Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 05, 1917, Image 2
ST ' "ul -Z3r . w Die von: Heroismus des Volkes gestellten Uriegsziele. Refonn des preußischen Drei, klassen-wahlsystems. 2lllen Tüchtigen die Bahn frei. Nanzler . Verantwortlichkeit. Osterbstfchaft des Raifers. Ein demokrati sches deutsches Königtum. er große Krieg ist, an und hin ter dcn Fronten, ein tj:rot fch:r. In den SchühenM den und auf den Schlackt selbem sowohl als auch in dem Durch kalicit und Mitwirken daheim. Der Heroismus in Feldarmee und der der Heimarmee ist der gleiche und stellt, ge memjam. dem Kriege jiele, welche an sich. Wenig zu tun hoben mit denen, bis 5U welchen sich eine bestimmt: PoNtik mit den Waffen als anderen Mitteln durch' setzen will. Die letzteren Ziele sind be rcits beim Ausbruch dcs Krieges seslge stellt worden; sie mögen durch du: Ent " Wickelung der militärischen Lage und dkg Verlaus der kriegerischen Ereignisse eine Verschiebung erfahren, können in dc'scn fundamental nicht geändert wer den. Der Heroismus des Volkes in Sassen draußen und in der Wehr da heim bestimmt dem Kriege ganz neue Ziele. Er stellt seine eigenen Forderun gen auf nd begründet diese mit dem, cj er geleistet. Der Heroismus flern pelt den Krieg zum Vblkerkricg nd die Völker melde nunmehr ihre Forderun , am an. Die Forderung lautet: Demo kratterunz des Staates", das heißt die ermelterte Mitarbeit des Volks an den s!c:ailichen Geschäften. Aus den Neden. welche Gras Vismarck als Präsident der Bundeskommissarien im konftituirendea Reichstag des Nord ,, deutschen Bundes während der Beratun gesi ' des Entwurfes einer Verfassung im Jahre 1867, die sich vom 9. Rar, . bis zum 16., April hinzogen, gehalten hat: Glauben Sie. wirkliche daß die großartige Bewegung, welche im von gen Jahre die Völker dom Bekt bis an die Meere Siziliens, vom Rhein bis an drn Vkuih und dcn Dniestr zum Kampfe führte, zu dem eisernen Würfelspiel, in r;rn um Königs und Kaiserthrone ge spielt wurde; daß die Millionen deut scher Krieger, die gegeneinander gekämpft uüd geblutet haben, cmf den Schkachtfcl der vom Rbein bis z den Karpathen; daß die Taufende und Abertausende von Gebliebenen und der Seuche Erlegenen, die durch, ihren Tod diese nationale Ent scheidung besiegelt haben, mit kinek Landtags-Rcsolution ad acta geschrie bn werden können? Meine Herren, dann stehen Sie wirklich nicht auf der Höbe der SitMnonl" ' , i AuZ der Reichstasscede de? Reichs ' kinzlers von Bethmann Hollweg vom 28. September 1916: .Diese, Kriegs . brand, beglückt nd erschüttert erleben . wir i täglich aufs neue, er hat uns gc- zeigt, auf wie festem, wie unzerstörba tem Fundament unser Haus gebaut wor de ist. Was anderes besähigte uns denn, diesen Kampf gegen fast die ganze ,'Uclt siegreich zu bestehen, wie die Liebe Züm Lande der Vater, welche dessen Söhne mit, unzerreißbare Banden um - schlingt, als die unverlorene Kraft der Arme und der Herze, die im Urgründe des Volkes lebt, aus dem sie in ewiger Erneuerung emporwächst. Nichts von dem, was uns diese Feuerprobe beftcheu ' laßt, können wir im Frieden missen. Was sich im Kriege so wunderbar bc wahrt, muß auch im Friede leben und wirken . . . Die gewaltigen Aufgaben, welche auf allen Gebieten des staatliche ' und sozialen, des wirtschaftlichen und politischen Lebens unser harren, bedür sin zu ihrer Lösung aller Kräfte, die in unserem Volke leben. Eine Staatsnot wenvigkeit, die sich gegen alle Hemmun gen durchsetzen wird, ist ei, diese Kräfte, ?die da sind, die zu schaffen, zu wirken -. Krim gen, für das Ganze zu nützen. Frei Bahn für alle Tuchti gen,dssiftdieLösung. Die Regierung wird diese Lö sung vorurteilsfrei durch führen. Dann wird unser Reich f iifügt, weil jeder Siein und jeder Ballen mitträgt und mitstützk, einer ge fanden Zukunft entgegen. Tann werden die Starken aus al len Stande gern und freu d i g teilnehmen an den Wer, ke n des Friedens, miejetztam blutigenKampf e." Der Heldenmut der Tausende und Abertausende hat 1863 und 187071 durch den Tod die nationale Bewegung besiegelt. Ter Heroismus, welchen das ki '"icie deutsche Volk in diesem Welt - krieg betätigt hak, hat die nationales mokratische Bewegung ingang gebracht. ?n im September vorigen Jahres kt der Kanzler des Teutsche Reichs, in derselben Nede, m welcher er Eng land als den .selbstsüchtigste, harinäk, k'r'un, erbitteüfien Feind' hingestellt, die Losung verkündet, daß alle Tüchtigen f'lie l'iatß haben sollten, die Notwendig seif, die zum schaffen und wirken vorhan fc-rren Kräfte dem Ganzen zu nützen, betont trab das Dogma von der Teil nshi-ne 2er Starken auch an den Wer i:n des Frieden! aufgestellt. . Schon vor der Ablehnung des Frit , KnZancxebots der Mittelmächte seitens der Alliierten ist von der Rostn des ' t:vt'iin VolkshaufeS im Namen der deutsche Nkflierung deren fest En! schlug die Demokratisierung Deutsch Imbs gegen olle Hemmungen durchzu flrenmkündft worden. Die Temokatisierung des Teutschen Reitß und Preußens elS der Vormacht s.ndttn die Siaatsnotwendigkeit und der olßwZÖe. Diese Demokratisierung wird sich ton innen heraus durchsetzen. k'.-?e fremd Hilfe oder auswärtigen .jrt Sie wird sich durchsehe den TMr.wsU ?nfchanung7 bei WM te 2-.bii:fntiIeo frei Siaaiei tr.U KPSBJe & JemOkreltisierung 1 sprechend und aus der graden Linie der logiieyen isntwictmnacn und nicht dem Volksbewußtsein und der Staatsein richtung als Fremdkörper aufgepfropft werden. Die Demokratisieruna Deutscb. lairds vollzieht sich als Selbstzweck und kann nicht als Faktor in irgendeine poli tische Berechnung eingestellt werden. Wohl hat auch Bismarck, der Schmied deS Deutschen Reichs, dem alle Hammer in die Hand paßten, die Demokratisier rung als politische Waffe zur Errei, chung bestimmter Zwecke benutzt, die Waffe indessen grade gegen das Aus land geschwungen. In seinen Gedan ren und Erinnerungen (Tnte 400) heißt es: ,Jn Hinblick auf die Notwendigkeit, im Kampf gegen eine Uebermacht des Auslandes im äußersten Notfall auch zu revolukionare Mitteln greisen zu kön nen, hatte ich auch kein Bedenken ae, tragen, die damals stärkste der frei heitlichen Künste, das allciemeine Wahl recht, schon durch die Zirkulardepefche vom 10. Juni 1866 mit in die Pfanne zu werken, um das monarchische Ans lonv abzuschrecken, von Versuchen, die Singer rn unsere nationale Omelette zu stecken.- Aber auch ihm ist die Te mokratyierung nicht nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Er hat, in seiner Rede vom 11. März 1W7, das Wort geprägt, daß man das deutsche Volt nur in den Sattel zu heben brauche, reiten werde es schon lernen, und er hat am 28. März .1867 bei der Begründung des Artikels 21 der Verfassung für den Norddeut schen Bund, welcher besagt, daß der ictzstag aus allgemeinen und direkten Wadlen hervorgehe, gesagt: 23 die Wirkung und die Konstel, lation. die das preußische Dreiklassen, system im Lande schafft, etwas in der Nähe beobachtet hat, muß sagen, ein widersinnigeres, elenderes Wahlgesetz, welches alles Zusammengehörige aus einanderreißt uns Leute zusammenführt, die nichts mit einander tun haben, ist nicht in irgendeinem Staate asge dacht worden." ' . König Friedrich Wilhelm IV. hatte der Verleihung einer Versaffmg an Preußen mit der Begründung opponiert, er tvvll nicht, daß durch ein Stück Pa Pier eine Schranke zwischen mich und mein Volk", errichiet werde. Deg Sach fenkönig veranlaßte die Kundf von dein Ausbruch der Aufstandsbcwcgung in 184? in Leipzig zu der naivvcrwundcr lichen Frage: Ja, därfe sie den des)" nd die braven Mecklenburger wollten eine .Republik mit ihrem Groß Herzog an der Spitze". Aus eller die ser Verschwommenheit und Verwunder lichkeit heraus ist dann die preußische Verfassungsurkunde dom 31.. Januar 1850 entstanden, welche die konftitutic nelle Monarchie errichtet hat, in welcher die gesetzgebende Gewalt don dem König und dem Landtag gemeinsam ausgeübt werden, das Wahlsystem dreiklassig und der Wahlmodus ein indirekter und öffentlicher ist. Dieses System und dieser Modus sol lea heute demokratisiert weiden. Prinz Wilhelm von Preußen (der spätere KL nig und Kaiser) hatte beim Antritt der Regentschaft m Oktober 1858 die Frage aufgeworfen, ob er die Verfassung un verändert annehmen oder eine Revision derselben fordern sollte. Aus Gründen der Politik hat damals schon Vismarck sich dagegen ausgesprochen. Preußens Ansehe in Teutschland und seine euro päische Aktionsfähigkeit würden durch einen Zwist zwischen der Krone und dem Landtag gemindert werden, die Partei nähme gegen den beabsichtigten Schritt würde in dem liberalen Deutschland eine ganz allgemeine fein: Versassungs fragen müßten de Bedurfnissen des Landes und feiner politischen Lage in Deutschland untergeordnet werden. Heute verlangt das innere Bedürfnis Deutschlands, seine Stellung in der Welt und seine internationale Aktionsfähig keit eine Demokratisierung der preußi schen Verfassung. Der Preußische Landtag wird don zwei Kammern gebildet, dem Herren haus und dem Abgeordnetenhaus. DaS Herrenhaus setzt sich zusammen aus dem dom König berufenen groß jähriaen Prinzen des königlichen Hau ses; 93 Vertretern deS Adels mit erb- licher Beremtmnnq: 4 als Inhaber hoher preußischer Landesämter und auS allerhöchstem Vertrauen; 170 infolge d,g Präsentation der nachfolgenden Korpo ratione usw. auf Lebenszeit berufenen (der Domstifte 3. der Provinzial-Gra fenverbände 8, der Geschlechter, mit aus, gebreitetem Familienbesitz 12, der Wer bände des alten und deS befestigten Grundbesitzes (Uradel) 90, der Universi täten 9 und von Städten 4). DaS AbaeordnetenbauS befleht aus 443 (ursprünglich 433), dom ganzen Zoll gewählten Mitgliedern. Für die Wahlberechtigung sind 25, für die Wähl barkit L0 Jahre erforderlich. Die Wahl erfolgt (früher alle drei) seit dem Gesetz dom 27. Mai 1888 alle fünf Jahre I mittelbar durch Wahlmanner (je einer ! auf 250 Seelen), die in Urwablbezirken seitens der über 24 Jabre alten, die bürgerlichen Rechte besitzenden, seit sechs Monaten in der Gemeinde ohnhaften und keine Armenunterstützung empfan genden Männer mittels öffentlicher Stimmabaabe erwählt werden. Tie Ur wäoler sii,d in drei Abteilungen von gleicher Lieiierkistunz (TleillsFen Kftem, eingeteilt. ' ?Vt "' f ,.,', ;:..,!" r f ojt , , Mi ' ' t I . 1 ' -vmf ' ' - ' - ' JS - I . ' V g f i;-- - I ; .; - ' t:fs. X . ' ; ij, s , I -' X ' ' ' I ' ; .".i .J ? , , . V x ...:..'.. : I 1 V" , I ''' '- i V - , 1 A ' Y , 4 . . i 1 ' 1 , ' " -v i 1 t .T ' b ' i ''i aJ 1 . -IS - ,kJ ; Sr-i ' j. . j Ncichökanzlcr von jy r , , ' ? ' f4 J . I ': '-. ' f ' . '.-, ' 4 ' f ' f r l ; t - t , rf " - - ,.- v;''v'- " , V.' - Philipp Schcideman, einer der Um alle Starken für die Teilnahme n den Werken deS Friedens heranzu ziehen, die Kräfte, welche da sind und zu wirken verlangen, für das Ganze nützen zu sönnen, verlangt die Staats Notwendigkeit für die Demokratisierung Deutschlands folgende Resormen in Preußen: 1. Beseitigung des Dreiklassensystems. 2. Abschaffung des indirekten Wahl modus. 3. Neueinteilung der Wahlkreise.' Es ist daS Dreiklassevsystem. welches das preußische Wahlgesetz zum wider- sinnigsten und elendesten macht. Das Prinzip, daß die Höhe der Steuer leiftung den Umfang der politischen Rechte bestimme, hat eine Plutokratie ae züchtet, welche hemmend in die staatliche Entwralung eingegriffen hat. TS Wahlsystem, weüche die Wähler auf Grund des Steuerzensus in drei Klaffen einteilt, entspricht weder den heutigen sozialen Anforderungen des Staates, noch den Anschauungen des Volkes. Die Wteilunqsmahl reißt die sozial zusammengehörigen Schichten des Volkes auseinander, verleiht der erste Abteilung, weil lediglich auf der Höbe der Steuern beruhend, eine unberechtigte Uebermacht und druckt das wichtig! politische Zliecht. die Mitarbeit an der GescHgebung, für die Arbeiter fast auf ein Nichts herab. Man hat darauf hin gewiesen, daß in Preußen der Kanzler und sein Kutscher in der gleiche Klaffe wählen. DaS würde an sich noch nichts bedeuten, denn das gleiche findet auch bei den Rtichstagswcchlen, welche nur eine Klafft von Wahlern keniun, statt. AlS aber im Jahre 1 mit der Er- höbuvz der Zahl der Wähler, um ganze zehn und ' mit einigen unbedeutende Abänderungen der Vorschriften sur das Wadlverfakren ein kleiner bunter Lap- den als Flicken auf den verfchliffenen Kantn ve, Biutonatrjcntn Areuinnen snftems gesetzt wurde, da schrieben die Leipziger Neuesten Nachrichten : Wenn mau sich überhaupt zu Aende- kunL?n des betreffenden Zuftaad'.ö ent i-tr Bethmann-Hollweg. t6t V- ' ''s,-' f"''s','v I , ' ' ' l - - - -':V-. V;'V;. Führer der deutsche oziakisten. schloß, dann hätte man wenigstens such mit dem lächerliche Zustand aufräu men sollen, der es ermöglicht, daß Fürst Bülcw und Graf Posadowsky mit ein! gen anderen tausend Männern in der dritten Klaffe wählen, wahrend ein Ban kier oder ein reich gewordener Wursihänd ler allein die erste Wäblerklaffe bildet. Ein Wurstfabrikan leistet ja entschieden recht nützliches für die Menschheit, aber warum er bei der Wahl etwa zwölshun dertmal so viel zu sagen haben soll, als Fürst Bülow, daS wird für manchen unerfindlich fein und nur für Leute von satyrischer Gemütsart verständlich blei ben, welche des Genuß einer guten Le bermurft allen Inschriften auf den dom vierten Kanzler errichtete Marksieinea vorziehen DaS War natürlich ein. wenn auch grimmer, Scherz. Aber auch in der Wirk lichkeit stellt sich die Sache ss. daß drei Wähler der ersten Klasse ebensoviel Ein fluß haben als wie zwölf in der zweiten und in der dritten, und in Beil! z. B. ei Wähler der ersten Klasse eben soviel Gewicht hat wie 300 der dritten. Tie Wahlkreiintkl!ung stammt aus dem Jahr 1860 und gründete sich da mals aus die Volkszählung vom Jahre 1858. Schon daS ehrwürdige Alter dieser Einteilung beweist ihre Rückstän digkeit. Der Zuwachs der Bevölkerung ist feit jener Zeit ebenso unberücksichtigt geblieben, wie die Verschiebungen in der Verteilung der Bevölkerung. Ja man eben preußischen Wahlkreisen kommt ein Abgeordneter auf noch nicht 40,000, in anderen auf mehr als 3S0.UX). Zudem liegt das llebergemicht des Gemein Wesens nicht mehr in den ländlichen Be zirken des Ostens, es hat feine Stätte gefunden im Westen, in den Industrie gegenden. in den Städten. Bei der ur sprünglichen Einteilung mag das Ueber gewicht der ländlieden ttrudbesitzer des Ostens einen gewiffen Sinn aebabt ha ben. Auch Hot sich ja die Bedeutung d;r Landwirtschaft, vbwobl sie nur noch ein Drittel des preußischen Volkes arflellt, im Tcruf diefcs KnezeS für die El ' ' ' . s!llAi! sckwnos. Fon K. K. von Wcllenthin. nährungsfrage von neuem dokumentiert. Aber die letzte halbhundcrtjährige Ent Wicklung des preußischen Staatswescns hat das Schwergewicht nach der Seite dcS Handels und der Industrie verlegt. Und auch aus der Arbeiterschaft sollen die Starken teilnehmen an den Werken des Frieden, und auch ihren Tüchtigen muß die Bahn frei werden. . Artikel 6 des Pariser Friedens dom 30. Mai 1814 bestimmte: "Le5 ftata de rAllernagne stront indfyondants et unis prr un lieu sW'rativ." DaS war der Quark vom .Teutschen Bund", welcher kein Staat, sondern ein .Völker rechtlicher Verein", kein Bundesstaat, soiidern ein Staatenbund war. Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche in Frankfurt die Nationaldersammlung zusammen, welche sich als das aus dem Willen und den Wahlen der deut schen Nation hervorgegangene Organ zur Begründung der Einheit und politischen Freiheit bezeichnete. Am 28. März 1841) wurde eine Verfassung beschlossen, nach welcher Deutschland ein Staalcnstaat sein sollte mit dem preußischen König als Erbkaiser und einem aus Staaten hauS und VolkshauS bestehenden Parla mcnt. König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die ihm angebotene Kaiserkrone am 23. April ab, nachdem er bereits am 13. Dezember deS Vorjahres an dcn Ge sandten von Bunsen geschrieben: .Die Krone, welche die Askanier, die Hohen fiaufen. die Habsburger getragen, kann natürlich ein Hohenzollcr tragen. Tie aber, die Sie meinen, verunehrt über schwänglich mit ihrem Ludergeruch der Revolution von 1848, der albernsten, dümmsten, schlechtesten, wenn auch Gott lob nicht bösesten dieses Jahrhunderts einen solchen imaginären Reif von Dreck und Latten gebacken soll ein leg! timer König don Preußen sich gefallen lassen, der den Segen hat, wenn auch nicht die älteste, sodoch die edelste Krone, welche niemand geftohlc hat, zu tragen? Soll die tausendjährige Krone deutscher Nation wieder einmal vergeben werden, so bin Ich es und Meinesgleichen, die sie vergeben werden." Der Präger Frieden vom 23. August 1866 sprach die Auflösung dcS bisherigen Deutschen Bundes aus. Am 10. Juni legte Preußen seinen Verbündeten die Grundzüae für eine zukünftige Vcrfas, sung eines neuen Deutscben Bundes vor. Am 18. August schloß Preußen mit den übrigen deutschen Staaten einen Bund nisvertrag ab. Am 24. Februar 18tt7 wurde der ?Zorddeutsch Reichstag in Berlin don König Wilhelm eröffnet, und am 16. April nahm der Reichstag den Verfassungsentwurf für den Norddeut fcben Bund an. Artikel 79, Absatz 2 der Verfassung bestimmte: Der Eintritt der fiiddeu! schen Staaten oder eines derselben er folgt auf den Vorschlag des Bundesprä sidiumS im Wege der Bundesgcsctzge duna." Die Vollendung der nationale deutschen Einheit ist aber erfolgt durch die KriegSereignisse des Jahres 1870. Der Bundesrat des Rorddeutsckzeir Bun des beantragte im Einverständnis mit den Regierungen von Bayern, Würtiem berg, Baden und Hesse beim Reichstag durch Vorlage dom 9. Dezember 1870. daß der Deutsche Bund den Namen .Deutsches Reich' und der König von Preußen als Bundespräsident den Na men .Deutscher Kaiser' führen sollte. Dieser Antrag wurde vom Reichstag am 10. Dezember 1870 (mit allen gegen sechs Stimmen) angenommen. Tie Pro klamierung der Herstellung der Kaiser wörde erfolgte durch den König von Preußen im Spiegelsaal zu Versailles am 18. Januar 1871. Am 16. April Wurde vom Reichstag daS .Gesetz, be treffend die Verfassung deS Deutschen Reichs' angenommen. Das neue Deutsche Reich ist aufgebaut worden auf breiter demokratischer Grundlage. ES gibt leine .deutschen Untertanen', fondern nur Angehörige deS Deutschen Reichs. Der Kaiser ist im Reich nicht Souverän; der Titel drückt .nur die Stellung des ReichZpra sidiumS aus. Die Souveränität ber.uht, nach Vismarcks Wort, auf der Gesamt heit der verbündeten Regierungen. Der Reichstag geht aus ' allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstim mung hervor. Die geheime Abstimmung war in dem ursprünglichen Entwurf nicht vorgesehen, wurde indessen noch vor der Endabftimmung in das Gesetz ein gefügt. Der Reickstag ist die einheitlick Vertretung des Deutschen Volkes, nicht der Bevölkerung der verschitdenen Bun desstaaten. Seine Mitglieder sind nicht blos Vertreter ihn Wahlkreises, sie sind noch weniger Vertreter des Bundesstaa teS, in welchem sie gewählt sind, sondern deS Teutschen VolkeS. Der Vorsitz im Bundesrat sieht dem Reichskanzler ,u, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. In der Ernennung und Entlassung deS Reichskanzlers ist der Kaiser völlig frei. Der Kanzler ist nach der Verfassung daS verantwortliche Gefamtministerium deS Reichs. Aber die Verantwortlichkeit be zieht sich nur auf Anordnungen deS Kai fers, nickt auf irgendwelche Anordnun gen und Beschlusse deS Bundesrats. Da eine oesctzliche Festlegung der Ver antwortlichkeit deS Kanzlers fehlt, ist diese imgrunde nicht viel mehr als eine inhaltslose Phrase. Die heute in AuS siebt gestellte und in Ganz gebrachte De mokratifierunc' Deutschlands wird die Schaffung eines Kanzler-Verantoort-lickteits-Gesetzes einschließen müssen. Sie wird deS weiteren durch eine Neueiniei lung der Wahlkreise die bisher ungleiche Vertretung deS deutschen Volkes im ReickLtag korrigieren müssen. . ' Bismarck bat 'nwrwl, zurzeit seine! heftigsten Zerwürfnisses mit der fceisin nigen Partei, mit dem Gedanken ge spielt, daS Teutscbe Reich könne ans demselben Wege, auf dem es entstanden, auch wieder aufgelöst werden, nämlich durch Lertraz der Fürsten nd Freie i Städte. Um die Zeit der Verabschiedung Bismarcks erschien ein? ganze Anzahl von Flugschriften, welche den Staats streich zwecks Aenderung des Reichstags Wahlrechts befürworteten. Ungeheures Aufsehen machten die im Anschluß an die Hol'nloheschen Memoiren im Jahre 1906 rsäuenenkn .Enthüllungen' Pro sessorS Hans Delbrülö, kx Mannte Historikers und HercnisgeherS der .Preu ßifche Jahrbücher' über .Biömarcks letzte politische Idee', über dcn Staats sireich-Plan des Kanzlers, welcher die wirkliche Veranlassung zu seinem Sturz gebildet haben soll. . Es heißt in diesen ffnHiiisflinni'n hwlrfi hnn TVfhn'iif in einem weiteren Artikel der .Jahrbücher"' vom Januar 1912 besprochen worden sind: .Bismarck stand im Jahre IM jener ihm don Grund aus feindlichen Reichstagsmajorität gegenüber, welche ihm schließlich sogar den einfach-mcnsch lichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag versagte. Im Jahre 1887 war es ihm noch einmal gelungen, die Majorität zu zerbrechen, aber es war keine Aussicht vorhanden, daß dies noch einmal gclin gen könnte. Bitter beklagte sich der Schöpfer des allgemeinen Stimmrechts über den Mangel an nationaler Gcsin nung im deutschen Volk, aber was sollte er tun? "Get you hörne, you kr ments" ruft er auf dem Schlußblatt sei ner Gedanken und Erinnerungen' mit Coriolan den Fraktionen zu und wendet sich vom Volk zu den Dynastien, denen er .Abbitte leiste'. Unter den mannig fachen herüber und hinüberfliegenden Gedanken blieb er schließlich bei einer Aenderung deS Wahlrechts, als dem ein zigen Modus, der nicht bloS einem pro viforifchen Notbehelf, sondern eine dauernde, brauchbare Machtverteilung in Aussicht stellte. Ein Ausnahmegesetz sollte allen notorischen Sozialdemokraten, die, wie es im Socialistengesetz formu kiert war, den .Umsturz der bestehenden Staats und Gesellschaftsordnung de zwecken', das aktive und passive Wahl recht entzielzen, und um dies durchführen zu können und die gegebenen sozialen Abhängigkeiteik voll zur Wirksamkeit ge langen zu lassen, sollte an die Stelle der geheimen die öffentliche Abstimmung treten.' Die Durchführung dieses Staats sireichs hätte, nach Telbrücks Darlegung, folgenden Verlauf nehmen fallen: Künstliches Zufallbringen des Soziali ftengesetzeS, dadurch Rcizung der Sozial demoiratie zu Uebermut, Einbringung einer großen Militärvorlage, Revolten und Straße,rlämpfe in Berlin, Berufung eines Eiscnarmes als Ministerpräsiden ten, Auslösung des Reichstags, Prolla mation des Kaisers und der Fürsten, daß das Reich so nicht bestehen könne, Erscl zung der geheimen durch die öffentliche Abstimmung und Entrechtung der So zialdemokratie. TaZ soll die Politik ge wesen fein, der der Kaiser sich aus Ge Wissens bedenken verschlossen und im Zwist worüber er den Fürsten Bismarck aus dem Reichskanzleramt entlassen haben soll. Prof. Delbruck fügt hinzu: .Auf reden Fall verliert auch bei meiner Auf fassung Bismarck als historische- Pcrfön lichkeit nichts im Vergleich zu jener alte ren, die m ihm überhaupt einen positiven Gedanken zu entdecken nicht mehr der mochte. Aber es ist nicht wahr, daß er bloß noch der alte Mann war, der nicht mehr wußte, was er tun sollte, uud nur noch an der jüngeren Welt, die ihm nach gefolgt war, herumnörgelte. Nickt in dem kangsamen Absterben und Verlöschen dcS Phiüisierk ist er dahingegangen, fon dein daS tragisch Ende des Heros, der in einem letzten große Kampf mit sich selbst und seinem Werk in Widerspruch gerät, ist ihm beschicken gewesen und hat et sich selbst bereitet' Ob diese Enthüllung der Wirklichkeit und den Tatsachen entspricht, wird tciitl erst nach dem Verschwinden sämtlicher Hauptakteure dieses nxltgeschichtlichen Dramas don der Lebensbühne festgestellt werden. Aber auch solche Wirklichkeit würde heute lediglich don geschichtlichem Interesse als Scheinwerfer auf die Per fönlichkeit des ManneS .von Blut und Eisen' fein. Denn heute sind alle die Vorbedingungen für auch nur die Idee eines Staatsstreichs gegen die deutsche Verfassung geschwuydcn. Heute sind die .vaterlosen Gesellen' fest bodenständig geworden) Heute stehen die .Umstürz ler der bestehende Staats und Gesell schaftsordnung' in dem großen und he roischen Kampf für du Behauptung deS Rechts und der Geltung deS Deutschen Reichs mit in der ersten Reihe der Strei ter. Heute bedeutet die deutsche Sozial demoiratie unter der Führung Philipp CcheidemonnZ einen starken Faktor für die Erlangung eines .Friedens, welcher dem deutschen Volk den Sonncnplatz da heim und draußen sichert. Und der deut schen Cozialdemokratie ist von der logi schen Entwicklung der Geschichte die Auf gäbe der positive Mitarbeit a der De mokratisierung Deutschlands zugeteilt. . Seine kaiserlich und toniglich Ma-jestät- Kaiser Wilhelm leb hoch!' DaS ist daS Hoch, welches der Groß herzog Friedrich von Baden nach der Ze remonie der Kaiserproklamation am 13. Januar 1871 im Spiegelsaal des Ver failler Schlosse! auf den neuen Kaiser ausgemacht hat. Hinter dem Wortlaut dieses Hochs verbirgt sich ein zäher und unter den damaligen Verhältnissen uner quicklicher Streit um den deutsche Kai feriitek. Sollt r .Kaiser don Deutsch land' oder .Deutsä,, Kaiser' lauten? Ueber diese ffraze würd bis zum Tage der Prvklamation gestritten und sie war selbst an jenem Tage noch nicht nischie den. Tie bayerische Regierungs-Bevoll machügten hatten bereits im vergangenen November bei den Verhandlungen mit Bismarck über die Reichs undKaiser' Frage die Bedingung gestellt, daß der Titel nicht Kaiser von Deutschland lau tea dürfte. Bismarck bZte daraufhin die Nührunz des Titels .Wir don Gottes Gnädig Xtiitscher Kaiser, König tsa Preußen' in Vorschlag gebracht. Er wies darauf hin. daß der Titel .Kaiser von Deutschland' einen Territorialan fpruch bedeuten würde. Kronprinz Frie brich und sämtliche in Versailles onwc senden deutschen Fürsten opponierten dem Vorschlag Bismarcks, und König Wil beim selbst sprach von dem ihm zug,'mu leicn Titel alZ der Bczei,ninq eines .Elxiraktkimajors". Am Sonntag, den 15. Januar, gab der König seinen end gültigen Willen bekannt, daß die Kaiser Proklamation am Jahrestage der ersten preußischen Königströnung vor sich gc hen sollte. Noch auf 16. Januar führte die Erörterung der Kaiscrfragc in den Fürstcnlreisen zu dem Entschluß, daß der Titel .Zkaiser von Teutschland" lau ten solle. Bismarck blieb dagegen bei seiner Auffassung, daß dieser Titel einen, territorialen Anspruch involbiere und scheint die Kabrnettsfrage gestellt zu ha den. Tatsächlich hat er sich damals da hin geäußert, daß er, wenn nicht gleich, so doch nach dem Kriege zurücktrete werde. So erhielt die scheinbar neben sächliche Titclfrage die Bedeutung einer Staalsaffairc, da sie gemessen wurde nach dem maßgebenden Einfluß, welche vielleicht die einzelnen Bundesmitglicder nach dem Kruge und im Verband dcS neuen Reichs auszuüben imstande fein wurden. Tatsächlich war am Tage vor der Kaiserprot'amalion noch nicbt fest gestellt, wie der König von Preußen als Kaiser genannt und als rs er am nach sten Taqe bei der Proklamation dnkün det werden sollte. Am sri!hm Morgen deS 18. Januar erhielt der Großherzog von Baden vom 5tönig die Mitteilung, daß er, wenn er nach der Proklamation das Hoch ausbringe, die Bezeichnung .Kaiser von Deutschland' wählen solle, trotzdem Bismarck dagegen sei. Als der Kanzler dnvoa hörte, war er außer sich und klagte über den König und die Un Möglichkeit, auf solche Weift die politi schen Geschäfte zu sichren. Auf der an deren Seite war auch der König hockst , ungehalten und äußerte sich in heftiger Weise gegen den Kanzler. Der Groß herzog befand sich in einem bedenkliche Dilemma, aus welchem er sich schließlich dadurch hcrauswandte. daß er beim Hoch weder die eine noch die andere Bezcich nung benutzte. Er selbst sagt darüber in seinen Memoiren: Nun kam die Reihe an mich ich trat zum Kaiser lxran, verbeugte mich' und bat um die Erlaubnis, die Versammung zu einem Hoch auffordern zu dürfen. Nickend er teilte der Kaiser die Gencbmigung, und ich ruf so laut wie möglich in die har rende, lautlose Versammlung: Seine . kaiserlicke und königliche Majestät Kaiser Wilhelm lebe hoch!' Schließlich ha! sich ja die Bismaickse , und die bayerische Ansihauung in der Titelfrage durchgesetz!. Die Bismarcksck? auch in allen andcrcn Fragen der Kaiser- Vollmacht. Tie Verfassung stempelt das Haupt de Reichs zum primu intor pure. Wenn er der .Oberste Kriegs ;i r ',t ,,; i l.fc W (.ULUilfc fc'U .IWll UM.ltb j rn j . ' . r. . . . .'W M. jou naa i. aia wie Iik von nmi i llllii- oberhaupt ausgeübt wird, und der Ver such der antideutschen Propaganda, den ( "warlonH zu verschleißen, ist ja denn auch gründlich mißlungen. Was den Titelstreit anbetrifft, so kann er kxute nur noch ein historisches Interesse beanspruchen. Das wird von neuem wachgerufen durch die Entwick lung der inneren deutsche, Verhältnisse, ' welcher die neue Zeit die Siebenmeilen sticfel angezogen lzat. und unter deren Marlfteide sich die diesjährige Osterbot schaft bis dritten Deutschen Kaisers be findet. Tie lautet in der Form eines Kabinetlsbefthl an den Kanzler dcS Deutsckzen Reichs: .Die Resormierung des preußischen Lcndtags und die frei heitliche Ausgestaltung unseres gesamten innerpolitischen Lebens sind meinem Herzen besonders teuer. Vorbereitende Schritte behuss der Resormierung deS Wahlgesetzes für das Abgcodnetcnhous sind auf meine Anregung bereits bei Ausbruch des Krieges getan worden. Ich beauftrage Sie hiermit, mir defi nitioe Vorschläge des Staatsministe riums zu unterbreiten, sodaß bei der Rückkehr unserer Krieger dieses Werk, welches ein fundamentales für die innere Ausgestaltung Preußens ist, zum Gesetz erhoben und ausgeführt werden kann. Angcsicbts der gigantischen Taten des. ganzen VolkcS ist meines Erachtens kein Raum mehr in Preußen für da! Klas-' scnwahlsystcm.' Die Kaiserproklamation vom Jahre 1871 katte der Welt die Wiederaufstehung deS Teutschen Reichs gekündet. Die Osterbotshaft Kaiser Wilhelm tt. hat der Demokratisierung dieses Reiches die Gasse geöffnet, allen Tüchtigen des Vol , keS die Bahn zur Bctätignng ihrer Kraft im Interesse der Gesamtheit frei gege. den. Auch um die deutsche Kaiserkrone ha- den sich der Romantik schillernde Fäden gewoben. Von dem Flitterwerl soll sie nun befreit werden. I neuem Glanz soll si leuchte über eiucm .demolrati sehen deutschen Königtum', nach dem A Muster des Staates Friedrich des Ero- f ßen, der sich mit Stolz als den ersten I .CiCIltl II winuil lajtlUjlltl yui, Ar J lj der große König und feine Zeit wußten vom niaji von ver Zioiivenoigieit, dem Volke ,a dienen, sondern sie kannten nur de Staat. "L'ekat c'est ro.i!" Jeder Vür ger eines modernen EtaaiZwesenS ist W Staat. Tal deutsche Volk draußen in Waffe und in de, Wehr daheim ist Deutschland. Gerade heute gilt das Wort, mit wel chem Ludwig ühland seine Rede im Frankfurter Parlament am 22. Januar 1843 geschlossen hat: ES wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen d:No?rA tischen OelZ gesalbt ist.' Unwissenheit mach LeSukgunz schüchtern. 't verleg-n.