Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 14, 1917, Image 2

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    AgNHt Olnsh Tr!bZm
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Jedem Laie ist die Erfahrung gelau,
fiq. dak daZ Mbkkstehen mancher an,
steckender Krankheiten einen Schutz, ine
Immunität gegen erneute Ansteckung mit
der gktichea Krankheü zurualaht. Bc
eciNicbeMeise hat das Kausalitätsbe.
dilrfuki bei Menschen seit Jahrhunderten
eine Erklämng für dieses altbekannte
MkLkwükdise Naturgesetz gesucht. Keine
khi'htoie. Tack nachdem jene? Natur
gesetz Von Immunität nach Lberstan
dkner Krankheit in der bekannten, Poaen.
schichimpfung JennnS. in de durch
LouiS Psftcur eingeführte Schutz
'.pfunoes aege de Milzbrand, die
HvndsBut und andere Krankheiten so
. unendlich segensreiche, praktische Anwen
düngen gesunde hatte, hat sich die me,
dhwische Wissenschaft vergeblich fe
i?ht, de linumstMch richtigen Grund
' eedanlen dieser Schutzimpfungen unS
theoretisch verständlich zu machen. Die
nach diesen praktischen Erfolgen von
zchlreiche Forschern versuchten Erkla
r.mgen der Immunität waren sa wider,
spruchsvoll, daß über die theoretische
Seite der Jmmunitätsftage nach die
v Dunkel veröreitet blieb. In dieses
Dunkel fuhr wie ein helleuchtender Blitz
strahl die Entdeckung BehringS.
Künstlich gegen die Diphtherie oder
gegen den Tetanuk (Wundstarrkrampf)
immunisierte Tiere verdanken diese Im
munitat einer Besonderen neuen Eigen
schuft ihres Blute. Ihr Blut macht
daZ Gift der DiphiherieSazillea bezw.
der TetanuIbszkllcn unschädlich, wäh
sd baj Blut nicht geschlitzter Tiere
ganz unwirksam ist. Die Uebertragung
des giftfeindlichen BluteZ der Zmmuni
sinte Tiere auf nicht immunisierte der
gleichen oder einer anderen Art schützt
diese gegen die betreffende Krankheit, ja
vermag nach schon aufgebrochener Krank
heit dieselbe Z'i heilen. Im Blute ist
das Elutwasser (Blutserum), und zwar
da Eiweiß deS Blutserums der Träger
der giftfeindliche Wirkung. Diese
neuen, von ihm entdeckten Gegengifte ge
gen die Gifte (Tsxine) heimtückischer
Bcckkliea nannte Behring Äntiiozine.
In theoretische, Hinsicht also gründ
liche Auftäumung der vielen Uen der,
wirrenden JmmunitätIlehren das ist
bei befreiend Revolutionäre in Bet
Entdeckung. Und nach der posi
tmi&fMi mit dieser Entdeckung der
Viiittrojine ein erannimacycn nur ms
dahin gänzlich unbekannten und unge
ahnten Kräften der Natur, die Geburt
kill gänzlich neuen Wissenschaft.
We Eindrücke, die der am 15. März
1854 in Hansdorf bei Deutfch-Eylau
(Wcstpnußen) geborene Emil Behring
aii Schüler deö Gymnasiums zu Hohen
stein in Ostpreußen bei seinen Lehrern
aus Grund seiner Schulleistungen hin
tcrließ. sind schon derart gewesen, daß
seine Lehrer von dem 1874 die Schule
verlassenden Abiturienten besondere! für
die Zukunft erwarteten. Sei damali
er Direktor, der spätere Provinzial
schukat Trossen, hat t der Forderung
seines auffaklend begabten Schülers eine
wichtige Aufgabe gesehen. Behring be
zog dann die militärcirztlichen Bildungs
anßalten zu Berlin, promovierte 1878
im Dr. med. und erhielt 1830 die Ap.
probatwn al Arzt. Die folgenden
Ich war er als Militärarzt in ver
schiedcnen Garnisonen Schlesien? und
Pofms. Bis hierhin scheint dem vber
sächliche Betrachter die Entwicklung
deS Zungen Arzte? reichlich .normal".
Aber wir merken doch auf, wenn seinen
Siudiengenossen auffällt, wie er neben
dem Studium der Medizin Zeit findet,
eifrig erZenninis'theoretische Probleme
f.-ii angelegen sein zu lassen. Sein
Drang nach Wahrheit und Klarheit im
?r?enne findet auf medizinischem e
Bist ein aussichtsreiches Feld in der ez
perimentellen Forschung, mit der er im
Jahre 1873 durch den damaligen Ober
rzt ön der Wesiphalschen Nervenklinik
lLamkiewicz zum erstenmal vertrauter
wurde. Und diese? Interesse betatigte
n neben der Erfüllung feiner dienstlichen
OttikFenheiten alZ junger Militärarzt
zuneckst durch Studien über die Wir
kgkmeist deS Jodoforms. ES ist recht
knnzeichnend für Behring. daß er im
Widerspruch zu der Lehrmeinung. dem
I.doform käme keine antistptischen
ihigkeitm zu, mit feiner Forschung ein
fit, indem er an die ihm erwiesene
pr'.knsche Brauchbarkeit deS JodofsrmS
nlnlipft. Die Lösung seiner Aufgabe
f;d er in einer Richtung, die ihm den
23 t; zu seiner späteren Großtat finden
ha!f. Er fand, daß daS Jodoform zwar
ni'st auf di: Eiterrrreger selbst, wohl 1
rttt auf die von ihnen gebildeten Gifte !
ö-rnichtend wirkt. Dieses hier gewon !
m-.t Jntenffe für die Bakteriengifte ;
ihn zum Heile für die Mensch
h it nicht wieder verlassen.
Im Jhrk 18S7 ist Behring a!k
Stosscri in Bonn im Pharmakologi
scheu Zvfilui unter Win, tätig. Zum
ernenn:! saßt er hier eine Jmmnnttatk
f ' an, und zreer wieder in einer
', ? tu fjr ibl richtunggebend wird.
'.rte kobe naturlicke Jmmu
' ' d e Ratten g'czen die Milzbrand-
i q erNäri er durch ei
' "S'i't, h3i zu stark alkali
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MWoijMterderMenschheit.
Ei LtbtnSffZzz, drS kürzlich vrftorbenm hnvorragrnden For.
schttS nd SntdkckttS des Diphtherie-AotitoLins Emil von Behring.
von Prof. Dr. Paul X?. Römer.
Die Erkenntnis von der Bedeutung
der Bakteriengifte für das Wesen der
nsemonskrankhelten und der Gedanke
von der Bedeutung des Blutserums alS
träger von Krankheitsschiig das
waren auS dieser vorbereitenden Zeit die
Ergebnisse, mit denen Behring im Jahre
2888 an die Kaiser-Wilhclm-Akademie
zu Berlin zurückkehrte, um bald darauf
in kos Hygienische Institut unter Robert
Koch einzutreten. Auf Veranlassung
KochS beschäftigte sich Behring zunächst
mir ver Wirkungsweise zahlreicher Des
rnscktionsmittel und gewann auf dem
auch damals schon viclbeackcrien Gebiet
lo wichtige und grundlegende Ergebnisse,
daß seine Desinfektionsarbeiten für den
Forscher von heut noch reiche Quellen
der Belehrung bieten. Behring faßte bei
diesen Arbeiten bei aller gedanklichen
Vertiefung der Probleme vor allem den
praktischen Gesichtspunkt ins Auge, toel
cher Nutzen aus seinen erperimentellcn
Untersuchungen wohl für die Heilkunst
zu gewinnen sei. So versucht er sich an
vem Problem, ob nicht mit einem all
gemeinen Desinfektionsmittel bakteriel
len Infektionen beizukommen sei. Seine
Arbeiten enthalten manchen Hinweis auf
eine Ersoigsmoglichkeit in dieser Rich
tung, und fo ist Behring in gewissem
Einnc ein Borlauscr der chemo-thera
peutischen Richtung, von der man sich
zurzeit fo viel für die Bekämpfung der
akteriemrankheiten verspricht. Im all
gemeinen aber muß er sich überzeugen.
datz die tückischen Bakterien den Desin
fektionSmitteln mehr Widerstand entge
gensetzen alS die empfindlicheren Körper
zellen. Seine Arbeiten waren aber des,
halb nicht erfolglos. Er findet Mittel.
die lebenden Krankheitserreger, besonders
die Diphtheriebazillen, in geeigneter
Weise abzuschwächen; eZ gelingt ihm,
mit den abgeschwächten Bakterien, es ge
lingt ihm, mit den nach feiner Methode
abgeschwächten Giften Tiere zu immu-
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Prof. Tr. Emil von Behring.
nisieren. Und nun entspringt scheinbar
unvermittelt, wie Athene aus dem
Haupte Zeug, ihm der lichtvolle Gedanke,
daß die Immunität dieser Tiere am
Blute hastet und daß die Wirkung'die
ser kaum vermuteten, auch schon nachge
wiesencn schutzveileihenden Blutstoffe sich
gegen die Bakteriengifte richtet. Die
Wissenschaft war mit dieser Antitoxin
Entdeckung um eine erste, voll zutref
sende Erklärung der Immunität reicher;
dem Arzt aber eröffneten Behrings
Tierversuche Aussichten auf neue wirk
fame Heilmittel gegen furchtbare Würg
engcl deS Menschengeschlechte.
Indes der Weg von ir Entdeckung
des antitoxischen Prinzips bis zur Um
setzung in ein praktisch brauchbares Heil
mittet war noch weit. Es galt, abge
sehen von einer dielverzweigten rgani
satorischen Tätigkeit, noch mancherlei
wissenschaftliche und technische Klein
arbeit zu leisten, ehe an die Erprobung
oder gar an die allgemeine Herausgabe
des neuen Mittels gedacht werden konnte.
Es kamen vielleicht als da! schwerste
die Kämpfe hinzu, die diese Enl
deckung wie jede große Entdeckung seitens
ehrlicher und unehrlicher Gegner zu be
stehen hatte. Gleichwohl konnte vier
Jahre nach der Entdeckung das neue
Heilmittel in die allgemeine Praxis
übergehen. Angesichts der inneren und
äußeren Schwierigkeiten, die wir heute
rückschauend noch als fast unüberwind
lich bezeichnen möchten, war das nur
möglich gewesen dank dem in den unoe
ftechlichen Grundlagen dej Experimentes
wurzelnde sieghasten Optimismus deS
Entdeckers, dank seiner rastlose Ener
gie, die unS wie die Tat gewordene Ver
körperunz deS bekannten Grundsätze!
von Mirabeau erscheint: Impossidle.
ri m dites jarnais ce l6te de mot."
Dank auch der geschickten und unermud
liche Mitarbeit, die de Entdecker
Männer wie Wernicke, Ehrlich u. a.
leisten.
Jedem Laien ist der SieaeUauf be
konnt, den das Tipdtherirserum olS
Heilmittel der Diphtherie durch die ganze
gksittete Welt genommta hat. Auch die
Gegner darunter ein Virckow
mußten sich schließlich vor der brutalen'
(KeitKjft der Zahlen" beugen. 18!C -
häif bring den Titel .Proftflor" und
kiro nach einem vorübergehenden Auf
enibalt als Professor der Hstgiene in
Halle Direklordk, Institut für Hy-
giene und exverimcntklie Theravie der.
Universität Marburg dlsien Leiter er
bis zn feinem Tsoe war.
Nachdem jcdkr Zejsel an dcr wiffkn
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schaftlichen und praktischen Bedeutung
der Entdeckung Behrings hat schwinden
müssen, haben sich Ehrungen aller Art
auf Behring gehäuft. Zahlreiche in
und ausländische medizinische und na
turmissensckMftlich Gesellschaften einen
nen ihn zu ihrem Ehrenmitglied; t er
hält wertvolle wissenschaftliche Preife,
wie einen 2Z,lXFrank-Pre!z von der
Pariser Akademie de WSdicine, einen
50,000.Frank.PreiS vom Institut de
France, die Tiedemann-Medaille von
der Senckenbergischen Naturforschendcn
Gesellschaft in Frankfurt, die Rinecker
Medaille von der Medizinischen Fakultät
in Wurzburg, die Goldene HarbenMc
daille vom Royal Institute of Public
Health in London. Bchrinz wird (1901)
der erste Träger deS medizinischen No
belPrciseS. Sein ,.önig ehrt ihn durch
Erhebung in den erblichen Adelsstand
(1901) und durch Verleihung des höch
stcn Titels, der dem Beamten zuteil
w'iden kann (1903),
In seinem Vortrag als Empfänger
des NobelPreiscs konnte Behring über
eine neue wichtige Entdeckung berichten.
Es war ihm gelungen, eine wirksame
Schutzimpfung gegen die Tuberkulose
des Rindes zu finden. Die Bckamp
fung nach ähnlichen Grundsätzen, wie sie
Jenner, Pasteur, Behring für andere
Krankheiten geschahen hatten, wurde
verständlicherweise von vielen versucht.
Wenn wir heute das experünentell ge
sicherte ' therapeutische Fazit' ci". diesen
Bemühungen ziehen, so bleibt nur der
von Behring geführte Nachweis bestehen,
daß es möglich ist, bestimmte Tiere
künstlich gegen Tuberkulose zu immuni
sierei,. Das wird immer ein unver
weltliches Ruhmesblatt Behrings blei
den. " Der erhoffte praktische Erfolg ist
dieser Schutzimpfung leider ders, ge
blieben aus Gründen, die in der Natur
d.c heimtückischen Krankheit liegen. Aber
die Hoffnung, daß auch dcr Tuberkulose
einst auf Wegen beizukommen fein wird,
die Behring als erster mit experimentcll
sichergestelltem Erfolg Geschritten hat, ist
seitdem mächtig belebt.
Behrings Tuberkulosestudien wirkten
außerdem überaus befruchtend auf viel
umstrittene Tuberkulose und Schwind
suchtsfragen. Wir stehen noch zu sehr
im Mittelpunkt dieser Wirkungen, um
sie richtig bewerten zu können. Die von
Behring behauptete Bedeutung der Tu
berkulose-Jmmunität für das Verstand
nis der Entstehung der Lungensckiwind
sucht und seine Annahme, datz die HaUvt
Ursache der Lungenschwindsucht in einer
Tubeikulosc-Jnfektion während des Kin
desalters zu suchen Zei, war zu neu, um
die Forschung ichn Widerspruch zu ihr
zu bekehren. Wen nicht alle Zeichen
trügen, hat auch hier Behring de.. Kern
Punkt des Schmindsuchtsp.oblems richtig
ersaßt, und so vollzieht sich langsam die
Einschwenkung der Wissenschaft in Bah
nen. die der intuitive Blick des'Marbur
gcr Forschers erschaut und mit eigen
mächtiger Willkür un in fast trotziger
Auflehnung gegen herrschende Lehrmei
nungen beschritten hat.
Später hat Behring seine Kraft wie
der der Diphihericfrage zugewantt. Co
bedeutsam daö Diphthcneserum als
Heilmittel der Diphtherie auch ist, so
viel Tausende und aber Tausende blü
hcnder Menschenleben jährlich dank ihm
dem Tode entrissen werden, so hat es
naturgemäß, als Heilmittel angewandt,
keinen Einfluß auf die Verbreitung der
Diphtherie. DaS Antitoxin richtet sich
nur gegen das Gift des Bazillus. nicht
gegen den Bazillus selbst, dcr nach wie
vor bald heftiger, bald weniger heftig
von Mensch zu Mensch sich überträgt.
Kein Wunder also, daß trotz des Heil
serums die Zahl der Diphtherie-Erkran
kungen nicht abgenommen hat. Tie
radikale Ausrottung der Krc 'beit
würde möglich sein, wknn wir ein
Schutzmittel gegen die Diphtherie, der
gleichbar der Jenncrscheg Pockenlymphe,
hätten.
Das Tlph!lrieserum, dem gesunden
Menschen einverleibt, schützt diesen zwar
gegen Diphtherie, ober nur auf kurze
Zeit. DaS schützende Antitozii. wird
vom Pferde gewonnen, haftet am Pferde
Eiweiß, und dieses wird, so nützlich es
als Antitoxin auch für den Mensche ist.
als lästiger Fremdkörper bald ousgesto
,en. In der Erkenntnis dies,, kmvfind
kichert Lücke in der TiphkhericbeZampfunz
hat Behring in zieldewußr Arbeit ein
Schutzmittel gegen die Tiphtherie gefun
den. Eine Mischung von Diphtherikaift
und Tiphiheriegegengift wird ein bis
zweimal dem zu fchützenden Kinde ein
gespritzt, erzeugt eine leichte örtlich Enl
zundung, ab und zu leichtes Fieber und
hinterläßt nach Ablauf dieser oft kaum
bemerkbaren 'Erscheinungen einen mäch
tigen Diphtyerieschutz. Dieser Schutz
beruht auf selbftaebildetem T,.titorin.
das nun kein Fremdkörper ist, sondern
Wochen, monate, ja dielleicbt jahrelang
als aufmerksamer treuer Wächter gegen
die Diphtheriebazillen im Blute kreist.
In praktischer Anwendung (in Törfcrn
in der Umgebung Magdeburgs) hat das
Mittel mit einem Schlage Diphtherie
pidemicn unterbrochen. Wir stehen
noch mitten in diesen Arbeiten. Ist
ibnen der Erfolg beschieden, den man
angesichts der gründlichen Laborato
riumsdorarbtiten, auf Grund der ersten
praktischen Erfahrngea erwarten darf
so hat Behring dem fürchterlichen Würger
der Kindlk, d?r Diphtherie, di: letzte
Waffe 'entrissen. Und vielleicht werden
spätere Aerziegenerajionen die Tiphthe
ri als eine exotische Seuche ansehen
dürfen, und wie wir heute von indi
sehet Pest und asiatischer" Cholera
sprechen, wird man dann wieder von
der Diphtherie als, dem .eayptischen (He
f'tnrüt" reden, daß geniale orscherar
dut in feint feint Heimat zukiickjwang. ;
llkophright .IlKrt & ftlaftiiii".)
Nach dem. diel anaesührten Worte von
Clausewitz ist der Krieg die Fortsetzung
der Politik mit anderen Mitteln. Man
könnte das Wort such umdrehen und fa
gen. die Politik sei die Fortsetzung d
Krieges mit anderen Mitteln. Wenig
stens ist eS die ausgesprochene Absicht d
Gegner dcr Zentralmächte, das. was sie
mit den Warfen nicht erreichen können,
nach dem Kriege durch einen Wirtschafts
krieg durchzusetzen; nämlich die Macht
Deutschlands zu brechen. Deutschland
und feine Bundesgenossen sollen boycot
ticn weiden, in der Hoffnung, sie da
durch arm zu machen und letzten Endes
ihre ganze Existenz zu untergraben
Freilich ist man sich weder über das ae
nauere Ziel, noch über die Mittel zu sei
ncr Erreichung ganz klar; ja man konnte
vielleicht sagen, daß ohne diese Unkennt
nis der Plan gar nicht hätte gefaßt und
ausgesprochen werden können, dessen Un
durchsührbarkeit jedem Einsichtigen auch
auf dcr feindlichen Seite inzwischen
deutlich geworden ist. Aber wenn auch
nicht die wirtschaftliche Vernichtung, so
bleibt doch die Schädigung der Zentral
machte ein Ziel, dessen Verwirklichung
die führenden Männer der Entente mit
Hartnäckigkeit vorbereiten. Man darf
diese Bemühungen lmmerhin nicht un
terschähcn, und es lohnt sehr wohl, sie
im Zusammenhange kennen zu lernen
und auf ihre Bedeutung zu prüfen.
Wir müssen dabei zwischen den off!'
ziellcn Plänen der Negierungen und den
Wünschen dcr einzelnen Kreise der Ge
werbetreiöendcn scheiden. Die ersteren
finden ihren Ausdruck in den diel er
wähnten, aber wenig gekannten Be
schlussen der Pariser Konferenz. Diese
Konferenz, dei vom 14. bis 17. Juni
1916 in Paris tagte, war amtlich von
allen Ententestaaten beschickt, faßte jedoch
keine bindenden Beschlüsse;, vielmehr
blieb es den einzelnen Regierungen über-
lassen, durch entsprechende Verfugungen
die allgemeinen Beschlüsse wirksam zu
machen. Diese weise Beschränkung hatte
ihren guten Grund; zum mindesten einer
der beteiligten Großstaatcn. Rußland,
und ähnlich auch Japan, zeigten trotz
oller heftigen Betonungen der Union
saersc" sehr wenig Neigung, sich mit ge
bundenen Händen der Londoner Füh
rung anzuvertrauen. Denn von Eno:
land ging dcr Plan des Handelskrieges
nach vem Kriege aus, wie England auch
der Führer in allen jenen Maßnahmen
gewesen war. durch die während des
Krieges unter Vergewaltigung aller döl
kerrechtlichen Bestimmungen deutsches
und österreichisches Eigentum nach Mög
lichkeit beschlagnahmt oder vernichtet
wurde. Allerdings hat auch Frankreich
mit seinem gewöhnlichen Ungestüm sich
dem Wirtschaftsfeldzug gegen den benei
beten Gegner angeschlossen, und Italien,
der Erfinder deL heiligen Egoismus',
folgte gern.
Was ist nun der Sinn der Pariser
Beschlüsse, deren Durchführung zum
mindesten den letztgenannten drei Staa
ten wohl Ernst ist? Wir sehe dabei
von den Maßnahmen während der
Kriegsdauer ab und gehen gleich auf die
Uebergangsmaßnahmen" ein. Es fol
len nämlich für die Zeit des Wiederauf
baues der Wirtschaft zunächst für eine
Reihe von Jahren die Verbündeten sich
verpflichten, uns keinerlei handelspoli
tische, Meiftbegünstiqungsrechte u oc
währen; nachteilige Folgen, die sich da
raus für einzelne der Verbündeten
ergeben konnten, sollen dudurch behoben
werden, daß man sich gegenseitig wäh
rend dieser Zeit in jeder nur möglichen
Weise Absatzmärkte als Ersatz öffnet.
Weiter will man sich gegen wirtschaft
liche Angriffe, .beispielsweise gegen Wa
reiwerschleudern oder anderen unlauteren
Wettbewerb" durch besondere Ausschluß
bcdingungen gegen feindliche Waren und
Schiffe sichern. DeS ferneren fall ver
hindert werden, daß Industriezweige
oder Berufe, die zur nationalen Ver,
tcidigung oder wirtschaftlichen Unahhan
gigkeit notwendig find, von feindlichen
Untertanen betrieben werden. Endlich
wurden für später dauernde Maßnah
men zur gegenseitigen Hilfe und Zusam
menarbeit unter den Verbündeten be
schloffen, die im wesentlichen darauf
hinausliefen, sich von jeglicher wirtschaft
li.chen Abhängigkeit von den Mittelmäch
ten frei zu machen. Man wird den
letzten Punkt auf sich beruhen lassen kön
nen, denn daf die unnatürliche Koalition
gegen uns den Krieg lange überlebt, ist
nicht anzunehmen, falls sie nicht gar
schon vorher in die Brüche geht. Uebri
genS ist dieses Programm auch so un
bestimmt, daß man erst einmal ine zu
verlässige Auslegung abwarten müßte.
Wichtiger ist das Programm für die
Ucbergangszeit. daS entschieden nicht nur
werbende Bedeutung hat. Ehe wir aber
auf die Einzclfrggen eingehen, muß zu
nächst einmal die 'öffentliche Meinung"
der Ententeländer gehört werden. Da
ist denn nicht zu leugnen, daß gegenüber
den Wünschen überhitzter Schwärmer
und habsichtiger Scschäftsleute das Kon
ferenzprogramm noch harmlos ist.
Was wird da ich! allcS Deutschland
und seinen Freunden angedroht! Der
radikalste Plan geht dahin, die umge
kehrte Kontinentalsperre" auch nach dem
Kriege andauern zu lassen, die Mittel
mächte lieber noch Teutschland und
Oesterreich allein, um bie Balkanländer
für sich auszunutzen durch völlige Ab
schneidung von der Außenwelt verarmen
zjt lassen, wenn nicht ganz zu ersticken.
,reilich gibt ti auch Heißsporne der um
gekehrten Richtung, die nämlich Teutsch
land ganz tüchtig verdienen lassen miich'
ten, damit es eine recht hohe .Strafe"
Zahlen kann. Aber dieser Strafgedankc
ist doch zu offensichtlich unsinnig, als
daß er in maßgebenden Kreisen einiger
maßen ernst genommen würde. Aller
Wnejs ist der Erstickungegedanke ebenso j
töricht, wie gleich zu zeigen; aber er
wird durch Wettbewerbkneid Grasten
und hat dann sein Gläike., Je nach !
I
Krieg nach dem Kriege.
on Prof. Dr. W. Wygodzinött (Bonn)'.
den geschäftlichen Interessen des jeweili
gen Verfechters nimmt er eine verschie
denk Form an oder richtet sich gegen
andere Ziveige des löirtfchaftslcbenS.
Ein besonders beliebte Form ist die der
Nohstoffabscbncidung. Deutschland ist
bekanntlich für seine Industrie iu einer
ganzen Reihe von Fällen auf den Bezug
von Rohstoffen m dem Auslande onge
wiesen, fei es, daß diese innerhalb dcr
deutschen Grenzen sich gar nicht oder
nicht in genügendem Umfange finden.
Freilich hat gerade die Blockade tväh
rend deS Krieges den Kreis dieser unent
behrlichen Rohstoffe stark verengert. Die
Rot spornte den Erfindergeist der ohne
hin erfinderischen deutschen Nation weit
über jedeS Erwarten hinaus an; teils
wandte man Verfahren an, die ohne den
fehlenden Stoff auszuführen waren;
teils aber fand man Ersatzstoffe in un
geahnter Fülle. Uns fehlt Kupfer, das
wir in großem Maßstabe namentlich aus
den Vereinigten Staaten einführten: es
ist gelungen. Kupfer in vielen Fallen
durch Zink zu ersetzen, das nach einem
neuen Verfahren veredelt wurde. Aber
noch interessanter ist, daß Aussicht be
stebt, Kupfer demnächst in viel größerem
umfange durch daS dafür noch weit des
fer als Zink geeignete Aluminium zu er
setzen. Allerdings ist der bisherige Roh
stosf für Aluminium, das Bauxit, bis
zum Kriege ausschließlich aus Frankreich
bezogen worden, und dcr französische
Handelsminlstcr Elönlentel rühmte sich
dessen noch gelegentlich der Pariser Kon
fercnz. Aber nun gingen die bösen
Deutschen auf die Bauxitsuche und fan
den Lager davon im Karstgcbict der
österreichischen Adriakllste und auf dem
Bogelsberg bei Frankfurt. Immerhin
behielt das Bauxit Seltenheitswert,
Nunmehr aber gelang eS, reine Tonerde,
den Grundstoff des Aluminiums, durch
glückliche Versuche auch aus anderen ton
erdehaltigen Mineralien zu gewinnen.
Da diese außerordentlich stark verbreitet
sind, wird die Folge dieses Boycottver
luchs sein, daß wir nicht nur unser Alu
minium unabhängig von dcr bisherigen
französischen Rohstoffquelle gewinnen,
sondern uns auch noch von der amerika
Nischen Kupfcreinfuhr wenigstens teil
Weise befreien können. Tie Leidtragen
den sind also ausschließlich die franzö
fischen und amerikanischen Bcrgban
Interessenten, die Gewinnenden aus-
schließlich wir. Solcher Ersatz findet sich
jetzt schon in Vielen Fällen: Textilose
statt Jute, Heizleitungsisolierungen ans
gesponnenem Glas mit Papicrumwickc
lung statt aus Filz, nickel und Wolfram-
freier Schnellschnittstahl, synthetischer
Kaut chuk, um nur einige von den un
zahligen Beispielen zu nennen.
Umgekehrt besteht der Wunsch, unsere
Ausfuhr nach außen auch nach dem
Kriege zu hemmen. Man hat eS sich
sehr schön ausgemalt, wie die Interessen
gemeinschast der Ententeländer die Auf-
trage in sich erledigt, die bisher von
ihnen aus nach Deutschland gingen; ja
man mochte womöglich auch noch all die
jenigea Aufträge erhalten, die von den
Neutralen an Teutschland gingen Wah
rend des Kriege felbst hat sich die Rech
nung allerdings als ganz falsch heraus
geueur. 'er rieg nimmt die ganze
Arveilsiraft ver iitentelander tn An
spruch; dafür treten die Unbeteiligten,
wozu in diesem Sinne außer Amerika
in erster Linie Japan zu zählen ist. auf
ve Plan. I es vocv jedt schon so.
daß England einen seiner allerbesten Ab
satzmarlte, das von ihm völlig abhängige
nvien. an den japanischen Bundesge
nossen zu verlieren furchten muß. Es
,st eine großartige Ironie der Weltae
schichte, daß in Indien die gleichen
chukmoknabmen gcaen den deutschen
Feind wie gegen den viel gefährlicheren
apani chen ffreund oetordert werden, ae-
fährlicher deshalb, weil die japanischen
Fabrikanten mit Arbeilsloknen von fol
cher Niedrigkeit rechnen können, daß sich
kein europäischer Arbeiter damit zufrie
ven even wurde. Man will die ,ava
nische Schiffahrt von Indien möglichst
fern halten; nur daß man andere For
men wählt, als sie gegenüber den deut
chen m Aussicht genommen sind. Letz
tre sollen nach Wunsch der indischen
Handelskammern in der ersten Zeit nach
Friedensschluß überhaupt nichi in indi
chen Hasen einsanren dürfen, spater aber
nur gegen hohe Sondersteuern. ES ist
nicht ohne Interesse, festzustellen, daß
nvien, welches am lebhaftesten ein Wie
derauflcbe der Eromwellfchen Naviga
nonsenie wun,cyi. Dasjenige xand ist. m
dem eine einzelne Bestimmung dieser
Akte der Ausschluß fremder Schisse
von ver ustenschissaytt ern längsten,
bis in die Mitte deö vorigen Jahrhu
derts. in Kraft blieb. Aber natürlickt' er
heben sich ähnliche Forderungen auch im
cuklerunv. Man ,st lich darüber nicht
im unklaren, in welchen Slachteik der
englische Handel und d englische Schis
ayrt durch den Krieg und seine Folge
erscheinungen selbst versetzt worden sind.
unv man mochte die Schaden auf Kosten
deS verhaßten Mitbewerbers beheben.
Unsere Auslcmdskreuzer und U-Boote
habe Millionen feindlichen Schiffs
raumö versenkt; so verlangt man denn
einfach, daß tur ledes dieser .ruchlos'
versenkten Schiffe ein an Wert oher
Frachtraum gleiches Schiff der Mittel
machte auszuliefern sei.
Wo eine gänzliche Verhinderung der
deutschen Ausfuhr nicht möglich ist,
ou sie wenigstens durch Zolle. Sou
dersieuern. Schikanen gehemmt . wer
den. 'Einer besonderen Beachtung.
gemischt auS Furcht und Abneiguiig,
erfreut sich der deutzche Handelsreisende.
Tiest sagenhaft? Wesen hat eS vrstan
den. den Kunden von der Preiswürdig
seit der deutschen Ware zu überzeugen.
während der Kunde doch von Rechts we
gen nur Waren der Kulturländer von
England bis Montenegro und Monaco
zu kaufen hätte. Tos kann nicht mit
r,ch!cn TingkN siifjch'ii, und deshalb
ist ti am beste, man gibt diesem Hezen
meist überhaupt keine Gelegenheil,
seine unheimlichen Künste zu entfalten.
So sind die italienischen Handelsagenten
auf deit fchlaueg Gedanken gekommen,
die Nationalisierung" ihre Berufs zu
fordern, also die Zulassung ausschließ
lich italienischer Handelsreisenden in
Italien. Ob damit die englischen und
französischen Geschäftsleute einverstan
den fein werden, bleibe dahingestellt.
Hier liegt Überhaupt der schwache
Punkt in all de Plänen eine? Krieges
nach dem Kriege", daß die Interessen der
Ententeländer keineswegs übereiustim
men. Keine? der Länder fühlt sich, we
nigstenS für die nächste Zukunft, ftarl
genug, feine Wirtschaft rein impenal!
stisch. d. h. unter Verzicht jeden Verkehrs
mit der Außenwelt, zu gestatten; selbst
England, dessen Imperium ein viertel
der Welt umspannt, ist sowohl inbezug
aus Rohstoff und Nahrungsmitlelein
fuhr wie auf Fabrikatenabsatz auf nicht
englische Länder angewiesen. Hierbei
sollen un die Bundesländer bevorzugt
werden; erst in zweiter Linie will man
Neutrale heranziehen. So haben noch
kürzlich die Vereinigte tzandelskam
mein von Australien eine Schutzzoll
Politik mit kinervierfachenAbstufungvor
geschlagen: Porzugsbehandlung inner
halb des Reich!, anderer Grad der Vor
zugsbehandlung für Verbündete, billige
und angemessene Behandlung der Neu
traten, Kampfzölle gegen die Mittel
mächte. Nimmt man nun beispielsweise
bn, datz Rußland dem Drängen Lon
dons folge und nach dem Kriege die
Handelsbeziehungen mit Deutschland
völlig abbreche, so muß es einen anderen
sicheren Käufer für seine Getreideaus
fuhr haben, auf der sein ganzes Frie
densbudget aufgebaut ist, und die ihm
bisher Teutschland zum größten Teile
abgekauft hat. Ehe es sich mit Haut
und Haaren dem geplanten Wirtschafts
verband verschreibt, will es nun auch die
kicherfteit baden, fein Getreive an an
derer Stelle, d. h, nach Lage der Dinge
in erster Linie m England, abzusetzen.
Ganz abgesehen davon, daß England zu
diesem Zwecke allein schon seine bishe
rige Freilzandelspolitik aufgeben müßte
ist es selbst dgnn keineswegi in der Lage,
Rußland , ne Vorzuabstellung einzu
räumen. Dagegen würden zuerst die
überseeischen Länder Englands selbst
Einspruch erheben; Kanada, Australien
Südafrika sehen nicht mit Unrecht t:s
englische Mutterland als ihre Vorzug
domäne an. Aber dann melden sich auch,
von dem unseligen Rumänien ganz ab
gesehen, die Neutralen: die Vereinigten
Staaten, Argentinien, die englische Fa
brikate doch mit ihren Naturprodukten
bezahlen müssen. Ein ganz ähnlich
Fall wie der eben geschilderte hat sich
kürzlich zwischen Frankreich und einem
neutralen Lande, der Schweiz, abgespielt,
Westschweizer Importeure sollten sich
verpflichten, zehn Jahre lang leine Ge.
schäfte mit Angehörigen der Zentral,
staaten zu treiben, wenn sie die Geneh
migung der Ausfuhr nach Frankreich tx
halten wollten: Frankreich dachte aber
nicht daran, ihnen seinerseits den Absatz
ihrer Waren zu verbürgen.
Diese Zusammenhänge liegen so auf
der Hand, daß sie bisher eine über all
gemeine Redensarten hinausgehend
Einigung zwischen unseren Gegnern ver
hindert haben. Namentlich wehrt sich
Nußland auf daS energischste dagegen.
sich mit aul. uns aar vem teuren
Bundesgenossen an der Themse auSzu
liefern. Man will gern an England
und Frankreich verkaufen sofern diese
nämlich die gleichen Pre,se zahlen wol
len wie Deutschland und Oesterreich;
man will gern von ihnen olleS kaufen,
was man braucht sofern nämlich die
Waren ebenso gut und billig sind wie
die bisher von den Zentralmächten be
zogenen. Der russische Generalkonsul in
London hat m dem amtlichen Blatte deö
russischen Finanzministeriums, dem
Westnik Finanssow ", vor einigen Mo
natea ausgeführt, dass Rußlands Han
delsverkehr mit den Mittelmächte den
mit allen anderen Staaten zusammen
um mhrlich 1600 Millionen Rubel über,
rage, daß dieser Handel seine natürliche
Grundlage m der Zieachbarschafl Ruß
landö mit den Zentralmächten fände und
daß eS im eigenen Interesse deS geld
armen Landes tage, auch nach vem
Kriege die Wahl zwischen den Konkur
renten zu behalten, um bei Kauf md
Verkauf fo vorteilhaft wie möglich ab
zuschneiden. Diese vielbeachtete War
nung ist nur ein Symptom für eine in
Rußland weit verbreitete Stimmung,
die nicht etwa als deutschfreundlich zu
bezeichnen ist, die aber doch von einer
wirtschaftliche völligen Abhängigkeit
von England nkchtS wissen will. Wie
eS in dieser Beziehung mit den anderen
Ententeländer stehen wird, ist nicht
ganz klar. Japan ist jetzt schon ein sa
scharfer Konkurrent Englands wie ei
Deutschland kaum jemals war; Italien
spürt die Fesseln, die ihm sein uneigen
nütziger Kohlenlieserant auferlegt hat,
bitter. Frankreich allerdings, völlig
hypnotisiert durch seine Rachegesühle,
folgt vorläufig noch blindlings den Er
oberern von Calais".
Abr in England selbst ist man fei
neswkg, überall von der Richtigkeit dej
GedonlenS deS wirtschaftlichen BoykottS
überzeugt. Die Gegner sind zum Teil
grnudsätzliche Anhänger deS Freihandels,
der bei der Durchführung einer Kampf
Politik natürlich fallen müßte, zum n
dern Teil aber kalt rechnende Realpoli
tiker. Im Manchester Guardian" warf
kürzlich ein Vertreter der Nordoflaras
schafte Englands. Cir Hngh Bell, die
tage auf, wie es den Bkwoh?zrn die
fer Gegenden gehen solle. wnn der
deutsche Handel abgeschnitten wäre. Der
Handel zwischen Tutschland und Groß
britannien hätte, vor dem Kriege einen
JahreSwert von iy,000,000 Pfund er
reicht. Jeder in diesem Handel vorkam
mende 5segnstn ginge durch eine
Hgfe der Nordost.dek Ofiküst wie
sollten diefe Häfen bestehen, wenn ihnen
der Handel mit Deutschland vcrbolc
würde? Ein anderer Sleptüer, der frii
here Minister Sir John Simon, wies
bereits bei den Unterhausdebatten übet
die Pariser Beschlüsse auf die Schwie
rigkeiten hin. die sich gegenüber den Neu.
traten ergeben. Keine irgendwie erdeti!
liche Maßnahme könne den künftigen
Handel zwischen Deutschland und den
neutralen Mächten verhindern; schliche
England sich selbst aus, so werde der
ganze Erfolg der sein, daß die Führung
im Welthandel von London auf Nel
Vor! übergehe.
Der letztere Beweis ist durchaus rich
tig. Verschließen sich die Ententeländer
gegenüber den Zentralmächten, so er'
folgt eine große Umstellung aller Wirt
schaftsbeziehungen, die mit dielen Wer
lüften verbunden ist, aber endgültig doch
nur dazu führt, daß die Ententeländer
das, was sie nunmehr gegen früher un
ter sich mehr verkaufen, den neutralen
Ländern entziehen müssen, die sich ihrer
seits dafür bei den Zentralmächten
decken. Denn der Gedanle, daß Deutsch
land infolge semer kriegerischen Anstrei,
gungen nicht mehr imstande sein werde,
Wirtschaftswerte im alten Umfange zu
erzeugen, ist natürlich ganz töricht. Ge
rade das Umgekehrte könnte höchstens als
Kriegsfolge eintreten, daß nämlich
Deutschland, wie alle anderen betroffe
nen Länder, nach dem Kriege alle Kräfte
anspannt, um noch mehr zu .erzeugen,
als vorher und durch erhöhten Absatz
feine im Kriege erlittenen Verluste roie
der einzubringen.
In der Tat sehen wir denn, daß der
Feind seinen eigenen Worten vom wir!
schaftlichu Boykotte der Zentralmächie
nicht traut und sich vielmehr auf die
Abwehr einer außerordentlich großen
Wareninvasion aus Teutschland nach
dem Kriege vorbereitet. Dir Furcht vor
einer deutschen Schleuderkonkurrenz, dem
sogenannten Dumping (Verkauf zu bil
ligeren Preisen im Auslande als Im
Jnlande), beherrscht bei genauerem Zu
sehen die Beschlüsse der Pariser Konfe
renz viel stärker als die Hoffnung auf
ein: wirtschaftliche Isolierung Deutsch
lands. Das Dumping ist als gelegent
liche Erscheinung zur Entlastung des
Jnlandmarktes durchaus international;
Amerika hat es in großem Maßstabe
ausgeübt; England ist schon als Cham
pion-Dnmper der Welt" bezeichnet wor
den. Man hzt die Bedeutung dieses
Verfahrens maßlos übertrieben; Kanada
hat schon lange eine eigene Gesetzgebung
gegen die Einfuhr solcher Waren, indem
ihnen ein Straszoll in Höhe des Preis
Unterschiedes auferlegt wird. Ohne auf
diese, in ihren Einielheiten recht dornige
handelspolitische Frage näher kinzuge
hen, sei nur gesagt, daß auf die Tauer
natürlich niemand unter den Erzeuger
kosten verkaufen kann, weil er sich a
fönst zu Grunde richten würde. JnS
besondere ist es geradezu lächerlich, wen
auch eine s,coße Anerkennung für daS
deutsche Können, anzunehmen, daß
Deutschland während des Krieges, unter
dem Druck der englischen Rohstoff
blockade, noch Imstande gewesen sei,
große Warenmassen zu besonders billi
gen Preisen für die künftige Ausfuhr
herzustellen. Diese Einsicht scheint sich (
jrzj1 " wetteren cciicn zu vcrorciie.?.
Obgleich die Vereinigten Staate sich büfj
kurzem ei Anti-Dumping-Gesetz nach s
c'fjc. cn r Vi. f t i . i I.
rauaoiiqcm 010110 gcgcoen yaoeu, yar
Präsident Wilson im Oktober in einer
Wahlrede zu Cincinnati erklärt, die Be
sorgnisse des Handels vor einer Ueber
schwemmung mit billiger Auslandsware
gründeten sich aus völlige Unkenntnis.
Ueberblickcn wir, was wir von fcind
lichen Absichten und der Möglichkeit ihrer
Verwirklichung uns klar machen konnten,
so bleibt trotz der überlauten Fanfaren
stöße vom Lirieg nach dem Kriege recht
wenig übrig. Die Boykotticrung der
Mittelmächte bezeichnete noch kürzlich
einer dcr hervorragendsten französische
Nationalökonomen als bösen Traum";
der Zusammenschluß dcr Ententeländer
wird am gegenseitigen Mißtrauen wie
an dcn Interessengegensätzen scheitern.
Was von oll den Hofsnungen und Ent
würfen sich verwirklichen wird, daS ist
wahrscheinlich eine schärfere SchutzpoU
tik, falls nämlich England sich zur Auf
gäbe des Freihandels entschließen kann
oder muß, jedenfalls aber eine Velästi
gung des deutschen AuslandsverkehrZ
mit allen möglichen Mitteln, in denen
sich ja bisher beispielsweise Frankreich
schon uö zeichnete. Das wird Geld,
Nerven. Zeit kosten, aber eS geht nicht
anS Leben; und schlimmstenfalls kann
man auf einen groben Klotz einen orö
deren Keil setzen. Eine ernsthafte Er
schütterung unserer Linnen oder Au
ßenwirtschaft ist durch solche Maßnalz
men nicht denkbar; schon ans dem rkn
fachen Grunde, weil man unS alS Käu
fer wie als Lieferanten dringend braucht.
Auch im Kriege nach dem Kriege ent
scheidet über den endgiltigcn Ausganz
nicht die Phrase und nicht die Brutaki
tät, sondern überlegenes Wollen und
Können.
Eine neue Gedenkmünze.
Eine von S. S. MayerS Hofkunstpräa
anstalt in Pforzheim kürzlich i Silber
uns lseg geprägte lsevennnunze er
innert an die Kämpfe der deutfckcik, ,
Truppen zur Verteidigung des Elsasses
.. (mB . (U fi. IN , . ?
uiiu un iuucyuuxiiici: je. Zic ivorver
feite zeigt den alten deutschen Reichs
adlerschild, an eine Edeltanne ehestes.
Daneben halten zwei deutsche Krieger die .
Schildwache. Die Umschrift lautet:
Deutschlands Wacht am Waö.ien
Walde". Die Gegenseite zeigt das über
den Häusern der Stadt ragende Straß
bürge, Münster umgeben von einem Ge
wmde von Heckenrosen. Auf dem Rosen,
gcwinde liegen sieben Wapvenschilder att
deutscher Form: unken der des ?!?a!s,
zu beide Seiten die von sechs Elsäffei
Städten: Hagenau, Siraßburg. Schktt-
tavt, .oiinar. Gedweiter und Mitlhau
cn. Am kioe , r vie Aus ritt anae.
bracht: Elsaß 1314 1317". Unter d-n
viele in DeutMand gkschasfci'.'s,
KriegSerinnrnmgSmünzen hatte' biit
keine de, Elsasses gedacht.
Tausenden für einen ist dZ '' f
WS Nachdenkens die Stelle, wo ! i
Nachdenken! müoe tyrfccn.
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