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Seite 6-Tügltche Omalja Tribüne -Samstag, den 23. Juni 1917.
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Plan des ersten Stocks.
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Tie kleinen Marillen guckten ihm
verliebt nach, wenn er über die
Straße schlenderte in dem knappen,
l-lauon Rock mit dein schlvarzen Pio
nierkragen. Unter der breiten mit
iSommeriprossen übersäten Siirn
lachten ein Paar braune Augen un
bekümmert und lebensfroh in die
Äelt hinein und über die verliebten
Äarjellen hinaus. Und die Mütze
jag ihm schief auf dem rotblonden
!,!rauskops. ib'enner i,;e mit einein
teaen Schwung auf den Schädel
iiulpte, vergan er niemals, den
,,and nach lints Herabzuziehen. Tas
latte er von seinem Äekrutenleut,
nant gelenü, der ihn seinen besten
Soldaten nannte und sich nur dar
i:bcr wunderte, wie die Kameraden
i inen so fröhlichen i'icnjchc Piep
uurig" nennen könnten.
Pieplrurig erzählte gern von sei
i er weltabgelegenen klitsche dahii
tat in den litauischen ichemvall
ocrn. Meilenweit kein Tors, nicht
einmal ein litauisches, nur hier und
ein Waldwärterhau?, und mitten
dazwischen der einsame Hof. ilor
iehr als hundert fahren hatte sein
.lhnherr, em Salzburger kmigraut.
seit jungfräulichen Boden unter den
ljslug genommen. Sein ganzes ite
ben schlug sich der Alte mit den
j.einharten Baumstümpfen herum.
die er aus dem zähen Äalöbodcn
n.cht herauskriegen konnte.
Und so blieb die Klitsche lange
ahre hindurch ein slcimgcr Acker,
der keine hundertsaliige frucht brin
i'.en wollte.
Um so mehr kam Roienbergers
Hof bei den Gespenjleril des Forstes
in Ehren. Tie wenigen Teutschen
des ötreijes, Försier, Beaniie und
ttausleule, sanöen ihre letzte Ruhe
jiatte nieist auf denl deutschen Fried
i;uf des llcmen xlanostaDtchenv am
orörande des Forstes. Und das
litauische Tors im Süden der auge
Zehnten Eichenwaldungen nahm aus!
jeincm wonesaaer gastlich die li
iauizchen itnechte unö Arbeiter auf,
Die in ihrem Xeben bei den Förstern
und hauiieebeaniten gearbeitet hat,
len. llnd wie Iie tm Leben treu zu
e.nanoer geyailen, w tonnten ie
auch im itoöe nicht voneinander las
icit. n stür mischen Frühlingsnüch
len flogen die celen der Litauer
Liegen den Nordwind an zum deut
ichen Uirchhos, und ein andermal
ioteder kamen die Seelen der Aeut
)üea zu ic)iich auf den litauischen
o!te:aüer, und das sriedlube Ge
Host dcs Salzburgers bot ihnen auf
der uitle des Weges angenehm
jUw. xa ü';cii dann die Seelchen
uns dem yirik düZ .Kauzes oder guck
!ui aus den Luken heraus und war
leten, tis die Naä'.zügter ankamen,
llnd einmal, k e, zählte Pieptrurig,
war ein neugieriges titanisches
Seelchen über die steile Bodenleiter
herunlergelletterr bis in die Küche
und hatte stch an den halbverglim
iiienren Holzscheiten des Herdes ge
ivärmt. Als der Hahn zum ersten
il'cal t rühre, saß es noch in der ivar.
iüen Asche. Es war fejlgevaiiiit, und
bin ganzes Jahr lang stak cs in der
Herdmauer und piepte traurig,
wenn die Nacul kam und seine Ge
suhrten über das Tach himvegflo
gen, itein ivewreÄen und kein jau.
ber half. Erst als ein Mönch aus
dem Ermlande seinen kraftigen
Segen über das verbannte Seelchen
ausiprach, wurde es erlöst. Seitdem
nannte man den einsamen Hof in
der ganzen Umgegend Pieplrurig",
weil das arinc Seelchen Nacht für
acht in der Hcrdwand traurig ge
iiept hatte.
Als der große Weltkrieg ausbrach,
,?og Pieptrurig nut einer Landwehr
kvmpagnie zur russischen Grenze. Es
tanien die Rechte bei Eydtluhnen,
die Schlacht bei Gmnbinnen wurde
geschlagen, Tannenberg machte das
e'stprcunische Land frei, und wieder
mußte lich die Landwehrkompagnie
mit der ganzen Tivision an die Än
gerapp und die mafurischcn Seen
zurückstehen. Und mit zornigem
-chmerz horte der junge Lslprenne,
der inzwischen zum Unteroffizier be
fordert war, daß die Kosaken sen
kend und brennend seinen Heimat
scrst durchzogen und alle Häuser in
nerhalb seiner Bannmeile verwüstet
hatten. l seine Eltern noch lebten,
er wußte es nicht. Und er konnte Zei
ten jorn nicht mal an den mord
brennerischen Nüssen auslassen, denn
sie standen unbeweglich an der An
zerapplinie, um den Wassenplatz Lot
zu schuhen. Bis endlich ein Brief
zus Westpreußen von seinen Eltern
Zukam. Sie hatten sich glücklich ge
rettet und mit ihnen die treue alte
Nagd Emme, ober wo der Hans,
der Aappwallach, hingekommen war
und Lieschen, die Schiminelstute.
und die prächtige Rinderherde und
die stattlichen Schweine, das muß
'en sie nicht. Tas lohte, was sie
sahen und hörten, wÄen blutrote
Flammensaulen im Osten und grol
lender Kanonendonner, der immer
näher kam.
Endlich mußten die Russen doch
suZ Ostpreußen heraus. Tie Land
vehrkampagnte jagte mit ihrer Tt
Vision dicht hinter dem fliehenden
Feind her. Mit trockenen, brennen,
den Augen starrte Pieptrurig übe,
das fruchtbare Land hin, wo überall
die verwüsteten Mauern noch schwel,
ten, wo der Boden von den schweren
Granaten aufgewühlt war und dii
stolzen Bäume wie die Bauklöhe et
nes Kinderspiels über und neben,
einander lagen. An den Straßen la
gen die Tische und Schränke, die vo
den barbarischen Zerstörern zcrschla
gen nd auS den Häusern geworfen
waren. Tas alles ließ wenig Husf.
nung. daß noch von Rosenbergs Ho
ein tein auf dem anoern stano.
oder daß noch ein Stück der reichen
Herde übng war. Pieptrurig wai
nahe daran, seinen Namen wahr zu
machen. Aber er wollte doch nock
einmal den Hof seiner Ahnen wie
dersehen. Und als er von seinem
Kompagnieführer Urlaub bekommen,
stieg er auf sein Rad und fuhr im
schnellsten Tempo in feine Heimat.
Als, er die breite Waldschneije hin
unterfuhr, bekamen seine Auge
wieder ihr alles Leuchten. Hier hat.
ten die Granaten nicht gewütet. Ti
stelzen Eichen reckten ihre kahle
Zweige noch immer unversehrt in dii
klare Märzlust hinauf. Jetzt noch
einen Richlweg quer ditrd) die sun
gen Pflanzungen an der Ehaussee.
und hinter dein Waldriesen, am
Rande der Neuanlage, mußte schon
das .i.ach seines Hoseö hervorlugen
Pieptrurig sah wirklich traurig
drein, als er das Tach nicht meh,
erblicken konnte. Tie aschgrauen
Mauern schimmerten durch die Bü
sche hindurch. Also auch hier war de,
Russe gewesen und hatte sein Väter-
erbe kurz und klein geschlagen.
Pieptrurig schlich den schmalen Weg
entlang und spähte ängstlich nach sei-
:er cinnit aus. Er konnte noch
nichts erkennen, aber ein sonderba
res Murren schallte mit dem Wind
herüber. Nun klang es deutlicher.
und wie der klare Ostwind kräftiget
wehte, hörte er ganz genau das
Brüllen einer Kuh. das sich zuletzt
in den höchsten Tönen melodisch
überschlug. Sie wollen ihr Futtet
aben, war der erste Gedanke des
lungen Bauern, und der zweite'
wem mag die Kuh gehören?
Ta sah er auch schon daZ liebe
Tier, das seinen Hunger so musika
lisch zum Ausdruck gebracht hatte.
Aber das war doch seine schwarz,
bunte Sterke, und hinter ihr eine
zweite und eine dritte. Und was sür
strotzende Euler. und wie schier und
glänzend der breite, runde Rücken I
Tas Wohnhaus lag in Schult und
Asche, aber der Stall war kunstlos
mit einigen festen Planken überdeckt,
fnd in der großen Türe stand ein
Mädchen in rotem Rock, die blonden
Haare leuchteten in der Morgenson
ne, und sie sah gerade nach ihm her
über. Und jel-t hörte er auch das be
hagliche, gesättigte Grunzen der
Schweine, das Gackern der Hühner.
Ja, wer hatte seinen Hos verzau
bert? Und wer war das blonde
Mädchen?
Eine Stunde Zväter war Pieptni-
ng wieder der glucklichne Mensch
auf Erden. Seine zerschlissene, au!
gebleichte Feldmütze saß wieder
schief auf dem rotblonden Kraus-
top'. .ie braunen Augen lachten keck
in die Welt hinein. Und jetzt sah er
ncht über o:e ttramme Marjell hin
aus, die neben ihm ans der rohge
zimmerten Holzbank saß, die zerar
beiteten Hände ans dem Schoß inein
ander verschränkt, und die ihm von
der . schweren Zeit berichtete, in der
-,e den Schiibgci't des Hoses gespielt
baite. Pieptrurig kannte sie wohl,
die Trutschi von dem Waldiuärter
drüben über den Kaddikbreg weg.
Ter Vater lag als Landsturmmann
in Rußland, der Bruder als Rekrut
n Königsberg, und da die Mutter
seit. Jahren tot war, hielt sie nicht?
an dem kleinen Blockhaus, das von
den Russen ebenfalls verwüstet wor
den war. Sie versteckte sich im Wal-
de, und als die Russen mordend und
sengend weiter zogen, kehrte sie auf
den Hof Pieptrurig zurück und fand
oort m ihrer Herzenssreude das
Vieh des Nachbarn fast vollzählig
wieder. Und es glückte ihr in ncirnli
wer Verschollenheit, den Winter
über durchzuhalten.
Als Pieptrurig zu seiner Kompag
nie zurückkam, war er kriegöverlobt.
Und wieder ein Jahr später fuhr er
als junger Ehemann, mit einem
(Granatsplitter im linken Bein, auf
Urlaub zu seinem Hofe, um das
Wohnhaus neu zu zimmern, Möbel
und Gerät einzukaufen und für
seine blonde Trutschi und seinen
künstigen Junaen denn ein
Kriegsjnnge mußte ?S selbstverständ
lich sein ein behagliches Nest zu
bauen.
SSSLUM
assifie
You Should Read
25ic Reklame ist eine Notwendigkeit, weil
Leute jene Sorten Waren kaufen, von deneu sie
gehört oder gelesen haben, die sie kennen, und ihr
Geld nicht in unbekannten Sachen anlegen wol
len. Kein vernünftiger Mensch kauft, wie das
Sprichwort sagt, eiue Katze im Sack.
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