Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 17, 1917, Image 2

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    Tägliche Omahs SrnfSsf
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.. Die Wahrheit
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Aus englischem Munde.
Lord Haidingt hatte sich vor einiget
f.'.ii einem Berichterstatter gegenüber
Über die Zustände in Indien ausgespro
in und dabei die Dinge s dargestellt,
jis ob eitcl Ruhe und Frieden im gan
Zztit Si::'t und als ob eine et
awißt Unruhe nur durch die Begcistc
rung heröorgerufen würde, mit der sich
sie Bevölkerung zu den Waffen drängt,
un für England, das Ctiefmutterland
: Verzeihung! das Mutterland,
zu siege oder zu sterben und aus alle
Fälle zu kämpfen. ,
Eine gegenteilige Darstellung wäre
überraschend gewesen. Denn selbst
enn in Indien alle drunter und drü
der ginge, dürfte und könnte ein Staats
mann in der Lage des ehemaligen Vize
fonigä von Indien nicht diese Wahrheit
selbst auZposaunen, solange eS noch eine
Möglichkeit gäbe, sie zu verheimlichen.
Auf eine unbeeinflußte Stimme kann
man überhaupt während dieses Krieges
kaum rechnen. Maßgeblich wäre jedoch
ein Urteil, daZ noch aui neuerer Zeit,
:sg rni der Zeit kurz vor dem Kriege
stammt; und dieses Urteil würde um
so mehr Gewicht haben, wenn es aus
sachverständigem und englischem Munde
käme.
Ein solches Urteil liegt vor, und
zwar ist es enthalten in einem langen
Artikel, den einer der besten Kenner
fcndienl, Shaw Desmorid, in einer der
:.: rbreitktste englischen Monatsschriften,
Vtt London Magazine", schon vom
- März 1911 veröffentlicht hat. Damals
Hute man och nicht, daß ein europäi
scher Krieg so bald ausbrechcn würde,
-. der als natürliche Begleiterscheinung daS
in Indien glimmende Feuer zu stärkerer
y.'arnme ansachen mag. Die Aeußcrun
gen des Genannten find als nicht für
den jetzigen Krieg und erst recht nicht
für die jetzige Kricgslage zurechtge
ntedit
' Nun. diese, Urteil ist für die Zu
stände in Indien und damit für die
inglische Regierung geradezu vernichtend,
-, und der ganze Artikel ist ein einziger
Warnungsruf, gestützt auf harte Tat
fachen und bittere Wahrheiten. Wahr
Beilen, die man sich englischeres wohl
, zchütet haben würde, zu veröffentlichen,
haft! man mit der kotzen Möglichkeit
::ncs Krieges och im nämlichen Jahre
- gerechnet.
Die Uedcrschrift des Aufsatzes ifi
... schon bezeichnend. Sie lautet: .Sollen
ävir Indien verlieren?"
Und der längere Untertitel, der dann
folgt, spricht schon Bande, sowohl über
g-ie Zustande in Indien als ou" über
den Wert amtlicher engsischer Kundge
bungen (selbst in Friedenszeiten) über
diese Zustände. Er lautet:
Das Band zwischen Großbritannien
uns Indien lan jede Augenblick rei
, . ?n. Das große braune Festland ist
nach snd nach vollgepfropft mit Zünd
Stoss und das indische Amt daheim weiß
's wenig von den tatsächlichen inneren
Zuständen Indiens, w der Vizekönig
selber (sich. Denn es herrscht eine rie
senhafte VerschRwrung deS Schweigens
Der Versasser wirft den amtlichen
S!i.llen aber nicht nur Unwissenheit vor.
sondern n erklart auch gerade heraus,
daß die amtlichen Berichte aus Indien
sr'tematisch gefärbt und gefälscht und
natürlich nach der guten Seite hin ge
färtt und gefälsihi find. Und er fügt
hinzu, daß wahrscheinlich Großbritan
nie eines Tage? diese amtlichen Berichte
furchtbar teuer und mit Blut und
Schrecken bezahle müssen wird. Der
Verfasser bezeichnet als die allerletzten
Ursachen der Unzufriedenheit der indi
sii-en Bevölkerung die ständigen Land
plage der Pest, der Armut und dcr
öuLgerZnot. Und er führt dann auf
Grund langjähriger Erfahrungen aus,
daß die Pest letzten Endes eine Ar
nmMrankheit' ist. Diese Armut aber
ist hervorgerufen durch die brutale Art
und Weise, mit der England diese seine
Kolonie aussaugt eine Anklage, dir
bekanntlich auch schon von einzelnen her
vorragende englischen Schriftsteller
' des dcrigeit Jahrhunderts laut und ein
dringlich erhöbe worden ist. Eindringe
lich für jederman nur nicht für die
Engländer.
Hier einige Zahle und Einzelheiten
in wörtlicher Uebersetzung:
Der indische Bauer, d. h. mehr als
SO v. H. der ganzen Bevölkerung, wird
mit der neunschwiinzige Katze zur Re
iMufön gepeitscht durch Abgaben, die
kcia Gegenstück in der Weltgeschichte ha
ben, da sie drei Viertel des ganzen Lan
dcSerträgnisseS darstellen. Vor der eng
lisch Besitzergreifung zahlte du indi
se Bauer in Drittel seine? Ertrag
nisses."
Jl ist allerseits zugestanden, daß
Indica niemals vor der englischen Be
s,g:äfl!Ng solche Schrecken von Pest
ur,d Hungersnot gekannt hat. Hier die
kcnisize Ziffern: Nach offiziellen
Schätzung hat die Pest (nach dem Ver
. fasset also die durch die englische Aus
.!? saugung hervorgerufene .Armutskrank
bei von 1909 bis 1914) mehr als se5s
Million! Jndier dahingerafft, und diel
Verhältnis wächst noch schnell! Im
Punjsb allein starben während einer ge
wiffe Periode 75,000 Menschen an der
Pest. Zwischen 186 und 1300 ging
t;e ganze Nation zugrunde, nämlich
riickt wenier als 30 (dreißig) Millionen
Itm ixnl
mJ) europ2lie eamie tn y,mn
beziehe inkgesamt 13.900,544 Lstrl.
jährlich, während 130.0W edrnssllS m
der ioi'oerwaliung beschäftigte ?ndier
sich um bettelhafte 3,284,103 st rl rei
Im müssen."
Jidcs Lebewesen in England nimmt
förngsterl 16 Schilling die Wocke ein.
Der indist? Lauer, so sagt Lord Cur
ac-i selber. Erhalt 26 Schilling im
'Jahr! Nach nicht offiziellen Quellen
hit g.-nieht er fein Leben mit 12VS
$mr$ (ca. $J) das Safir! .Allen
Unterschob i d. n Lel-enzbedixsunge
i-i:l:'titi: alt Tztfsch! bleibt. fco
über Indien.
1 allmählich durch einen Armutsvamphr
ans vcr .liien, gc,augl wird und der
Peft als leichte Beute zum Opfer fällt."
Als eine weitere Ursache der' indischen
Unzufriedenheit bezeichnet der Verfasser
dann die mannigfalligcn Vekundunzc
deS ungeheuerlichsten englischen Nassen
gräßenwahneS dem indischen Eingebore
nen gegenüber. Dieser Hochmut macht
selbst vor selbständigen, mit .Majestät"
angeredeten Herrschern, wie de-i Emir
von Afghanistan, nicht Hatt, und dcr
Verfasser führt als Beispiel den Fall an.
daß in Bombay englische Klubmänner
gegen die Zulassung des Emir von Af
ghanista auch nur als Gast bei einer
einzigen Mahlzeit Einspruch erhoben!
Und er fügt hinzu:
Sicherlich wird diese Beleidigung,
wie Zausende von anderen, nie vergessen
werden, r Jndier vergißt niemals!
Shaw Desmond legt weiterhin klar,
daß Englarld nicht länger Indien durch
die künstlich aufrechterhaltenen religiö
scn Zmiftigjeitcn regieren kann. .Hin
dus, Mohammedaner. Sikhs und Par
scn vereinigen sich für ein gemeinsames
Ziel: die Abschüttelung des englischen
Joches!' - -
Aus diesen Darlegungen gcl.t schon
zur Genüge hervor, wks von den Ver
sicherungen Lord HatdingeZ über die
Treue und Zuneigung" dcr indische
Bevölkerung und insbesondere des mäch'
tigen Emirs von Afghanistan zu halten
ist. Der ehemalige Bizckönig hat fei
nerhin erklärt, daß das Element der Un
Zufriedenheit nur durch einige Anaichi
ften verkörpert wird. Shaw Tcsmond
versickert eindringlich:
Möge es ein für ollemal und allen
klar werden, daß die geheimen indischen
Gesellschaften etwas ganz anderes sind
als abgesonderte Horden von Narren!
Hinter sich haben fit offenbar eine mäch
tige Organifation. Es ist auch nicht
richtig, zu glauben, daß die indischen
Revolutionäre aus den niedrigse und
am schlechtesten erzogenen Klasse siam
men. Ich habe selbst mit indischen Füh
lern gesprochen, und sie zeigten sich als
Meister westlicher Sprachen und als
Kenner westlicher Literatur Männer
von sanfter Rede und gebildetem Wc
scn . . . Aber die hauptsächlichsten Brüt
statten dcr Revolution sind außerhalb
Indiens, in den britischen lind kontinen
talea Centren der Unzufriedenheit, zu
finden, die mit Indien eine unaufhörliche
und geheime Verbindung unterhalten."
Nachdem der Verfasser in dieser Hin
sieht noch ausgeführt hat, daß die mäch
tige Leitung der bevorstehenden indischen
Revolution i Californien ihren Sitz hat
und daß außerdem die indischen Führer
eine beständige Verbindung mit Irland
unterhalten, sagt er wörtlich: Ich bin
überzeugt, daß eine der furchtbarsten
Bomben, die in das selbstzufriedene La
ger deS englischen Beamtentum? einschla
gen werden, daS Verhalten der foge
nannten loyalen" Eingeborenenftaaten
sein wird. . . . Der Zündstoff in dem
großen indischen Pulvermagazin wächst
von Stunde zu Stunde. Waö soll die
Explosion verhindern?"
Und von dieser Betrachtung kommt der
Verfasser auf die indische Armee zu spre
cken, nachdem er gleich als allerersten
Satz seiner Untersuchung die inhalts
schweren und vielsagenden Worte ge
schrieben hat: Die englische Herrschaft
Über Indien ruht mehr und mehr auf
den alteren Generationen der Jndier."
Er führt nun aus, daß England Indien
nur durch Armeen von Jndiern halten
kann, aber: .Lord Morley hat selbst zu
verstehen gegeben, daß während der den
galischen Unruhen die Sikhs-Regimenter
revoltiert haben würden, kenn nicht ein
gewisser Führer festgenommen und fort
geschickt worden köre. ... Die indische
Armee zählt S2S.000 Mann, darunter
75.000 Engländer, um in Volk von
800 Millionen tn Schach zu halten. . . .
WaS nun, wenn diese Viertclmillion in
bischer Soldat nicht lmi ist?"
Der Verfasser führt dann indische Zei
tungsstimmen an, die schon damals ge
gen das englische Joch aufriefen und er
klärten, daß das indische Volk selbst
durch ein Meer von Blut schwimmen
würde", um fein Ziel zu erreichen.
Die Bemerkung, die für die Ruchlosig
seit, Gewissenlosigkeit und Kurzsichtigkeit
der Engländer vlleicht die wuchtigste
Anklage enthält, ist am Schlüsse des be
treffende Aufsätze zu lesen und lautet:
Tatsache ist, daß die Ucberlegenheit
der Weißen zum große Teil für den
Jndier zu existieren aufgehört hat. Die
japanischen Siege über eine weiße Macht
haben die Myriaden der Jndier bis zu
den Tiefe ihres Herzens aufgerüttelt."
So also lauten ungefärbte und unbe
einflußte Aeußerungen aus sachverstän
digem englischen Wunde. Und es wird
wohl niemand glauben, daß vom März
1214 bis August 1014 die Engländer
such nur Zeit zu einem Versuche der
Besserung gehabt hätten. Noch weniger
wird jemand glauben, daß der Krieg die
Stimmung in Indien verbessert hätte.
Und damit dürften die optimistischen
Ruhmredigkeiten Lord Hardinges von
der liebevollen Treue der indischen Be
völkerung und die hochfliegenden Pläne
Lord Churchills von neuen indischen
Massenheere hinreichend beleuchtet sei.
Eine Frage allerdings drängt sich dem
nicht Eingeweihten angesichts dieser .
Sachlage auf: Warum ist die furcht
bare indische Revolution noch nicht aus
gebrochen und hat daS englische Joch
hinweagefeat wie ein Orkan ein Häuf-
lein Giros!? Wenn ein unzufriede
nes. aliZgesaugteZ und mißhandeltes
Volk von .200 Millionen, venn hoch- ,
intelligente und mutige Führer und eine
beständige, riesige Propaganda nicht zur
Entfesselung der allgemeinen Empörung
ausgereicht haben und das einem an
Zahl so winzen Geaner gegenüber
woran sckli eS denn!?' .
Hiersüf ist jcdoch die Frage sehr ein
szck:
.An zit&.w:::'
Der Loj Kaiser Karls.
Wien, la Februar.
Der neue Hof konstituiert sich all.
mählich: die Zeitungen melden die Be
fetzung dreier Aemter. Prinz Konrad
zu Hohenlohe-SchillingZfürst ist erster
Obcrsthofmeister. Graf Bcrcktold an
Stelle des Grafen Lauckoronsli Oberst
kämmerer und Dr. d. Polzcr o" Stelle
des Freiherr v. Schieß! Direktor dcr
laiferlichen Kabincttökanzlci geworden.
Andere Ernennungen sind schon voll
zogen, aber noch nicht publiziert, wor
den. Sie. sind also als endgültig noch
nicht anzusehen. Nach dem Buchstaben
dcr Verfassung habcn die Hofwürden
träger keine politische Funktion und ihre
Persönlichkeiten böten demnach keiner
lei Anlaß zur politischen Erörterung.
Der Buchstabe aber regiert nicht und
ganz im Gegensatz zur bureaukratischen
Regel ist gerade das die wirkliche Welt,
was nicht in dcn Akten steht. Schon
unter Kaiser Franz Joscf, der strenge
darauf hielt, daß niemand die Kompe
tcnzen seines Amtes überschritt, hat dcr
.Hof" in vielen Dingen eine ausschlag
gebende Rolle gespielt. Es wäre gegen
die Natur, wenn der junge Kaiser, dcr
mit dem Ungestüm dcr Jugend dcn
ganzen Umkreis seiner Hcrrfchcrpflich'
tcn zu bewältigen strebt und einen
wahren Heißhunger nach aufrichtiger
Belehrung zeigt, von den Personen sei
er nächsten Umgebung und feines tög
lichtn Umgangs, die er ja nach seinem
Vertrauen ausgewählt hat, nicht auch
beeinflußt werden würde. So gelangen
denn dicse unpolitischcn Würdenträger
durck den Träger der Krone, dcr ober
sicr konstitutioneller Faktor und in
Oesierrcich-Ungarn nichts weniger als
die blöß dekorative Spitze des Reiches
ist, dennoch zur politischen Bcdcutung
und dcr Chronist, der an ihren Pcrsön
lichkeiten achtlos vorübergehen wollte,
würde seines Amtes schlecht walten.
Der wichtigste Posten ist zweifellos
der deS 1 .Obcrsthofmeistcrs. Ihn hatte
bisher Fürst Montenuovo inne, wie
man weiß, ein Abkömmling von Maria
uise, der Gemahlin Napoleons I. aus
ihrer zweiten Ehe mit dem Grafen
?ccipverg. Schon feine Abstammung
hatte ihm eine besonderen Rang ange
wiesen, dem er persönlich durch Kluz
heit und Liebenswürdigkeit der Um
gangsformen durchaus gewachsen war.
Ueber feine Stellung zu den verschiede?
neu politischen Problemen des Reiches
zu Ungarn, den Slawen und zum
Teutschen Rdche gehen die Meinungen
auseinander, und in dcn letzten 'Jahren
hat eö ihm an Anftchtungcn nicht ge
fehlt. Das war aber wohl die natür
liche Folge des UmstandcZ, daß wäh
rend des Krieges sich eine ganz andere
politische Orientierung Oesterreich-Un
garns als notwendig erwies als in der
ganzen Zeit von 1866 bis zum Welt
kriege. Die an sich sympathische Jdce
einer sich nur auf die noimendigstcn
Funktionen beschränkenden, olles übrige
der natürlichen völkischen Entwicklung
überlassenden Staatsgewalt, die aber
nach außen jede stärkere Bindung eiscr
süchtig ablehnte, mußte aufgegeben wer
den, weil die unbeschränkte völkische Er,!
Wicklung den Staat zu sprengen drohie
und keineswegs eine unerschütterliche
Anhänglichkeit an den Staat zur Folge
hatte; die underhüllte Vernichtungsab
sieht der Entente gegen Oefterreich-Un
gar aber machte den engste von keiner
eifersüchtigen Regierung behinderten Zu
sammenschluß mit dem Teutschen Reich
geradezu zur Existenzfrage für die Habs
öurgische Monarchie. Die subjektive
Einstellung auf die neuen Notwendig
leiten ging wohl über die Kraft mancher
bejahrte Virtuosen des alten Kurses
iind so mag es allerlei Reibungen gcge
den haben. In der Öffentlichkeit ober
sind die Gerüchte aus jene Sphären
nicht zu kontrollieren. Mit dem Prin
zen Konrad Hohenlohe wird das hohe
Amt nun von einem Manne übernom
men, über dessen Gesinnung in diesen
Belangen gar kein Zweisel besteht. Er
war der Vertreter jier obenaeschildkrten
Neuorientierung schon im Ministerium
Stürgkh und galt als dessen Nackfs!g?r
für den Augenblick, tn dem es möglich
gewesen wäre, den neuen Kurs auch
äußerlich kenntlich zu machen. Ctürglh
fiel, ehe dieser Moment gekommen war.
und Körber trat an feine Stelle, mit
ihm eine Art Renaissance dcS Altöster
.reichertumS. Hohenlohe, der kurz vorher
erkrankt war, zog sich zurück. Aber der
Thronwechsel kam und die Auslösung des
alte Hofes war nur noch eine Frage
der Respektssrist. Daß Hohenlohe dann
nicht mehr ein Rcgierungs-, sondern ein
Hofomt übernehmen werde, war von
vornherein gewiß. Es war nur noch
nicht bestimmt, welches. Den Obersihoft
meisterpoften hielt man für besetzt mit
dem Grafen Berchtold, der ja schon den
selben Posten bei dem jungen Kaiser
hatte, als dieser noch Thronfolger war.
Aber gerade darum mag er ihn nicht be
halten habt. Dem Thronfolger war
Berchtold als eine Art politischer Men
tor beigegeben worden und die Mento
ren läßt man gerne beim Eintrit, in
eine neue Lebensphase zurück... Für
die großen Fragen der Reichspvlitik ist
es vollkomme belanglos, wer von bei
den der tägliche Umgang deS jungen
Kaisers ist. Sie sind xolitisck Gesrn
nungsgenossen. frei von jeder Kleinlich
keit und Beengtheit des Horizonts. Sie
sind Europäer und keine Nurösierreichcr,
TieS ist die schr einfache Lösung dks
anscheinend unlöslichen Rätsels! Lord
rdinae bat Zwar derstchert. daß wäh-
rend des Krieges fast keine Artillerie in
Indien gewesen sei. Das ist nun wie
jeder Kenner weiß, und wie es auch dem
Laien ohne weiteres einleuchtet ein
fach nicht wahr! Und wenn eS wcchr
j. so hätten d:e Jndier von vielem
Umstände nichts gewußt. Bor allen
Dingen aber: die Jndier haben selber
Zsine UiSillcrie! Selb den ndism
Truppen wird die Artillerie peinlichst
Sktn:hz.lte?.I .
sind vorurteilslos gegen Ungarn, klar in
der Erkenntnis der Ezisteiiznotivendig
leiten der Monarchie, Ackenncr des en
gen Zusammenschlusses mit dem Deut
sihcn Reich, gefeit gcgcn die in den dcr
schicdensten Masken auftretende slawi
sche Propaganda; sind beide offene,
gerade Männer. Prinz Hohenlohe ist
mit einem Tropfen demokratisä)n Oels
gesalbt er hieß lange der rote Prinz
und zeigte al! solcher lebhafte, vielleicht
fogar ein wenig kritiklose Sympathien
sllr die Vertreter des publizistischen Be
rufs; Graf Berchtold ist kritisckikr. skcp.
tischcr und belastet mit einer charman
Im Selvsiironie, die aber einer großen
Klugheit einen Teil der Schlagkraft
selbstsicher, willensstärkcrer Naturen
nimmt. Die Entscheidung ist nun so
gefallen, daß der Kaiser die bciden Män
ncr an feinem Hofe behält, den Prinzen
Holxnlohe als Obcrstkofmeistcr näher
bei seiner Person, dcn Grafen Berchtold
als Oberstkämmerer und obersten Hiitcr
der kaiscrlichen Eommlungen in etwa!
weiterer Distanz. Für den Grafen
Z?crchtold ist die Betätigung an dcr
Spitze des Galcriewesens schon eine rich
tige Verwendung, denn er ifi ein starker
Kunstfreund er sag! selbst: .ich werde
als Kunstkenner ebenso überschätzt wie
als Diplomat" aber es ist hoffen
und zu erwarten, daß man in ernsten
Situationen seinen diplomatischen Rat
ebenso wenig wird entbehren wollen wie
bisher. Prinz Hohenlohe ober ist Bürge
dafür, daß die Volksfreundlichkcit des
jungen Kaiscrpaarcs, das sich in lcbhaf
icr Weise grade für das Wohl der drei
tcn Massen interessiert, im Laufe der
Zeit keine Verminderung erleidet.
Scheinbar unbedeutend ist der Wech
scl in dcr Leitung der Kabineitskanzlei,
doch keineswegs belanglos. Der bis
hcrige Direktor Frcihcrr v. Cchicßl war
ein wohlwollender in weiten Kreisen ge
schätzte! Mann, dcr in keiner Weise Vor,
fchung spielen wollte und gewiß nie
manden den Weg zum Monarchen vcr
stellte, wie man das einem seiner Vor
ganger nachsagte. Aber er lebte in den
Anschauungen des alten Hoses. Von
seinem Nachfolger Dr. v. Polzcr weiß
man nur, daß er ein Mann von unge
wohnlicher Bildung und ebensolcher Her
zcnszllte ist. Er hat sich bisher als
Beamter im Unterrichisministeriu und
im Ministerium des Innern, dann als
5!anzleidire!tor des Herrenhauses betä
tigi und überall ds beste Andenke hin
tcrlasscn. Niemand zweifelt daran, daß
er scin neues Amt mit demselben Takte
verwalten wird, den er schon bisher im
Umgang mit den Parteien gezeigt hat.
Darauf aber kommt es in diesem Amt
an rneisten an. Der Kabinettsdircktor
soll möglichst wenig eigene Politik ma
chen. keiner Klique und keiner Partei
angehören, nicht konspirieren und nicht
protegieren. Das ist nicht ganz leicht,
denn die Versuchung tritt an den Ge
heimsekrctär des Kaisers natürlich in
jeder Form heran und am meisten in
der schmeichelhaften, unscheinbaren. Es
spricht sihr für den neuen Mann, daß
ihn die Zuversicht seiner Kollege aus
den alten Aemtern in das neue beglei
tet Neidlosigkeit ist ja sonst keine
Büreaukratcntugknd. Für den jungen
Kaiser aber spricht, daß er bisher in
der Wahl der Männer seines Vertrauens
gutes Urteil gezeigt hat.
ean H'auk und der Druck
jehlerteufek.
Im Zeitalter der Schreib. Setz- und
Rojationsmaschinm stellt sich dcr Druck
fehlerteufel" nur zu oft ein und treibt
sein Unwesen in den Spalten der Zei
tungen. Auf der . Leipziger .Bugra"
hatte die Zentrallommission der Korrek
tore Deutschlands eine interessante
Ausstellung zusammengebracht, um dem
Publikum die Schwierigkeiten des Be
rufs vorzuführen; besonderes Aufsehen
erregte die sogenannte Schreckenstam
mer". in der besonders .hahmbüchene'
Druckfehler zusammengestellt waren. Da
ist es nun interessant, Über die vielgc
plagte Korrettoren das Urteil eines
Ulanncs zu hören, daS um so schwerer
wiegt, als es aus der Zeit stammt, da
die schwarze Kunst' noch Handwerks
mäßig betriebe wurde.
Jean Paul, der große Bayreuther
Humorist, schreibt in feinen Flegeliah
ren", IV, No. 69: Arme Korrettoren!
Wer hat noch eurer Mutterbeschwerungen
und Kindsnöte i irgendeinem Buche
ernsthaft genug gedacht, das ihr zu kor
rigieren bekommen! So wenig, daß
Millionen in alle Weltteilen aus der
Welt gehen, wenn teils hungert, teils
friert, teils nichts hat slö sitzende Lc
bensart, sondern dann, wenn er ein Luch
ger lesen möchte. daS er zwar vor sich
sieht (noch dazu zweimal, geschrieben und
gedruckt), aber korrigieren soll: den ver
folgt e, wie ein Rezensent d Buchsta
be, so entrinnt ihm der Sinn, und er
sitzt immer trister da; ebenso gut könnte
einer sich mit einer Wolke, durch deren
Dunstftäubchen er eine Alpe besteigt, den
Durst löschen. Will er ober Sinn ex
nicßen und sich mit nachheben, so rutscht
er blind und glatt über die Buchstaben
hinweg und läßt alles siehe; reißt ihn
gar ein Buch so hi wie die zweite Auf
läge des .Hesperus". fo sieht er gar lei
nen, gedruckte Unsinn mehr, sonder
nimmt ihn für gefchriebenen und sagt:
,Ma verstehe nur ober auch den göit
l'chen Autor reckt.' Ja, wird nicht
fetter der Korrektor dieser Klage, bloß
aus Anteil an dem Anteil, den ich zeige,
so manches übersehe?"
Der menschliche Organismus ist
gleichsam ein Zauberband. durch welches
zwei Welie von ganz verschiedener Na
tur. die körperliche und geistige, mitein
ander verknüpft und verwebt sind; ein
ewig unersorschliches Wunder, durch das
der Mensch Bewohner zweier Welten,
der intcllck:ucllen und der sinnlichen,
wird.
Das Schllwejeil in Holen.
Wer in der Gründung der Universi
tät Warschau im Oktober 1015 nur ein
Zeichen dcS unpraktisch? deutschen
Idealismus sehen wollte, wird heute,
wo in den beiden Warschauer Hochschu
len an 2000 junge Leute ernster Arbeit
obliegen, die Notwendigkeit und polit!
schc Zweckmäßigkeit jcner Maßrcgcl
wohl rückhaltlos anerkennen. Polnische
Landeshochschulen konnten aber nur
eine Sinn haben, wenn' sie die Spitze
eineZ nationalen Schulwesens bilden
sollten. Bis zum Abzug der Russen
war für alle öffentlichen Schulen die
russische Unterrichtssprache vorgeschrie
ben; auch in de seit 1005 gestatteten
Privatschulen mußten einige Fächer in
russischer Sprache vorgetragen werden.
Ws die Teutschen das Gebiet besetzten,
gingen von den höheren Schulen die
Staatsanstalten. an denen ja auch die
Lehrer meist Russen waren, von selbst ein
und die öffentlichen Volksschulen wollten
das Joch der russische Sprache abschut
ieln. Diese pekuniären Verpflichtungen
des russischen Staates gegenüber den
Vottsschulen gingen ach der Haager
Konvention auf die okkupierende Macht
über. Indem die deutsche Verwaltung
sofort daS dem Volke aufgedrängte Ruf
fische entfernte, wurde die Bahn frei für
die Entwicklung eineZ eigenen nationalen
Schulwesens, sür daS sich von selbst der
Zusammenhang mit der Kultur der In
West und Süd benachbarten Zentral
mächte ergibt.
In den Wirre deS Krieges waren
viele Volksschulen eingegangen, zahl
reiche Gebäude zerstört, andere vom Mi
litär belegt, ein großer Teil der Lehrer
eingezogen oder nach Rußland ver
schleppt. Um der Verwahrlosung der
Jugend zu steuern, mußte zunächst der
Unterricht wieder in Gang gebracht wer
den. Auch die Eltern hatten, zumal es
zum Winter ging, den dringenden
Wunsch nach Unterricht für ihre Kinder,
und so konnte im Oktober 1915 daS
Schuljahr im Generalgouvernement mit
ungefähr 3300 Schulen beginnen. Frei
lich mit der Unterkunft stand es auf
dem Lande und in kleinen Städten oft
sehr traurig: mußte man doch z. B. im
Lowiischer Kreise, selbst in verlassenen
Unterständen Schulklassen einrichten. An
Neubauten konnte nicht gedacht werden;
wo Räume nötig waren, mußte man
sie mieten. Ganz allgemein sind in
Stadt und Land Volksschulen und selbst
die überwiegende Mehrzahl der höheren
Schulen in MietsrLumen untergebracht.
Besonder! schlimm stand es mit den jü
bischen Religionsschulen, wo oft kleine
Gruppen von Schülern in engen und
schmutzigen Privatwohnungen hausten.
Der elende Zustand der Schulen stimmte
zu den jammervollen Wohnungs und
Lebensverhältnissen der Eltern. Im
Interesse der Seuchenbekämpfung blieb
an vielen Stellen nichts anderes übrig
als die vorübergehende Schließung der
Schulen. Es war auch nicht daran zu
denken, alle Stellen mit berufsmäßig
vorgebildeten Lehrern zu besetzen, zumal
die Gehälter meistens knapp waren. Nicht
selten mußte man zufrieden sei, wenn
überhaupt Kräfte da waren, die leidlich
mit den Elementarfächern Bescheid wuß
ten und sich mit Eifer und einigem Ge
schick ihrer Aufgabe unterzogen.
Schon im Jahre 1908 hatte die ruf
fische Regierung, um allmählich die all
gemeine Schulpflicht einzuführen, sich
verpflichtet, den Gemeinden unter . be
stimmten Voraussetzungen Zuschüsse zu
zahlen. Aber erst seit 1913 war man
ernstlich an die Durchführung gegangen.
Die deutsche Verwaltung arbeitete in der
selben Richtung weiter, und trotz der
Zerstörungen des Krieges und der Not
läge der Bewohner gelang es, bis zum
Oktober 1!)16 die Zahl der Schulen von
etwa 3300 auf 5900 zu bringen. Wären
Lehrer und Gebäude dagewesen, so hätte
noch manche Schule mehr eingerichtet
werden können; denn die Bewohner
drängte in der Tat fast überall, auch in
den Dörfern, auf eigene Schulen.
Gegenüber der religiösen und sprachli
chen Verschiedenheit der Bevölkerung
konnte man nur darauf bedacht sein, den
vorhandenen Besitzstand zu wahren und
den Grundsatz durchzuführen, daß mög
lichst jedes Kind den Unterricht in seiner
Muttersprache erhielt.
Eine Bestandsaufnahme im Sommer
131Y ergab für die eigentliche Volks
schulen (also abgesehen von den jüdi
sche Religionsschulen) folgenizes Bild:
Religiö
tatt). kdona. martadMsch M.
eulen 4,710 440 83 3'H
Siebm B.&54 IstM 41 UM
Hmttn 845,780 88,793 "2185 27,211
UtkrtchtSspraihe kfamljvlzl
0'miMt
xl. deutsch !ol. II. jsib.
drmsch
tflnt 4745 !ZZ m 33 .4"!
Mm 8,1 WJ
stuftet 40a,&68
In 200 Sonderschulen, in denen zu
gleich polnische und deutsche Kinder jedes
in seiner Muttersprache unterrichtet wer
den, erwächst dem Lehrer eine schwierige
Aufgabe, die ober dem friedlichen Ver
hältnis beider Teile zugute kommt. Un
ter den neu entstandenen deutschen
Volksschulen ist die bedeutendste die des
Deutsche SchulvereinS in Warschau".
Bei ihrer Eröffnung im Oktober 1316
war der Zudrang so stark, daß, über das
ursprünglich Geplante hinaus, sofort 9
Klassen mit ungefähr 450 Schülern und
Schülerinnen eingerichtet weiden muß'
1 1- n.
Besonder schwierig war die Frage,
was aus den jüdischen Religionsschulen
werde sollte, denen von der russischen
Regierung der Elementarunterricht aus
drücklich verboten war. Jetzt wünschten
viele Eltern ibren Kindern die Elemen
tarschulkenntnisse zu vermitteln, .ohne
doch von der ererbten religiösen Trabi
tion etwas aufgeben zu wolleg. Die
Verwaltung wollte nicht durch die van
manchen Seit:,, gewünschte Aufhebung
dieser Schule eine Lruch mit d:r Ver
gangenheit herbeiführen, sonder nur
daS Vorhandene vorsichtig weiterbilden.
So wurde in zahlreiche Religionsschule
Elementarunterricht aufgenommen, da
neben entstanden über 300 jüdische Ele
mentarschulen, teils mit polnischer, teils
mit deutscher Unterrichtssprache, i we
Nigen Fallen auch mit jiddischer.
Da es ei Polnische! öffentliches
Vollsschulwesen bisher nicht gegeben
hatte, so war zwar mancher tüchtige Leh
rer vorhanden, ober es fehlte doch an
einem durchgebildeten Lehrerstand. S
schnell wie möglich mußten die Lehrer
kräfte instand gesetzt werden, einen we
nigstens den einfachste Anforderungen
genügenden Unterricht zu geben. Im
Sommer 1916 wurden an verschiedenen
Orten 22 Fortbildungskurse abgehalten;
da ihr Besuch freiwillig war, so ist die
Zahl von 1523 Teilnehmern ein erfreu
licher Beweis sür den Lerneifer der Be
tätigten. Auch 252 Lehrer von evangeli
schen deutschen Schulcn nahmen an 10
besonders für sie bestimmten Kursen teil.
Für die jüdischen Religionslehrcr, deren
pädagogische Bildung völlig unzureichend
ist, wurde in Warschau unter starkem
Andrang ein Kursus eingerichtet. Auch
die Gründung neuer polnischer Seminare
wurde eifrig begehrt, aber zunächst nur
konnten Vorkurse eingerichtet werden;
daS schon früher vorhandene deutsch
evangelische Seminar in Lodz, daS im
Kriege eingegangen war, wurde wieder
eröffnet.
Bei der Armut vieler Gemeinden war
es fchr willkommen, daß der polnische
Hilssausschuß" in zahlreichen Orten so
genannte Kleinkinderschulen einrichtete,
die bei erheblich geringeren Kosten den
Kindern eine Obhut und häufig auch
einigen Elementarunterricht bieten. Auch
der große polnische Schulderein", der
unter russischer Herrschaft aufgelöst, zur
großen Freude der Polen wieder ins Lc
bcn getreten war, griff häufig helfend
ein und hat mehrfach die Eröffnung
neuer Schule ermöglicht, auch an eini
gc Orten Fortbildungskurse vcranstal
tet.
Das Mittelschulwesen Polens beruht
auf einem Ukas vom 1.14. Oktober
1905. Er gestattete die Gründung von
Privotschulen mit polnischer Unterrichts
spräche, allerdings mit der Beschränk
ung. daß ihren Schülern die Rechte der
Kronanstalten (gewisse militärische Pri
vilegien. Besuch der russischen Hochschu
len und Anstellung im Staatsdienst),
vorenthalten wurden. Trotz dieser Nach
teile, die erst im Juni 1914 etwas gemil
dert wurden, war eine Fülle von Pri
vaianstalien ins Leben gerufen Korden,
und diese fand die deutsche Verwaltung
ollein im Betriebe vor. Die durch die
Auflösung der Staatsschulen entstandene
Lücke wurde rasch durch private Neu
gründungen ausgefüllt. Auch dem Ver
langen der jüdischen Bevölkerung nach
besonderen Mittelschulen, wurde, wo es
das Bedürfnis rechtfertigte, entsprochen.
Unter den deutschen Schulen zählt da!
im Sommer 1916 gegründete private
Luisen-Lyzeum i Lodz schon 330 Schü
lerinnen. v
Danach waren am 1. Februar 1916
131 Knabenschulen mit 81.912 Schülern
und 175 Mädchenschule mit 27.235
Schülerinnen vorhanden. Von den Kna
benschule waren 52 Gymnasien mit 4
8 Klassen. 14 Realschulen und 34 so
genannte Handelsschulen, in Wirklichkeit
Realschulen, die lieber der Aufsicht deS
Handelsministers als der des Kultusmi
nisterS hatte unterstehen wollen und
deshalb einige Handelsfächer oufgenom
mm hatten. Die Mädchenschulen waren
mit wenigen Ausnahmen 7 oder 4klas
sig. Auch für die Mittelschulen fehlt es
an einem durchgebildeten Lehrerstande;
dem abzuhelfen ist begreiflicherweise hier
noch weit schwieriger als bei de Volks
schullehrern. Wenn in freiem Anschluß
an die Universität Warschau Prosemi
nare mit viermonatlicher Dauer (ein
polnische?, ein deutsches und ein laieini
sches) eingerichtet wurden, so war das
nur ein ganz bescheidener Notbehelf.
In den inneren Schulbetrikb griff die
deutsche Verwaltung kaum ei, fo re
formbedürftig er auch nach dem eigenen
Urteil der Polen in sehr dieler Beziehung
ist. Nur der Unterricht im Russischen
wurde eingeschränkt und von den unter
sten drei Klassen ausgeschlossen. Viele
polnische Schulen entfernten von selbst
das Russische völlig oder machten es doch
wahlfrei. Ferner forderte die Rücksicht
auf die neuen Landeshochschulen zwei be
sondere Maßregeln. Eine Ordnung der
Reifeprüfung für 1916" übertrug die
Durchführung der Prüfung einem in
Warschau tagenden Ausschuß von sieben
Vertretern der Hoch und der Mittel
schulen unter der Teilnahme eines Kom
missärS der Verwaltung. Dadurch wur
den die privaten Anstalten zum ersten
Mal einem einheitlichen Prüfungsver
fahren unterworfen. Von L77 zugelas
fenen Schülern der Gymnasien wurden
293 für reif erklärt. Der Reifeprü
fung für Nichtschüler unterzogen sich
33Y Personen, darunter 193 Damen;
es bestanden 103. darunter 5 Damen.
Der Grundsatz dieser Prüfungsord
nung, daß daS Zeugnis der Reife nur
an einer achlftufige Vollanstalt erwor
den werden könne, hatte zur Folge, daß
einige Realschulen und Hochschulen sich
in Gymnasien oder achtklassige Realan
stalten umzuwandeln wünschten, fodaß
Lklassige Oberrealschulen entstände.
Sodann regte sich der Wunsch, auch für
die weibliche Jugend achtklassige Anstal
ten mit den nämlichen Rechten zu schas
sen. I einer Beratung mit Vertretern
der beteiligten Kreise, wurden die Richt
linien sür eine stufenweise Entwickelung
der Mädchenschule vereinbart.
So ist die deutsche Verwaltung dar
auf bedacht, die Hemmungen und Stö
rungen des Kriege! zu überwinden, den
Schulbetricb in schonender Anknüpfung
a das Vorhandene zu förder- und zu
heben und so daS Schulwesen an eine
rundlätzlicke . Reform heranzuführen.
Ob sie zustande kommt, wird in der
Hand der ?o?en selbst liegen.
Der Vorkämpfer für
Grofz-GesterreZch".
In Genf ist dieser Tage Aurcl Ppo
vici, der Verfasser dc BucheS .Groß.
Oesterreich", gestorben, daZ bei seine!
Erscheine so großes Aussehen errczt ,
hat. Popovici hat Zeit scineS Lebens
die Großösterrcichische Idee verfochten,
d. h. den Gedanken, ganz Oesterreich
und Ungarn in möglichst weitgehend;
Selbstverwaltung nach dem Vorbilde der
Schweizer Kantone und der Vereinigten
Staaten von Amerika z geben und ihre
gcmeinsamen Interessen, vor allein das
Verteidigungswesen, die Zoll und Han
dclspolitik und die Vertretung im Aus
lande einer gemeinsamen Regierung un
ter dem Zepter der Habsburger und
einem gemeinsamen, In der deutschen als
gemeinsamer Verkehrs und Staats
spräche verhandelnden Parlamente zu
unterstellen. Schon sein erstes Auftre
ken in diesem Sinne, durch die Flug
schrift .Replik", die er noch als Stu
bietender der Medizin namenlos veröf
fenllichte, brachte ihn mit der heimischen
Regierung in Ungarn in Widerstreit
und trug ihm eine Verurteilung zu vier
Jahren Gefängnis ein. Während feine
Berufung gegen dieses Urteil der Er
ledigung harrte, sudelte er nach Buka
rcst über und fand dort auf Grund sei
ner ungewöhnlichen Sprachenbcgabung
an einem Gymnasium als Lchrer der
deutsche Grammatik und Literatur Un
terkunft und einen neuen Beruf, indem
er namentlich durch seine deutsche Gram
malik für rumänische Mittelschule An
erkcnnenswertes leistete. Gleichzeitig
war er weiter namentlich durch seine
glänzende Beredsamkeit und schriftlich
für seine poüiische Jdce und den engen
Anschluß Rumäniens an Oesterreich
Ungarn und Deutschland, und gegen
die mit allen Mitteln der Käuflichkeit
betriebene Agitation für ein französisch
russische! Vasallentum Rumäniens tä
tig,
Als publizistisches Organ für seine
Bestrebungen gründete er sich in Buka
rcst die Tageszeitung .Minerva". Die
unerschrockene, scharf satirische Haltung
dieses Blattes wurde den Gegnern bald
so unangenehm, daß jie die Aktien des
Unternehmens in ihren Besitz brachten
und ihn dann vor. die Wahl stellten, ihr
Soldschreiber zu werden oder aus der
Redaktion auszuscheiden. Ohne Beden
kcn wählte er die zweite Möglichkeit
und begab sich nun nach Wien, wo er
unter dem mächtigen Schutze dc! ihm
in bezug auf die Gestaltung der Dinge
in Ungarn geistesverwandten Luegcr
eine zweite Heimat und ein reiches po
litisches Tätigkeitsfeld fand. Er war
der Aurcgcr und Organisator der Hul
digungsfahri Luegers und seiner Ge
treuen nach Rumänien, deren äußerlich
glanzvoller Verlauf die Wiener Christ
lichsozialen zu einer so trügerische Auf
fassung dcr Geistcscichtung des Reichs
rumäncntumS brachte und das Verhalt
nis zwischen ihnen und dem gesamten
Magjarentum aufs äußerste verbitterte, y
In Wien ließ er sein Buch Groß
Oesterreich erscheinen und gab dann
eine ebenso betitelte Zeitschrift heraus.
Bei Ausbruch des Weltkrieges siedelte
er mit seiner Familie nach Genf über.
Als jedoch Rumäniens Haltung dcn
ihm verbündeten Mittelmächten immer
feindseliger wurde, begab er sich nach
Bukarest, um mit seinen GcsinnungSge
nassen in unermüdlicher Arbeit die
drohende Katastrophe bon Rumänien
abzuwenden. Daß all diese Mühe ver
geblich war, hat den robusten Mann,
dessen äußere Erscheinung etwak Im
panierendes hatte, an Leib und Seele
gebrochen und ihn jchi in Genf vor sei
ner Zeit hinweggeraffl.
Die verpönten -kysfen.
Lange Hosen sind als Kleidungsstücke,
wie männiglich bekannt, erst gegen Ende
des 13. Jahrhunderts allgemein in Auf
nähme gekommen. PanialonS wurde
anstelle der bis dahin üblichen Kniehose
(Culotte) zuerst in der französische Re
voluiion als ständiges Kleidungsstück ge
tragen, weshalb die Royalisten spöttisch
die Revolutionäre sansculottes nann
ten. Auch in Deutschland war zunächst
daS Tragen vo langen Hosen verpönt,
weil eS gewissermaßen als eine Cympa .
thiekundgkbung für die Ideen dcr ftan
zösischen Revolution betrachtet wurde.
Um seinen Untertanen daher den Ge
schmack an diesem Kleidungsstück zu der
ekeln, ordnete im Jahre 1790 der Land
graf von Hessen-Kasscl an. daß die
.Verbrecher, die mit Straßenarbeite be
schastigt wurden, lange Hosen tragen
sollten. Zu derselben Zeit wieS in
Preußen eine an alle Regierungsbeamte
gerichtete Bekanntmachung darauf hin,
daß daS Tragen von langen Hosen
fowie die Mode der Perücke wegzulassen
und daS Haar kurz geschnitten zu tra
gen. mit der Würde und Gravität eine!
sscntlichen AmtcS nickt vneinba, Wt .
Es machte daher großes Aufsehen, ls l
ein fo schlichter und allen ausfälliac tl
Neuerungen fo abholder Man wir der
t r.trs. . f .i. i r. rmr r
preußiictje onig rieonq luniyeim IIL
1797 m Teplttz emeS TageS mit langen
Hosen auf der Promenade erschien und
dadurch diese blk dahin verpönte Bein
kleider salonfähig machte.
Ja England wurde diese Tracht, die
bald allenthalben Eingang fand, noch
lange Zeit nachher mißfällig betrachtet.
Der Manchester Guardian" ertoähnte in
einer Betrachtung über diesen Gegen
stand, daß die Behörde deS Trinity -College'
in Cambridge noch ii Jahre
1812 verfügten, daß .Studenten, die in
den geineinsamen Calen der in der
Kirche in PanialonS oder lange Hose
erschienen. a!S 'nicht anwesend betrachtet
würden, und eine Originalurkunde der
Nonkonformistischen Kirche ouS dem
Jahre 1820 bestimmte, daß ein Seist, ,
licher unter keinen Umständen die an '
l'X bcsteig?n,diirsi. wenn er lange Hosen
tn.e".
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