j r Tägliche Cmnfja Trlbßne. passiver Widerstand. Bon Mi,n Gorkl. Ein gutherziger Mann dachte lange darüber nach, welche Stellung zum Leben die beste sei. Er entschied sich endlich für den passiven Wider stand. .Ich werde aufhören, dem Bösen 'mit Gewalt zu begegnen; ich werde eö durch Geduld überwinden." ES war nicht Charakterschwäche, waS ihn zu diesetn Entschluß brachte, der sein Gemüt beruhigte. Die Cpne deS PolizeiDirektorS Jgemon hörten davon; sie beobachte ten den Mann und statteten dann fol genden Bericht ab: .Unter den Bürgern, deren Gebar) ren Verdacht erregt, ist einer, der plötzlich seine Lebensführung in un gewöhnlicher Weise geändert hat. Er hält sich fern vom Verkehr mit Men jchen und spricht kaum noch zu je mand. Man muß annehmen, daß er daraus aus ist, die Behörden zu hin tergehen, indem er den Anschein zu erwecken versucht, daß er überhaupt nicht existiert Jgemon las den Bericht und bekam einen Wutansall. .Wie. ''wer existiert nicht? Man führe mir den, Mann vor." Der Bürger wurde gebracht und Jgemon kommandierte: .Durchsucht ihn.' . " Die - Beamten besorgten dies in gründlicher Weise. Sie nahmen ihm alles' fort, was tincn Wert hatte. Die Uhr, den ' goldenen Trauring, selbst die ' Goldsüllung aus seinen Zähnen kratzten sie heraus. Die neuen Hosenträger wurden ihm cthge nommen und da man ohne Hosentra ger auch keine Hosenknöpse brauchen kann, so schnitten sie ihm die Knöpfe ob. .Habt ihr etwas Verdächtiges an ihm gefunden?" .Nichts weiter, und was überflüs sig war. nahmen wir von ihm." .Und in feinem Kopf?" Es scheint, daß in seinem Kopf nichts enthalten ist." ' Dann wollen wir zum Verhör schreiten." In der Art, wie der Arretierte seine Hosen in die Höhe zu halten suchte, konnte Jgemon erkennen, daß er auf alle dringenden Eventualitäten und Notlagen vorbereitet war. Aber er wollte , ihn nicht milde behandeln, er dachte ,.' ihn gleich , beim ersten Eindruck "'viederzuschettern. seine Seele zu zertreten und so brüllte er ihn an: 1 ! Ah, soInd' Sie" also' doch gekom men. Sieh mal an, will nicht ge horchen." Der Bürger sagte ruhig: .Ja, ich bin. gekommen und habe mein ganzes Wesen mitgebracht." .Was treiben Si?' eigent.ich?" . .Ich tue nichts, ich habe mich ein fach dazu entschlossen, durch Geduld alles zu besiegen." Der Beamte schäumte vor Aer zer. .Was. siegen wollen Sie?" .Ja. das Böse will Ich überwin den." ' .Seid still." .Ich habe nicht Sie gemeint." Jgemon glaubte ihm nicht. .Wenn Sie nicht mich meinten, wen meinen Sie denn?" .Mich selbst." Der Beamte war überrascht. .Warten Sie einen Augenblick, was verstehen '.! unter , Bösesein und Uebel?" ' .Widerstand." .Sie lügen." . .Der Himmel weiß, ich lüge nicht." Der Beam!: wurde unruhig? Schweiß brach an ihm aus. Was fehlt diesem Menschen?" dachte er und nach ein paar Secunden Ueberlegung pellte er die Frage: WaS erstreben Sie denn eigent lich?" Ich erstrebe nicht." ' ."nilich. garnichts?" .Nichts, nur erlauben Sie mir, den Menschen Geduld- zu lehren, durch mein, eigenes Beispiel." Jgemon überlegte nochmals, seinen Schnurrbart durch die Zähne klem mend. Er hatte eine Seele, die manch mal, wenn er mit der Arbeit, den Widerstand ungehorsamer Menscher, zu brechen, nicht, beschäftigt war. sich wei chen Träumen hingab die ihm Bilder vom Weltfrieden, von der Erhebung und Reinheit der Seele vorführten. Kr siTi tcfct hcn Nürner mit lieber rafiksung und Bestürzung an und fragte dann Ichars : .Es ist noch nicht lange her. da sachten Sie gerade das Umgekehrte, saß man dem Uebel mit Macht ki .-.erstehen müsse. Und jetzt?" Ein sanfteres Gefühl überkam ihn. .Wie kam es. daß sich ihre Ansichten so vollständig änderten?" Der Mann antwortete: .Evolution." .Gut. Bruder, so ist unser Leben. Erst ist es dies, dann ist es das. In allem ist Irrtum und Fehl schlag. Wir schwanken von einer Seite zur anderen, ober wir wissen nie, auf welcker Seite wir uns bau ernd niederlassen sollen. Wir haben lim Wahl." -., ' Jaemon seufzte. Allerlei krause, sich ' widersprechende Gedanken suhren ihm durch den Kops. Es , t ja! Mahr, einen Bürger so nachgiebig und friedliebend zu sehen, ist schö.i, erhe benö. Doch, wenn jedermann ausho ren würde, Widerstand zu leisten, würden dann nicht die Beamten überflüssig werden und damit die Ge hälter, Neisespesen und die anderen angenehmen Sporteln, die man un ter der Hand machen kann?. . Ach, Unsinn, es kann nicht sein, daß kein Quentchen Widerstand in dem Kerl zurückgeblieben ist. Der Schuft ver stellt fjch nur; wir müssen ihn auf die Probe stellen." Endlich kam dem Beamten ein, wie es ihm schien, guter Gedanke. Er &e fahl den Untergebenen: .Plädiert diesen glücklichen Mann in die dritte Sektion der Feuerwehr, er soll bei der Stallreinigung ange stellt werden." Dies geschah. Der Bürger gab sich mit Eiser der Ausmistung der Ställe bin, ohne ein Wort zu sagen. Jge mon war gerührt. Die Gevuld, die alles ohne Murren ertrug, war echt. Er fühlte sein Vertrauen zu dem Manne wachsen. Aber dennoch, wenn jeder Mensch so handeln wollte?" Nach kurzer Probezeit, die gut be standen wurde, nahm Jgemon den Mann zu sich in das Bureau. Hier gab er ihm zum Abschreiben einen ge fälschten Bericht, von ihm selbst ver faßt, in dem über den Einkauf und Verbrauch gewisser Summen Nech nung gelegt wurde. Der Mann des passiven Widerstandes schrieb den Be richt ab und bewahrte Schweigen über die shwindelhaften Angaben, die dar n vorkamen. Jgemon fühlte sich tief ergriffen, er war nahe daran, Tränen zu ver gießen: Es ist Unrecht, ihm zu mißtrau en. Es ist ein sehr brauchbarer Mensch, trotzdem er lesen und schrei ben kann." Er rief den Mann zu sich und sagte zu ihm: Ich glaube an Sie. Predigen Sie ihre Wahrheit, aber behalten Sie bit Augen offen." Der Bürger zeigte sich nun auf den Märkten, bei Festen und Zusammen künften, in großen und kleinen Städ ten und Dörfern. Ueberall rief er die Menschen zur , richtigen Lebens führung uuf und da er so sanft und leutselig war, vertrauten ihm die Menschen. Viele beichteten ihm ihre verbotenen Taten, wie und wo sie sich gegen die Behörden schuldig gemacht hatten; ja, ihre innersten Gedanken, welche sie sonst keinem offenbart hat ten,. vertrauten sie diesem sanften Menschen an. Einer wollte etwas stehlen, oder dabei betroffen zu wer den. Ein zweiter wollte jemand be trügen; noch ein anderer war damit zufrieden, einen Gegner zu verleum den. ' Der Mann gab allen den Rat: , Gebt alle diese wüsten Wünsche auf, denn es stehet geschrieben, daß lle menschliche Existenz leiden muß, doch das Leiden entsteht erst durch Wunsch und Begier. Darum müßt ihr Wunsch und Begier in Euch zerstören." Die Leute waren erfreut über diese Botschaft. Es sah fo vernünftig auö und es wat so einfach. Wo sie nun gerade standen, da legten sich die Menschen hin. Alle fühlten eine große Erleichterung. Wie lange es dauerte, wird nicht berichtet, doch eines Tages geschah es, daß Jgenow plötzlich fühlte, wie tiefer Friede ihn rundherum einschloß. Furcht erfaßte ihn. doch er versuchte ein entschlossenes, muthiges Gesicht zu machen: Die Schufte verstellen sich." Inzwischen begann sich allerlei Un geziefer, dessen Vertilgung aufgehört hatte, furchtbar zu vermehren. Es ge brauchte gar keine Vorsicht mehr und wurde frecher in seinen Angriffen auf die Haut. Welch' unheimliche Stille, dachte Jgemon, sich hier und da auf dem Körper kratzend, um das unerträall che Jucken zu vertreiben. , Er rief einen folgsamen Bürger zu: .Komm und befreie mich von der stechenden Plage." .Ich kann nicht." Was meinst du damit, Schafs köpf?" " Ich kann nicht. Selbst wenn sie ihnen zusetzen; sie sind lebendige We sen und" , .Ich verwandle dich in einen Leichnam noch in diesen Augen blick." Ganz wie Sie wollen." Und so ging es in allem. Sie antworteten alle in demselben Ton: .Ganz wie Sie wollen." Doch das beveutete nicht, daß sie aussührten, waS er befahl. Jgemons Palast war zerfallen. Eine Unmenge Ratten triebe ihr Unwesen zwischen den Mauern und Wänden; sie fraßen die Dokumente Verträge, Eigentums Urkunden und starben dann an Ver giftung. Doch immer kamen wieder ne;:e Geschlechter Herauf, so daß sie im ganzen mehr zunahmen als sich nnZahl verringerten. Jgemon selbst sank tiefer und tiefer in diese schreck liche Untätigkeit. Er lag auf einem alten Sofa und dachte an die Ver gangenheit. Wir gut da3 Leben da gewesen 'war! Die Bewohner des Distrikts versuchten auf jede mögliche Art den Gesetzen und seinen Befehlen !rotz zu bieten. Sie leisteten Wider stand und manche darunter trieben eö soweit, daß sie hingerichtet werden mußten. Da gab es dann allerlei Anlässe iu Festlichkeiten. Zusammen künften, aus welchen die Ordnung. daS Gesetz gepriesen wurden. Man trug gute Sachen auf; Pfannkuchen und Getränke, für die nichts bezahlt zu werden brauchte. Oder ein Bürger betrieb ein neues Unternehmen; man mußte untersu chen ob es mit den Regulationen Ordinanzen überein stimmte, woraus sich ansehnliche Summen für Reis kosten, Hotel-Aufenthalt u. s. w. er gaben. Wenn er der Regierung ei nen Bericht einsandte, wie er alle un zufriedenen Elemente in seinem Di strikt ausgerottet hatte, pflegte er gu tes Lob und einen extra Zuschuß zu seinem Gehalt einzuheimsen. Es war gut, von dieser sonnigen Bergangenheit zu träumen, aber es war ärgerlich zu denken, daß die an deren Jgemons, seine Nachbarn, nach wie vor auf der alten bequemen Ba sis weiter wirtschafteten. Die Unter tanen leisteten ihnen wacker Wider stand, so kräftig, wie es ihnen nur möglich war. Lärm und Unordnung herrschten. Die Jgemons fuhren über all mit Streng: dazwischen, ohne ein Ziel für allgemeine Besserung der Zu stände zu haben. Es war vorteil hast für sie und kurzweilig noch oben srein. Der Bürger fiel ihm ein) - von dessen Gerede über passiven Wider stand er sich hatte weich stimmen las sen. Beim Himmel, dieser Kerl hat mich zum Narren gehalten", rief er aus. Er sprang 'auf, rost durch den ganzen Distrikt, schüttelte, ohrfeigte die Leute, sie wütend anschreiend: Vorwärts! Wacht auf! Erhebt Euch!" Es war nichts mit ihnen anzufan gen. Er versuchte sie an den Krägen empor zu ziehen, doch das Zeug war alt, vermodert, es zerriß unter seinen Händen. Die Teufel," schrie er verzwei felt, -was ist nur in sie gefahren. Schaut auf eure Nachbarn. Sogar China " Die Leute rührten sich nicht; sie blieben liegen; nur die Energischsten unter ihnen drehten sich auf die an dere Seite. Oh Herr des Himmels, es ist ekelhaft, was kann man dagegen tun!" Er berfiel auf eine Finte, beugte sich über einen Mann und flüsterte ihm ins Ohr: Bürger, das Vaterland ist in Ge fahr. Ich schwöre es dir. es ist in großer Gefahr. Bei allem, was dir heilig ist, setze dem Feinde Widerstand entgegen. Man hört, daß Freiheiten bewilligt werden, daß alles erlaubt ist, was früher verboten war. Hörst du mich, Bürger?" Der sterbende Bürger aber mur melte nur: Mein Vaterland ist in Gott." Die anderen ' waren überhaupt nicht zum reden zu bewegen. Diese verfluchten Fatalisten! Steht doch endlich auf! Ihr könnt jetzt allem, was Euch früher, bedrückt hat, den schärfsten Widerstand entge gen setzen." Einer, dtr früher ein fröhlicher Bursche gewesen war und sich durch Freude an Keilereien ausgezeichnet hatte, erhob sich ein wenig, blickte sich um und sagte: Warum sollen wir widerstehen? Es gibt nichts zum widerstehen." Aber das .Ungeziefer?" Daran sind wir gewöhnt." Jgemons Verstand erhielt den letz ten Stoß. Er reckte sich in die Höhe und mit einer Stimme, die unter an deren Verhältnissen die Menschen er schüttelt haben würde, rief er: Ich erlaube alles! Tut was ihr wollt freßt Euch gegenseitig auf." Die Stille, die Ruhe ringsum wa ren unerträglich. Jgemon sah, daß alles verloren war. Er fing an laut zu weinen, heiße Tränen flössen seine Wangen , herab. Er raufte sich das Haar und versuchte eS noch ein mal: .Bürger, liebe Brüder, was soll ich tun? Muß ich denn ganz allein die Revolution anfangen? Denkt doch nach, die Revolution ist histo lisch notwendig, vom nationalen Standpunkt, die Zustände im Lande in Betracht gezogen, ist sie .unver meidlich, aber es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, daß ich sie allein, durchführen kann. Ich habe ja nicht einmal mehr die Polzei für diesen Zweck ins Feld zu führen, , das Unge ziefer hat sie gefressen." Die Bürger zwinkerten nur ein we nig mit den Augen. Selbst wenn man sie mit einem Pfahle durchsto chen hätte, würden sie kauizr einen Laut haben hören lassen. Und so starben sie denn alle in Schweigen dahin, ganz zuletzt, in vol ler Verzweiflung, auch Jgemon. AuS dieser Erzählung ergibt 'sich, daß man selbst in der Ausübung der Tuaend der Giduli) eine wisse Mä ßigung einhalten muß ) SpaMgang. Von Stcfmi GrobmannWien. Die Leute' hallen den Herrn tat serlichen Rat 'Reichenberger für Gott weiß was für einen Viveur. Er geht an jedem Nachmittag nach Bu reauschluß langsam, behaglich, im Pelz oder im Sommerjacket durch die belebtesten Straßen. Zwei Stun den mindestens bummelt er so ganz ziellos durch die Stadt. Er ist durchdrungen davon, daß er diesen paar Stunden im Freien seine lusti gen roten Backen verdankt, die ihm ein ganz lebensfrohes Gesicht geben, namentlich seit der Backenbart vom Hellblonden ms Silberweiße über geht. Ein so alter Spaziergänger suhlt sich auf der Straße gewisser maßen zu Hause. Die Kutscher grü ßen Herrn Reichenbcrger, trotzdem der kaiserliche Rat noch nie einen Mietwagen benutzt hat. An Som mertagcn stehen die Besitzer der Ge schäftöläden gelangweilt vor den Tü ren und sind sehr geehrt, wenn der Herr kaiserliche Rat im Vorbeigehen ein paar nette Worte an sie richtet. Dann fragt der Juwelier nach dem Befinden des Herrn Reichenberger selbst. Die zweite Frage gilt ge wohnlich dem ältesten Sohn des tat; serlichen Rates, der als Militärarzt in Bosnien steht, die dritte Frage gilt dem iungsten Herrn Reichenbcv ger, dem, der heuer im Sommer die Matura bestanden hat. An den ersten lauen Frllhlingsta- gen kommt es vor, daß die Spazier, gange des Herrn kaiserlichen Rates drn und vier Stunden dauern. Ein, mal ist er im vorigen März auf der Straße mit einem blutmngen Putz machermädel, das eine enorm große Schachtel am mageren Arm hängen hatte, ins Gespräch gekommen und ist mit der amüsanten Kleinen bis nach DobliNg gewandert. Die Jdio ten und Philister meinen, daß der alte Herr so einem jungen Madel ab lerhand ungehörige Geschichten cx zählt, um so sich und ihm die Zeit zu vertreiben. In Wirklichkeit stellt er nur geschickt ein oder die andere menschliche Frage. Man kommt unver sehens ins Plaudern. Herr Reichen berger fragt gemütlich mit dem stillen Humor, den nur gute alte Leute ha ben, was denn heute mittag zu essen am Tisch gestanden sei. Ganz von selbst ergibt sich dann das Gestand nis. daß fsleisch nur zweimal in der Woche des Putzmachermädels auf den Tisch kommt, weil sechs Geschwister noch da sind, viere noch in der Schule, die zwei größeren Mädels schon in der Arbeit. Abends ist im- mer nur Butterbrot und höchstens, wenn's kalt ist Tee dazu. Aber nach dem Nachtmahl, da sitzen alle um den Tisch herum, die sieben Geschwister und der Vater (die Mutter ist mer stens müde und schlafen gegangen) und dann liest der Gustav, der Bub', der in die Gewerbeschul' geht, oft vor. Entweder den Roman aus der Zeitung oder aus einem Buch, das es vom Verein hat. Manchmal, klagt das Putzmachermädel, werden leider den ganzen Abend nur Witze ge macht. Der kaiserliche Rat geht daneben und hört, dem srohm Kind zu. Wenn er abends auf der Straße stände und wie ein Gassenjunge durchs Fenster in die Parterrewoh nung hineinguckte, wo die sieben Ge fchwister mit dem Vater nach dem Nachtmahl sitzen und üler dumme Witze lachen, dann könnte er die Leute nicht deutlicher vor sich sehen als jetzt, während die schlanke Kleine schwätzt und schwätzt Damals ist Herr Reichenberger bis nach Döbling mitmarschiert, so viel Spaß hat ihm das sorglose Ge plauder des Putzmachermädels berei tet. Ein anderes Mal hat er aus der Straße ein richtiges Onkelver hältnis mit einem sechsjährigen Jun gen angefangen, der aus purer Aus gelassenheit den großen alten Herrn plötzlich von rückswärts angefaßt hatte, um ihn mit seinen Kinder Händchen vorwärts zu schieben. Im ersten Moment hatte sich Herr Rei chenberger zornig umgedreht, denn nichts ist ihm so verhaßt, als auf der Straße gestoßen oder gedrängt zu werden. Da krabbelte der Knirps aber schon ganz frech zwischen seinen Beinen. Die alte Frau, der der Bub entwischi war, entschuldigte sich viele Male: Nein, so eine Keckheit. Wart' nur, kandl. Du wirst es zu Hause kriegen." Weil das ein bißchen dro hend klang, nahm sich der kaiserliche Rat des Jungen an, holte ihn mit einem geschickten Griff aus dem Ver steck im Pelz herauf, nahm den Jun gen an der Hand und kam natürlich bald in ein ganz vertieftes Gespräch über die Dummheit der Lehrer, über die Güte von gebratenen Aepfeln und über die Schönheit von Glaskugeln. Der Herr kaiserliche Rat hat dann mit dem Jungen zusammen in einem Laden lichtblaue, grüngelbe und graurote Glaskugeln von verschiede ner Größe ausgesucht, die musterhaft glatt geschliffen waren und in ihrer leuchtenden Viclfarbigkeit ganz tounj derbar schnell Über den Fußboden grollten. Herr Reichenberger ist an diesem Abend um eineinhalb Stun den später als sonst nach Hause ge kommen. Aber die roten Backen in seinem frischen Ereisengesicht waren an diesem Abend noch sröhlicher rot. Heute abend hat den Herrn .kai serlichen Rat ein merkwürdig glii heuder Abendhimmel verführt. Die Sonne" war gesunken, aber sie färbte im Untergange noch den Horizont. Ganz hell, beinahe zitronengelb im Osten, durchsichtig graublau im We sten, schimmerte ein dicht aneinan dergefügtes Heer von flockigen Schäf chenwolken im zartesten Orange mit ten am Himmel. Aber immer wieder schnitten die ilobigen Umrisse der Zinskasernen das leuchtende Him melsbild auseinander, dort, wo es am leuchtendsten war. Herr Rei chenberger ging und ging, einer Lich tung entgegen, einem Ort zu, wo die Aussicht frei war. .Er hatte es eilig, denn er fürchtete, es werde ganz Abend geworden sein, ehe er seinen vorörtlichen Aussichtspunkt erreichen werde. Das Zitronengelb am Him mel wurde schon dünner, das Grau blau dichter und nächtlicher und die orangefarbenen Schäfchen wurden allniählich weiß. Das ist ein Grund zur Eile. Aber als hätte der leitet) tende Herbstabend alle Leute auf die Straße getrieben, alle Gassen waren voll mit Menschen undatürlich mit Leuten, die nur im Weg standen, die in festgefügten Gruppen die Wege versperrten oder. Arm m Arm, die Breite des Trottoirs besetzten. Frei lich, man war schon in der Vorstadt, nach Feierabend. Niemals hat der Herr kaiserliche Rat so oft auswei chen müssen, niemals sind so viel Menschen m ihn hineingeraten, nie mals war ein s unangenehmes Ge dränge, wie an diesem Abend mit dem leuchtenden Untergang. Er erreichte den Aussichtspunkt nicht mehr. Es Ware zu spät ge worden, er fühlte sich ein klein wenig matt und kehrte um. Wie Herr Rei, chenberger durch die Hauptstraße des achtzehnten Bezirkes wanderte, da siel es ihm auf, wie viel um ihn herum gelacht Wurde. Er selber konnte die Ursache dieses freundlichen oder spottischen Gelachters nicht sein, ihn schaute niemand an, seinetwegen drehten sich die Frauenzimmer nicht um. seinetwegen blieben sie nicht i hen, ihm sahen sie nicht nach. So fort mußte erforscht werden, was los war. Und 'da entdeckte er plötzlich sechs Schritte vor sich .... er war starr vor Staunen .... feinen jüng sten Sohn, der, der im Sommer die Matura gemacht hatte, Arm in Arm mn einem Madchen. Die Beiden gingen daher, wie nur gauz junge Menschen aus der Straße gehen Ion nen, total versunken ineinander, ohne eine Spur von Erinnerung, daß ihnen die ganze Welt zusah. Die Leute mußten wirklich stehen bleiben. Der junge Kerl sprach und sprach in das siebzehnjährige Mädel hinein und das Mädel kicherte eine Zeitlang halblaut vor sich hin, bis sie mit einem klingenden Gelächter nicht länger haushalten konnte. Aber der Bursch (der übrigens die frisch roten Backen seines Baters hatte) faßte das Mädchen unterm Arm und redete um so erhitzter auf sie los. Niemanden schaute das Mädchen an, ihre lachenden Augen versanken im Anblick des schlanken Jungen neben ihr Die Weiber blieben stehen, wenn das Paar vorllberkam. Je älter die Weiber waren, desto unpassender fanden sie diese Liebesprome nade. Männer kamen vorbei und verzogen die Gesichter zu ganz infamen Gelächter. Gassenjungen auf dem Fahrweg faßten sich unterm Arm, neigten einander die Köpfe zu, und übertrieben schwatzend das in timste Getuschel. Das Paar ging weiter durch das Gewühl und sah sich an. Der Herr kaiserliche Rat kam ganz nahe. Er konnte die bei aller Hei terkeit zitternde Stimme seines Jun gen hören, er konnte mitten im La chen des Mädchens einen großen und ernsten Blick gewahren, der seinem werbenden Sohn galt. Herr Rei chenberger blieb zurück, - um keinen Preis hätte er hier horchen oder auch nur auffangen wollen, was hier leicht zu erhäschen war. Das Mädchen hatte jetzt ihren Arm aus seiner Hand lösen wollen. Da sing der Vater einen Blick des Sohnes auf, einen Blick aus so ern sten, so strahlenden, so flehentlichen Augen und dann ein kurzes Au genschließen des Mädchens, ein gii tiges banges Lidersenken.... Der Arm des Mädchens blieb wei ter in der Hand des Jünglings. Nichts als diesen Augenblick des Lidersenkens hatte der Vater gesehen (vielleicht auch noch den schwebenden Schritt des Mädchens wahrgenom men) und plötzlich rief es in ihm Ja" zum Willen des Sohnes. Ein feierlicher Wunsch regte sich in dem Vater. Etwas, das er zu sagen oder zu gebärden nie gewagt hatte, ein Segen Ganz nah halt sich der Herr kai serliche Rat zu dem jungen Paar. Dann treibt ihn sogleich wieder die Angst, zu nah zu sein, zurück, so daß er seine Kinder fast aus den Augen verliert. Bald ist er so froh gelaunt, daß er Lust bekommt, das Paar an julvrechen. dem lieben WävSenlL denn nicht gzgz weaS"' freundlich in die Augen zu sehen und ihm zu sagen: Ich sage ja zu Euch, ja! ja! Im nächsten Moment fürchtet er sich vor seiner Gutmütig keit. Plötzlich fällt ihm ein, daß der Junge nicht einmal Geld genug bei sich hat, um Beiden eiq Nacht mahl zu kaufen. Dann lacht er über sich selbst, daß er den jungen Leuten jetzt Nahrungssorgen zumuten konnte. Aber wenn jetzt ein neidisches Weibsbild stehen bleibt und' die jun gen Leute begafft, wird der kaiser liche Rat wütend. Dann geht er, scheinbar vhnunjslos, von der ent gegengesetzten Seite auf die Gafferin los, tritt ihr w unversehens gröl, lich auf die Zehen, entschuldigt sich ganz ergebcnst und lacht beglückt in sich hinein, wenn die blöde Gafferin ihre Aufmerksamkeit sogleich ihrer schwer verletzten Zehe zuwendet. Den Gassenjungen, die das Paar höhnend kopieren, kann er glücklicherweise ein bißchen Zuckerwerk anbieten, das er immer im Ueberrock trägt. Mit ein paar Hellern vertreibt er sie ganz. Mannsleute, die lächelnd an den Kindern vorbeigehen, stößt der kai serliche Rat, wenn die Leute stehen bleiben und wenn das Lächeln gar zu eklig ist, unbarmherzig zur Seite, natürlich mit der clllerhöflichsten Bitte um Verzeihung..... So geht der Bater hinter seinem Sohn und der, die zu seinem Sohn gehört. Ohne daß es irgend wer bemerkt, schafft er die Gaffer und Neidet und Gassenjungen beifeite, verdrängt still undschützend alle, die die Versunkenen wecken könnten. Das Hellgelb, das Grünblau, daS Orangerot erlischt am Himmel. Es wird sehr dunkel. Da biegt der kaiserliche Rat in eine lange, schlecht beleuchtete Gasse ein und geht sehr nachdenklich, ganz allein, den leeren Weg weiter. j Jugeuderschemnngen im Alter Man 'hat oftmals behauptet, das Alter wäre eine zweite Kindheit, und das ist auch wahr, nicht nur pom mo ralischen. sondern auch vom physiolo gischen Standpunkt aus. Seltsame Eigentümlichkeiten sind tatsächlich häufig bei alten Leuten beobacht worden, die sozusagen ein zwetres Leben begannen. So erstaunlich die folgenden Beispiele auch sein mögen, so beruhen sie doch auf Wahrheit und sind von berühmten Aerzten vufge zeichnet worden. So berichtet ein Arzt, daß die Au gen sich oft wie in der Jugend zu rllckentwickeln. Es ist bekannt, daß ein gutes Auge bereits im mittleren Alter weitsichtig wird, man zum Le sen das Buch oder die, Zeitung immer mehr von den Augen entfernen mutz, bis der Moment eintritt, da man nur noch mit konvexen Gläsern lesen kann. Das ist ein Hauptkennzeichen des Alters. Doch die Fälle sind ziemlich zahlreich, wo man die Rückkehr der normalen Sehrkrast feststellen konnte. Ein alter Herr von 87 Jahren be merkte, daß er mit seiner konvexen Brille nicht mehr lesen konnte. Er versuchte nun ohne Brille zu lesen, was ihm ausgezeichnet gelang, und er hatte genau wieder dieselbe Sehkraft wie m seiner Jugend. Dasselbe Pas sierte einer alten Dame, die im Alter von 90 Jahren, nachdem sie vierzig Jahre fast kaum mehr hatte sehen können, plötzlich ohne Brille die klein sten Buchstaben zu lesen vermochte. Was die Verjüngung des Haares und der Zahne betrifft, so erzahlt der selbe Arzt von einer russischen Bäue rin. daß sie als Hundertjährige zwei Zähne verlor, die sofort nachwuchsen. Ferner lernte er einen alten Mann kennen, der im Alter von 116 Jahren, nachdem er vor längerer Zeit alle seine verloren, m kurzer Zeit .acht neue be kam. Ein anderer Arzt lernte einen Greis von 120 Jahren kennen, der sich für Geld sehen ließ und den Zuschauern zwei Reihen weißer Zähne zeigte. Dieser Greis erzählte, er wäre vor zwei Jahren im Haag gewesen und hätte dort erfahren, daß in die ser Stadt ein Mann von damals 122 Jahren lebte, der also noch älter war als er selbst. Er suchte ihn auf und klagte ihm, er habe im Kiefer heftige Schmerzen. Sein Alterskollege be ruhigte ihn und erklärte, er würde sich verjüngen", denn die Schmerzen, an denen er litte, deuteten nur auf neue Zähne. Er selbst wäre dafür ein le bender Beweis, denn er hätte dasselbe Leiden durchgemacht und alle seine Zähne wären nach und nach wieder gewachsen. Erster Gedanke. Herr: Und was dachten Sie im Augenblicke der höchsten Gefahr, als das Kroko dil den Rachen aufriß, um Sie auf usressen? Afrikatourist (von Beruf Zahn arzt): Ich konstatierte schleunigst, daß drei Backenzähne tunlichst bald plombiert werden, müßten! Schlau. Eisenbahnschaff ner (zum Reisenden, der ihm ein gu tes Trinkgeld gegeben hat): .Setzen ie sich nicht in den letzten Wagen, mein Herr, wenn ein Zusammenstoß stattfindet, leidet der Wagen am mei sten." Reisender: .Ja. warum lassen Sie Eigknariige KraslMÜe. - " t Umsetzung vnlkanlscker 8 raste in CM. ttijliiit. Die Sorge um die Erschöpfung der Kvhlenschätze der Erde, die all dings vorderhand noch in weit Ferne liegt, hat in spekulativen Kvp sen unter vielen andern Plänen ge legentlich auch den geboren, die in nere Wärme der Erde für den Ener giebedarf der Menschheit nutzbar zu machen, ganz populär gesprochen: un sere Kraftmaschinen mit der Hitze der Vulkane und ihrer Geschwister zu treiben. Wer vondieser Idee zum erstenmal hört, hub lcicht öc.l sein, sie für verrückt" zu erklären. Trotzdem hat die Technik den kühnen Traum schon zur Wahrheit gemacht, wenn auch vorderhand nur in ver hältnismäßig bescheidenem Maßstab und in einem besonders günstigen Falle. Nach einem Bericht von Prof. Luiggi in der Nuova Antologia" besteht in Italien, im nördlichen Toskana, nahe bei der Ortschaft La derello, die Va Autostunden von Volterra (einem durch seine Salinen und die bedeutenden Gips. Marmor iind Alabasterbrüche bekannten Städtchen) entfernt liegt, seit meh reren Jahren ein großes Elcktrizi tätswerk, das seine Energie den Soffioni" entnimmt, Erdlöchern und Felsspalten, aus denen brausend und zischend hochüberhitzter, borhal tiger Wafserdamps strömt. Seit 1903 hat man mit diesem Dampf een man schon seit langer Zeit auf Bor verarbeitet, zum Antrieb von Dampfmaschinen verwendet und mit dem ganz Laderello heizt und kocht Niederdruckdampfturbinen zu trei ben begonnen, um so elektrische Euer gie zu gewinnen. Der Dampf hat Temperaturen bis zu-400 Grad Cel sius (im Mittel von 150190 Grad Celsius) und steht unter einem Druck von 35 Atmosphären, so daß in ihm tatsächlich, da er seit Jahrhun betten, ohne je abzunehmen, aus strömt, also wohl auch weiter pro men wird, große Krastmengen zur Verfügung stehen. Leider hat er aber auch eine im vorliegenden Fall; recht unangenehme Eigenschaft: er enthält nicht nur allerlei erdige Be standteile, Borsäure und Ammoniak,, die er' aus dem Erdinnern mitreißt sondern auch 4 5 Prozent unkon densierbare Gase (meist Kohlensäure, sodann Schwefelwasserstoff und Wasserstoff), die einmal bewirkten, daß die Turbinen sehr unWirtschaft lich arbeiteten, dann aber auch Zer störungen hervorriefen, die die Ma schinen nach kurzer Zeit unbrauchbar machten Auf die Wirtschaftlichkeit hätte man nun zwar in dem gesegneten Lande gepfiffen, denn der Dampr kostet ja nichts. Aber die zerstörten Maschinen dafür um so mehr, so daß man schließlich doch auf Abhiye sann. Die Lösung der Aufgabe ist auf ziemlich einfache Weise gelungen. Man sah von einer unmittelbaren Verwendung des Dampfes ab und fügte ein Zwischenglied in Form ei gens gebauter Dampfkessel ein die der Naturdampf beheizt. Der da durch in den Kesseln erzeugte rein? Wasserdampf treibt die Turbinen, wird dann wieder verflüssigt und in die Kessel zurückgeführt. Die Tur. binen ihrerseits treiben drei Dhmn mos von je 3000 Kilowatt Leistung bei 3000 Umdrehungen in der Mi nute, deren Strom nach unserer. Quelle zurzeit schon fünf verschie, tene Städte mit Licht und Maft versorgt. Ex geht durch fünf Lei tungen mit einer Spannung von 36.000 Volt in die Netze von Vol ierra, Siena, Cocina, Livorno und Florenz, überwintzet also teilweise recht erhebliche. .Entfernungen. In Florenz ivirdU. a. auch die elektri sche Straßenbahn aus dieser eigenar tigen Kraftquelle betrieben. Glückli ches Laderello, das selbst im WeM krie keine Kohlensorgen kennt! m , '" ' Kummer und Gram haben Plötzlich bei den Eheleuken A. I. Al lard in Crookston, Minn., deren sie ben Monate altes Töchterchen Gene vieve auf furchtbare Weise ums Le ben kam, Einkehr gehalten. Es wür Waschtag, und, die Kleine in ihrem Babystuhl sitzend, verfolgt aufmerksam die Hantierungen der Mutter bei der Waschwanne. Kurz vor Mittag kehr te der Vater heim, und während die Mutter die Mahlzeit zubereitete, nahm er die Doppelfenster heraus. Frau Allard bemerkte, daß ihr noch einiges zur Zubereitung deS Essens fehlte, und eilte in ein benachbartes Geschäft, um das Fehlende zu holen. Sie ließ die Kleine in ihrem Baby stuhl, wo sie sie während ihrer kurzen Abwesenheit vollständig sicher glaubte. Bei ihrer Rückkehr war die Kleine verschwunden, und bei sofort angestell ten Nachforschungen wurde sie tot in der Waschmaschine gefunden, wo sie in der Seifenlauge ertrunken war Die herbeigerufenen Aerzte können keine Hilfe mehr leisten. Auf welite Weise das Unglück passierte, wir? wohl unaufgeklärt bleiben. Entweder, war die arme Kleine eingeschlafn ' und ist' dann aus dem Stuhl in die Wanne gefallen, oder sie hatte sich zwischen Sitz und Schutzbrett fy?.- durchgearbeitet und ist auf diele Weise !2ö WaSer. geraten. i t