Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 26, 1917, Image 2

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neuen Deutschen Reichs haben
sich zwei große ltcuorientiaun
flut vollzogen. Beide werden
oiiMriich msklieit durch den Sturz eine
Reichkkanzlers. Xic eiste yieuorientie
rung wurde diktiert durch den Wechsel
der Persönlichkeiten, die jiceite, die un
serer Tage, wird von den Bnhällnissen '
euwungcn. Mit dem Sturz BismarcZs,
des eisten Kanzlers des neuen Deutschen
Reichs, verschwand eine, alle anderen
überschattende und auf die cnsanite
Weltlage einwirkende Persönlichkeit. Der
Abgang Bethmann HollwegZ soll die j
Neilorientierung in der Dichtung auf den
Mssencinfluß. welcher a!s Recht der
Selbstbestimmung der Völker" etikettiert
ist. dorbereiten. Wie daZ Teutsche Reich
mit Blut und Eisen zusammengeschweißt
worden ist. so ist auch der Anspruch des
deutschen Volles auf das Aecht der
Selbstbestimmung seiner Geschicke auf
den Schlachtfeldern gereist. HZ ist wie
eine Bestimmung oder wie ein Berhäng
nis Dkutschlanizs, daß sich die Ausgc
sialtung der inneren Verhältnisse und
die internatioriale Stellung nach anszen
hin verquicken. Nur die ganz starten
Männer haben mit einer derartigen Ver
quickung fertig werden können, und sie
hat als nicht weniger drückender Alb auf
dem Gemüt selbst eines Bismarc! ge
lastet, als der der äußeren jiealitwnen.
Bethmann Hollweg ist an dieser Bei
yllickung amtlich zvgrun gegangen.
Der Berliner Vorwärts' hat ihm den
. ,. Grabspruch geschrieben: Er hat es in
schwacher Weise gut gemeint. Sein
Wunsch war, den Krieg als Verteidi
gungskrieg zu führen uns eine Ausöeh
nung auf neue Feinde z verhüten, aber
' er hat zielbewußteren Männern, als er
selbst gewesen, nachgeben müssen. Er
? wollte seine Politik auf einer breiten
, Grundlage der Demokratie aufbauen, es
gebrach ihm aber die Energie und die
Kraft, um daraus die nötigen Jlor.se
quenzen zu ziehen
Der unlängst verstorbene große deut
sche Geschichtsforscher und Staatswijsm
sckastkr Gustav von Sckmoller hat ein
mal. im Juni 1911, über Bethmann
Hollweg geschrieben: Jedenfalls ist er
ein vornehmer, edler haraher, ein
Mann bei höchsten sittlichen Adels: er
ist einer der gebilktsten Männer der Ge
genwart, ein philosophischer Idealist,
ein glänzender Redner, der bei großen
tt-l,genheiten die weitesten streif zu
fesseln weih. Was e: als Staatsmann
künftig noch leisten wird, wie dereinst
I daS Urteil in der Geschichte über ihn
:j lauten wird, die Frage, inwieweit die
' Kraft festen Wollen; seinen übrigen
I hohen Eigenschaften gleichkommen wird,
all das liegt in der Zukunft Schoß.
' Selbst den in seiner Nahe Stehenden.
den ihn Beobachtenden ist heute ein Ur
teil schwer. Dazu ausgefordert. ein fol
ckeZ abzugeben, fällt mir das Wort
Rankes ein, wie wenig doch die Mitle
runden wirklich die zeiigenoffischen
Staatslenker und führenden Geister zu
kennen pflegen: Ranke sprach das Wort
in Gedanken an die Erkenntnis aus,
welche ihm aus den Archivstudien
wuchsen, und ich möchte daher auch sa
gen: Nur der künftige Historiker, wel
ck,er Bethmann in den Archiven kennen
lernt, wird ihn ganz gerecht beurteilen
können. Die Zeitgenossen haben oft die,
7 jahrelang verkannt und geschmäht, die
nachher als die Besten und. Größten er
sannt wurden, und haben solchen zuge
jubelt, die nachher vor dem Nichterstuhl
der Geschichte nicht bestanden."
Noch schwankt das Charakterbild
Theobald von Bethmann Hollroegs. von
ivr Neirte' öak und Gunst verwirrt.
, in der Geschichte dieses großen Krieges.
Noch wird seine Persönlichkeit erdrückt
von der Wucht dieser Zeit, die ihn
schließlich zermalmt hat. Der Gentle
' man ist den Ränken, der Idealist den
Tatsachen, der Philosoph den Realitäten
, dieser seiner Zeit nicht gewachsen
gewesen und ist von deren Mühlsteinen
zermürbt worden. Die Kraft kühnen
, Wollens und festen Entschlusses hat
snnen anderen hoben Eigenschaften
richt entsprochen. Er ist dir erste Reichs
Zanzler gewesen, welcher der inneren
Rrwaltung entstammt ist, und die An
sorderungen, welche an ihn über die Er-
prdernisse des Verwaliungsgebietes bin
aus gestellt worden sind, waren riesenhaft
geworden. Kr war ein, der Tradition
und der Ueberzeugung nach, liberaler
Wann. Er hätte aber, wie die Wiener
.Neue Freie Presse' in diesen Tagen
stines Sturzes gesagt hat, wissen sollen,
' daß er sein eigenes Todesurteil unter
zeichnete, aß er des Kaisers Manifest lc
jsss des preußischen Wahlsystems gut,
hieß, weil es ihm an Energie und Kraft
gebrach, die nötigen Konsequenzen zu
ziehen, und weil er olle Fragen durch
Kompromisse zu schlichten versuchte. Tie
Zeit aber, welche die Neuorientierung
- der gesamten Weltlage vorbereitet
denn auch dieser ganze Große Krieg bc
deutet nur eine VorSercitung darf
k "t Kompromisse kennen und verlangt
Banner von festem Wollen und energi
sS,"ii Entschlusses. Solange die Si
Nation lediglich von der Kriezssrage
b. herrscht wurde, waren die Reden des
ReichskanzlerZ über die KriegZziele
Teutschland? und der ihm Verbündeten,
üb,r die Kciegskarte. welche den Aus
schlag für den Frieden geben müsse, über
." d'N VerkidigungSliiez. welcher Mittel
rnopa eusaezwungen. gut zu lesen. Denn
st wurden von den Tatsachen sousfliert
und von den Ereignissen vorgetragen. So-
' bN aber die Frag: der Kriegblage er
uiÄ wurde mit der innerpolitischen
sssttwiZwna. reichte die Vornehmheit
d,'5 Eharattcrs nicht aus und verblich
i.-t W.f3r.j der Zkdt.
&,Wii Liömsrcks, des Titanen
Utt Aliit'und Eisen, hat leine tiefe
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Tragik gehabt. Auch die. der Niesen
gestalt de ersten Kanzlers des Deut
schen Reiches gegenüber zum Pygmäen
zusammenschrumpfende Persönlichkeit
Vcthiiraim Hvllwegs ist bom düsteren
Schein der Tragik umdämmert, welche,
schon nach Lessing, da Mitleid der
Menschheit hervorruft. Der Tragik,
daß die Kraft dem Wollen nicht ent
sprach. Und daß Wollen und Kräfte
hineingestellt wurden in eine Zeit, deren
Schwere und Größe gegenüber weder
das Wollen noch das Können ausreichte.
Die Geschichte wird einmal, wohl erst
nach langer Zeit und auf Grund aller
dann dem Auge und Wissen offen lie-
genden Tatsachen und Umstände, das
abschließende Urteil Über die Persönlich
kcit und das Wirten des fünften Kanz
ler! des Teutschen Reiches fallen. In
den folgenden Ausführungen soll der
Versuch unternommen werden, in gro
ßen Zügen eine Tarstellung der Zeit
lauste, wclcke da Wirken Bethmann
Hollweas umschließen, zu geben und
den Blick auf die Entwicklungömöglich '
leiten, welche sich aus der heutigen Neu
Orientierung" ergeben, zu richten.
.
Es ist gesagt worden, daß auch der
Kronprinz des Deutsche Reiches und
von Preußen an dem Sturze Bethmann
Hollwegs gearbeitet habe. Es ist zur
Begründung dieser Ansicht auf die
Feindseligkeit, welche Kronprinz Wil
heim schon früher dem Reichskanzler ge
genllber bezeugt habe, hingewiesen wor
den, auf die denkwürdige Reichsrags
Sitzung vom 9. November 1911 und
die damalige Marokko-Rede des Reichs
kanzlers. Es erscheint notwendig, die
Erinnerung an jene Zeit wieder wach
zurufen; denn damals bereits waren die
Hände überall am Schwertknauf. Und
damals bereits galt Bethmann Hollweg
als abgetan. Der einzige, welcher dem
Kanzler im Verlauf der seiner Rede
folgenden Debatte beisprang, war der
Sozialistenführer Bebek. Den Höhe
Punkt der Diskussion bildete eine äußerst
scharfe Absage des konservativen Füh
rers von Hcydebrand, des .ungekrönten
Königs von Preußen". Der anwesende
Kronprinz begleitete die Ausführungen
des Kanzlers mit wiederholtem Kopf
schütteln, während er Heydebrands
Kraftstellen, besonders denen gegen Eng
land und Frankreich, durch Nicken und
Beifall möglichste Anerkennung zollte.
Mit offenem Beifall begrüßte der Kai
fersohn die Worte der Kritiker Unsere
friedlichen Beteuerungen werden- im
Ausland als Zeichen der Schwache an
gesehen" und Das deutsche Schwert
allein kann Teutschlands Prestige gc
währleisten." Halbamtlich wurde mit
geteilt, daß der Kronprinz vom Vater
wegen seines auffälligen Benehmens
eine Rüge erhalten habe. Im Ausland
sand die Rede des Reichskanzlers eine
verschiedene .Auffassung, aber Renö
Pinon, der Redakteur für die auswär
tige Politik an der Pariser .Revue des
Deux Mondes", schrieb damals: .Wir
sind entschiedene Friedensfreunde und
bringen der Festigkeit des Friedens
willens Wilhelms IL unsere Huldigung
dar. Wenn Kaiser Wilhelm in dieser
Festigkeit beharrt, wird die Geschichte
ihn einst den Jriedenskaiser nennen,
und das ist ein schöner .Titel."
Der Reichskanzler schien auch einen
großen Erfolg erzielt zu baden, denn
eine Rede des Premiers Äsquith im
britischen Unterhaus und eine zweite des
Schatzkanzlers Llovd George stießen das
bereits gelockerte Schwert wieder in die
Scheide zurück. Damals hat sich in
Bethmann Hollweg wohl die Idee ge
festigt, daß England sich einem even
tuellen Kriege fern halten werde. Dieser
Idee ist auch das Unglückswort Stück
Papier' entsprungen. Dieses Wort in
bezug auf Belgien ist in der Unterredung
am 4. August 1914 zwischen dem Reichs
kanzler und dem britischen Botschafter
in Berlin. Sir Edward Goschen, gefal
len. über welche das am 27. August der
öfsentlichte englische Weißbuch folgende
Darstellung des Botschafters gibt:
Ich fand den Reichskanzler sehr auf
geregt. Se. Erzellenz begann sofort mit
einer Anrede, die ungefähr 20 Minuten
dauerte. Er sagte, der von der britischen
Regierung beschlossene Schritt sei im
höchsten Grade schrecklich; nur um ein
Wort Neutralität", ein Wort, das in
Kriegszeiten so oft mißachtet worden
sei. nur mein Stück Papier sei
Großbritannien im Begriff. Krieg mit
einer verwandten Nation zu fuhren,
welche nichts besseres wünsche, als mit
ihr befreundet zu bleiben. Alle seine
Anstrengungen in dieser Richtung seien
durch diesen letzten schrecklichen Schritt
nutzlos geworden, eine Politik, für die
er sich, wie wisse, seit seinem Amtsan.
tritt eingesetzt häbe. sei zu Boden gefal
len wie ein Kartenhaus."
Das ist mit die Tragik des Geschicks
Bethmann Hollwegs, daß er erleben
muf.te. daß die gesamte Politik, für die
er sich seit feinem Amtsbcainn eingesetzt
hatte, die der Berslanvigung mn nz
land, zu Boden gefallen ist wie ein
Kartenhaus. Man bat ihm en Bor
wurf gemacht, daß er, rmmer noch in
der Idee einer Möglichkeit solcher Zver,
ständigung befangen, die militärische A5
tion Deutschlands um drei Tage zurücke
gehalten und durch diese Verzögerung
des Einmarsches in Belgien den Mißer
folg gegen Paris und den Rückzug von
der Marne verschuldet habe. Er selbst
hat diese Anschuldigung in seiner Rede
vom 5. Juni 1915 mit den bestigea
Worten zurückgewiesen: Meine Herren,
dicke Verständigungsverfuche ' was
haben denn die mit der Mobumamung
zu tun gehabt? Nichts! Gar nichts
Ach soll die Mobilmachung um drei
Tage verzögert haben. Weiß denn der
Mann, der , die Ankkge i?zn mich
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(5x Rcichökanzler von Bcthmauu Hollwcg.
schleudert, ich sei wegen Verzögerung der
Mobilmachung sckuld an Strömen de-
Bluts unseres Volkes. weiß denn die-
sei Mann nicht, vag mir wayreno oxa
drei Tage ficberhast gearbeitet haben
an einer Verständigung zwischen Oester-
reich-Ungarn und Rußland, dag lns-
sondere der Kaiier. dem nichts mehr am
Herzen lag, als seinem Volle den Frie
den zu erhalten, darüber in dieftn a
gen in unausgesetztem Tcpeschenoerkehr
mit dem Zaren stand i Und stelzt der
Mann nicht, daß. wenn wir diese drei
Tage früher die Mobilmachung erklärt
hätten, wir die Blutschuld auf uns ge
laden hätten, die Rußland auf sich
nahm, indem es währen der schweben
den Verhandlungen, die einen guten Er
folg versprachen, entgegen im heingen
uns gegebenen Versprechungen seiner
seits mobilisierte?!"
Es ist mit die Tragik Bethmann
Hollwegs, daß er immer noch auf einen
guten Ersolg der Verhandlungen gehozit
hatte, und daß auch diese Hoffnung auf
Rußland, wie feine Politik England ge
genüber. in den Strömen des Blutes, ixs
sen Vergießung er verhüten zu tonnen
glaubte, versunken ist. Er hat die Einsicht
in den logischen Zwang der geschichtlichen
Entwicklung, die den Krieg unvermeid
lich machte, nicht besessen. Er war da
mals noch sentimental. Er hat feine
Erkenntnis erweitern und seine Gefühle
maufern müssen. Dem Blatt Papier",
welches so oft in Kricgszciien mißachtet
worden sei. haben sich dann die ausge
fundenen Tokumenie über die Verband
lunzen zwischen britischen, französischen
und belgischen Persönlichkeiten, über
welche der Kanzler im August 1313
vor dem Reichstag Ausschluß gegeben
hat, entgegengestellt; das Wort war also
auch fachlich unbegründet gewesen.
Den Höhepunkt der Tragik des Ge
schicks Bethmann Hollwegs bildet aber
das eigene Zugeständnis der Unrichtigkeit
seiner gesamten Politik seit seinem
Amtsanlrilt. Dieses Zugeständnis ist
enthalten in der .Erklärung in seiner
Reichstagsrede vom 28. September 1016.
Damals sagte er: Darum ist
England der selbstsüchtigste, hartnäckigste
erbittertste Feind. Ein Staatsmann, der
sich scheute, gegen diesen Feind jedes
taugliche, den Krieg wirklich abkürzende
Mittel zu gebrauäzen, dieser Staats
mann verdiente gehängt zu werden."
Die Ansichten des Kanzlers sind fast
immer von den Tatsachen korrigiert wor
den. Er hat sich dem unbeschränkten
Unterfeckrieg bis zum Acußersten ent
gegengestemmt, und das Tauchboot ist,
nach deutscher Auffassung, zur entschei
denden Waffe morden.
Er hat durch die Erklärung, daß
Deutschland bereit sei, sich mit den Geg
nera an den Tisch der Beratung eines
ehrenvollen Friedens zusetzen, die Frie-
densstimmung wecken wellen uno ledig
lich die Begehrlichkeit auf der anderen
Seite hervorgerufen. Wieder einmal
wurden die Zugeständnisse Teutschlands,
wie zur Zeit der Marokko Krisis, als
Sckwacbe ausaelegt. Das .zriedenan
gebot erfolgte aus der Auffassung der
Verbündeten heraus, daß die dem Kriege
Defcnsivftellung befunden. Kein ehr
licher Beurteiler kann dirs leugnen,
Nickt im Schatten des preußischen Mi-
litarismus hat die Welt vor dem Kriege
gelebt, sondern im Sckaiten d Ein
kreisungspolitik. welche Teutschland nie
dernalten sollte. ' Gegen diese Politik,
mag sie diplomatisÄ als Einkreifungs-,
m täriseb als Aernichtungs Krieg,
wirtschaftlich als Welt-Boykott in die
Erickernuns treten, haben wir von an-
ihrerseits gesteckten Ziele erreicht seien
und die durch die Walle kt!bÜöSch
Kriegslage die Basis der Frikdenstxr
bandlunzcn bilden muffe. Die Ablch
nung der Alliierten gründete sich auf den
Äus'spruch. daß die jetzige' Kriegeiarte
ffuropas nicht mehr als eine unwcsenr.
liche und vorübergehende Phase der Lage
und nickt die wirtliche militärische
Sterke der Kriegführenden darstelle.
Bethmann Hollweg wollte den deut-
schen Krieg, politisch, aas die reine Bei
teidiauna festlege und geriet dave, in
eine Sackgasse. auZ welcher es schließlich I
1?intn OsitR'mfrt finh ' I
Er hat darnach gestrebt, die Äuden-
nung des Krieges auf neue a'-ir ZU
verbitten und den Eintritt auch der
Vereinigten Staaten von Amerika in den
Krieg erleben müssen.
Er bat. schlukli. veq onverzrie ,
den mit Rußland angestrebt und damit
lediglich erreicht, daß sich die iotwenvig
leit eines allgemeinen Friedens deutlich
herausgestellt hat.
.
Die Gesckichte wird einmal feststellen,
daß die Kriegsproklamation des Präsi-
denten Wilson vom 6. April l'JU Mii
der Festsetzung der Ziele des Eintritts
der Vereinigten Staaten von Amerika in
den Krieg als in der Richtung der Teino.
kratisierung gelegen die Verquickung der
Kriegsfrage mit der Resormsrage ,n
Teuiscdland wesentlich beschleunigt hat.
Wunsch und Wille des deutschen Volkes,
an der Bestimmung der eigenen w
schicke und der Regierung des Landes
einen ausgedehnteren Anteil zu erlangen,
bat sich in zwei verschiedenen Richtungen
geäußert: Das Volk will mitsprechen
bei der Festsetzung der Friedensbeding
ungen, und es verlangt die Reform des
preußischen Wahlrechts und die Mini-stcr-Verantwortlichkeit
im Reiche. Die
Mitarbeit an der Herbeiführung des
Friedens hat sich in der Beteiligung der
deutschen Sozialdemokraten durch Ab
ordnunaen der Majoritäts- und der
Minorität! Fraktion betätigi. Der
Mebiheitsblock der vom Volk in den
Reichstag gewählten Abgeordneten hat
in feiner. Friedens-Refolution feinen
Willen kundgetan. Die Beteiligung der
Sozialdemotraten an der Stockholmer
Konferenz war mit Wollen und Wissen
Bethmann Hollmegs' geschehen, und es
beißt, daß er auch der Resolution des
Reichstagsblocks nicht fcriH,estanden und
sich damit auf einen Frieden ohne An
nerionen und Indemnitäten festgelegt
hätte. Die Verquickung der Kriegesraae
mit der Rcformfrage ist einmal durch
die Feststellung der Jriedensbedingungen
und dann durch die Drohung, die Be
willigung der zur Fortführung des
Krieges nötigen Mittel zu verweigern,
falls die! Reform im Innern nicht
durchgeführt werden sollte herbeigeführt
worden. Die Bewegung zwecks Demo
kratisierung des innerpolitischen Lebens
in Deutschland ist nicht neu. sie hat in
dessen durch den Krieg einen neuen Im
petus erhalten. Den gleichen Pflichten,
welche dem Volke auferlegt sind, haben
sich die qleicbcn Opfer, welcke alle Kreise
in diesem Krieg dargebracht' haben, als
Begründung des Anspruck,s aus erweis
inte Rettle zugesellt.
Die TefensiLsiellung der Verbündelen
bat der Re,ck,s!an,ler in seiner Rede
vom 9. November 191? vor dem Reicbs
tag am dräananiesten festgestellt. Er
sagte damals: Deutschland ist jederzeit
bereit, sich einem Völkerbund onzu
schließen, ja. sich an die Spitze eines
Völkerbundes ,u stellen, der die Frie
densltörer im Zaume hält . . . Dem
aaaressioen Charakter der Entente ge
genüber tat sich der Dreibund stets in
fang an in der Zierteidigung gestanden,
, Tat deutM Volk jitt tiefen Kri,Z
als einen Vericidizungskrieg zur Siche
rung seines nationalen Daseins und sei
ner freien Fortentwickrlung. Niemals
ist anderes von uns behaupte!, niemals
anderes gewollt worden."
Hinsichtlich der Krieasziele Teutsch-
lands hat der Kanzler sich schon am 13.
August 131? ausgesprochen: . Neulich,
land muh sich seine Stellung so aus
bauen, sg festigen und stärken, daß den
anderen Mächten die Neigung vergeht.
wieder KnZreisunaspo!itil zu rnifcen,
Wir müssen zu unserem, wie zum Schutz
und Heil aller Volker die Freiheit der
Weltmeere erringen, nicht, um die Meere,
wie es England will, allein zu beherrschen,
sondern damit pe allen Völkern in glei
cker Weise dienstbar sein können." Das
aber war noch mcht ein reiner Verleitn
gungskrieg, sondern cs sollte mii der
Festigung der Stellung Deutschlands
und der Sicherung der Freiheit der Meere
Positives errungen werden. Der gleiche
Sinn spricht aus den Worten, welche der
Kanzler noch am 5. April 1916 im
Reichstag gesprockM daß Deutschland
zu feiner Verteidigung ausgezogen, aber
das, was gewesen, nicht mehr sei: Die
Geschichte ist mit ehernen Schritten vor
wartsaeaanqen, uno es gibt kein
ruck. Den stutu quo kennt noch so
ungeheuren Geschehnissen die Geschichte
nicht . . . Rußland darf nicht zum zwei
tenmal seine Heere an der ungeschützten
Grenze Ost- und WestpreußenS aufmar
febicren lcsscn. nicht noch einmal mit
französifck)em Gelde das Weichselland als
Einfallsior in das ungeschützte Deutsch
land einrichten. Und eben o. meine Her
ren.wird jemand glauben, daß wir die
m Westen setzten Lander, aus denen
das Blut des Volkes geflossen ist, ohne
völlige Sicherung für un ere Zukunft
preisgeben werden? Wir werden unS
reale Garantien dafür schaffen, daß Beb
gien nicht ein englisch-sranzösischer Va
sallenstaat, nicht militärisch und Wirt
schaftlich als Bollwerk gc
ausgebaut Wird. Auch
n Deutschland
ier gibt es ici
nen Btatns qno ante. Auch hier macht
das Schicksal keinen Schritt zurück."
Aber Bethmann Hollweg hat den Schritt
wieder rückwärts zum reinen Vertcidi
gungskriege gemacht. .
u BereHiigung Des Aniprua, oes
Volkes auf einen erhöhten Einfluß auf
die Geualtung der innerpolitischen Ver
Hältnisse unter der Erwägung der glei
cken Lastentraauna und Opfcrdarbrin
gung dieses Krieges hat der Kanzler
zu verschiedenen Malen anerkannt. So
bat er in seiner Rede vor dem Reichstag
vom 2. September 1ö13 gesagt: Freie
Bahn für alle Tuchtioen ist die Lo ung,
Die Regierung wird diese Losung vor
Urteils frei durchführen. Tann wird
unser Reich, fest gefügt, weil jeder Stein
und jeder Balken mit trägt und mit
stützt, einer gesunden Zukunft entgegen
cielvn. Tann iverden die Starken aus
allen Stirnden gern und freudig tcilr,eh
men on den Werken des Friedens, wie
liH am blutigen Kampf.
Die Rkucrieniierung, wie er sie sich
dachte, bat Bethmann Hollweg vor dem
preußischen Abgeordnetenhaus durch eine
Verschmelzung der Fragen des Kriegs
und der Reform mit folgenden Worten
anciciundet: Wir werden nach dem
Krieg vor die gewaltigsten Aufgaben
gestellt werden, die nur je einem Volk
beschieden sind, bor Ausgaben, die so ge
waltig sind, daß das ganze Volk in allen
seinen Schichten, daß jedermann aus
dem Volk mit Hand anlegen muß, wenn
wir uns überhaupt wieder herausarbeil
tnx wollen. Eine starke auswärtige
Politik, auch sie wird nach dem Kriege
notwendig sein, gegenüber unseren jxein
dkJ, tym. fr 5.MAÄU tttik
wollen mit großen Worten, mit Renom
Mieren, mit Sich-ink-Zeug'Legen, Ion
dem niit der inneren Stärke deß Volkes.
Diese äußere Politik können wir nur
treiben, wenn das staatliche, daZ vatcr
ländische Bewußtsein, das in diesem
Kriege doch in ganz neuen und un bis
her 'unbekannten Formen ,u wunder
barer Wirklichkeit geworden 'st, beide
halten und gestärkt wird. Eine solche
Politik der Stärke und eine solche innere
und äußere Politik können wir nur sllh
ren, wenn die politischen Rechte der Ge
samtheit dem Volke, in ollen seinen
Schichten und auch in seinen freuen
Massen, vollberechtigte und freudige
Mitwirkunz on der staatlichen Arbeit er
möglichen. Das erfordert unsere Zu
kunst. nicht um tcheoretischer Probleme
willen, sondern damit wir leben können."
In der gleichen Rede hak ver anzier
aber auch gesagt, daß die Wahlrechts
rekorm. die zweifellos zu schweren inne-
ren Kämpfen führen werde, picht zu
e"r Zeit in die Hand genommen wcr
den könne, da Deutschland noch vom
Feinde von außen berannt würde, weil
e in einer solchen Zeit innere Kmse
nicht ertragen könne. Da! tollten gcrave
die Herren bedenken, welche ganz radi-
kale Wünsche inbezug.auf da Wahlrecht
hätten. Auch die Neuorientierung sollte
also mit einem Kompromiß eingeleitet
werden.
Bethmann Hollweg hat sein Geschick
dadurch besiegelt, daß er nicht den Ent
scheidunaSwillen und die Entschlußkraft
bes'fsen hat. die nötigen, weil logischen
Konsequenzen cy allen den situatio
nen, vor welche der große Krieg ihn ge
stellt, zu ziehen.
Vrof. von Schmollcr hat m der ein
aangs erwähnten Besprechung Dr. vcn
Bethmann Hollweg einen JabiiiS 'j.un
tator genannt. Bei feinem Einzug in
das Rcichskanzlcrpalais in der Wilhelm
straßc am 14. Juli 1309, als Nachfolger
deS Fürsten Bülow. brachte er umfaf
sende staatsrechtliche , und siaatswisscn
schastliche Bildung, eine große Dienst-
erfahrung in der ilirrwaituna, uns u
hervorragendste Charaitereigenschnft vor
sichtiges, ernstes Abwägen VS: ollem
Handeln mit. Er entstammte der inne
ren Verwaltung, war Land'ct. Regie
rungspräsident, Obcrpräsident. Minister
des .Innern. Staats ckrciar oes :'ch?
amts des Innern gewesen und hatte in
allen Stellungen tüchtiges, zum Teil lr.
vorragendes geleistet. Die auswärtige
Politik überließ er zunächst feinem
Staatssekretär des Aeußera von Kidcr
len-Wächter. Er selbst war Fachmann
der inneren Politik und zum Gesetzgeber
geschaffen. Das große Arbe'terversick'e
rungsgcsetz, eine deutsche Großtat, ist
hauptsächlich sein Werk. Er war im
Grunde mehr Fachspezialift als Staate
mann. Er hatte kein rechtes Gehör, für
die Schwingungen der Volksseele, worin
sein Voraanqcr Bulow Mci ter war. uns
kein rechtes Verständnis für die Eigenart
der Volkspsyche. Ihm fehlte oft der
Maßstab für die Wirkung feiner Gesetz
entwürfe, und wie diese verstanden wur
den. Das machte sich besonders m seiner
Politik der Polenfrage und Elsaß
Lothringen gegenüber geltend. Mathias
Erzberger, welcher in diesen Tagen wie
der einmal zum Tchreckenskind des
Zentrums geworden ist, und früher
Jonathan der Partei genannt wurde,
bat Bethmann Hollweg einmal den
Philosophen am Thron geheißen.
Er hatte in seinen früheren Stellungen
als Minister des Innern und als
Staatssekretär die einander widerstreiten
den Ansichten auf die mittlere Kompro
mißlinie zu leiten gewußt uno oamit m
erster Linie auf dem Gebiet der Sozial
Politik, die weniger die Raschheit deS
Ent chlusseS als die Ausdauer des Wil
lens erfordert, große Erfolge erzielt. Er
war gemäßigt kon ervativ: schon als
Landrat hatte er die Zumutung, eine
Wahl zu beeinflussen mit den Worten
zurückgewiesen: .Ich bin Berwaltunas'
beamter und kein Wahlagent. Ich
diene nicht dem Parlament, den Juntern
so wenig wie Ihnen!" Mit dem Wort
in der Reickstagssitzung vom 3. Dezem
ber 1310 schien ein persönlicher Wille
und eine Persönlichkeit, welche tn erster
Linie nicht Intelligenz sondern Charakter
ist, zu sprechen. Aber da! preußische
Wahlgesetz Bethmann Hollwegs konnte
nicht zustande kommen, weil es zu Intel
ligent, zu gekünstelt, mit zu ungewohnten
Dingen verbrämt war.
Es hat mit die Tragik Bethmann
Hollwegs gebildet, daß die Parteien und
die öffentliche Meinung so oft feine Ab.
sichten nicht ersassen und sein Wollen
nicht verstehen konnten. Darum bat ihn
auch so oft die Unteistüchung, auf welche
er mit Sicherheit gerechnet hatte, im int
scheidenden Moment im Stich gelastei!
Die Neuorientierung da allgemeinen
Lage gegenüber ist in der Donnerstag-
rede de! neuen deutschen Reichskanzlers
vor dem Reichstag festgelegt worden
De besteht, den Ausführungen Tr. Ge,
org Michaelis' zufolge, in erster Linie da
rin, daß wieder eine reinliche Scheidung
zwischen der Kriegefrage und der Sie
formfrage stattfinden 'soll. Nicht durch
Erörterungen von Problemen, welche
mit diesem Kriege seiner Erstehung nach
nichts zu tun haben, nicht durch Förde
rungen. welche außerhalb der dem Krieg
gesteckten Siele liegen, soll der Frieden
berbeigesuhrt werden, der aeysoiger
BethmannHollmegZ stellt sich vielmehr
auf den strikten Standpunkt, daß nur
der Krieg zum Frieden führen könne.
Ter Krieg fall du anderen feeite die
li.r., fen. Vi4 vttfvriiiFiftrit
ncvnflcuyuiiy vvii vfc ..nuvi.at
Teutschlands und der mit ihm Verblln
beten und damit die Erkenntnis der Un
erreichbarkeit ihrer Nriegsziele oufzwin
gen. Deutschland habe, so hat Tr. Mi
chaelis ausgeführt, früher bereit ein
Friedensangebot gtmacht. und dieses ist
zurückgewiesen worden. Man muh zum
näheren Verständnis der Ablehnung sol
eben Angebots immer dessen eingedenk
bleiben, daß, wie in dieser Besprechung
weiter oben dargelegt worden ist. das
Angebot und die Ablehnung unter der
Berücksichtigung der militärischen Citua
tion. der Nrieqslage. usolgt X . Die ist
für Angebot und Ablehnung maßgebend
ewe en; sur das erstere ver cinirxi aus
. , ..'.. ..,. vi. nr..I-
i jttULKkaru, I cc imm t,.
fassung. daß diese Karte nur e!i,: tei
poräre und zufällige und darum die tat
sächliche Kriegsstärke der Parteictl nich'
feststellende sei. Indem nun der Reichs,
kanzlcr ausführt, daß Deutschland nach
der einmal erfolgten Ablehnung keine
Veranlassung habe, mit einem neuen
Angebot hervorzutreten, stellt er sich auf
de Standpunkt, daß der Krieg den für
den Frieden ausschlaggebenden Mktor
bilde. Unter diesem Gesichtspiinkt könn
ten die Verbündeten den Zeitpunkt ab-
warten, da die andere Partei in der Er
kenntnis von der Unbesiegbarkcit der
Verbündeten den Zeitpunkt für gckom
men erachle, chrerseits Mit Friedensange
boten der tatsächlichen jlriegslage ent
sprechend hervorzutreten.
Die Verbältnisse haben u der Neu
orienticrung geführt, aber nur der ZAcch
sel der Persönlichkeiten hat sie erwog.
licht. Der neue Relchc-kanzler ist nicht
mit Vergangenem und mit früheren
Festlegungen in Verbindung mit dem
Kriege belastet. Ihm kann nicht nach -gewiesen
werden, daß es gestern anders ,
zu lesen gewesen ist. Die Aufsastung,
daß der unbeschränkte Unterseebootkrieg
die Entscheidung bringen werde, ist nicht
von früheren Skrupeln und Zweifeln
angekränk.lt. Diese Feststellung ist eine
offene und uncingeichranne Darlegung
der deutschen Kriegpolitik.
Und doch bringt die Reuoriciitieruiig .
keine wesentlich neuen Elemente, welche ,
nicht schon im Programm Bethmann
Hollwegs enthalten gcwelen waren. Aas
bildet im Grunde die tiefste Tragik des ,
Geschicks des amtlich verflossenen Reichs
kanzlers. daß die Neuorientierung ihrer
Msentlichkeit nach an das. was auch er
gewollt, anknupst. Nur vag yeuie oie
Entschlußsähieikeit vorhanden ist, da
Wollen in die Tat umzusetzen. Die Kon-'
feguenzen sollen gezogen werde aus der
Kriegslage sowohl als auch aus ven
Verhältnissen im Innern, deren Ent
Wicklung durch den Krieg einen neuen
Impetus erhalten hat. Aber die Ver
quickung der beiden Fragen soll ausge-
schieden wenden.
Deutschland hat die Massen ergris
sen, um seine Freiheit und Unabhängig
keit und die Integrität seines Gebiets zü
verteidigen. Der Reichstag arbeitet siii
den Frieden, sür ein gegenseitig's Ver
ständnis und für eine vauernve Aucioy.
nung der Nationen. Durch Gewalt er.
zwungener Gebietserwerb und politische,
wirtschastliche und sinanzieue ergeiva,.
tiqung vertragen m nieizi einem ,ve- .
chen Frieden." So beißt es in ver litt.
solution der Blockparteien, welche in der
Donnerstag-Sitzunq des Reichstags mit
214 'gegen 11 Stimmen zur Annahm,
gelangt ist.
Der neue Reichslanzler hat sich zr
der Rksorinierung .des innerpolitisäus
Lebens Teutschlands, wie sie in de,
sogenannten Osterbotsckaft und in dem
Erlaß dem 11. Juli vom Kaiser v!"
langt ist, bekannt.
Die Botschaft im April lautete:
Die Resormierung des preußischen
Landtags und die freiheitliche Gestal
tunz unseres ganzen innerpolitischen
Lebens find meinem Herzen besonders
teuer. Vorbereitende Schritte behufs
Resormierung des Wahlgesetzes für das
preußische Abgeordiietenbaus sind auf
meine Weisung hin bereits bei Ausbruch
des Krieges getan worden. Ich beaus
trage Sie (den Reichskanzler), mir de
finitive Beschlüsse des Staaisministe
riums zu unterbreiten, sodah bei der
Rückkehr unserer Kroger dieses Werk,
tvelches'ein fundawentales für die in
ner: Auegestaltung Preußens werden
soll, zum Gesetz erhoben und zur Durch
führung gelangen kann. Angesichts der
gigantischen Taten des ganzen Volkes
ist meines Erachtens nach kein Raum
mehr für das Treittassen-Wahlsystem in
Preußen."
Diese Botschaft hat eine Ergänzunz
in der kaiserlichen Kabinettsorder vom
11. Juli gefunden, in welcher dem
Reichskanzler ausgegeben wurde, die
Wahlrechtzresorm''Vcr!aZe unverzüglich
auszuarbeiten.
Indem Tr. AZichaeliS sich diese Re
formpolitik zu eigen machte, hat er auch
alsbald die Konsequenzen gezogen und
seinen Standpunkt in dieser Richtung
präzisiert. Es beißt in der Rede: Ich
unterstütze natürlich den kaiserlichen
Erlaß betrefss der preußischen Wahlre
form. Ich betrachte es als vorteilhast ,
und notwendig, enge Beziehungen zwi
schen den großen Parteien und der Rc
gierung herbeizusühren, und ich werde,
soweit es, ohne den BundcschxraZter
oder die verfassungsmäßige Basis des
Reichs zu beeinträchtigen, mögljch ist,
olles ausbieten, dieses Zusammenwirken
enger ui?d wirksamer zu gestalten. Es
ist auch wünschenswert, Männer, welche
das Vertrauen der großen Parteien des
Reichstags genießen, zu führenden Re
aierunMellen zu ernennen. Dies alles,"
so heißt es dann weiter, ist natürlich
nur unter ver Bvraueievung nvgnu,
daß die cuideie Seite einsteht, daß daS
verfassungsgemäße Reckt der kaiserlichen
Regierung, unsere Politik zu leiten, nicht
beeinträchtigt werden darf. Ich bin nicht
willens, mir die Leitung der Staats
ongelegenheilen aus der Hand nehmen
zu lassen."
.Wir segeln durch eine wildwbgende
See," s hat der neue Reichskanzler sich
geäußert, in einem gefährlichen Fahr
Wasser, aber unser Ziel strahlt hell vor
unseren Augen."
Der Steuermann am Ruder des
Staatsschisfes auf so gefährlicher Fahrt
darf aber auch nicht rechis noch links
schauen. Nicht Vach Kompromissen silz
umscheg und sich die Entschlußsähigtut
weder durch Skrupel und Zweifel, noch
von einer fabinischen Zauderstrategie
antranken lassen. Dr. Georg Michaelis
werde, so heißt eZ, den mittleren jkurs
einschlagen. Aber es darf kein Zickzack
Kurs sein. Tr. Theobatt, von Beth
mann Hollweg will, praeul ne!?t!i,
sich dem Geschichtsstpdium widmen. Ter
neue Kurs der Geschichte führt auch in
eine neue Zukunft. Sie führt durch deri
Krieg über die Zukunft. Xai hat der
sechste Kanzler deS Deutschen Rchs be
griffen. Dementsprechend muß sich die
neue Orientierung einrichten.
, H. von Mllentljin.
I