Nebraska Newspapers

    (scitc Tägliche Omaha Triliüneroitag, bm 10.
Januar
1917.
z-z
Alls Nulgcn
Roman don
(23. Fortsetzung und Schluß.)
Einer der Schutzleute blieb als
Wache bei der Leiche zurück, das
'Notwendige rasch zu veranlassen.
Rittner ging ein Stück viit ihm und
tviederhoUe dem Beamten das Ge
ständnis des Mörders, jedoa) klug
vermeidend, irgendetwaö durchblicken
zu lassen, was auf die Nürnberger
Zeit Bezug hatte. Bevor er sich ver
ebschiedele, stellte sich Nittner durch
den Kommissar dem Gericht zu
möglichst baldiger protokollarischer
Wernehmung zur Bersugung uno er
Z.ärte, nun vor allem seinem Freun
de Düringer von dem Geschehenen
Mitteilung zu machen.
Brennert wäre gern mit ihm ge
gangen, aber die eilige Pflicht hielt
ihn zurück. So lug er sich Turin
er nur empfehlen und seinen bl
digen Besuch in Aussicht stellen. Er
wollte persönlich noch wegen des
geschehenen Mißgriffes umEnischul
digung bitten und sagte, bevor er
von Rittner schied: ,.M wurde mir
die Sache me verzeihen, wenn ich
sie nicht schließlich doch noch hätte
gutmachen können. Aber ob ich ein
Geständnis aus dem Morder so ae
schickt wie S herausgelockt hätte,
das weiß ich doch nicht. Also vielen
JDanl, auch im Namen der Polizei.'
Rittner, der die Nachwirkung der
gewaltigen Anspannung aller Nerven
auf seinem zarten Korper jetzt leb
haft empfand, rief ein Auto herbei
und war froh, für kurze Zeit wenig
stens ruhig und allein auf den wei
chen Lederpolstern sitzen zu können.
Aber der Wagen hielt bald fchon vor
Düringers Wohnung, und er muß
te das begonnene Werk wieder auf
nehmen. Er traf den freund allein
in seinem Arbeitszimmer, wo er un
tätig in stillem Hinbrüten saß. Ritt,
ner bemerkte gleich, wie wenig froh
Brunos GesichtZausdruck war, ! er
selbst aber fragte nur um so heite
rer: .Nun, wie geht's in der neu
en Freiheit, alter Junge ?"
Düringer schüttelte den Kopf.
Nicht gut. Ich fürchte, Hedwi
kommt nicht weg über das, was ich
ihr sagen mußte. Wir haben diese
Tage nebeneinander hingelebt wie
fremde Menschen."
.Das wird sich alles wieder ma
$tri. Ich bringe nämlich eine gute
Nachricht für euch. Aber deine Frau
soll sie auch gleich hören. Ist sie zu
Hause?'
Ja, laß uns binübergehen
Sie traten in Hedwigs Boudoir,
und Nittner sah,' wie Stellung imä
Ausdruck bei ihr denen des Freundes
glichen. . Er aber behielt seine
künstliche Frische bei und sagte nach
der Begrüßung: .Nun vor allem
eine große Neuigkeit: Frank ist vor
einer halben Stunde gestorben."
.Gestorben? Gott sei Dank!" Es
war Düringer, der die Worte tiej
atmend rief.
.Ich verdenke dir's nicht, wenn du
.Gott sei Dank!" rufst, schließe mich
dir vielmehr von Herzen an. Und
was das Wichtigste für dich ist, er hat
vor seinem Tode zu niemand, der es
nicht hören sollte, von deinem Ge
heimnis gesprochen. Diese Last ist
nun von dir genommen."
Gott sei Dank!" wiederholte l
nnger noch einmal, während Heöwig
wortlos, regungslos in statuenhafter
Starrheit neben ihm stand.
.Ja, ich hoffe, daß ihr beide wieder
auflebt auf diese Nachricht hin. Es
ist bekanntlich eine recht schwierige
Sache, die Vergangenheit umzubrin
gen. Für dich aber ist sie nun Hof
sentlich endgültig tot so tot wie
dieser Herr Frank, der wirklich auch
nichts Besseres tun konnte, als eiligst
abzudampfen aus der besten der
Welten. Von ihm aber muß ich noch
ktwas mehr erzählen."
Erst jetzt machte Hedwig eine
stumme Handbewegung, um ihn zum
Sitzen aufzufordern. Er folgte der
Einladung, Hedwig und Bruno setz
ten sich, gleichfalls, aber ein wenig
entfernt voneinander. Nun begann
Rittner seinen Bericht und erzählte
genau, was er im Laufe der letzten
Tage unternommen und erlebt hatte.
Doch er fah mit Erstaunen, daß
Brunos Gesicht anstatt sich aufzuhei
tern sich mehr und mehr verfinsterte
Ein tiefer, melancholischer Ernst war
auch in den Worten, die er am
Schlüsse zu dem Freunde sprach
.Tu hast ein gewagtes Spiel geipieit
aber du hast es gewonnen. Und ich
muß dir danken, denn du hast es für
mich getan. Daß ich nicht froher ein
kaun über das Erreichte, ist Nich
tsein? Schuld. Ich danlk dir fo
herzlich, wie ich es heute kann."
Tu wirst es vielleicht moigen
fchcn besser können. Tu kennst ia
den alten, merkwürdig zuverläiilgrv
und merkwürdig trostreichen Spruch.
.Die Welt ist rund und muß nck
dreh'n". Glaub' mir. sie dreht sich
auch in diesem Augenblick und führt
reit ihrer gewohnten Beschäftigung
tuUuijt für dich bald wieder eine
Eoniit herauf, deren Dasein du rno
znentan mit allen Kräften abstreirrst.
Teilcß dich .daraus: die Erde dreht
4 und die Senne kmmt wttda.
WW44&M4m4
Mtin Kettelt
Robert Sohlrausch.
MH(NN
Und nun empfehle ich mich zu Gna
den. Alles hat seine Grenzen, auch
die Kräfte solch eines alten Globe.
trotters wie ich es bin. Die Sache
heute war ein wenig ncrvcnaufrcgend
ich werde gleich zur Apotheke fah
ren und mir Balcrina kaufen.
Außerdem lege ich mich sofort wieder
ins Bett und bin heute für niemand
zu sprechen. Morgen schaue ich noch
einmal her und unterrichte mich über
den Stand der Sonne. Abends bin
ich dann hoffentlich so weit, um
wieder sagen zu iöncn: .Auf nach
Biskra!" Das aber gelobe ich heule
schon feierlich, daß ich euch von ktzt
ab immer meine Adresse schrelLkN
werde man kann ja niemals
wissen. Und nun leben Sie wohl,
gnädige Frau, leb' wohl, alter
Junge."
Düringer begleitete ihn hinaus.
drückte ihm noch einmal fehr herzlich
die Hand, sprach aber nicht mehr.
Tann ging er mit schweren Schritten
zurück ins Boudoir. Hedwig saß in
ihrer steinernen Unbeweglich au
einem der Sessel, Bruno blieb mitten
im Zimmer stehen und sah gerate
aus ins Leere. So verging eine
Minute, bevor er wieder zu reden
anfing.
Es ist merkwürdig, wie oft er
wartete Dinge, wenn sie wirklich
kommen, ein ganz anderes Gesicht
haben, als' man vermutete. Zuc:st
hat mich die Nachricht vom Tod?
dieses Menschen erfreut gewiß.
Ich habe von ganzem Herzen Gin!
gedankt. Aber dann, als Nittner
weiter von ihm erzählte, da hat sich
die Freude rasch wieder verwandelt.
Ich war immer so sicher in dem Ee-
fühl, damals in Nürnberg eine
jugendlich rasche Tat getan zu haben,
die sehr entschuldbar war, nicht nur
in meinen Augen. Und nun ich seine
Tat bei Licht besehe, da muß ick,
sagen, sie unterscheidet sich nicht all-
zuviel von meiner eigenen. Auch er
hat aus Liebe gehandelt, aus emem
weit stärkeren, tieferen Gefühl heraus,
als ich es in ihm gesucht hätte.
Gewiß, ich habe gekämpft, Mai.n
gegen Mann, ich war felbst beöroht.
war in halber Notwehr, ich habe ttu
hilfloses Weib erwürgt aber Liebe
war doch die Triebfeder bei ihm wie
bei mir. Zum erstenmal seit vieler,
Jahren liegt meine Tat mir schwer
auf de: Seele."
Hedwig blieo auch ietzt in ihrem
hartnäckigen Schweigen. Ihre Lip
pen zuckten, sie kämpfte gegen fjtxwi
brechende Tränen. Er schloß einen
Augenblick die Augen, als wenn er
das bleiche, schmerzvolle Gesicht nicht
mehr vor sich sehen könnte; dann
sprach er wieder, diesmal mit lev
haftererem Impuls und größer?m
Nachdruck: .Hedwig. höre mich an.
Wir müssen zu einem Ende kommen
so oder so. Wir haben diese letzten
Tage nebeneinander gelebt, als wenn
eine Mauer oder eine unausfüllbare
Kluft zwischen uns läge. Das war
so, seit ich dir von meiner Berga
genheit gesagt habe, von meine,
chuld. Ich haoe dir Zeit gelassen.
dir klar zu werden, ob du darüber
hinwegkommen kannst, ob wir noch
zusammenbleiben dürfen oder nicht
So aber in dieser dumpfen Spun-
nung geht es nicht weiter, wir ertrw
gen das beide nicht mehr. Du mußt
jetzt genug überlegt haben und mußt
über Lein Gefühl im reinen sein.
i-ag es mir nun, was du denkst und
willst."
Sie hob hilflos die Hände, begann
leise zu weinen. .Ich weiß eS ja
selbst nicht kann es nicht sagen!"
.Dann will ich es tun an deiner
Stelle. Wenn du dich bis heute noch
nicht hast entscheiden können, dann
ist meine Schuld zu groß oder deine
Liebe zu mir zu klein, um zu ver
zeihen. Tann reißt entzwei, was uns
verbunden hat. Wir müssen auseia
andergehcn und versuchen, wie wir
es tragen. Ich beklage mich nicht;
rt ,r1rJ 2 Mfi &
luf uv v vt.tvitiUy va ti viu ytiv-v;-'
tes Urteil, das mich trifft. Und um
dir zu beweisen, wie tief ich des
gerade heute fühle, will ich dir noch
etwas sagen. Ich lasse lasse dir
Elli. Du weißt, was das für Mich
bedeutet. Eine schwerere Buße taun
ich mir nicht auferlegen."
'Er hatte lebhaft und fest gespro
chen, und nur bei den Worten über
Elli hatte seine Stimme für twn
Augenblick versagt.
.Und ich will nun auch die Kon
seauenz aus öem ziehen, was ich ge
tan habe. ?ll die Jahre hindu-ch
habe ich mich dagegen gewehrt, acer
weit mehr um deinetwillen und un
unseres Kindes willen als meiner
selbst wegen. Ihr trüget ja meinen
Namen, und er sollte rein bleiben
für euch. Das fällt nun weg, wenn
wir auseinandergehen. . Mein Leben
ist ohnedies zerstört, weil ich euch
lassen muß. Da mag denn auch die
Ehre mit in Scherben brechen. Die
Welt wird verstehen, daß du dich von
einem fchuldbelafteten Menschen fchei
best, auf dich wird sie keinen Stein
werfen. Darum ist es auch für dich
nötig, daß die Wahrheit bekannt
wird. Ich gehe noch heute zum ilu
gicrungöpräsidenten und bitte, di
Versetzung und Beförderung zurück
zunehmen, durch die man mich ent,
schädigen wollte für die ungerecht,
Haft. Aon da gehe ich zum Staats,
anmalt und sage, was damals ik
Nürnberg geschehen ist; er mag dank
eine neue, gerechtere Haft über rnick
verhängen."
-Hedwig war in fassungsloses Wei
ncn ausgebrochcn. Bruno warf nock
einen schmerzvollen Abschiedbdlick au
die weinende Frau, dann ging ei
langsam zur Tür. Aber bevor er ft
erreicht hatte, klang hinter ihm eil
Ruf, ein Schrei, der ihn gewaltsa
festhielt. Sein Name war es, be
von ihren Lippen zu ihm drang, ange
füllt mit einer Welt von Gefühl.
.Bruno! Geh nicht, höre mich, di
darfst nicht von mir gehen!"
Er hatte sich umgewandt, eil
fernes Hoffnungsleuchien kam in sein
traurigen Augen. .Soll das heißt
daß du mir dos Urteil spreche:
willst? Um die anderen Menschet
habe ich mich nie gekümmelt, nur un
dich. Wenn du mich freisprechet
könntest, Hedwig"
.Ach, ich svreche nicht frei und ick
verurteile nicht. Ich bin ja nur ein.
Frau. Aber ich weiß jetzt ebi
ist es mir klar geworden, als du ooi
mir gehen wolltest für immer oaj
ich ohne dich nicht leben kann, das
du nicht von mir gehen darfst
Bruno!"
Weinend hatte sie die Worte gerw
fen. Sein Körper aber bebte jetz
vor Freude. Mit ausgestreckten, offe
nen Armen stand er vor ihr. .So!
das heißen verzeihen kann ja doc
auch 'eine Frau soll es heißer
Hedwig, daß du mir verzeihst? Das
du vergeben kannst und vergessen
was hinter uns liegt, und mit ir.fe
zusammen hineingehen in eine neuej
Leben?"
.Ja, ja, wir wollen vergess-n
alles, alles vergessen und un!
liebhaben wollen wir, Bruno, viel
viel mehr noch als früher."
.Hedwig, du weißt es nicht, wi
glücklich du mich machst in diejen
Äugenblick. Aber das gelobe ich dir
ich will es verdienen."
Seine Arme nahmen sie auf, um
fingen sie, hielten sie. Ohne zu fpre
chen, sahen sie einander an. und ei
küßte die Tranen fort von ihren auf
leuchtenden Augen.
Eine kleine Weile standen sie so. zi
tief bewegt, um reden zu können
Dann erklang draußen plötzlich cii ,
Geräusch, das Oeffnen einer Tür
das Laufen kleiner, eiliger Füe. li
helle, rufende Stimme eines jtindes
Elli war es. die vor einer .Stund
mit einer kleinen Freundin fortgkg(in
gen war und nun , zurückkam
.Later, Vater. S3tex!" so llunj
es von draußen fchon herein.
Und nun wurde die Tür ausge
rissen; Elli sprang ins Zimmer tut
rotem, aufgeregtem Erficht und einen
kleinen Sträußchen von Veilchen ii
der Hand.
.Vater. Vater, sieh doch her. Di
ersten Veilchen von diesem Frühling
Bei Weidners Garten . haben wir i
gefunden. Da ist eine Mauer, qi.i;
in der Sonne. Da hab' ich sie s,e
sehen und habe sie für dich gepflückt :
Er hob Elli zu sich empör, küßt,
sie und nahm die dunklen Blumei
aus ihrer Hand. .Ich danke dir
Elli. Aber warum soll ich alle,,
die Veilchen haben? Mutter ist jc
doch auch hier."
Mit einem liebenswürdigen, ei
wenig verlegenen Lächeln schaute fcal
9 ind vom einen zum anderen. .Ach
Vater, das ist ja doch gleich, ob ich
sie dir gebe oder Mutter. , Ihr bei:'
gehört ja doch zusammen."
.Ja. wir gehören zusammen'
Sein großes, tiefes Gefühl war ir
den Worten. Zugleich gab er, nocl
immer das Kind auf einem Arm hal
tend, seiner Frau die Blumen. Si
nahm sie, steckte sie an die Bast
Ein feiner, weicher, verheißungsvolle!
Duft umwehte sie.
.Der neue Frühling." sagte Du.
ringer leise. .Unfer gutes Kind ha
ihuuns ins Haus gebracht."
(Ende.)
Umstauilich.
Komme ich da unlängst zu meineni
Freunde Zieher, der sich als Zahnarzl
etabliert hat. um mir einen Zahn zie
hen ,zu lassen, hoffend, daß er es iv
Anbetracht unserer alten Freundschaft
möglichst sorgfältig und schmerzloZ
machen wird.
Ich nehme auf seine einladende, ge
schllftsmäßige Geste im Operntions
sessel Platz, mein Freund ergreift di,
Zange, setzt an rrtsch rutsch!
diese ab, nicht zu meinem größten
Vergnügen und Wohlbefinden.
Setzt wieder an knacks ist
der Zahn abgebrochen. Mein oeab
sichtigtes: .Na erlaube mal" wir!
durch eine großartige Gebärde und dii
aufklärenden Worte verhindert:
.Siehst du, so riß ich, als ich noch
Praktikant war!"
Wieder fährt mir daö kalte, glit
zernde Eisen in den Mund. An
o aaah" Gott sei Dank,
raus war er.
Unti wie ich mir jetzt den Mund
spüle, sagt mein Freund ganz stolzk
,Na siehst du, uud so reiße ich jetzt
die Zähne!" ,
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