Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 26, 1917, Page 4, Image 4

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ScZtö 1-Tögliche Omaha Tribüzni Monwg. den 26. Fovritar 1917
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Dm Moin, !., Brsacfc
T'niZ kl Tageblatts: Durch den Trag, per Woche 10k? d,rch die
0 er Jahr $5.00; einzelne Nummern 2c Preis deS WschesblatU:
bei strikter Bsraubbezahlnng, per Jahr 11.50.
Eütered m econd-cl matter Mtrch 14, 1912, at th fotUtBm i
C-nah, Kebruka, nnder U act es Cosgreu, Marth 8, 1878.
Omaha, Nebx., Montag,
Usngretzmsnn Neavls gegen Uriegsverwicklung.
Ciuc der k-uei, Reden, die je im Nepnts.'utüntelchaus zu WsHittgtol,
zugunsten deS Fkrnbleibms dieses Landes aus dem europäischen Krieg ge
halten wurden ist zweifellos die Ansprache von Nebraskas Vertreter. Re
präsentant Reavis, am 17. Februar.
Tm Gipfelpunkt dieser durch und durch patriotischen Rede bildet die
7rdermg. wenn es nötig sei, unsere Handels danipfer bestücken oder durch
riegsschijfe begleiten zu lassen, um Amerikas berechtigten Reckte durch,
zusetzen, aber nicht nur den Zentralmächten, sondern auch den Alliierten
geIeniiber, und wenn diese Rechte anerkannt sind, sich zufrieden zu geben;
irnrcr keinen Umständen jedoch als Verbündeter der einen Partei in den
Krieg zu ziehen, der die Interessen Amerikas absolut nicht berühre.
Angenommen, wir würden die Blüte unserer Jugend nach Europa
fettem, sagte Herr Reavis. um sie Seite an Seite mit Wilden und Hindus
für ein Prinzip, das sie garnichts angeht, kämpfen und sich verbluten zu
lassen, so würde damit nichts anderes gewonnen sein, als die Zivilisation
der Welt zerschmettert zu sehen. Er sei dafür, daß die Ver. Staaten
ihre unmüastbaren Rechte verteidigten, doch es sei nicht notwendig, dieser
balb einen Krieg zu beginnen. Eine Beteiligung der Ver. Staaten am
Kriege würde nicht das herbeiführen, was wir beabsichtigen,' nämlich die
Freiheit der Meere, sondern wir würden den Einfluß unserer Macht an
2'enschenmaterial wie an Hilfsquellen nur dazu hergeben, daß die eil
Seite der Kriegführenden in den Stand gesetzt wird, ihre Zwecke durch
zuZehen.
In dieser feierlichen Stunde erkläre ich," rief Neadis aus, daß ich
für immer die Kanmr verlassen werde und Ruhm liegt in einem
solchen Ausscheiden ehe durch meine Stimm die Ver. Staaten un
nötigerweise in Krieg verwickelt werden."
Dies sind namhafte Worte eines wahren Volksvertreters.
Französische UlatschereZ.
TaZ Bulletin es the Allianee Francaise", das zu Zwecken der
Propaganda für die Dauer des Krieges in Paris erscheint und in ver
fchiedenm Sprachen ans die bielgep tagten Neutralen losgelassen wird,
bat sich in seiner letzten nach Amerika gelangten Nummer einen kleinen
fc'itj geleistet. Den Herausgebern dieses von Deutschenhaß förmlich triefen,
bert Pamphlets etwas anderes ist das Machwerk, obwobl es regelmäßig
nlle vierzehn Tage ausgeschickt wird, nicht muß der Eiürüstungsschrei
her gebildeten Welt über die niederträchtige Behandlung der in den
Putschen Kolonien in Afrika dem Feinde in die Hände gefallenen deutschen
Reichsangehörigen zu Ohren gekommen sein, nnd sie haben dann, wie es
nun einmal bei den Franzosen ss üblich ist. nach Revanche geschnaubt, aber
lange Zeit nicht gewußt, wie sie es anfangen sollten, dafür Vergeltung zu
üben. Denn die Teutschen waren leider von. Anfang an in Afrika ihren
sveinden gegenüber so stark in der Minderheit, daß sie sich so gut wie aus.
schließlich auf die Verteidigung des eigenen Gebietes beschränken mußten
und nirgends als Eroberer in fremdes Gebiet eindrangen.
Wer wo ein Wille ist, ist auch ein Weg zu seiner Ausführung da.
ll:id der Wille der Herren von, der Allianee Francaise". von der auch ein
!Z'.veig unter den Omaha Gesellschaftsdamen im Widerspruch zu amerika
ttiichen Interessen besteht, war sehr stark. Jinmerhin hat es volle zwei.
?inhalb Jahre gedauert, bis die Stunde der Revanche schlug. Aber endlich
war man so weit und süllte zwei Seiten des Bulletins mit Schauer
geschickten über das nichtswürdige Verhalten, der Dmtschen in Teutsch.
Ostafrika gegeir ihre Gefangenen. Die angeblichen Berichte dieser Ge
rangenen lesen sich wie ein matter Abklatsch jener Geschichten, welche die
deutschen Zivilgefangenm, Männer, Frauen und Kinder, über ihre franzö
sischen, iglischen, belgischen und sonstigen Kerkermeister zu erzählen wuß.
ten. Die deutsche Regierung hat seinerzeit zu wiederholten Malen gegen
die grausame Behandlung ihrer weißen Untertanen in Afrika durch die
Feinde protestiert und sich alle Schadenersatzansprüche in Verbindung mit
seinen unglaublktMn Vorfällen vorbehaltem Damals hat das famose Bul.
letin" es nicht für nötig befunden, auch nur ein Wort über die Gemein,
heilen dr Alliierten-Soldatcska zu verlieren. Die Opfer der Miß
bandlung waren allerdings nur Boches", Barbaren und Hunnen. Warum
nimmt es nun den Mund so voll über die angeblichen Schandtaten deutscher
Soldatm. in Ostafrika? Weiß es nicht, daß es dem. der im Glashaufe sitzt,
ui&t wohl ansteht, mit Steinen zu werfen? Oder sollte den' edlen Franz
nrännern am Ende vor den deutschen Schadenersatzansprüchen Angst ge.
worden sein und soll ihnen die Räubergeschichte auf Deutsch.Ostafrika nun
den Vorwand zu Gegenansprüchen in die Hand geben? Zwischen den Er
zäblungen der unglücklichen Teutschen und den Schauerderichtcn der Ge
währsmänner des französischen Hetzblattes besteht indessen der grundsätzliche
Unterschied, daß erstere durch amtliche Protokollaufnahmen und Zeugen,
ussagen auf eine rechtlich unanfechtbare Basis gestellt worden sind. wäh.
read das Pariser Propagandablatt nur nachplappert, was ihm willige Zu.
träger, deren Zuverlässigkeit ungeprüft bleibr, hinterbracht haben. Auf
der einen Seite alfo vollkräftige Beweismittel, auf der anderen leeres
beklatsch. '
ii
F0R HUMANITYI"
"War tot Hurnanity!" are you reaa to fight? '
The pro-British ask you, plcase answer, are t-hey r!M7
"For humaiüty's eakeP to tlie heart it appeals,
.?ut let rcason prcvail atid eee what it conceals.
"For Hnraanity!" is but hypoerisy vail
To save tools f murder xinder th British sail.
No cost is to precious to hplp England to wjn
Wita rnoncy, arnrnunition and freedora thrown in.
Ottr neutrality is a onrsided afFair,
It works but for England, and the profits we share.
The dolla? rnle suprerne in politics and trade.
M'ät the God in whom trust who sow a crop of hate.
üur dollar must enable Old England to perforxn
Her lawlesa plans to starre mothers and newly born.
The hops of our country niake tools o murder now,
We reap the bloody gain, Cain's mark on our brow,
Yes, we protect this trade of powder, shell and guns
Cn t-hips -wita Englands flag, with lifes pf our own sons,
Starvation of a nation is true hurnanity,
But sink our ammunilion ia lawiess, do you rp?
To trade ia murder tools is legal and is fair,
To gave llie German babe's is not our countrifs care,
A BPlüshuess so basc, so uiraeutral and low
Jüwuld not fc isade & c&me for -which to war we go.
Think first of our country, the useless sacrifice,
Of widows, orphans tears and broken feindship ties.
0 Btop the murder traue, send bread dear lifes to save;
Go heal th? million wounds, that our weapons made!
lliat seems to be fair play and true hurnanity.
0 God! do graut ns peace and make from guilt m free.'1
. Bev. II. E.
02k f 407 tt Ar.
den 2. Februar 1917.
Das
SyMWr.SA
f?obeua tnm Franz latec KappuS.
Frau d. Baumnn war sehr stolz
auf ihren Sohn Uriel. ' Der junge
Mann zählte erst einundzwanzig
Jahre und war schon eine Berühmt
heit. Kaum siebzehnjährig, hatte er
ein herrliches Werk veröffentlicht:
.Die Ertastn eines Unbewußten".
.Der Verfasser dieses Buches ist
entweder ein Genie oder ein Paraly
Wer," schrieb damals ein nahmhaf
ter Kritiker. Frau v. Baumann neig
te zu der ersten Annahme hin.
In der letzten Zeit hatte die
Schaffenskraft des jungen Mannes
allerdings etwas nachgelassen. Drei,
vier ' Jahre waren vergangen' ohne
dak sich die Lioffnunaen erfüllten, die
man in das junge Talent gesetzt haf
te. Frau v. Baumann war eine viel
zu erfahrene Dame, eine viel zu zart
fühlende Mutter, als daß sie Uriel
zur Arbeit gedrängt hätte. Sie muß
te, daß es wie mit Naturgewalt über
einen kommen müsse, daß man nur
Werkzeug, nur Sprachrohr einer hö
heren Macht sein dürfe.
Und sie wartete.
- Aber das Warten half nichts. -
Da kam ihr eines Tages die Idee,
direkt in den langsamen Gang die
er Entwicklung einzugreifen. Uriel
ehlie es sichtlich an Anregung. Sie
wollte ihm welche geben.
So bekam er ein Milieu". Bekam
ein prächtiges Arbeitszimmer, mit
schweren persischen Teppichen und
stilechten Möbeln ausgestattet. Auf
den grünen Tapeten hingen kostbare
Stiche: .Die Sünde von Stuck und
Reproduktionen nach flämischen Mei,
pern. Auf dem mächtigen Schreib
tisch wimmelte es von zierlichen
Bronzen. Ein paar Abgüsse klassi
scher Werke, dann Die Hand Got
tes' do Auguste Rodin. Seltsame
Felle und Waffen aller Jahrhunderte
lagen in arrangierter Unordnung
umher.
Hier sollte Uriel schaffen'. .
Aber dem jungen Dichter gelang
es hier ebensowenig wie drüben in
der Stube mit den alten Oeldrucken.
Tagsüber lag er mud und blaß im
Schaukelstuhl und rauchte die türki
schm .Zigaretten, die seine Mama
speziell für ihn hatte kommen lassen.
Und die Nächte durchschlief er gesund
und traumlos.
Frau v. Baumann versuchte es mit
anderen Dingen. Neuartige originelle
Kravatten und Westen sollten das
ihrige rirn. Aber das Zeug verfing
auch nicht. Uriel .hatte eine zu kom
plizierte Natur für dergleichen Primi
tive Mittel. -
Zwei russische Windspiele, die tau
send Kronen gekostet haften, mußten
Über Nacht aus dem Hause gegeben
werden. Er vertrug ihre Atmosphäre
nicht.
Der gequälten Frau kam ein letz
ter rettender Gedanke: Mutter und
Sohn verreisten. Und Uriel ließ sie
Kunstwerke aller Zeiten und Völker
auf sich wirken: die Akropolis und
die Berliner Siegesallee, die Phra
miden von Giseh und die Nackttän
zerin Mizzi Bampfinger aus Wol
kersdorf. das Rathaus von Nürn
berg und die Kaisersemmel, die im
Wiener Heeresmuseum aufbewahrt
war. Aber weder das feierliche Täm
merlicht der Kathedralen, noch die
aufgestapelten Reichtümer kostbarer
Sammlungen und Galerien befruch
wen seine Phantasie. Er kehrte heim,
wie er ausgezogen war steriler
als Karbolwatie.
In diesen Tagen erschien im An
aonzenteil der Tazesblätter eine
merkwürdige Notiz:
.Offeriere den Herren Kunst
lern prima Anregung. Streng
sie Diskretion. Honörare nach ,
Uebereinkommen. . Dr. -Hops,
München, Järbergraben 10.'"
Frau 0. Baumann atmete erleich
tert auf. Sie wußte, daß nun die
stunde -gekommen war. -
Tags darauf saß sie in ihrem Sa
lon einem älteren Herrn gegenüber.
.Kann ich Ihren Sohn sehen?"
fragte Dr. Hopf.und drehte mit den
Fingern an dem linken Ende seines
grauen Vollbories, das unsymme
Irisch hermrterhing.
Ich denke. Uriel fchläst noch,"
sagte Frau v. Baumann etwas un
geduldig. - "...
Sie hatte sich die Sache anders
vorgestellt. Sie wollte ein Geschäft
machen, wie man eben Geschäfte er
ledigt: kurz, förmlich und mit der
gewissen' Ueberlegenheit. die jeden
Käufer erfüllt, der mit schwerer Ta
sche in einen Laden tritt und dem
nichts zu teuer sein kann.
Hier hingegen hatte sie es mit
einem Manne zu tun, der eine ge
wisse steife Würde zur Schau trug
und eher den Eindruck eines Gelehr
ien. denn eines. Geschäftsmannes
machte. , .
Meine Aufgabe zerfaüt nämlich."
begann Tr. Hopf wieder, .in zwei
Voneinander streng getrennte Teile.
Ich mutz wie ein Arzt - vorgehen.
Und, wie Sie wissen, gnädige Frau,
ist die richtige Diagnose das Wich
tigste. Zu Ihrer Orientierung will
ich h'.kuufuzen. daß- die Heilung
Ihres Schncs- vielleicht vielleicht,
su ich xm längeren Kur tu
I darf. Die Bcdingunsicn des künslleri
schen Schaf en sind heute so kom
plt,stert. daß ohne eine ernste, extrem
individuelle Behandlung ein giivsti
ger Erfolg kaum erzielt werden
rann.
.Und glauben Sie, Herr Doktor,
daß für Uriel diese Hoffnung be
steht? Ganz im allgememen natür
lich, so viel Sie 'über ihn uS niei
nem Briefe wissen."
Doktor Hopf schwieg einen Mo,
ment und ließ in der linke Rockta,
sche einen Gegenstand auf und zu
schnappen. Dann sah er über die
scharsgeschlisfenm Brillengläser hin
weg auf ein Miniaturportrat der
Pompadour, das an der Wand hing.
.Warum nicht? Ihr Sohn ist
jung. Aber wollen Sie nicht, bitte,
dieses Formular unterschreiben?"
Frau v. Baumann überflog die
wenigen Zeilen, dann blickte sie fta
gend zu ihrem Gegenüber
.Das ist ganz verschieden, gnädige
Frau. So weit ich den Fall heute
überblicken kann, wird sich die Sum
me zwischen tausend und zweitausend
Kronen bewegen. Verzeichnen wir
also diese Grenzwerte." ,
Frau v. Baumann setzte mit leicht
zitternder Hand ihre Unterschrift un
ter den Vertrag.
.Nun noch die praktische Seite der
Sache," sagte Dr. Hopf, indem er
sich erhob. .Das ist sehr einfach. Ich
bin von heute ab ein Freund ihres
verstorbenen Mannes. Wollen Sie
mich, -bitte, für einen der nächsten
Tage zum Tee einladen. Ich muß
Ihren Sohn aus nächster Nähe ken
nen lernen. Vielleicht kann ich Ihnen
schon noch meinem ersten Besuch Be
scheid sagen." . , .
.Da kommen Sie doch gleich mor
gen, lieber Doktor, wir erwarten Sie
um fünf."
.Bitte, gnädige Frau, wenn Sie
gestatten!"
Dr. Hopf verbeugte sich leicht,
nahm Stock und Hut und ging.
.Ich muß Ihnen sagen, junger
Freund," bemerkte am nächsten Tage
Dr. Hopf zu Uriel, .Sie nidnern
mich in vielen Beziehungen an Ihren
Vater. Als er in dem Älter war, in
dem Sie sich jetzt befinden, hatte er
ganz denselben müden Zug um den
Mund, dieselben lässigen Bewegun
gen und das gleiche, sekundenlange
Aufblitzen der Augen, das mir an
Ihnen auffällt. Er war damals fehr
verliebt ..." -
.Sooo!" machte Uriel und griff
über den Tisch hinüber zu den be
legten Brötchen. -
Wissen Sie, Herr Doktor, ich esse
Krabben für mein Leben gern. Die
haben etwas so unsagbar mildes, et
was unaussprechlich weiches an sich,
daß . man . on wogende Kornfelder
denken muß und ßch zu Tode essen
könnte."
Frau v. Baumann legte noch drei
mit gehackten Krabben belegte Bröt
chen auf den Teller ihres Sohnes.
.Und dann," sagte Dr. Hopf wie
in Gedanken, hatte 'Ihr Aater auch
dasselbe glatte, schlicht in den Na!
ken fallende Haar. Wenn ich mich an
die ersten Universitätsjahre erinnere
die Mädchen liefen ihm ordentlich
nach.
T. Hopf spähte durch die fun
kelnden Brillengläser scharf in das
Gesicht, des jungen Mannes.
Frau v. Baumann räusperte sich
und bückte sich nach ihrer Serviette,
die zu Boden gefallen war.
Uriel schien ganz von der Arbeit
seiner Kauorgane in Anspruch ge
nommen.
Eine Pause entstand. In die kurze
Stille fielen sechs zarte Schläge der
kleinen Rokokouhr. die irgendwo auf
einer Konsole stand.
Dr. Hopf brach das Schweigen.
.Es ist eigentlich wunderlich, daß
Sie mitten in der Großstadt so ein
sam leben, meine Hurschaften. Man
sollte doch denken, eine Dame in deS
Lebens Sommer und ein junger
Dichter hätten manche Interessen, die
sie mit der, Außenwelt verknüpften."
.Mein Gott." sagte Frau v. Bau.
mann. .Uriel gibt nichts auf die so
genannten äußeren Erlebnisse. Er ge
staltet von innen heraus. Und ich für
meine Perfon habe wirklich nicht daS
Bedürfnis..." .
.Wir gehen jeden Donnerstag in
den Zirkus und Montag in ,die
Oper," warf Uriel dazwischen. .Aber
das Zeug ist so aufregend, und Wag
ner geht mir auf die , Nerven."
Dann gähnte er und machte einen
Versuch, die Hand vor den Mund zu
halten. ,
Dr. Hopf küßte der Hausfrau die
Hand und traf Anstalten, sich zu ent
fernen. Frau v. Baumann machte
eine abwehrende Bewegung.
.Sie wissen ja, meine Gnädigste,
meine Praxis. Es geht mit bestem
Willen nicht." Er sah nach der Uhr.
.Um sechs hätte ich schon bei einem
Patienten sein sollen. Auf Wieder
sehen, junger Freund!"
Im Vorzimmer legte Frau von
Baumann ihre Hand auf den Arm
des Doktors..
.Nun?"
.Es werden wohl 1500. Kronen
weiden," sagte er lakonisch und ließ
zwei dicke Rauchsäulen aus der Nase
strömen.
.Ich mein nicht daS." ssgte Frau
v. Baumann beinahe leiser. .Ob dos
j Leiden bzMr & iriM iMI'I
.Heilbar schon. 'Ich kann Ihnen
übrigen! cfies verraten: Ihr ohn
muß unglücklich verliebt werden.
.Voila tout!"
Frau v. Baumann faß! mit Uv
den Händen nach dem Kleiderständer.
Unglücklich verliebt, sagen Sie?
Und .muß' sagen Sie? Das wollen
Ste zustande bringen?
Gewiß, gnädige Frau, mit Ihrer
gütigen Erlaubnis.
Als Frau v. Baumann daS Spei
sezimmer wieder betrat, war die
Tablette mit den belegten Brotchen
leer.
Uriel schlief in seinem Fauteuil.
Won nun ab verging kein Tag, an
dem Doktor Hopf nicht Gast der bei
den gewesen wäre.
Frau V, Baumann mußte sich ein
gestehen, daß die Angelegenheit kaum
jn bessere Hände hätte gelangen kön
nen. Dr. Hopf ging mit einer Deli
katesse zu Werke, die ihre unum
schränkte Bewunderung genrß. Es
war ein Vergnügen, dem Manne bei
der Arbeit zuzusehen. Die geheimsten
und feinsten Seelenregungen spürte
er auf und legte sie bloß wie ein
Anatom dünne Nervenfäden.
Nach vierzehn Tagen sagte er zu
Frau v. Baumann:
,Nun sind wir fa weit, gnadige
Frau. Morgen bringe ich das Me
dium mit. Alles andere wird sich
finden."
Als Frau d. Baumann eine Er
llärung erwartete, fügte er hinzu:
,Es lst nicht klcht gewesen, den
Typ zu' ermitteln, nach dem die
Psyche Ihres Sohnes verlangt. Aber
meine Praxis l,t so reich an mteres
santen Fällen, daß ich schließlich doch
immer geeignetes Material für den
subtilsten meiner Patienten finde."
Und er brachte das Medmm. Eine
schlanke, durchaus nicht hübsche junge
Dame, die r Aagot nannte und als
seine Nichte vorstellte.
unel nahm von der Anwesenheit
deS Mädchens weiter keine Notiz.
Vorläufig interessierten ihn nur ihre
Hände. Das waxen zwei übermäßig
blasse, magere Hände mit blau her
vortretenden Adern.
Sie haben Hände wie die Duse."
sagte er: .Sie sind eine große Tra
gödin."
Ich bin noch nie auf einer Bühne
gestanden." bemerkte die Nichte des
Doktors, indem sie eine Apfelsine
kunstgerecht schälte. .
Dann sind Sie eine große Bild
hauerin und träumen von weißen
Marmorleibern, die Sie formen wer
den." ' " -
Ich bin Malerin," sagte .daZ
Mädchen kurz. ' '
Bon ihrem Haar, das ,n einem
einfachen Knoten im Nacken lag, war
eine Locke freigeworden, die sie mit
zwei Fingern flüchtig zurückstrich.
Unel folgte mit seinem Blick der
Hand, die nach den Haaren griff und
langsam wieder heruntersank. i
Dr. Hopf fmg den Blick auf und
gab ihn weiter zu Frau v. Bau
mann. ' i
Meine , Nichte kopiert übt die
Kleopatra des Paolo Veronese in der
alten Pinakothek," sagte er und
drehte an seinem Bartende.
Frau von Baumann saß still duf
ihrem Sessel. Sie berechnete, wie
lange es währen könnte, bis diese
Liede 'ihren Höhepunkt erreichte. Sein
Dichterherz würde nur allzu schnell
Feuer fangen, das ahnte sie.
Und m der Tat: mir dem Tag,
der den Besuch des Doktors und fei
ner Nichte brachte, näherte sich Uriels
Zustand dem gewünschten Ziel.
Der junge Mann hatte eine sicht
liche Veränderung durchgemacht.
Seme vegetative Trägheit war einer
geistigen Irische, einer nie dcigewese
nen Elaftzzitat gewichen. Die Jahrs
der Untätigkeit, die hinter ihm lagen,
hatte er wie ein Fieber aus seinen
Glieder geschüttelt. Seine Nächte wa
ren angefüllt mit seligen, bunten
Traumbildern und Phantasien, und
tagsüber sehnten sich alle seine Sin
nt der Stunde entgegen, die ihm das
geliebte Wesen brachte.
Aber die Besuche des Doktors
wurden seltener und seltener. '.
mxai TageS sagte Dr. Hopf zu
Frau v. Baumann: Wir sind nahe
dem Ziele, gnadige Frau.
Firni v. Baumann, die jetzt immer
in rosiger Seligkeit schwamm, nickje
glüÄlich.
.Glauben Sie, Herr Doktor, dk,ß
Uriel das große Unglück ertragen
wird? Mir beginnt allmählig bange
zu werden um ihn."
Pah," machte Dr.. Hopf. .Da
können Sie beruhigt sein. Meine
Methode ist die imzig unfehlbare.
Aber eines sage ich Ihnen: .Lassen
Sie den jungen Menschen dann selbst
mit sich fertig werden.
.Ich meine, lassen Sie ihn diel ol-
lein, stören Sie ihn nicht. Die un
glückliche Liebe ist eine Medizin, die
Wunder wirkt. Ihre Teilnahme
würde ihn nur irritieren und von
der hohen Aufgabe blenken, die er
erfüllen muß."
.Und Ihre Nichte?"
.Fräulein Aciqot? Die Dame ist
ebenso meine Patientin wie ihr
ohn. Auch sie wird bald hergestellt
fein. Das- ist eben das dki'blüssend
Neue und Einfoche meines Sysir:
Meine Patienten kurieren einander
wechselseitig. Ich spiele nur eine Bcr
Mittlerrolle."
atau v. SSaumenn w sprachlos
svor so diel Scharfsinn. Sie druckte
'dem Doktor warm die Hand,
Am nächsten Tage sandte sie dem
Mann, dem ihr gimzcs Vertrauen
gehörte, per Post sein Honorar.
Wohlgezählte 1500 Kronen. Er hatte
sich das Geld redlich verdient. Sie
zweifelte nicht eine Sekunde on dem
Erfolg der Kur.
Die nächsten Wochen gingen ohne
bemerkenswerte Ereignisse hin. Uriel
schien fürö erste gar nicht verändert.
Er war ganz derselbe wie in öer
Zeit, da er die Angebetete tagtäglich
von Angesicht zu Angesicht schauen
durfte. Ja. noch mehr: daS Glücks
gefühl, das damals nur schwer und
unsicher, über ihn gekommen war,
hattet jetzt von seinem ganzen Wesen
Besitz ergriffen. Er ging mit einer
seligen, lächelnden Miene umher
schien teilnahmslo, wenn seine Mut
ter zu ihm sprach, und verriet durch
eine gewisse Zerstreutheit, daß seine
Gedanken in fernen, idealen Welten
verweilten.'
Frau v. Baumann war anfangs
besorgt.
' Sie hatte einen alles aufwühlen
den Schmerz erwartet, eine leiden
schaftliche Verzweiflung oder ein tie
fes. namenloses Weh.
Und nun hatte er nicht einmal ge
fragt nach dem Mädchen. Und tt
liebte die Malerin mit der ganzen
Glut seiner einundzwanzig Jahre.
Dessen war die besorgte Mutter ge
wiß. ,
Aber sie überlegte sich die Sache,
Vielleicht war Uriel schon so weit,
daß er arbeitete. Sie wußte ja nicht,
was er trieb. Tagsüber war er selten
zu Hause und bis zum dämmernden
Morgen brannte Licht in seinem
Zimmer. Sie sah ihn kaum ein,
zweimal des TageS. Vielleicht war
die Seligkeit nur ver Rausch des
Schaffenden oder das aufdämmernde
Bewußtsein, daß daS Glück ein
unglücklichen Liebe mit keiner anoe
ren Erdepwonne zu vergleichen sei,
Und Frau v. Baumann fand ihre
Nuhe wieder.
Da geschah eS eines TageS. daß
Uriel abends nicht nach Hause kam.
Es wurde Mitternacht und von
dem jungen Mann war nirgends
eine Spur.
Frau v. Baumann ließ zeden
Winkel des Hauses und des Gartens
durchsuchen. Ihre Aufregung war
eine unbeschreibliche. Die ganze Nacht
über schloß sie kern Auge.
Als Uriel auch am nächsten Tage
nicht erschien, lief sie selbst zur Po
lizei und erzählte den Sachverhalt.
Man versprach der allgemein bekann
ten und geschätzten Dame daS Mm
scyenmogiicne zu rüg.
Aber es verging ein zweiter, em
dritter Tag, ohne daß jemand von
ihrem Sohne Kunde wußte.
D arme Frau war dem Wahn
nne nahe...
Da am zehnten Tag bracht
der .Popbote eine Ansichtskarte.
Frau v. Baumann stieß einen
kurzen Schrei aus. Vor ihren Augen
tanzten die Schriftzüge Uriels.
Er schrieb aus Stockholm:
.Senden dir von unserer Hoch
zeitsreise die herzlichsten Küsse, Dei
ne glücklichen Kinder Aagot und
Uriel."
Am selben Tage begrub Frau d.
Baumari endgültig die Hoffnung,
die berühmte Mutter eines berühm
ten Dichters zu werden.
" f
Splitter.
Wer a Geld hat. der darf a Gautter
sein.
Wer ab sank hat. den sperrt ma sicher
. einl
l, ' mm " m
Schnadahüpfl.
Wenn Wcibcr .Grüß Gottl' sag'n.
Bleib' s eb'n glei' zum 'I'red':
Pfüat ÖtiZ" sag n s' g'tviß zehnmal,
Wer fort geh'k tuan f nett
KaufmanischeJndik
tretionen. Kassierer: .So ein
Pech, jetzt kommt mir mein Chef
zuvor und brennt mit der Kasse
durch!" ,
Aus einem P olizetbe
richt. Bei dem Selbstmörder Kur
de nichts gefunden, als eine silberne
Uhr, eine Geldtasche ..mit kleinem
Inhalt und ein Buch: .Wie verlän
gere ich mein Leben?" '
Aut Rache. .Sag', Karl,
wo hast Dn denn den silbernen Löffel
her?"
..Den hab' ich eingesteckt nach dem
Mittagtisch aus Zorn, weil das Essen
so schlecht war.'" '
Entrüstung. .WaaS
aus Liebe hat Doktor Müller gehet
ratet? Ein ganz armes Mädel noch
dazu?"
..Und sotvas nennt sich nun prak
tischn Arzt!"
Splitter. Die Frauen sind
die Musik deS Lebens, aber den
Männern fehlt häufig da? Ge
hör! , ,
Angenehme Eröff
nnng. Er (beim Stelldichein in der
Konditorei): .Wielange wartest Du
schon aus mich, Schatz?"
Sie: Zwei Stück Prinzregenten
torte, drei Frilchtegefrorene und sechs
.Mnb,ltel lang!!"
' DruiZ fehler. Glückstrah
lend legte er den Arm um ihren
Nacken und drückte ihren Kröpf an
seine LruZ.
Eilisichung M Nordlichtes.
Auf ,! der Sonne ouSgchknde ttdtdi
sche Strahle zuxückgeflchrt.
In einer der lehlen Sitzungen bet
mathematisch naturwisscnschaftliche
Klasse der Gesellschaft der Wissen
schaftcu zu Christian! teilte dcl
Dozent Tr. L. Vagard die jüngsten
Entdeckungen über die Entstehung
des Nordlichtes mit. Sie beruheil.
auf der Art der photographischen
Bestimmung der Nordlichthöhe, die
Prof. Störmer, NorNicgenS bedeu
tendster Nordiichtforscher. ,1310 zu
erst angewandt hat, imd die im
Laufe des Jahres 1914 auf den,
Observatorium Halddo mit größten,
Erfolg angewandt worden sind. Es
sind dabei etwa 800 Parallaxenbil
der erzielt worden, von denen iifiet
die Halste im Physikalischen Institut
ter Universität zur Berechnung von
Nordlichthöhen verwertet wurde.
Die Ergebnisse dieser Untersuchun
gen find für die Erklärung der Ent
stehung des Nordlichts von größ
ter Bedeutung. Stürmers Ansicht,
daß ein großer Teil der Nordlichte
auf bestimmte Gruppen elektrische
Stralllen zurückzuführen fei, die von
der Sonne ausgehen, ist dadurch sa
gut wie sichergestellt. Es handelt
sich dabei um zwei verschiedeng
Strahlengruppen: eine dringt bis
in die Erdatmosphäre bis zu einer.
Höhe von 106 5kilometer über ' der
Erdoberfläche, die Strahlen der.
anderen Gruppe bis zu einer Höhe
von 100 Kilometern. Eine Reihe der
häufigsten Nordlichttypen wird durch
diese beiden Strählen erzeugt. Di
Berechnung der 3!ordlichthöhen und
der dadurch ermöglichte Nachweis
der beiden Strahlcngruppen ' ist
von höchster Bedeutung sür di
physikalische Natur der kosmischen
Strahlen, die von der Sonne aus
gehen und beim Eindringen in di
Erdatmosphäre das Nordlicht echeu
gen. .
Die berechneten Nordlichthohen
sind geeignet, wichtige Ausschluss
über den elektrischen Zustand der
Sonne zu geben. DaS Ergebnis
der bisherigen Untersuchungen weist
mit Bestimlnthcit darauf hin, daß
die Strahlen durch radioaktive Vor
gänge auf der Sonne hervorgexu
fen werden, und weiter kann man
den Schluß ziehen, daß die Sonn
ein nur verhältnismäßig geringes
elektrisches Feld besitzt, und daß sie
in der Zeiteinheit gleich große Men
gen positiver und negativer Elektri
zität aussendet. Vagard war be
reitZ auf Grund anderer Betrach
tungen zu dem Ergebnis gelangt,
daß die Sonne solche Gruppen ho
mögen elektrischer Strahlen aus
senden müsse, und daS Ergebnis die
ser ö!ordllchtbeobachtungm hat sein.
Annahme bestätigt. , ,
Bedeutender Bildhauer.
Die französische Bildhauerkunst hat
in Jean Marius Antonin MerciS,
dessen Ableben am 14. Dezember zu
Paris erfolgt ist, einen ihrer berühm .
testen Vertreter verloren. Merci4 war
18-15 geboren, ein Sohn des Südens,
zebürtig aus Toulouse und somit
Landsmann von Falguiöre, dessen
Schüler er in Paris wurde. Schon
1863 errang er den Rompreis und
kurz nach dem siebziger Kriege ge
lang es ihm, sich in die vorderste
Reihe der französischen Bildhauer zu
schieben. Das Werk, dem er seinen
Ruhm verdankte, nannte sich Gloria
bictis" und wurde, ebenso wie sein
einige Jahre später entstandene Grup
pe Quand möme" von der stark er
regten patriotischen Stimmung dee
Franzosen emporgetragen. . Diese bei
den Denkmäler haben in Paris und
Beifort ihren Platz gefunden. .Gloria
bictis" zeigt einen jungen Krieger, der
in der Verteidigung des Baterlandes
den Heldentod findet und dem der
Genius Frankreichs den Lorbeerkranz
um die Stirne legt. Quand möme"
stellt eine heroische Frauengestalt dar,
die voll hoher Entschlossenheit in
Ausdruck und Gebärde den hinsinken
den Krieger wieder aufrichtet. Die
Wirkung dieser beiden Schöpfungen
war groß. In den achtziger Jahren
verband sich Werci6 mit Döroulöde
und einigen anderen zur Gründung ,
der bekannten Patriotenliga, für die
er als künstlerisch? Wahrzeichen eme
in Frankreich sehr weit verbreitete
kleine Statuette einer Elsäßerin ge
schaffen hat. ' 'J-.
, Merciö hat eine ausgebreitete Ta
t iglest als Schöpfer von Denkmalern
entfultet? die Statuen von Arago in
Perpignon, von ThierS in St. Ger
main und von Wilhelm Tell in Lau
fanne gehören zu fein bekanntesten
Werken auf dief.-m Gebiete. Das Lu
rembourg'Mufeum besitzt von ihm
einen David und eine Grabmalplastik.
Mit Falguiöre zusammen bildete er
daS Haupt der .Schule von Tsu
louse", dessen künstlerische Art sich irt
seinen Werken ganz widerspiegelt. Er
besaß eine behende Erfindung, eine
vollständige Herrschaft über das bild
hauerische Handwerk. Er verstand,
seinen Schöpfungen einen bewegten,
lebhaften und interessanten Umriß zu
geben, aber im innersten Wesen war
Mercis Kunst mehr malerisch als
plastisch und sie entbehrte der Gedie
geoheit und Festigkeit des eigentlichen
lkulöturalen Denkens und Bilden