Seite 7-Tägltcho Omaha TrMnaMttwoch, den 24. Januar 1917. f--1 1 1 ' NepropM. Von sperre Luguct. I Nachdem Lardillon sich geräuspert ünd mit einer genialen Handbewe gung sein Lppiges Haupthaar aus der Dichttrstirn gestrichen hatte, begann er: Plötzlich zeigte sich im Türrah men der falsche Herzog, unheilver kündend, furchteinflöbend. Er zückte gegen das, schon vom bloßen Schreck halbtote Opser den xoia), ver vazu gedient hatte, den alten Scherenschlei jcr' umzubringen, und stieß dreimal zu. Odette de la Roche-Tremblante starb ohne einen Schrei, ohne ein Zucken, selbst ohne einen Blick des Lorwurfs in ihren sanften Augen. Endlich!" frohlockte der Mörder mit einem Ausdruck wilder Freude auf feinem entmenschten Gesicht. Nichts trennt mich niehr von den Millionen der Prinzessin!" Aber er täuschte sich, der Elende. Die Vorsehung hatte nur gewollt, daß er das Maß seiner Missetaten vollmachen sollte, um ihn später um so grausamer dafür büßen zu lassen. Schluß des 125. Kapitels!" der. kündete Lardillon, der soeben ein Stück seines laufenden RomanS Die Lerbrecherspelunke oder das Marty rium einer Jungfrau" vorgelesen hatte. Na. Kinder, waS sagt Ihr dazu?" Madame Lardillon sagte nichts. Sie war vollständig verblüfft. Die Leichtigkeit, mit der ihr Gatte übrigens der beste Mensch von der Welt im Lauf seiner Romane qanze Heiatomben von Opfern ins bessere Jenseits spedierte, indem er mit der nämlichen Kaltblütigkeit Feuer, Gift und Dolch handhabte, hatte ihr schließlich eine ehrerbietige Scheu eingeflößt. Sie fragte sich im stillen, was Lardillon wohl dabei empfinden mochte, wenn er so alle Morgen vor dem Frühstück, ohne sich im mindesten dadurch den Avvetit zu verderben, zehn oder zwölf Änglück liche, die ihm niemals etoai zu Leide getan hatten, zu ihren Vätern ver sammelte. Das Die. stmädchen, welches man dieser Borlesung im engsten Fami lienkreise beiwohnen ließ, das man sogar dazu einlud ((wollte Molire nicht auch die Meinung seiner Magd über seine Werke hören?), das Dienst mädchen machte Augen so groß wie Suppenteller und öffnete den Mund gleich einem Tunneleingang, auS dem 'S von Zeit zu Zeit kurze Ausrufe der 7 v L L o I- j iOCiumiununu, n. v5i,,zui,, u' klangen. Oh! Wie schön! Nein wirklich, wie schön!...." Fräulein Sidonie so hieß die Küchenfee kannte den Anfang des Nomans nicht, da sie erst beim Be ginn des 75. Kapitels diesen Dienst angetreten, hatte, aber sie war nichts destoweniger begeistert, bebte bei jeder neuen Metzelei und weinte bitterlich, wenn die Waise, die lügenhafte Hel bin der (beschichte, allzu grausam verfolgt wurde was der Aermften fast alle Tag, passierte. Lardillon hätte diese außergewöhnliche Diene rin, die in einer einzigen Person mehr Begeisterung verkörperte, als ein großes Publikum es hätte tun können, um nichts in der Welt ent lassen mögen. S , Er wollte gerade in der Lektüre sortfahren, als die Korridorglocke er tönte. Der Briefträger. Herr!" meldete Sidonie. die geöffnet hatte, und über reichte dem Dichter ein Schreiben. Ah! Ah! Vom Beobachter des 35. Arrondissements"! Wollen doch mal sehen, was der gute Duplaquet von uns will, Hühnchen." Duplaquet war der Verleger des Beobachters des 23. Arrondisfe s mknts" in dem augenblicklich Die iiaimiim 4 4 nnn iTTiiiiiirffnn mr X Verbrecherspelunke oder daS Marty Y rium einer Jungfrau" in täglichen Fortsetzungen erschien. ' Der gute Duplaquet wollte folgen des: , Hören Sie mal, mein Lieber, es ist ja sehr hübsch, aber man muß ( so was doch nicht zu oft machen. Yi Auf meine.m Schreibtisch liegen fünf v iia Briefe von Abonnenten, die da gegen protestieren, daß Sie vor drei Tagen einen alten Schäfer, der be reits am Anfang Ihres Dingsda mit Tod abgegangen ist, zum zweiten Male haben erdolchen lassen.. Zum Teufel, Lardillon! Etwas mehr Gedächinis oder wir werden .:4t:-.. r.. t-Vf Ht,,,kv,,i II ijciiutiyi f)i ow"aiJf" f) con der Äildslächk verschwinden j laH'N. bevor sie ihre sämtlichen ein . , de der irdischen Gerechtigkeit über ; antwortet hat. V) j . Ihr ergebener Duplaquet." j''.! Zum besseren Verständnis dieses ' js H'Eriescs müssen wir bemerken, daß ' ( f der Verleger des Beobachters des ,-?33. Arrondissements" von feinen s niiuilletonautoren nicht die jedesmg 'A'-'nige Beibringung des vollständig fer ! hi i- . m - . . I. t w n- I ''" iigen Romans Dcrrnngir, cnen Iq " mit einer genauen Inhaltsangabe !e ,'nugte, um über Annahme , oder ichtcmnshe zu entscheiden, worauf er den Herren Autoren gestattete.? Tag für Tag Me zur Herstellung der Zeitung notwendige Zeiienzam zu liefern. Er tat dies um fo eher, wenn es sich um Autoren handelte, die bereits gezeigt hatten. waS sie konnten. Und Lardillon hatt schon lange gezeigt, waS er konnte. Was ist das für ein Blödsinn!" rief tiefaekränkt der Autor, nachdem er den Brief gelesen hatte. Reich' mir doch mal die Kollektion der Verbrecherspelunke" .Hühnchen!" Madame Lardillon schleppte die Kollektion der .Verbrecherspclunke" herbei, die schon etliche Kilogramm Papier repräsentierte. Was der Verleger geschrieben ha! te, war bedauernswerte, unglückselige Wahrheit. Der fragliche Schläfer war im dritten Kapitel durch einen als peruanischer Edelmann verklei deten Banditen gemeuchelt worden. Lardillon hatte diesen Mord voll ständig vergessen. (Er war zu ent schuldigen, da er deren täglich ein Dutzend lieferte.) Er hatte den ge meuchelten Schäfer wieder in die Handlung eingeführt und ihm vor drei Tagen fünf oder sechs wohlze. zielte Dolchstöße appliziert, die der arme Teufel nach seinem im dritten Kapitel erfolgten Tode absolut nicht mehr brauchte. Der Schriftsteller erblaßte. Sollte es mit mir bergab gehen? überlegte er. Er hütete sich, seine Zweifel laut werden zu lassen, aber er blieb den ganzen Tag düster und verstimmt. II. Am folgenden Morgen erhob er sich früher als sonst und schloß sich in seinem Laboratorium ein, in dem er seine ungezählten Verbrechen ver übte, ausgerüstet mit zwei Papp schachteln von ziemlich beträchtlichen Dimensionen, mit der Kollektion der Verbrechcrspelunke" und einem Sack neuer Pfropfen. Wozu die Pfropfen? Der neugie rige Lefer soll es alsbald erfahren. Lardillon hatte besohlen, ihn im ter keinen Umständen zu stören. , Diese Halunken," murmelte er in grimmig, dürfen nicht wieder auf leben! Mein ganzer Ruhm steht auf dem Spiele!" Auf die eine Pappschachtel schrieb er mit großen Buchstaben Lebende", auf die andere Tote". Dann nahm er die Kollektion der Vek brccherspelunke" , zur Hand und be gann sein Opus von der ersten Zeile an durchzustudieren mit der festen Absicht, diese Lektüre bis zum letzter schienenen Feuillekön fortzusetzen. Jedesmal wenn eine neue Person auftrat, schrieb er ihren Namen auf einen Pfropfen und warf ihn in die Schachtel der Lebenden" zu seiner Rechten. Und jedesmal wenn diese Person definitiv tot war, suchte er sie aus dieser Schachtel heraus und überführte sie in die Schachtel der Toten" zu seiner Linken. Und da die Verbrecherspelunke" schon 125 Kapitel zählte, und jedes Kapitel mindestens zehn bis zwölf Personen in die Ewigkeit spedierte, war diese Arbeit keine Kleinigkeit. Lardillon brauchte drei Tage dazu. Sie brachte ihm mancherlei Ueberra schungcn. Ganze Regimenter von Leuten marschierten da vor seinem Geiste auf, deren Existenz er gar nicht mehr ahnte, ' um bald nachher mittels eines 'Degenstoßes oder durch Gift oder durch eine Revolverkugel zu verschwinden, l Wer mag wohl dieser Kauz sein?" murmelte der Schriftsteller jedesmal, wenn ein seit Monaten vergessener Held auftauchte, der einige Stunden am Himmel der Verbrecherspelunke" geglänzt hatte, und von dem man nie mehr hatte sprechen hören. Was will diese alte Vogelscheuche hier?" brummte er wieder bei dem Erschei nen einer längst vergessenen reichen Witwe. .Der Teufel soll mich ho len, wenn ich mich jetzt noch daran erinnere, wie sie in meinen Roman gekommen ist!" Drei Tage später war alles fertig, und Lardillon, durch seine beiden Schachteln vor unzeitigen Auferste hungen geschützt, , bekam seine schöne Seelenruhe wieder. Zwei Wochen vergingen ohne jeden Zwischenfall. III. Und wir wohnen einer zweiten Vorlesung im engsten Familienkreise bei. Roger," liest Lardillon, plau derte leise mit Madeleine, als die Gräfin de la Bröche am Arm des Marquis de Ouinfiens ins Zimmer trat...." Was ist das?" rief Madame Lar dillon. WaS erzählst Du da?" WaS 'fällt Dir em?" fragte der Schriftsteller, den ,man nicht so im geniert unterbrechen durfte. .Aber Unglücklicher! Du sprichst von Roger, von Madeleine, von Ma dame de la Lrk-che und vom Mar quis de Ouinfiens!" ' Nun und....?" Nun und alle vier sind ja längst tot! Du hast sie vor mehr als zwei Monaten ermordet. Tu mußt es doch wissen!" Was faselst Du da?" Lardillon stürzte sich vuf die Schachtel der Lebenden". Sidonie zappelte auf ihrem Stuhl hin und her und schien sich nicht recht wohl zu fühlen. Der Schriftsteller durch, stöberte hastig die Schachtel. Da ist Ouinfiens lebend 1" rief er. Da ist diese alte de la Breche le bend! Da Madeleine und Roger le bendl Was erzählst Du mir also?" Ja, mein Lieber," verteidig! sich Madame Lardillon schüchtern, ich weiß nicht Vielleicht ist der Inhalt Deiner beiden Schachteln durcheinandergeworfen worden? So viel steht jedenfalls fest: diese vier Personen sind lange tot!- Lardillon bekam beinahe einen Schlaganfall. Hierher, Sidonie!" würgte er. Sie haben die Schachteln berührt!!" Ick habe sie nicht angerührt, Herr! antwortete, in Tränen zer fließend, da Mädchen. Aber vor drei Tagen, als ich den Schreibtisch abstäubte, habe ich sie auf die Erde geworfen und...." Und Sie haben die Pfropfen wie der zurückgetan, gleichviel wie?.... Aus meinen Augen! Hinaus, Un glückliche, oder ich ermorde Dich!" Sidonie verschwand. Ich bin verloren, Hühnchen!" sagte Lardillon mit erloschener Stirn me, indem er sich in einen Sessel fallen ließ. Ich habe Ouinfiens de la Breche und die anderen beiden nicht erst heute wieder auferstehen lassen, sondern schon vorg-siern. Seit zwei Tagen druckt man sie wie der!" IV. Und die Katastrophe erfolgte in Gestalt eines neuen Briefes von Duplaquet: Mein Herr! Sie werden ersucht, der Verbre cherspelunke" noch heute ein Ende zu machen. Wir können bei unseren Mitarbeitern derartige Gedächtnisde fckie nicht gestatten. Duplaquet." Schon in der nächsten Nummer des Beobachters des 35. Arrondisse ments" wurde das Laster bestrast, die Tugend belohnt und die Wer brccherspelunke" polizeilich geschlossen. Lardillon hat sich nie darüber trösten könqen. Ich bin nervös. Ctüszscufzcr ?'ncs LcbcjünglingS. Ich bin nervös! Wenn andre Leute schwatzen. Dreht sich in mir gleit; alles um und um ; Hör ich Musik, dann könnt' ich einfach platzen Das Wcib, es wirst auf mich wie Opium. Ich wär' schon längst ans dieser Welt - entschwunden, ftüni ich dc Selbstmord nicht fc imgraMs. JZo bin an's Lcbcn leider ich gebunden I Ich bin nervig, ich bin enorm ner vüsl Schon die Familie bringt mich in Ek s.ase Ich kann die Menschen eiimial nicht ver dau'n: Der Onkel hüstelt laut wr schneuzt sie Nase. . . ; Ich konnt' dem alten Herrn eins runter han'iil Die Tante singt, die Schwester schlägt die ZJttn Stets mit Pedal. ich find es skan dalös. . .1 Und selbst der Teckel knabbert Sofa quastcn Ich bin nervös, r ich bin enorm nervös l Ich bin nervös! In dieses Weltgc wiminil Paß ich mit meinen Nerven nicht Tjiiiein. Ja, frag ich mich, wird es denn einst im Himnitt Nicht mich wie hier so unerträglich sein? DaS Eiigelsineü, das Posaunenbla scn, Und wär' die Sache noch sa bravou rösl Ich werde sicherlich dort tbev selbst noch rasen! Ich bin uerdöS, ich bin enorm uer bööl Frauenlogik. l?Z gibt eine Gattung don Frauen. Die verficht man sofort ganz genau, Trum nennt sich auch Zede von ihnen Eine unverstandene graul" Ei Zyniker. Sie: Ach. gehen S?, Doktor, die Männer sind sich aÜe gleich Er: Wie huben Sie denn daS her ausgcfunoen?" Abgeschlagen. In einem Konzertlokal produziert sich ein ezzen irischer Dirigent, ein sogenannter Musiktänzer. Eine Frau im Publi kum will ihrem schon etwas behäbi gen Gatten den Stachel der Eifersucht in die kühle Brust versenken und be merkt: Sieh doch, diese Beweglich keit! Ob er wohl verheiratet ist?" Keine Spur' enrgegnet gleichgiltig der Mann, würoe e; denn sonst tan zen?" Die junge Hausfrau. Köchin: Wenn die Eier frisch blei den sollen, müssen sie an einen kühlen Ort gelegt werden". Frau: Wie bringen wir daL ober den Hühnern bei?" Bockfische. Nun. Elly. hast Du einen Liebesbriefsteller bekom men?" Ach. denke Dir. Lotie: Neferen dar Jllgen war gerade im Laden, und da habe ich ein Kochöuch gerauft". Kleine Konfusion. Leh rerin: WaS verdanken wir Haupt säcklich der Kuh?" ; Schülerin (Tochter eine Arzkcyj .Die Tuberkulck". Atrnlala und seine ZMe. Skizze von Vl-Corrcl. Die Sonne brannte und sengte. Sie versetzte die Erde mit allem, was darauf war, in einen solchen Zustand glühender Trockenheit, daß man fürch un konnte, alles werde bald zu Asche zusammenfallen. Dicker weißer Staub häuste sich überall. Und on den dick bestaubten, unnahbare bewehrten, mannshohen Kaktusgebllden welkten kereitS die ermatteten goldgelben Blü ten. Frischer leuchteten die Pelargo nien diese purpurroien over zart lich rosaroten Pelargonien, die da und dort die Stakete und die Mauern der kleinen weißen Häuschen an der Stra ße umwucherten. Duftlos. nur Farbe, überschütteten die Blüten die zu er staunlicher Höhe gediehenen Pflanzen, und ihr lohendes Rot leuchtete wun derbar durch die fengende Glut, durch den Staub, durch die Stille... Ein paar Dromedae, grau, staub bedeckt, den Geruch ihrer glühend durchsonnten Wolle verbreitend, schwankten vorüber. Andere ruhten bereits erschöpft im Schatten einer Mauer, und die schweigenden Bedui nen ruhten wiederum im Schatten ih rer Tiere. Die Pferde troffen vor Schweiß. Und dennoch war die Uebung noch Nicht zu Ende. Ueber die schlecht ge pflegte Reitbahn von der bestaubten Kaitusheke umschlossen, sausten die lleinen, musclulolen Arnberpservchen mit der antik geschorenen Bürsten mahne. Die blutroten Hosen der Ehasseurs d'Afrique wirkten dunkel, in dem blendenden Glast der Sonne. Die Gesichter der Reiter waren fast alle bleich, mit einem Zug des Lei dens, mit jenem Ausdruck gesteigerter Spannung, die bereits Qual ist, nahe dem jähen Kräftezufainmenbruch. Mit vorquellenden Augen, eingesun kenen Wangen, ausgedörrten Lippen, keuchend, hingen die Zuaven über ih ren dampfenden Tieren. Die schmalen, ausgemergelten Turkos jagten kreis rund herum, stierei,, hippokratischen Gesichts... Bis endlich die zehnte Morgenstunde erfüllt war. Da traten die Offiziere aufschnaubend zusnm men, und die Mannschaft konnte weg- reiten. Eine Staubwolke verschluckte sie. Anatole. der jüngste der Jägeroffi ziere, trat auf die Etu,;e hinaus und schaute der Staubwolke nach. Dann sah er in entgegengesetzter Richtung die Straße Hummer. Und plötzlich huschte ein Lächeln' über sein unge mein blasses, aschfarbenes, erschöpf les Gesicht ein Lächel jener flüch tigen, müden Art, wie es über das Antlitz desjenigen gleitet, der nach schwerer Strapaze einschlummert und yom ersten angenehmen Traumbild erquickt wird... Die Sonnenbrille vor den Augen, lächelte er fo wie im Schlaf der Ferne zu. die weiß im Wüstenlande glühte. Träumend, unbewußt, lethargisch dachte er an Ninas Hut... Immer dachte er an Ninas Hut, dort hinten in den Katakomben... Daß war ein Spaß ' parbleu! Sie hatte ge weint. Aber es sah so drollig aus, wie hinter dem Gitter nebetz ein paar mo dernden, von bebrillten Touristen sinnlos bestaunten TUrkenknochen de. modische Damenhut seine vergängliche Pracht zeigte. Seit einem Jahr mo derte nun auch der Hut dort! Und Nina? Die kleine törichte Italienerin Die moderte auch schon! Sie hatte Gift getrunken, weil man ihr scherz, weise mehr geraubt hatte als nur ih ren Hut... Ihr Bater hatte sie mit Ansichtskarten und Ambraketten unt schnitt in des Kaffees Silhouetten. Spaß Spaß spaßig ... Anatole schlief im Stehen wie ein Pferd. Ein leichter Peitschenknall weck tt ihn. Aha sein kleiner Wagen, richtig, den erwartete er ja wohl hier. Er stieg auf, fiel in die Ecke des Pol fters und. schlief weiter, träumte wei ter von Ninas Hut und Ninas spa ßigem Bater bis wieder etwas zu seinem, schlafbetäubten Gehör drang, das ihn erweckte : ein zartes, kind liches, sanftes Flötengedudel... Tudeltitudel dudelduh... Tu delsttudel duveldütü... Ahe Abulalg",,. Anatole riß die Schutzbrille herun ter, die wie eine Automobilbrille die Augen auch seitlich schützte. Richtig da saß er wieder, der Zwerg. Auf tmvx Prellstein am Wege im Schoten eines breitästigen PfesferbaumS.isaß n und blies, seine Flöte. Die großen arabischen Pan toffeln guckten unter dem lehmfarbe nen. zottigen BurnuS hervor. Ueber dem schmutzigen Turban trug er noch wie ein altes Weib ein Leinentuch geknotet, und daraus schaut, un durchdringlich ernst, lehmfarbe und graubärtig das große, wohlgebildete, sanfte Beduinengesicht mit den fana tisch leuchtenden Augen. Der Körper in dem Burnus war klein wie der eines siebenjährigen KindeS. Die klci nen Hände behaart, dunkelbraun, mit hellen, kurzen, mittelst Henna rotgelb gefärbten Nägeln hielten graziös die Holzflöte. Und in Jnter dallen. in unbestimmten Zeitabschnit Zen und doch zweckmäßig und unbc irrbar kamen die sanften, kindlichen Töne. Tudeltitudel dudelduh... Tu deltitudcl duWdütü... Ein hübscher Araberjungc, barfuß, in fchmutzigem weißen Leinenkittel, den Fes auf dem Hinterkopfe, war bei Abulala und sammelte mit seiner schmalen, nußbraunen Hand die Al mosen ein. Abulala hatte oft gute Einnahmen und galt bereits für reich. Seine Ohrringe Waren von geoiegencm Golde. I Anfangs hatte auch Anatole im mer eine kupferne oder silberne Mün ze aus feinem Wagen geworfen, so hnlh er m, dein fomiiclicil Altcil Vor beifuhr. Ihm machte daS feierliche Gesicht. daS zeremontose, unnayoarr und sanftmütige Gebaren deS kleinen NerlS LspakZ. IM eriazien es uvti J . f (V. r v ' . .s l'.Cm- ' US groteri, mU welcher leioiiot wußten Würde, und mit welcher un erscküttlichen Einkalt dieses un wissende Geschöpf seine fünf Flöten töne kapitalisierte... A)er werg oe trachtete es offenbar als eine ehren volle und lohnenswerte Tat. diese Art von Musik zu lachen... Min amismähiger Pünktlichkeit stellte er s,ck on seinem Blake ein und duldete ernsthaft, feierlich und würdevoll. Und niemals nickte er sur eine Vaoe seinen Dank. Das überließ er dem Jungen. Der lachte mit leuchtenden Augen und blitzendem Gebiß, beson ders die Damen an, uno sagie aus deutsch: Dnnkschen Freilenl" Heute warf Anatole kein Geldstück heraus. Er ärgerte sich plötzlich über Abulala. Wozu saß der dort? Wozu dudelte er mit seiner albernen Flö te? Wozu grinste der Junge die Leute an, die hier umherschlenderten und ihre Neugierde spazieren trugen? Da kam schon wieder so eine Kara wane"! Vermutlich wieder Deutsche. Natürlich! So dick waren nur die Deutschen. Dazu Sporthemden und Sonnenbrillen, Bierbäuche und jenes breite, behäbige Lachen, das zu blon den Bollbärten und genagelten Schu hen paßt. Anatole wendete das hoffärtige Gesicht ab. schloß die Augen und suhr wie schlafend an Abulala und an dem Zuge der Fremden vorüber, die auf der Straße von Tunis da herkamen. Er haßte dieses blonde Bolk haßte es brennend. Und er haßte auch Abulala und seine Flöte. Er war jedoch noch nicht weit ge fahren, da änderte er seinen Sinn. Er befahl dem Kutscher, umzukehren. Ein hohnpolles Lächeln schärfte jetzt Anatoles Züge. Unternehmungslustig bewegte er mit einem kleinen Papier sicher die Luft vor feinem Gesichte. ! Abulala saß noch auf seinem j Steine im Schatten des Pfeffer ' baums. Seine safrangelben Pantof feln leuchteten wie die Blüten des ,?eiaenkaktus. Sein stilles Antlik , ocrschwand fast unter Turban und Tuch. Der Araberjunge hockte vor ihm am Boden und rauchte eine Zi zarette, wahrend feine schlanke Linke in Ermangelung von Würfeln mit kleinen Steinen spielte. Anatole ließ den Wagen halten und sprang heraus. Er stützte die jrechte Hand, die die Reitpeitsche hielt, herausfordernd in die Seite und be trachtete eine kleine Weile schiefgehal tenen Hauptes den Zwerg, der mit der unerschütterbaren Ruhe eines Götzenbildes reglos aüf seinem Platze verharrte. Der Junge indessen zog die Knie hoch und lachte pfiffig zu dem Offizier auf, der offenbar einen lustigen Streich vorhatte. Anatoles Miene verfinsterte sich jedoch allmäh ,lich. Er schob die feinen, schwarzen Brauen zusammen, zog sie dann hoch 'bis unter den Käppirand und preß te seine bleichen. ai grauen kippen boshaft zusammen, bis er jäh her vorstieß, und zwar auf arabisch, denn er war ja auf dem schwarzen" Erdteil geboren und beherrschte die Dialekte: He. was tust Du hier. Du Bettler?" Abulala blickte mit seinen großen ruhigen Augen fromm auf. Der Herr weiß es!" antwortete er furcht los. Du Narr!" schalt Anatole. Sitzt Du hier, um Dich von den xuropäi sehen Leuten auslachen zu lassen? Sofort scherst Du Dich in Deine Höhle und läßt Dich nie mehr hier sehen!... Gib mir Deine Flöte!... Du treibst Unfug hier!" Kein Zug des stillen Beduinenge sichts veränderte sich. Mit einer Sanftmut, die wie Religiosität wirk te. erwiderte der Zwerg: Der Herr wird mir meine Flöte nicht nehmen!" Du wirst sie mir geben!" herrsch te Anatole und trat drohend näher. Abulala aber entgegnete: Ich die ne mit meiner Musik Allah . . . Denn es gibt keinen Gott außer ihml" Damit rutschte der Kleine von sei nem hohen Steinsitz herab, schob sei ne Flöte in die lederne Fransenta sehe, die er unter seinem Burnus trug, ergriff mit gebieterischer Geste die Hand seines Führers und wat schelte hurtig, ohne einen Moment zu säumen, in der Richtung nach den Katakomben davon. Anatole schickte ihm ein helles Ge lächter nach. Gott ist groß!" schrie er höhnend hinter dem Zwerge her. Er wird Dir Deine schöne Musik lohnen!" Lachend warf tt sich in (einen Wagen und ließ ungeachtet der maß' losen Hitze Galopp fahren. Er 'lachte noch wie betrunken, als schon die Palmen der inneren neuen Stadt ihren von Nosenduft leicht beschwer ten Schatten über ihn breiteten. Andern Tages saß Abuala nicht auf seinem Sieine. Und so ost auch Anatole Umschau hielt, er sah nir gendS den Zwerg. Gleichwohl setzte es sich Anatole in den Kopf, dem Kleinen die Flöte wegzunehmen und fei eS mit Gemalt. Wenn er rau chend auf seiner türkischen Ottomane lag und durch die Gitter deS mauri schcn Balkons über die Gärten und weißen Dächer hinblickte, dachte sich Anatole die Sache äußerst roman tisch und abenteuerlich aus. Denn ölnatole Bauchet war romantisch und abenteuerlich veranlagt. In seine vergoldete Wiege hatte za auch der Wüstenwind hineingeblasen. Seiner Kinderhand war schon Maß gegeben über Unterdrückte und sklavisch Un tergebene. So wurde er ein Ausbund von Zügcllosigkcit und Hoffart. Jetzt mit seinen 25 Jahren litt er freilich bereits unter der Erschlaf fung seiner Nerven. Das , machte wohl das Klima und der Absinth. Und das Opium, dem man allmäh lich verfiel... Ordentliche, kräftige, tollkühne Streiche brachte, er gar nicht mehr zustande. Er verlor sich in Träumen und geheimnisvollen Phan tasiespielen und amüsierte sich und seine Freunde mit absurden Ideen. Jetzt warteten alle darauf, daß er wie er ihnen verheißen hatte Abv lalas Flöte erbeuten werde. Daß die Flöte nicht mit Geld zu verkaufen war. unter.z ja keinem Zweifel. Der Zwerg sah in seinem Instrumente offenbar etwas, was nicht für Geld feil war. Der tat ja mit seiner Mu kik" einen Gottesdienst... und das war das Komische und Anreizende der Sache... Darin lag etwas, was Anatole nur erst fühlte und noch nicht ganz klar wußte. Er empfand eine Her ausforderung. Sein Haß regte sich und wuchs an dem Geheimnis, das er vorerst nur ahnte. Er erkannte mehr und mehr in Abulgl und sei ner Flöte einen Feind, eine Gefahr,. Und als Abulala andauernd un sichtbar blieb, machte sich Anatole auf, ihn zu suchen... Die maurische Altstadt kannte er ja wie seine Tasche. In der Tracht eines aalantcn Arabers, eine' Nelke hinterm Ohr, war er hier oft auf Abenteuer ausgegangen. Kein Win kel war ihm fremd. Der alte Hassan. der Buchhändler, war sein Freund, i Ebenso der pfiffige' Gewürzkrämer ' Jbn Haleb, Aber beide konnten, ihm, als er sie jetzt aussuchte, nicht sagen, wo der Zwerg Abulala wohne. Ben öassan beteuerte seine Unwissenheit ! nur mit einer entschiedenen Bewe gung seines weilzbarngen .urvan Hauptes, Er saß inmitten seiner osfe nen Bücherbude mit gekreuzten Bei nen, die Pantoffeln vor sich, auf sei nem kostbaren türkischen Teppich und las gesammelten Gemüts im Koran. Nicht wie sonst lud er Anatole ein, bei ihm Platz zu nehmen und von dem beständig vorhandenen Mokka zuzulangen. Jbn Haleb aber überstürzte seine Worte, mit denen er versicherte, einen Zwerg Abulala überhaupt nicht zu kennen. Eifrig wog er Zimt und Henna , ab für die Frauen, die das Antlitz mit einer engen schwar zen Gaze verschleiert eingehüllt in eine Art Badetuch, barfuß oder in geflochtenen Schuhen über den Kot der Gassen stiegen. Anatole ging weiter. Er hatte das bestimmte Gefühl, daß man ihm mit Absicht Abulalas Wohnuna ver schwieg, ja, er vermutete, daß man seine Angelegenheit mit dem Zwerge bereits kenne und in den Kaffeeftu ben und in den Höfen der Moscheen bespreche.. Dieser Gedanke bezwäng Anatole derartig, daß er anfing, herumzuhorchen. Er setzte sich zu den Dominofpielcrn in einer kleinen Kaffeestube, dann schlenderte er durch die Svukz die Basargewölbe, wo Marokkaner, Beduinen und Su danneger herumlungerten. Er lieh sich mit dem Bäcker, der frische Oel- kuchen ausrief, in ein Gespräch ein aber sobald er Abulala erwähnte, flog es wie ein Schatten über die Gesichter, die bisher gleichgültig und resvektvoll waren. Niemand wollte den Zwerg kennen, geschweige denn seme Wohnung wlen. Und da kam es Anatole an. daß er Plötzlich eine Art Furcht empfand und nicht wagte, weiter in das Gas senlabyrinth mit den fensterlosen Mauern und engen, weißaekalkten Gewölbegängen zu dringen... In der schnellen Ganasrt des Einaebore nen eilte er nach Hause und als er sein luxuriöses, orientalisch aus staffiertes Heim erreicht hatte, war er davon überzeugt, einer ern ten Ge fahr entronnen zu fein... Etwas Bedroblickes war über ibm aewe sen... Sonst hatte er sich stets als Herr und Eroberer, gefühlt, heute aber standen die fremden Rassen und deren unergründliche Geheimnisse seindiellg wider rhn aus und oeun ruhigten ihn mit ' ihrem tiefen, ein heitlichcn Schweigen. Weshalb hatte er nicht die and ider Jatime LelauftöädM Sändkr ihm anbot? Dieses kleine Schmuck stück aus Silberfiligran war ein schützender Talisman, denn Fatime, die Tochter Mohammeds, galt den Arabern wie eine Art Schutzheilige, Warum wies er das Ding so hoch mütig zurück? Was hatte der Hand ler geraunt? Tu wandelst einen ge fährlichcn Weg, Freund!" sagte er. Versieh Dich hier mit diesem Schutze." Anatole legte gedankenverloren seinen blauseidenen Mantel und die arabischen silbernen Fingerringe c. Das rote Fes behielt er eine Weile ' zwecklos in der Hand und schwenkte es an der langen Quaste hin und her. Plötzlich aber lachte er laut und schleuderte das Fes in einen Winkel. Er zündete sich eine Zigarette an und warf sich in seinen weißen gewebten Unterkleidern und den roten Saf sianpantoffeln auf seine Ottomane und schlief ein. Er schlief fest, traumlos und ohne sich zu regen. Die Stunde des Son nenuntcrgangs kam. und von den Minaretts der Moscheen ertönten die Stimmen der Gebctsrufer. Kommt zum Gebet, kommt zum Heil.., Gott ist groß..." Plötzlich aber erwachte Anatole von einem Lärm dicht vor seiner Türe. Lachen und Fluchen tobte draußen. Der Vorhang wurde hei feite gerissen, und in den halbhellen Raum stolperten eine Anzahl Men schert. Anasole erkannte feine Freunde: Charles und Etienne und Henris nur Etienne in englischem Zivil, die ande-de ren in , Uniform. Und mit sich zerr 'tli' ten sie eine kleine graue Gestalt mit 'le Turban und großen gelben Watschel, füßen Abulala... wß. Wir bringen ihn Dir, samt sei-bare ner Flöte!" rief Charles und manrn hörte seiner Stimme an, daß er be- als , trunken war, Am Eingang der klei nen, blauen Moschee haben wir das Monstrum gefunden und kraft iinfe rer Befugnisse hahaha ' arre tiert . . . Hier ist der Knirps Die Flöte hat er in der Tasche!" Ein ungeheures Lachen folgte. Alle drei Offiziere warfen sich auf be- queme Sitzgelegenheiten und taten ihrer guten Laune kemerici Zwang an. Anatole aber saß in Unterhosen auf seiner Ottomane und starrte den kleinen, graubärtigen Beduinen on, der schutzlos vor den Trunkenen stand, Mit seinen frommen Augen blickte er ernst und one Bangen vor sich hin und kreuzte h der Art einer duldenden, alten Frau die kleinen, mit Henna gefärbten Hände über dem zottigen Burnus. Er sprach kein Wort, berief sich nicht' auf den be hordlichen Schutz, der ihm 'zustand. Reglos stand er auf dem bunten Teppich und ertrug öen Hohn öer .Sieger.,. -Endlich fragte Anatole: Willst Du mir Deine Flöte schenken, Abu lala?" Der Zwerg regte sich nicht. Er lenkte nur langsam seinen Blick auf den Fragenden. Anatole wiederholte seine Frage. Da antwortete Abulala: Ich diene m,t metner Musik Allah. ... Denn es gibt keinen Gott außer ihm!" Die drei Trunkenen prusteten los. Charles pochte mit der Reitpeitsche auf seine roten Hosen und schrie: Er soll spielen! Er soll seinen Maß preisen!" Tanzen soll cr!" schrie Henri. Einen Bauchtanz wie die braune Lilie... Zieht ihm die Lumpen aus!" Anatole aber machte eine Gebärde nach der Türe. Laßt ihn gehen! Geh, Abulala! Nimm aber erst das!" Und er warf seine Geldbörse vor die Füße des Zwerges. . Der aber sah Anatole rlnderwondt an. lange, fanatisch leuchtenden Blickes, feierlich, wissend und weisfa gend. Und langsam sprach er die Worte: Der Herr soll meiner nicht spotten! Und soll Allah nicht versu chen! Der Herr wird vor seinem Richter stehen, ehe er's denkt!" Da mit drehte sich der Kleine um und watschelte hinaus.. Die Börse ließ er liegen. ,Nur Charles lachte unbändig. -Anatole aber bat die Freunde, ihn allein zu lassen. Und als er allein war, sah er eine Weile sinnend hin über die weißen Mauern und Kup. -peln der einschlafenden Stadt. Ro. senduft stieg zu ihm auf und der sei ne Rauch brennenden Ambras. Und wieder kam die dunkle Ahnunq üb ihn. In der Stille lag die große Be, drohung des Siegers". Er trat vom Balkon zurück, warf sich auf die Ottomane und nahm die Opiumpfeife. Mochte kommen, was da wollte... Drei Tage später stürzte Ansiole Bouchet vom Pferde. Ein Hitzfchlag hatte ihn angeblich getroffen. Wenige Stunden darauf war er tot. Abulala aber faß auf dem Stein unterm Pfefferbaum und pries Al lah, der nicht mehr lange säumeg würde, sein Bolk zu erlösen.... Aus der Schule. Lchrer: .WaS übertrug der König von Li.egypten dem Joseph?" Schülei:.Tje AMekHsM " i