Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, June 23, 1917, Image 2

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Seeleute.
. Die Bundk?ttg'.crung hat den Beschluß
gefaßt, die Ossiziere und Mannschaften
der fcnsterten deutschen Handelsschiffe von
Elliö Island zu entfernen und nach ei
ntm Lager im Innern bei Landes zu
Uullu.' laset J.schlitK ist umlomcht
sreudig zu begriiften, als der künftige
Aufenthalisort" da deutschen Seeleute
ichk befiet gewählt werden könnte, denn
sie 'weiden nach einer Gegend kommen,
die von der Natur mit allen Reizen aus
pe stattet ist und ein unvergleicklich Herr
lncheS Klima besitzt. 'Mitten im Berg'
land der Appalacnian Mouiitains, des
südwestlichen AusZäufers der die Wasser
Meide zwischen Atlantischen Ozean und
Wispfsixxi bildend: Alleghanies. gelt
(ten, erstreckt sich der Lagergrund längs
der Linie der Coutizcrn Railway, die von
Ashevillc in Nor'h Cerolraa nach Ten
itefiec durch eine der lieblichsten und
tzleichiiig großartigsten Gegenden in
den 38. Staaten fuhrt. Welliges Hü
gelland in einer diirchscinitttichen SKet
rri-hblie don 2000 Fuß ist bestanden mit
schönen Fichten- und Kicfcrwäldern,
zwischen denen saftige Wiesen und Wei
den sich hinziehen. Nach allen Seiten hin
VI die Landschaft vcn hoben Bergen ein
acsäumt.. Im Süden und Osten ziehen
. Ji die Blue Ridge Mountains hin, vom
': ?en winken die Bergriesen der Blact
Mountains ins Tal herab, deren etroal
,t astet, der Mount Mitckell. mit seinen
711. Fuß höher in die Lüste strebt, als
Zrezend ein anderer Berg östlich der Rcckq
. Mountains. Und nach dem Westen zu
schließen die Pisgah Berge und wie die
Berge alle heißen mögen, das Gcbirgs
Panorama ab, das seines gleichen in die
se?n Teil Amerikas nicht bat.
Man nennt den westlichsten Teil des
Staates North Carolina und die an
schließenden Grenzgebiete der Staaten,
2enncsse5' Georgia und South Carolina
.Land of the Sky", das Land des Him
mcls", weil es dem Himmel näher liegt
's anderes auf tausend Meilen im Um
kreis, und weil dieser südliche Himmel
Veniger launisch ist, als sein nördlicher
Bruder und viel lieber lacht, als weint.
Und dieses Land des Himmels, oder sa
gen wir lieber: dieses vom Himmel reich
merfrffcht. und im Herbst und' Winter
wird d Kegend von Sponseren über
schwemmt, denn schönere Golsgrounds
und Spielplätze, als um Asbeville hc
rum. aibt es in der ganzen Welt nicht.
Ueberflüssig zu sagen, daß es in der öe
gend von Prachthoteis und vornehmen
Klubbäusern ebenso wimmelt, wie von
bescheidenen Sporthüiten und Villen in
dichten Wäldern und auf bochraaenden
Wipfeln. Das Land des Himmels' ist
ein Paradies, und Jeder ist zu beneiden,
dem vergönnt ist, es zu bewohnen.
Die landeinscissiae Bevölkerung bildet
einen Schlag für sich, noch dazu einen
kuriosen Menschenschlag. Im Apxala
chian-Gebirge hausen die Mountaineers
des Südens, ein eigenartiges Böllcken,
das siev vor ollem durch seinen unban
digen Freiheitsdrang, sein Unabhängig
keitögesübl und seinen geringen Respekt
vor der bohen Obrigkeit auszeichnet. Tie
Schuloerbältnine liegen sehr im Argen,
und die Aabl der Illiteratcn unter den
Weißen ist beute noch erschreckend groß.
Wenn die wilden Gesellen ihre Landes
Produkte auf den Markt nach Asheville
bringen, meint man schier, man hat
Leute aus den Abbruzzen vor sich.
Schlanke, sehnige, braungebrannte 0k
sellen mit martialischen Schnurrbärten
im schurfgeschnittenen Gesicht, mit dich
tem Tedwarzhsar unter dem weitkräm
pigen Schlapphut stehen sie pseifenrau
ebend und priemchenkauend neben ihrer
Ware und verhandeln mit dem Käufer,
als erwiesen sie ihm eine Gnade, daß sie
sich mit dem Stadtsrack überhaupt ab
geben. Man hat das Gefühl, daß man
solchem Kerl an abgelegener Stelle und
allein lieber nicht begegnen mochte. Aber
sie sind chrlieh. liefmahle bilden in den
Gerieten selten den Gegenstand der Per
Handlung, umsomehr ober Gewalttaten,
Totslag, Angriff und Blntraebe.
denn ffamilienfehden sind in dieser in
teressanten Gegend auf der Tagesord
nung, und das im Griff feste Messer
spielt immer noch eine große Rolle. .Tas
däusigste Delikt auf dem Gerichtskalend-r
ist aber das unerlaubte Schnapsbrenncn
und Bierbrauen, das Onkel Sam dem
Bergvölkchen nie wird abgewöhnen kön-
Die Lage in Hefterreich.
von einem Oesterreichs? in Amerika.
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M.'H?- v s K ' - JMH t,.w Vfei
Tas Mountam Park Hotel, Hot Springs, N. C.
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begnadete Land hat ein geradezu löst
Ziches Klima. Der hohen Lage wegen
wird es nie unerträglich heiß, und der
milde Süden ist nadegerückt genug, um
keine bittere Winterüilte aufkommen zu
lassen. In Asheville beispielsweise ist die
Durchschnittstemperatur im Frühling
54.3, im Sommer 71.3, im Herbst 55.3
und im Winter 37.2 Grad Fshrenheit.
Nicht einmal steigt das Thermometer im
Heißesten Sommer auf 90 Grad, und
sehr selten ist es im Winter unbehaglich
a!t, da die Luft außerordentlich trocken
ist. Hie und da fällt Schnee, aber er
hält sich in den Tälern nur einige Stun
deg und selbst auf den höchsten Berg
spitzen ist seine Lübensdauer nur auf
. wenige Tage bemessen. Eine Regenzeit,
knie sie sonst in südlichen Himmels
strichen üblich ist, kennt man' nicht. Es
fällt zwar im Sommer etwas mehr Re-
. en, aber er verursacht wenig Unan
nehmlichkeiten und ist hochwillkommen
als Befruchtet des Erdreichs. Durch
fchniitiich fallen im Frühjahr 10.1, im
Sommer 13.5, im Herbst 7.1 und im
Winter 9.5 Zoll Regen.
- Das Klima ist so gesund, wie man
ks sich nur wünschen kann. , Nach einer
ung vorliegenden Stcüisiik erlagen der
Schwindsucht don je IM gestorbenen
Personen: in den nördlichen Neu-Eng
land-Ätaaien nahezu M, m Minnesota
uns California 150, in Kentuety und
Tenmssee 199, im westlichen North Ca
wlina nur 30. Ist es zu verwundern.
daß Asheville und seine Umgebung sich
zu klimatischen Kurorten berausgebildet
haben, die alljährlich von Tausenden an
seftwachen Lungen oder an Bronchial
Affcktionkn Leidenden aufgesucht wer
den, daß die Aerzte im Osten Jedem,
der .schwach auf der Brust ist", drin
cd raten, das Land of the S!?" zu
längerem Aufenthalt aufzusuchen? Der
Verfasser dieses 'Aufsatzes spricht aus
Erfahrung. Mit einem durch jahrelange
Vernachlässigung chronisch gewordenen,
naÄ einer heftigen BronchitiS in ein ge
faßliches Stadium eingetretenen Bron
. chialkatanh behastet, wurde er von sei
N'tn Arzt nach Asheville geschickt. Zünf
Wochen lang atmete er die würzige
Höhenluft, trank er das unvergleichlich
g, fünde und wohlschmeckende Kebirgs
Wasser (Stärkeres gibt es im Prohibi
r'oncstaate nicht, es sei denn, man weiß
L-.kcheid) und machte in der etwas trneke
litten, aber idealschönen Gegend fleißig
vnd mit Ausbauet lange Epaziergänge,
und als er wieder nach New Fork zurück
kehrte, war der Bronchialkatarrh der
' f runden, um nicht wieder wenig
stens bis jetzt, und es sind schon fünf
rl"tt her sich einzustellen. Das
wilde, nzemhmk Küm !oft die SW
ci l ' Landes im nach
'''f'-'tlue, ?g sie d Nachkur ke? Win
!-:, !t in Paim ?ck . s. w. durch
TTtn. T?mm kcntmrg die Leute,
" e e) !? in. w'j i'n. Ut'?r!a,
Utm Orleans eii. scheuen, in die Sozi
nen. mag er noch so drakonisch strafen.
Die Mondscheinbrennerei floriert im
ganzen Appalachian-Gebirge zwischen
Pennsylvania und North Carolina trotz
schärfster Ueberwochung durch die Bun
desbehörden Der lßibirgler läßt sich
seinen Mountain-Tew" nicht verküm
mern und braut sich, allen Prohibition
und Jnlandsttuergesetzen zum Trotz, sein
Bier für den Hausgebrauch, ein Bier
freilich, dem nur der ausgepichte Magen
eines Mountaineers Geschmaek abgewin
neu kann. Sich feinen Bedarf an alko
holisebcn Getränken selbst herzustellen,
betrachtet der Gebirgler als sein gutes
Recht, das ihm Niemand nehmen darf,
als einen Teil der ihm garantierten
Freiheit, und wer ihm dieses Recht, diese
Freiheit streitig macht, den betrachtet er
,a!s seinen erbittertsten Feind, gegen den
er sich, im Notfälle mit Messer und Pi
siole, verteidigen, darf und muß.. Diese
ursprüngliche und urwüchsige .Rechtsan
schallung. teilt der Mountaineer unseres
Südens mit dem Aelpler Tirols und
Oberbayerns, dem es auch nicht in den
Kopf eingehen will, daß ihm Jemand den
Abschuß von Gemse und Nehböäen un
tersage darf. ''Der Herrgott hat doch
die Rehe und Gemsen unft Hirsche für
Alle geschafsut, lautat seine Logik, und
der Gebirgler im Süden- vermag , nach
derselben Logik niebt einzusehen, warum
es nicht erlaubt fein soll, die Fels
fruchte, die der Herrgott für Alle wachsen
läßt, in eine alkoholische Form üderzu
führen. 'Der Prozentsatz der Neger ist
im westlichen North Carolina gering.
Die Wenigen, die in Städten und große
ren Ortschaften abgeschieden von den
Wohnsitzen der Weißen in eigenen Kolo
nien Haufen und mit dem Glockenschlag
feebs aus der Weißcnstadt verschwinden
müssen, sind gut gezogen uns frei von
der Frechheit 'im Benehmen, die man
beim Farbiaen des Nordens nur zu hau
l antrifft." In .Land of the Sfn" gibt
es noch einige Indianerreservationen. Die
Nothäute gehören zum Stamm der Ehe
rokees und kommen mit ihren Nachbarn
wenig in Berührung. Von den Weißen
wurde der westliche Zwickel des Staats
erst vor etwa hundert Jahren besiedelt.
Asheville war noch im Jahre 1$32 ein
exponierter Posten, eine sogenannte
trading staiion', wo Bleichgesicht und
Rothaut Tauschhandel trieben. Erst im
Jahre 1833 wurde es uni t dem Namen
Morrietown als Ortschaft inkorporiert.
Tie Bergbewohner stammen vielfach don
Leuten ab. die sich vor der rückenden
Staatsgewalt in der schützenden Berg
welt zu verbergen alle Veranlassung hat
ien. Daher wohl ihre Wildheit. Hist'
lisch interessant ist die Tatsache, daß un
ter der eingesessenen Bevölkerung North
Carrlinas ein beträchtlicher Prczentsag
d'ntscher Abstammung ist, und daß die
ersten Ansiedler des Staates Teuisebe
aus d'r Schweiz und der RkeinZegevd
waren, - - - ' ;
Die Dundesrezierung lt sich endgül
Für einen außenstehenden Oesterrei
chcr. der während deS Krieges die Hei
ntat nicht sah. ist es schwer, von hier
aus ei Urteil über die mögliche Ent
Wickelung der Dinge drüben 'im Vater
land sich zu bilden.'
Die Frage, wie der Krieg auf die
Psyche eines Voltes allein gewirkt hat,
ist an sich schwer auszudenken. um wie
viel schwerer aber ist es, herauszufinden,
und zwar auf dem Wege der Ueberlegung.
wie er auf die Psyche der verschiedenen
Völker gewirkt hat, die jenen Kaiserstaat
bewohnen. Dinge, die dem seiner Heimat
nickt fremd Gewordenen und mit den
Verhältnissen Vertrauten liiert auf der
Hand liegen mögen, kann der Fern
stehende nur mit großer Mühe sich vor
stellen. Und da ist er beständigen Irr
tümern unterworfen. Denn die Bericht
erftattung über Oesterreich war eine
karge wälmnd der ganzen Zeit, 'auch
dann selb't. als das Hinüber und Her
übe'r d;r Post noch stattfand. Seitdem
das aus ist, weiß man nichts. Mir wäre
cä interessant zu erseihren. ob der Schrei
ber des Sonntagsartttr'.s in der Staats
zeitung vom 3 Juni sDas neue Habs
buraer Reich) über Oesterreich besser un
terriebtet iü als ich. Das würoe mir
helfen, Schlüsse zu ziehen, ob der Autor
recht hat oder nicht.
Seinen Ausführungen entnehme ich
indessen, daß man drüben die Parlament
lose Zeit nicht benützt hat, um gewisse
brennende Fragen der öttrreichischen in
neren Politik auf dem W'ene der kaiser
lichen Verordnungen zu lösen. l?s heißt
in dem Aufsatz, daß das Ministerium
unbelastet", lso gewissermaßen un
schuldsrein toi das Parlament treten
wollte und diesem es überläßt, auf dem
Wege der Vtiständiaung Fragen zu
losen, die bor dem Kruge uiüösbar
schienen. Die Regierung meint also, sie
sind jetzt lösbar geworden. Eine Ver
ständigung wäre möglich. Warum?
frage ich mich. Vielleicht wegen 'Ibwe,
senheit jener staatsfeindlichen Elemente,
also vor allem Dr. Kramarz, Klosac
und anderer, die Znfolg. ihrer (milde ge
sag!) Verfehlungen gegen tai Staat-
intetesse während des Krieges hinter
Schloß und Riegel gekommen sind, wo
hin sie ja längst gehörten. Das wäre
wokl ein Grund. Denn Kramarz ha!
durch Jahre, man kann sagen, durch
Jahrzehnte, das österreichische Paria
.ment weder zur Ruhe, noch zur Arbeit
kommen lassen. Und das Beispiel, das
er gab. wirkte ansteckend auf die anderen
slavischen Parteien. Das wäre ein Grund
und man könnte hoffen. Da steht aber
eine Nachricht im Wege, die durch die
hiesigen Zeitungen ging. Die Nachricht
nämlich, daß die slavischen Parteien
(Nord und Süd, ausschließlich der Po
Ien), darauf dringen wollen, daß Oestcr
reich in einen Staat der Königreiche und
Länder zerlegt wird. Der Kundige weiß,
was das bedeutet. Es bedeutet vor
allem Herstellung des fiaalsrechtlichen
Königreiches Böhmen, die Ernennung
der Tschechen zum Stactsdolk in diesem
Königreiche, die Erklärung der tschechi
schen Sprache zur Staatssprache Ebenso
wollen es die Südslaven haben. Her
stellung eines Cüdslavenstaates, Jlly
rien, so gebildet, daß Slovenen, Crcaten,
Serben seine Mitglieder weiden. Man
denkt also dvran, auch jene südsladischen
Landesteile einzubeziehen, die beule noch
zu Ungarn gehören. Das würde von
vornherein auf siaatsrecht!icke Schwierig
Zeiten stoßen, denn die Ungarn werden
kaum auf so etwas eingehen. Außerdem
besteht die, Gefahr, daß das neugebildete
Königreich Böhmen, die slovakiscben
Länder Ungarns sich angliedern möchte.
Ungarn würde dann im Norden und
im Süden arg zugestutzt. Die Magyaren
tverden nicht daraus eingehen. Geschieht
dns aber nicht, so bleibt den Besirebun
gen der neugebildeten Staaten Raunt
für politische Unrast und Intrigue, und
tig entschlossen, die deutschen Seeleute in
Hot Sprinos unterzubringen und ihnen
das für einen jährlichen Pachtzins von
$18,000 gemietete Mountain Park Hotel
als vorläufiges Quartier anzuweisen.
Eine Abteilung der Leute ist bereits als
Quartiermacher abgegangen. Da das
Hotel nur 200 Zimmer enthält und fce
stensalls höchstens 600 Mann beherber
gen kann, ist der Bau von Baracken in
der Nähe des HotelZ in Aussicht gnom
wen, welche die Leute selber errichten
sollen. Man hofft auf solche Weise ,
'ttaum für W) Internierte z teichct
fen. Tos Hotel ist ein in jeder Beziehung
modern eingeiichtet-r Bau mit all dem
Luzus, den der rcicke Amerikaner for
bett. Es liegt inmitten eines Privat
Parks von 100 Acres Umfang und ver
fügt über einen Golfplatz Wana Luna
Golf Course genannt , der zu den
schönsten in Amerika gezählt wird. Auch
Tennisplätze, Schwimmbassins u. dgl.
sind vorhanden.
Hot Springs liegt in Madison
County, North Carolina. 3? Meilen
nordwestlich don Asheville am Solis
bury. Asheville- und Meniphis-Zweig
der Southern Railivay am French Broad
River. Bis zur Grenze des Staates
Tennessee sind es nur 6 Meilen. Tie
Ortschaft sillist ist auf eine IM Acres
große Ebene hingebaut, das Hot SpringS
Plateau genannt, aber rings herum er
beben sich Hügel und im Hintergrund
Berge, die das Plateau um 2000" und
rnebr Fuß überragen. Hot Sprinas
selbst bat eine Meereshöhe von' 132
Fuß. Sein heißen Quellen, die allenthal
den zu finden sind, haben eine Tempera
tur von 6110 Grad Jahrenheit und
werden jährlich von Tausenden ansäe
sucht. Die Umgebung ist wunderschön,
das Klima läßt nichts zu wünschen
übrig, und dn deutschen Seeleuten k.ätte
man itfliffe'keinen gesünderen, an land
ftastlieb-s! Reizen reicheren Aufenthalts
ort zuweisen können, als Hot Springs.
wie ich diese meine LandZleutc kenne, sie
werden es daran nicht mangeln lassen.
Nun aber don den Deutschen in Böh
men und Mähren. Denn Mähren wird
a immer von den Tsibeehen als Teil von
Böhmen gefordert. Die Teutschen sol
len den tschechischen Herren sich in diesen
Landn unterordnen. Sie hätten die
tschec, 'ck,e Staatsfpraebe anzunehmen.
Weu,:i sie es tun? Sie taten es vor
dem Kriege nicht, sie werden eS weniger
jetzt tun. da deS Deutschtums Macht sich
im Kriege so gewaltig gezeigt hat. Die
Tschechen werden aber vielleicht Konzes
sionen machen. Sie sprachen ja frütier
schon von einem weißen Blat,, ,dos sie
den Deutschen zur Ausfüllung iiber
lassen wollen, im vorhinein bewilligt,
wenn diese nur zustimme, daß das
einige und ungeteilte Königreich Aoh
wen' gegründet wird. Werden die
Teutschen den Tscheche,, trauen .' Ja.
können sie es auch nur,' Hat sich niift
gerade während dieses Ziricgcs die große
Gefahr erwiesen, die ein organisiertes
slavisches Gemeinwesen im veutfcben
Leibe für das gesamte Deutschtum in
sich schließt?
Der Teutsche ist ja gemeinhin ver
trauensselig. wenn er sich an den Bera
tungstifch seht. Er nimmt die bona
fidel des Mitberaters gerne vorweg,
selbst wenn dieser ein Gegner, ja selbst
ein Feind ist. Er Hai damit sebr oft
Enttäuschungen erlebt. Nach den Ersah
rungen dieses Krieges kann er es auf
neue Enttäuschungen nicht ankommen
la"en. Selbst wenn die Zweiteilung
Böhmens nach nationalen Distrikten von
den Tschechen angenommen wird, selbst
dann kann das österreichische Deutschtum
aus ein staatsrechtlich sonvergestelltes
Königreich Böhmen nicht eingehen. Ich
febe da keinen Weg der Bcrktödigura.
Aus dem Wege der Verl'sndlunacn von
Bok! zu Volk' nicht. Bliebe der Paria
mentarifche Weg. also Majoritätsbe
sck.lutz, dem sich der Urteilt ne zu fliacn
hatte.
Dazu aber muß es Möglichkeiten des
Sichtügrns geben. Ich sehe keine solche
von deutscher Seil
,,e
Deutschen
tonnen keinen Parlamentsbeschluß an.
nehmen, der gegen sie entscheidet. Tann
also Obstruktion von Kutschet Seite.
Und Obstruktion von tschechischer Seile
ist nur zu gewiß, wenn der Beschluß gc
gen sie auszufallen droht. Wir stehen
also vor dem alten Spiel, wenn die Ge
fcdästkordmittg das zuläßt. Die Ge
Zchafisordnnnq wurde in der pgr'a-neent-losen
Zeit nicht geändert. Alle
Möglichkeiten der Obstruktion bestehen
nach wie dor. In deutschen, nicht parla
mkntariscken Kreisen stand es vor dem
Kriege fest, daß die" Geschäftsordnung;:
frage sich nur im Wege des Octroi wird
losen lassen. Man sehnte eine Regte
rung hetbti. willens und stark genug,
um den Obftrultion'n einen Riegel vor
zuschieben. Natürlich Machten die Deut
sehen mit dem Riegel an die tschechische
Obstruktion, die Tschechen dachten an die
deutsche. Während der Regierung des
verstorbenen Kaisers war Hoffnung für
die Tschechen, daß sie keine Ursache zu
obstruieren habet würden, wenn die 0e
schäftsordnung Obstruktion nicht mehr
zuläßt. Denn damals wurden sie unter
allen Umständen b. günstig!. Und es
gab slavische Parteien, die für diesen
Fall mit grimmigem Behagen für die
Teutschen bereite, ihr Messer wetzten.
Unker dem jetzign Kaiser werden sie
kaum so sicher sein. Und so bat eine
Geschäftsordnung, die gegen Obstruk
tion gerichtet ist. kaum die Möglichkeit'
parlamentarischer Zustimmung. Keine
der beiden Parteien wird dieses aller
letzte Kampfmittel sich aus den Händen
winden lassen. Die Unbestimmtheit d
parlamentarischen Geschäftssprache ist
aber ein Obstruklionsmittel. Und in
dieser Richtung hat ebenso das Mini
sterium während der parlamenislosen
Zeit nichts vorgesehen. Daß die deut
sche Geschäflssprache oder gar Staats
spräche jetzt von dem guten Willen der
Parteien angenommen werden wird, ist
kaum vorauszusehen. Also Weiterwur
stein". So wie bisher. (Diesen unpar
lamentaristben Ausdruck hat weitund
Graf Tanffe in den Ctr,'gebrauch
eingeführt. Man Hai feilb-.n keinen
besseren für den Zustand gesunden, der
sich unter der Herrschaft der nationalen
Gegensätze irt Oesterreich eingebürgert
hat)
Aus der Vogelperspektive bclraebtei,
macht die Sache einen traurigen Ein
druck. Sollten irllich die Völker
Oesterreichs übers: he haben, daß dieser
Krieg eine neue Epoche der Weltgeschichte
eingeleitet hat.' Das kann man doch
gar nicht glauben. Nach dem Kriege
muh ander gerechnet werden. Tla.
wir? alle nnitutionen auf ihren utne
ren Wert prüfen. Ob man flugs mit
ihnen abrechnen wird ode: auf dem
Wege langsamer Krisen, das hängt von
der Trefflichkeit und auch von der Be
stimmtheit der zur Macht berufenen
Personen in erster Linie ab. Daß es
treffliche und auch energische Persönlich
leiten in Oesterreich gibt, daran kann
man nicht zweifeln. Aber es scheint,
man hat sie noch nicht herausgefunden.
Man wird sie finden müssen. Und
wenn sie nicht bals gefunden werden, so
wird sich das öffentlich! Bewußtsein ge
waltsam Naum bahnen. Und wird sie
finden. Ruhige Entwickelung nach sich?
ien und brauchbaren Zielen oder revo
lutionäres Torkeln durch die Wcltge
schichte so sieht die Sache heute. We
der Staaten noch bürgerliche Einrich
tungen können hoffen, daß ihre Unooll
kommenheiten übersehen und noch wei
ter geduldet werden.
Ich lese in dem österreichischen Auf
satze di Staqjzzkitung, daß der Krieg
die Ueberz'ugllnei von der Notwendig
Zeit der parlamentarischen Einrichtung
gen verstärkt Hot.' Ich kann mir bei
nicht vorstellen. Warum soll der Krieg
diesen Effekt gehabt haben? Parlamen
tarische Einrichtungen waren vor dem
Kriege in allen Ländern, die heute Krieg
führen und doch ist der Krieg entsinn
den. Die Völket werden dielleicht nicht
im Einzelnen, sie werden aber in gro
ßen Zügen richten. Sie werden sagen:
,der Staat wurde parlamentarisch re
giert, als der Krieg entstand. Dieser
Krieg ist das größte aller Uebel, das die
Welt jemals gesehen hat. Die Jnslitu
tionen haben ihren Anteil daran und
wenn der Anteil selbst nur 'klein wäre,
die Institutionen sind schlecht. Sie ha
den sich nicht bewährt. Fort mit ihnen.'
Der Anteil der Parlamente an diesem
Kriege ist aber nicht klein, er ist sehr
groß. Das österreichische Parlament
z. B. hat dem lauernden Ausland ge
zeig!, daß dieser Staat uneinig ist, daß
feine Völker sich hassen. Beim ersten
Ansturm fällt er auseinander." so sag
ten die Englanoer. so die Russen. Der
deutsche R.iekiitag hat dasselbe getan.
G.legentlich der Zabernaffare stand er
der großen Mehrheit nach auf der Seite
der Staatsseindc, gegen die eigene Re
gierung. gegen das eigene Volk-Heer.
Er hat falsche Hoffnungen im Aus
lande erweckt. Man hätte es nicht
gewagt, das einige und patriotische
Deutschland zu bekriegen. Uneinig,
unpatriolisch zeigte es sich im Bilde
dez Reichitagö. Wie war es in
England? Auch dort das Parlament.
.Der höchste Richter in politicis." sagte
man, Kein Krieg ohne Parlaments
zustimmung." Wohl. Tos Parlament
hat zugestimmt, aber es war hinter's
Licht geführt worden. Es wußte nichts
vom wahren Stande der Dinge: Heute
weih es das immer noch nicht. Was
soll also das Parlament, wenn wenige
Leute es h'niers' Licht sühren können?
Ist iit nicht eine faule Institution?
Ein Selbstherrscher konnte auch solchen
Krieg beginnen. 'Allein verantwortlich
Nürde er es aber nickt gewagt baden.
Das Parlament bietet ihm die Bedeck
ui!g. Auch in Rußland tat es dos, so
wenig tat dort bestehende Parlament
daraus Anspruch hatte, ernst genommen
zu werden.
Schon die einfache Tatsache, daß ein
Parlament besteht, macht die Spitzen
kühner. Ebenso wie ks einen Schrift
steller kühner macht, wenn er unter der
Tecke der Zeitung, also anonym, schrei
len kann.
In Frankreich war es genau so. Eine
Republik. Aber die Demokratie war
eine Phrase. Niet'! der Demos hcrrshk.
sondern die, die ihn führen. Die Iüh
rung des Demos wird desto unbeding
ter, je mehr Wähler beim Wahlgeschäft
mitwirken. Denn je breittr das Piede
stal, aus dem der Führer steh!, desto
sicherer fühlt er sich plaeiert. Und desto
weniger wird man wagen, seine Stc!
lang anzugreifen. Tas fühlt jeder, der
oben ist und benimmt sich darnach. So
ging es in Frankreich. Wenige Män
ner haben den Krieg vorbereitet und in
die Wege geüitei. Sie haben nieman
den gefragt, als sie die verhängnisvollen
Gehkimvertröge schlössen, die notwendig
zum Kriege führen mußten. Das Volk
war blind, es hatte keine Ahnung.
Je breiter die Grundlage in der Wälz
lerschafi, desto einflußloser merven die
Guten, die Weisen, die Wohlwollenden.
Diese letztere Sorte Menschen ist unter
allen Nationen eine kleine Minderheit.
Niemals wird die beim allgemeinen glei
chen Wahlrecht ihre Kandidaten durch
bring'n. Das allgemeine gleiche Wahl
recht hat also den Einfluß derjenigen
vernichtet, die man bei den Haaren her
beiziehen müßte, damit sie dem Staate
ihre Kräfte widmen. Man hat den
Einfluß der Demagogen eingesetzt an
ihrer Stelle. Den Einfluß der Eigen
nützigen, der Bösen, der Falschen, der
Verlogenen. Den Einfluß derjenigen,
den rian in die finstersten Winkel tret
den müßte, damit er dem Staate nicht
schädlich werden kann. Ihn hat man
ans Licht gezogen, ihn erhöht, ihn zum
Selbstbeherrscher gemacht.
Tie Parlamente haben in allen Län
dein, die für den Krieg in Betracht kom
men, versagt. Sie haben versagt; denn
ihnen ist der Schutz der Bevölkerung
des Staates anvertraut, dazu sind , sie
da. Sie konnten aber zum Cckutze der
Bevölkerung in diesem höchsten Moment,
in dieser höchsten Gefahr niebis leisten.
Es ist kaum anzunehmen, daß es gelin
gen wird, die Bevölkerung aller dieser
Länder für diese Tatsache blind zu er
hallen. Und darum ist es unwahrschein
lich, daß der Krieg die Ueberzeugung für
die Notwendigkeit des Parlaments in
feiner jetzigen Form und Einrichtung
gestärkt haben wird.
In Oesterreich insbesondere, da hat
das Parlament allezeit für folcheFra
gen seine Zeit verschwendet, die abseits
waren von seinem höcksten Zweck. Das
Verhalten der slavischen Abgeordneten
war nur damit zu erklären, daß da! von
ihnen vertretene Volk den Staat nicht
will, in dem es lebt, und daraus zog das
Ausland seine Schlüsse. Ich stelle mir
die Zukunft Oesterreichs nicht so idhl
lisch vor, wie der Schreiber des Sonn
tagsaitikels. Der Krieg hat nicht dazu
beigetragen, das slawische Volkstuin
näher an die Teutschen heranzurücken,
wenn dieses Volkstum wirklich so be
schaffen wäre, wie seine Abgeordneten
zum Ausdruck bringen. Dann stände
die Frage auf: Hammer oder Ambos.
Wollen die Teutschen Hammer werden,
oder wolle sie Ambos bleiben. Am
bes bleiben können sie nicht, schon in
Rücksicht auf ihren deutschen Verbünde
ien, dem gegenüber sie Pflichten auch
im Frieden zu erfüllen haben. Sie
mußten daher notwendig Hammer wer
den. Und dennock steht die Frage nicht
ganz fg. Sie steht so im Hinblick auf
d Volksoeitretung. nicht im Hinblick
auf dak Volk selbst. Ich h?tte den Vor.
zuz. in allen möglichen Tfcle Cefter
reicht, mich aufzuhalten und' längere
Zeit zu leben. Ich bildete mir die
Ueberzeugung, daß die slavische Vcböl
kerung von ihrer politischen Vertretung,
zu der ich auch die heimischen Organ!
sationen zähle, mit den Teutschen sich
vertragen wollte, auch gar nichts gegen
die Ueberlegknheit der deutschen Sprache
und Einführung der deukschen Staats
spräche einwenden würde. Aber die
österreichischen Regierungen hakten feit
langem sich daran gewöhnt, die' politi
f die Vertretung bei slavischen Völker
mit diesen letzteren gleickzuseken und
die Bestrebungen der ersteren der letz
teren innewohnend anzusehen.
Es ist einer der Vorwllrse, die man
dem Parlamentarismus machen muß,
daß er zu solcher Verwechslung verleitet.
Die Gewählten, nimmt man an, drücken
das auS, was die Wähler meinen.
Dem ist nicht so. Eine Volksvertretung
zu schaffen, die wirklich den Willen der
sie vertretenden Massen widerspiegelt,
wird niemals gelingen. Es ist schon
darum unmöglich, weil die Volkver
tretung in Rücksicht der Gesinnung et
was starres, unveränderliches darstellt, .
während di Gesinnung der Massen be
ständig schwankt. Dies gemäß der Tat
sache, daß sie. aus einer Unzahl Einzel
ner zusammengesetzt sind, die dem tag
lichen Bedürfnis sich beständig' anzu
schmiegen haben. Man kann in die
Massen olles hineinlegen, was man bin
einlegen will: es vedarf nur genügender
Geschicklichkeit dazu. Denn in den
Massen finden sieh sämtliche Möglich
leiten vor. Und diese Möglichkeiten
durchdringen einander und beeinflussen
sich gegenseitig mit jedem wechselnden
Tag. Es wird sich also darum han
dein müssen, ein Parlament zu schaffen,
das aus den Besten, den Kundigsten
und den Wohlwollendsten zusammenge
seht ist. Theoretisch. Praktisch wird
das niemals ganz zu erreicken sein,
aber man kann sich dem Ideale nähern.
Und darnacb wird ein neues Wahlrecht
zu formen sein, welches in seinem Ur
sprung ein allgemeines gleiches sein
könnte, um nach mannigfaltigen Sie
hungen sck.licßlich zur Auswahl der
Besten zu führen.
Und auch diese würden Gesetze nicht
zu beraten haben, wenn sie solche auch
vorschlagen können und zur Beschluß
fassung da sind. Gesetze werden im
allgemeinen von der Regierung vorge
schlagen und dann ernannten oder er
wählten Fachmänner-Kollegicn zur Bc
ratung zugewiesen. Tarnach würden
sie den Abgeordnejen zur Bcschlußfas
sung vorgelegt. Tie hätten nicht zu
debattieren, fondcrn nur ja oder nein
zu sagen. Sagen sie nein, so könnte
die Regierung immer noch die betrcf
senden Gesetze probeweise etwa auf
fünf Jahre zur Durchführung bring,,,,.
Nach dieser Zeit wären diese Gesetze zu
revidieren, entweder gänzlich 1 acta zu
legen oder in definitiven Gebrauch zu
nehmen. Darüber hätten die Jachman
ner-Krllegicn zu referieren, die Abge
ordneten zu beschließen. Ueber Krieg
oder Frieden entschieden die Abgeocd
neten zunächst, indem sie die durch Fach
manner geprüften und instruierten 'Mi
nister-Vorlagen ablehnten oder annäh
men. Wäre keine vierfünftcl Mehrheit
für Krieg zu erzielen, so würde ein
Dlebiezit eingeholt. Lügenhaste Be
richte und Verheimlichungen der Mini
fter und Fachmänner-Kollegien würden
sireng bestraft. Im Falle es sich um
Kriegsfragen bandelt, mit dem Tode.
Die Minister stelle man sich als Vor
sitzende der FachmännerKollegien vor.
Ihnen obläge die Ezekutivgewal!.
Tak wäre ungefähr, was man im
Sinne einer veredelten Demokratie vor
zukehren hatte, die jedem das Seine gibt
und die guten Eigenschaften erprobter
Individuen wieder in den Dienst des
Staatsganzen zwingt, die unbrauchba
ren und schädlichen aber nach Tunlichkeit
ausschaltet. Der Gedankengang ist weit
läufig zu erörtern, um als Gesetzes
läge dienen zu können. Ein berühmter
Freund von mir hat in Mußestunden
ihn ersonnen und mir mitgeteilt. Es ist
notwendig, diese Dinge jetzt, noch wäh
rend des Krieges zur Erörterung zu
stellen, damit in der Stunde des drin
enden Reformbedürfnisses etwas da ist.
Das bringende Resormbedürfnis wird
alsbald nach dem Kriege sich einstellen,
denn die Menschheit wird vor ollem da
rauf aus sein, wie ein Unglück gleich dem
jetzigen Kriege künftig vermieden werden
kann. Man muß zugeben, daß die vor
liegenden Gedanken dazu die Grundlage
bilden können. Wäre da! aber nicht da,
so könne man auf langwierige Krisen
rechnen, die mehr oder minder heftig in
den derfchiedenen kriegführenden Län
dern sich zur Erscheinung bringen und
maßloses Elend im Gefolge haben wär
den.
Eben kommen wichtige Nachrichten
au! Oesterreich. Der Gefchäftsordnunas
ausschuß bei Abgeordnetenhauses hat
einen großen Anlauf genommen. Einige
wunde Punkte deS Parlaments sind mit
richtiger Würdigung zum Ausgang ge
nvmmen worden. Geheime Sitzungen,
die abzuhalten sind, wenn die Jorderun
gen von fünfzig Mitgliedern unterstützt
sind. Besoldung der Mitglieder mit
taufend Kronen monatlich, Abkürzung
von Reden und Abstimmung durch
Stimmzettel. Und so weiter. Die hier
genannten Punkte sind die zunächst wieb
tigften. Dozu kommt noch, daß der
tschechische Abgeordnete Klosac, der weih
nnd deS Krieges zum Tode verurteilt,
aber dom Kaiser zu ZuÄhauS begna
digt worden ist, von den Tschechen zum
Vorsitzenden ihrrs Verbandes gewählt
wurde. Es wird hinzugefügt, daß die
meisten Parteien deS Reichsrats für F?ei,
lassung dieses Mannes gesinnt sind.
Diese Wahl Klosac'S zum Vorsitzenden
del tschechischen Abgeordnetenderbandes
sagt für den Kundigen genug. Genug
sagt auch die knienxiche Haltung der
Reichsratsvarteten, die ihn frei lassen
wollen. Man könnte das mit wenigen
Worten so kennzeichnen: Unversöhnliche
T'utschfeindschaft der Tschechen, Eon
nivenz der Sozialdemdkraten (die ogi
einen sicher am lebheifteften für Klofe,c'S
FrmlaffsrtL), Knieweiche und Sentimen
j)reö!at ht Anbenton.
Von Kurt Küchlrr (Lmidstutmmnnn),
Aubenlon ist eine bescheidene, ztrischcn
grüne Hügel zärtlich hingebektcte Ctadt
im Garken der Picardienieht weit von
Laon. Wie die Küchlein um die wüt
terliche Henne, so sammeln sich die klel
en gedrückten Häuser von Aubentsn um
ihre Kirrte, die mit schwerern, burghnst
klobigem Turm den Marktplatz füllt.
Als an einem Sonntag die Glocke diev
scr Kirckc zum Gottesdienst rief, ging
ich hinein. Aus den Bänken saßen dicht
gedrängt die Frauen und Kinder von
Aubenton. An einer dicken Säule lehnte
ein deutscher Solda'. ein blondbärtiger
Landsturmmann aus dem Bataillon, das
in Auknton liegt. Er hielt einen Zar
ten, rvsaroien Rosenkranz zwischen den
zerarbeitcten Fingern, sein lupferbremn
verbranntes G, steht war still und fromm,
feine Lipnen bewegten sich seilt.
Es war ein lüaties. warmes Däm'
merlicht in der Kirche. Nur der Chor
war mit kräftigen Leuchtern gefüllt. Die
Sonne kam durch die hohen bunten Glas
f nster und ül er dem Altar mit den
silberne Gefäßen und den, silbernen
Ehristubkreuz wogle der lichie Farben
staub. In einer Nische an der Wand
sah man die Iungirau don Orleans,
ein hohes Siandbiid auS brauner
Bronze. Sie reckte sick, kühn und ge,
schmeidig aus. der jopf lag ikötzig im
Nackm. der Blick des schmalen wunder,
voll geformten GcsichtZ rief den Himmel
an, die hoch erhobene Hand hielt die
Fahne. Ein Sonnenstrahl glitt Ifiich
tend über Fahne und'G.pelit.
Die Orgel spielte und die Gemeinde
sang leise.' Ein alter Priester mit diin
ein weißen und eins cfclkncrn Greisen
g siebt. gcMmiiSt mit dem Gold und
Silber der seidenen fielen, lag vor dem
Altar auf d-n Knicn. Tie Chorknaben
gingen in ihren roten Gewänder hin
und her. Ci?; r von ihnen hiUe eine
schwarze Vinde über dem rechten Auge.
Er hatte, vor l: .', n Mo na len, b.i einer
Mauer, hinter der die Franzoftn fich
vvt ihrem 3iiick-.it n, dctschanzt hatten,
eine Patrone geiui.d-r! und mit ibr ge
spi.lt. Mit einem Male war die Pa.
trone geplatzt und ihm ins Auge ge
sprungen. Run e,jz der Knsbc mit
dem rot, ,i An uf den Ctus. des
Altorö hin und her, pk-ichfam !s ein
kbendig.'S Zeichen der fuichibsrm Zeit,
und jeder, der ihn hdraehnie, sah ihm
in das wilde Antlitz des Krieges.
. Als Orgelii iel, fj sen'g und Gottes,
dienst vor dem Altar beende! waren, stieg
der Pfarrei, auf die ttznjcl. Qiht Prc
digt war ein aätigee,, dklingendeS Zu
rcd:N. als f.'rää'e ein 'i'c.Uz ,eu seinen
verstörten Kindern. Mit keinem Wer!
redete er vom fir ei. (?r sprach, g!iz
begreiflichen Gründen, nicht von den
Heeren ffranlnich. nicht von den Trion,
itnd niebt von dem Schicksal des Landes.
Er sprach nur von der große Güte
Gottes und ro: der Notwenoleit. das
Heil im Hiwmlis t en zu juch?.'' Und
dennoch war in ollem, was er fagie. der
Atem des Krieges, cin m'rliriirdtge?,
inneres Beben, eine verbettene Klage,
eine unbestimmte Sehnsucht, Es war
eine seltsam ergreifende Macht in der
Betonung gewiner Sätze, die alle einen
verborgenen Sinn hatten und deren
Trost von der Gemeinde wohl verstanden
wurde. Man spürte, wenn er das Wort
Hoffnung ode: Mut ai-iU'':aäi, wie er
durch Ausdruck und Gebärde diesen Wot
Ien einen tieferen Sinn zu geben
wünschte. Und als er einrnnl, vollkoin
nien im Zusammenhang mit dem rcli
giosen Inhalt der Gedanken, das Wort
Sieg ousspraeh, mit einer bedeutsamen,
wei! ausholenden Handsegtms, mit
acrecklem Oberkörper und Züchtendem
Blick, und dann eine lange, schwere
Pause machte, da ging eine tiefe Betet
aung durch die srantösische Gemeinde.
Die Augen wurden feucht und glänzend,
jeder einzelne erschauerte nnd jeder ein
zelne wußte, u?as mit .dem Begriff
vietoiro" in Wirklichlcit gemeint war.
Später kniete der Priester wieder bor
dem Altar, den weißen K?f auf die ge.
falteten Hände c,.lcet. Tie Ehrlnan
standen still zur Seite, der mit dem
toten Auae ganz na h vorn. Der Pfai
tei spvch ein lernen stummes Gebet.
Es Viuerie viele Minuten, die sich end.
los dehnten. Tie Stille in der Kirche
wurde schwer und lastend. Jeder wußte,
um was der alte Geistliche betete, jeder
bat um dos Gleiche. Es war ein slum
mcs und schmer.tlich's Jiteinanderftte
ßen der SceKn. Tus ScbweiM, wurde
beklemmend in,o zerdrückend, dunchf und
tragisch. Und mit einem Male schluchzte
es irgendwo in den Reihen auf . . . Tie
Köpfe senkten si tiefer und dann ginz
eine namenlose Acwegikng don Mensch
zu Mensch, ein bitteres Weinen um Frie
den und Eilösung. ein SÄluchze um
bei unbekannte Schicksal de? Männer,
Väter nnd Brüder, die sich im Dienste
Frankreichs binopferten, in fremder
Ferne, jenseits der siegreichen deutschen
Reihen ...
Ich mußte immer zur lherne Jung,
frau von Orleans hinuderschaukn. Die
hochgeikctle Gestalt mit dem ungestüm
in den Nacken geworfenen Kopf, dessen
Scheitel die Sonne mit Feuerfunken be
deckte, war wi: eine harte Forderung an
den Himmel. Alxr der Himmel blieb
stumm. Tel Priester log mit gefenkiem
Haupt auf den Stufen d's Altars, die
Frauen und Kinder schluchzten ... bis
die Orgel von den Seelen fte Dumpf,
heit nahm und mit starken Z'Nangen trö.
stend und zuversichtlich über die" atmet,
Menschen hinweg!:.
Der deutsche blond bärtige Landsturm
mann schaute fromm und still übet di
Gemeinde. Er wilßle nicht, was in all
diesen Seelen sied schmerzlich vollzog.
Er wußte nur. daß er in einer Kirch,
in Feindesland war und seinen Eot
um eine glückliche Heimkehr In!.
talüät bet deutschen Parkeien. Alle, ein
Bild dr Tn'g? wie vor dem Kriege.
Nichts hat sich geänoert.