume ausgeputzt wären. ; - Ein vermummtes Kind fragte der Feldwebel nach , der Schmiede. Ehr fürchtig wurde er hingeleitet.' Aber das Kind sah ihm lustig in die Augen, und Emanuel Fröhlich war so ernst gestimmt, als ob er auf einen Kirchhof ginge. Deshalb konnte er sich mit seiner kleinen Führerin nicht unterhalten, sondern sie nur aus der Zuckertüte beschenken, die er für Hinschkes Kinder mitgebracht. Jetzt stand er endlich vor der Schmiede. Wie oft hatte er sie sich im Feindeslande 'vorgestellt genau so. Dci lag die Esse mit rostigem Eisenwerk und Zangen verwaist. Er fah den Schmied vor sich, in seligen Fricdenszeiten. häm mernd, singend. Funken sprühten. Das Essenfeucr spiegelte sich in Hinschkes blanken, verwegenen Augen. Er mußte sich zusammennehmen. Wenn er noch sänger träumte, wurde er weich und mutlos und kehrte am Ende unverrichteter Sache in die Stadt zurück. Er war doch schwach geworden in der langen Rekonvaleszenz. Hatte ihm nie gebangt, im tollsten Fcucr nicht, und bangt ihm jetzt vor einer einsamen, schwarzgekleideten Frau? Er wollte ja als Tröster kommen, von draußen, aus der großen, unerbittlichen Nacht. Nasch überlegte er noch einmal, wie er sichrer , halten mußte. Dabei war er in' den Hausflur getreten. In tiefster Erregung ' blieb er vor der Wohnungstür stehen. Durch ihren Spalt schimmerte Licht. Er hörte auch lustige Kinderstimmen ja, eine quäkende Trompete sogar, ein rumpelndes Wiegenpferd. Wie fonder bar! Trotzdem beruhigte ihn das Be fremdliche. Sie waren am Ende alle echte Hinschkes. Fröhlich reckte den Kopf. Dann klopfte er. Man hörtelhn nicht. Er klopfte noch einmal. Jetzt rief man. Woher? Eine Sinnestäuschung schien ihn zu packen. Er taumelte zu rück. Herein doch, wenn's kein Schnei der is!" Er kannte die Stimme! - Als Emanuel Fröhlich in der Stube stand, sah er Franz Hinschle inmitten der Seinen sitzen. Franz Hinschke. wie er ihn in guten Tagen gesehen. Vier gesunde, glückliche Kinder tollten um den 'Vater herum. Seine Frau aber war durchaus nicht als Witwe gekleidet. .Der Feldwebel!" schrie 'Hinschke und sprang auf, so daß ihm das Eiserne Kreuz auf , der Brust herumtanzte. Wahrhaftig! Na, fone Ueberraschung laß ich mir jc fallen!" Hinschke umarmte Zhn. Das war sein eiserner Griff. DaS war ein wirklicher Mensch, kein Geist vom Grabe. Die Familie umringte Fröhlich, und er hört mit schlagenden Pulsen, was geschehen war. Ick bin ja nich dot! Nee, jar nich! Aber, Herr Feldwebel, erinnern Se sich doch! Sie haben mir doch an die Onkels vonZ Rote Kreuz abjejeben! Dreiviertel dot war ick ja ober im Lazarett da haben se mir wieder hochje schustert!" Fröhlich starrte ihn an. Das hätte ich mir eigentlich denken kön nen!" Nich wahr?! So leichte jeht es doch bei Hinschkcn nich?'" Und dann dann sind Sie nach Hause gicschickt worden?" .Nee! I wo! Denn bin ick noch mal draußen jewesen! Und denn hab' ick noch 'n Jranatsplittcr an 'n Dcez jekricht! Und Feldwebel bin ick jeworden!" Das hatte ich mir eigentlich'denkcn können," flüsterte Froh lich nochmals. Denn mußf ick aber bei Muttern! Und nu rzählm Sie mal! Wie jeht's Ihnen?! WaS haben Se 'n da? Meine Sachen? Wahrhaf tig? Meine Sachen?!" .Und das Tuch. Hinschke!" .Ach Jott. so 'n treuer Mensch! DaS Tuch! Nun hat er wahrhaftig ooch das Tuch." Fröhlich entfaltete es. Seine Hände zitterten heftig dabei, und die Kerzen des Weihnachlsvaumes blendeten ihn. Frau Hinsckike schlang inzwischen das Tuch um ihren hübschen, runden Körper, Was is 'n da im Zippcl sür 'n Bild'.'", Hinschke erschrak ein wenig. Bi'd? Was meinste 'n. Lina? Ach so! Na ja, daS haben die Tücher da alle!" J?i t kam ein Lächeln auf Fröhlich? klcikS Gesicht. Es steigerte sicb zu einem, sti!--lcn, zitternden Lacken. Er verstand al! mäblich seinen Hinschke. Sanft lcnüe er-die Frau von dem Bilde des küssen den Soldaten ab. Tann zeigte er auf einen kleinen roten Fleck in der Mitte de Tuches: .DaS haben sie ziich! alle." iV.y tjJ 3.f vtjtij W'Efcrt .au4