Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 17, 1917, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Tagllcht OsZa TMäse
Olitlsrfrfw mtiS rtxrA(ia
VHHV AVUV I VVJVI VZV
Von einem ehemaligen GeneralstabSoffizier.
Fortscming des Krieges im Jahre 1917 wahrscheinlich. Waffenstillstand wäre nur für GuieuU
vorteilhaft. Eventuelle Verletzung der S!entralität der Schweiz, Hollands und Taneniarks seitens
der Alliierten. Verhalten der Zentralmächte wird den zukünftige Operationsvcrlanf bestimmen.
Unterschiede in der russischen und französischen Durchbruchs-Stratcgie im Jahre 1916.
Ter Eigenart und den Grundprin
zipien moderner Kriegführung entspre
chcnd, gestaltet sich die Forderung, daß
etwaige FriedenZbeftrebnngen, gleichgül
lig ob dieselben erst die Form von Prä
limmarien angenommen haben, oder be
itö in das Stadium direkter Verhand
langen eingetreten find, die militärischen
Entmickelungen im Wesen absolut nicht
beeinflussen dürfen, heutzutage viel ge
bietcrischer all in früheren Zeiten. In
folge der weitverzweigten Eisenbahn
Verbindungen und der heutigen inten
swcn Organisierung aller nationalen
Ressourcen für Kriegszwecke würde ein
Waffenstillstand oder selbst nur ein durch
Iriedens-Erwägungen veranlaßte! Ber
zögern der geplanten oder im Gange be
findlichcn Operationen für die Zentral
machte nichts weniger als ein Aufgeben
des durch den GebietS-Zusammenhang
und bessere Kriegsvorbereitung erzielten
großen militärischen Vorsprunges beben
ten. Die Entente-Mächte könnten hin
gegen durch einen Waffenstillstand nur
gewinnen, da sich derselbe sinngemäß
nur auf die unmittelbaren militärischen
Geschehnisse an den OperationsFron
len, niemals aber auf die fortgesetzte
weite Mobilisierung der noch vorhan
denen Reserven an Menschen-Matcrial,
ferner der ökonomischen und finanziel
len Hilfskräfte beziehen würde. Einem
weiteren Ausbau der noch undollkomme
ucn militärischen Organisation Eng
lands, ferner der Heranziehung und
Ausbildung der Rckrutenmassen Ruß
lands könnte kein Einhalt geboten wer
den und die Alliierten wären überdies
imstande, den der geographischen Situa
tion gemäß nicht zu überwinden. Nach
teil der teritorialen Getrenntheit durch
den Zeitgewinn während der Einstellung
der Feindseligkeiten und die von letzte
rcm abhängigen Konzentrations-Mög
Ijchkeitm für ihre Streiikräfte auszu
gleichen. .
Vorläufig besteht angesichts der schein
baren Abgeueigtheit der alliierten
Staatsma?nner, der Fricdenssrage
naherzutreten, offenbar keine Gefahr,
daß die Heeresleitungen der Mittelmächte
in eventuell Verkennung der Unauf
richtigkeit ihrer Gegner, sich des Vor
teile! des momentanen an allen Fron
teu günstigen Standes zugunsten der
noch m weiter Ferne befindlichen Frie
densaussichten begeben werden. Viel
mehr ist trotz des Anschneidens des Fr
densproblems von militärischer und Po
litischer Seite in letzter Zeit wiederholt
betont worden, daß die Fortsetzung der
großen europäischen Kampagne keine wie
immer geartete Unterbrechung erfahren
wird, bis nicht ein definitiver Frieden
geschlossen worden ist. Nachdem nun aus
dem Unterton der jüngsten Aeußerungen
aller Führer der Entente geschlossen wer
den kann, daß ihnen mehr daran gelegen
ist, ihre wankende Macht zu festigen, als
ihren irregeleiteten Völkern weitere unge
hcure Opfer zu ersparen, erscheint ein
abermaliger Waffengang größten Maß
stabes von unvermuteten Entwickln n
gen abgesehen. so ziemlich als Gewiß
he it. Auch die vergleichsweise noch in
den Kinderschuhen steckende, bchufts Be
endignng der Feindseligkeiten inaugu
xVxit gemeinsame Aktion der neutralen
Welt, wird an dieser Tatsache vorläufig
aller Voraussicht nach nicht zu rütteln
vermögen. Die Entente-Nationen haben
noch nicht genug geblutet, um das Ver
gebliche ihrer Bemühungen zu erkennen.
Da nun der von dem mitteleuro
Päischen Bunde angeschlagene Friedens
alkord momentan wenigstens keinen Wi
dcrhall bei der Entente gefunden hat,
was übrigens von deutscher Seite auch
nicht erwartet worden war treten die,
kurze Zeit ins Hintertreffen geratenen '
; militärischen Gesichtspunkte für die Fort
sctzung des Krieges, wieder in den Vor
dergrund. Im Großen werden diese Ge
; sichtsvunktk für beide Parteien auch im
Jahre 1917 dieselben bleiben. Das sira
tegische Netto-Refultat des soeben abge
laufenen Kriegszahres ist ähnlich je
mm des Jahres 1915 ein Plus auf
Seite der Zentralmächte, da deren Linien
nicht durchbrochen wurden, fondern ihre
große defensive Position durch die Er
oberung der Walachei und Dobrudscha
eine wesentliche Stärkung erfahren hat.
Von Seiten der Entente-Generalstäbe
sann daher bei dem nochmaligen Ver
suche, das Kriegsglück zu wenden, nur
eine dem Charakter nach jener im Jahre
ISIS gleiche, wenn auch den Dimensio
nen nach vielleicht umfangreichere Aktion
i,lS Werk gesetzt werden. Nur Hinsicht
lich der Methoden der Durchführung die
ftr Angriffs-Attlon dürfte sich für die
Entente, der immer mehr ausartenden
Rücksichislosigkcit der Kriegführung ge
iniifj, die Gelegenheit einer Alternative
ergeben. Folgende zwei Methoden kön
mn von dem gemeinsamen alliierte '
SUiegäiale tu Erwägung gezogen wer
den:
s) AbermaUge Turchbruchsversuche an
dsn bisherigen europäischen Fronten.
I) Schließung der in dem Ringe um
f.xdtüU&axcpa zu Lande noch bestehen
den Lücke durch Verlegung der Haupt
Offensioe auf neue .Xriegsschauplätze un
!,r Verletzung der Neutralität Däne
tnaxfi, Holland's und der Schweiz.
L.f g) Durch den militärischen Zu
szmmenbruch Rumäniens ist für die ruf
ffz-k Kricasführunz jede künftige Um
ftffung Ut teutonischen Ostfront ein
Ding "der Unmöglichkeit geworden, da
icfrre nunmehr lückenlos von des
. b.s zum S:skM Wtttt er
Durchbruchs -Methoden.
streckt. Der russischen Strategie bleibt
daher nichts als der Versuch eines dirck
tcn Durchbruchs übrig, falls sich die Zen
tralmächte entschließen sollten, ihre Jni
tiative auf andere Kriegsschauplätze zu
verlegen, und Rußland dadurch die Ge
legenheit geben würden, seine Vordere!
tungen ziemlich ungestört zu treffen.
Nachdem aber die gegenwärtigen Ge
schchnisse an der unteren Donau noch
gar keine Handhabe zu einer solchen Vor
aussctzung bieten, sondern das unausge
setzte Vordringen der Armeen Macken
scn's eher das Gegenteil vermuten läßt,
wäre es müßig, über die eventuellen An
stzungs"ellen eines russischen Durch
bruchsoersuches im Frühjahr oder Som
mer 1917 jetzt schon Kombinationen
machen zu wollen, da ja die gesamte mi
litärische Entwicklung am Südflllgel der
russischen Front lediglich von dem wei
teren Verhalten der siegreichen verbünde
ten Streikräfte abhängt. Immerhin
kann schon heute konstatiert werden, daß
das Schwergewicht der militärischen Tä
tigkeit des Zarenreiches sich infolge der
Niederlage Rumäniens und der daraus
resultierenden Gefährdung Süd-Ruß
lands, ferner auch mit Rücksicht auf das
offen eingestandene Kriegsziel einer Er
oberung von Konstantinopel notgedrun
gen auch im Jahre 1917 auf den Raum
zwischen den Pripet-Sümpfen und dem
Schwarzen Meere konzentrieren dürfte.
Auf dem französischen Kriegsschau
Platze ist die Wahrscheinlichkeit, daß die
Alliierten ihre Vorbereitungen zu einem
abermaligen großen Durchbruchsocrsuch
ungestört betreiben werden können, grö
ßer, da die bisher von der deutschen Hee
rcsleitung angesichts der enormen Stärke
der deutschen Stellungen eingehaltene
Defensivtaktik aller Voraussicht nach in
nächster Zukunft keine Aenderung ersah
ren dürfte. Es wird nun von dem neuen
französischen Oberkommandanten Gene
ral Nivelle abhängen, ob derselbe bei der
mit großem Pomp für das Jahr 1917
angekündigten neuerlichen Offensive in
Frankreich die Lieblingsidee feines Vor
gängers Joffre, im Zentrum der W'fi
front den Durchbruch anzustreben, w '.ier
verfolgen, oder sich für neue Angnsis
punkte, etwa an den Flügeln der !a5cs
front oder bei Verdun, entscheiden wird.
Hinsichtlich einer eventuellen alliierten
Offensive am nördlichen Flügel in Flan
dera ist der Umstand sehr bemerkenswert,
daß die seinerzeit als überaus gelungenes
strategisches Manöver gepriesene Durch
ftechung der belgischen Deiche bei Nieu
Port sich in Zukunft als Nachteil für
eine solche Offensive erweisen dürste,
weil er die alllliierten Streitkräfte einer
direkten Flügelanlehnung an das Meer
beraubt und der Durchbruchsversuch da
her nicht knapp entlang der Küste, son
dern weiter südlich angesetzt werden
müßte. Ein Durchbruchsversuch östlich
der französischen Festung Belfort, also
am südlichen Flügel der Westfront
würde an der, der modernen Entwick
lungserfordernissen nicht mehr genügen
den Enge der sogenannten Völker
Pforte" zwischen den Vogefen und der
Schweizer Grenze kranken, andrerseits
ober eine völlig gesicherte Flügelanleh
nung haben.
ad b. Ein, auch vielleicht beabsichtig
ter, Effekt des Friedensvorschlages der
Zentralmächte war, soweit sich dies jetzt
beurteilen läßt, daß die Entente nolens
volens immer mehr die Maske der Heu
chelei bezüglich ihrer Kriegsziele fallen
lassen mußte. Die Absicht, die Zentral
mächte im Allgemeinen und Deutschland
im Besonderen militärisch zu vernichten
und Eroberungen zu machen, wurde in
jüngster Zeit von russischen und franzö
fischen Staatsmännern ganz unverblümt
zugestanden. Der britische Premier
Lloyd George bewegte sich zwar in seiner
bekannten Rede vor dem Unterhause hin
sichtlich der politischen Ziele Englands
noch in unbestimmten Ausdrücken, pre
digte aber dafür in früheren öffentlichen
Aeußerungen die größte Rückfichtslosig
keit in der Kriegführung und wurde von
dem Chor feiner Gesinnungsgenossen
durch Empfehlung des .Krieges bis aufs
Messer' darin kräftigst unterstützt.
Nimmt man diese rhetorischen Ausbrüche
der leitenden Geister der Entente ernst,
so dürfte der Schluß berechtigt erschei
p.en, daß die Alliierten zu jedem Mitel
greifen werden, um ihre Gegner womög
lich niederzuringen, und dabei auch vor
Verletzung der Neutralität der im un
mittelbaren Kriegsbercich befindlichen
kleine europäischen Staaten nicht zu
rückscheuen dürften.
Wie bereits betont, sind die Grenzen
Deutschlands und Oestcrreich-UngarnZ
im Osten durch eine ununterbrochene ml
litärische Verteidigungslinie von Meer
zu Meer geschützt. Gegen Westen jedoch
ist dieser Schutz nicht so ausgesprochen
und geschlossen, da nur ei Teil dn
Grenzen (französische und italienische
Front) direkt auf militärischem Wege
gesichert ist, während die an Holland und
an die Schweiz anstoßenden Grenzteilt
nur indirekt durch die Neutralität der
Scannten Länder gedeckt werden. Gegen
Norden stellt die Neutralität Dänemark'S
den einzigen Schutz der deutsche Reichs,
grenze zu Lande vor, während die Sicht
rung der dortigen Küsten der deutsche
Flotte obliegt.
Angesichts der immer deutlicher her
vortretenden Absichten der Entente, den
Krieg mit größter Brutalität und Rück
sichtslosigkeit fortzuführen, ist daher eine
VcriewalSiAiing der dvi g?nannten neu
tralen Länder zwecks Leoiitzupg son de'
ren Territorium für bevorstehende mili
tärische Operationen nicht mehr in den
Bereich der Unmöglichkeit zu verweisen.
Griechenlands Schicksal ist bereits ein
klassisches Beispiel dafür. Umsomehr.
als gewichtige militärische Gründe
eigentlich direkt dasür sprechen.
Durch einen Einbruch in Schweizer
Territorium wurden die Linien der
Franzosen und Italiener in unmittelbare
Verbindung miteinander treten und die
Lücke zwischen den beiden Fronten aus
gefüllt. Eine Umfassung des deutschen
Flügels im Elsaß und ein Einbruch in
das nördliche Tirol wäre damit in
die Wege geleitet. Schließlich wäre für
Frankreich auch der Umstand, daß sich
die Haupt-Operationen dann nicht mehr
auf französischem Gebiete abspielen wür
den, ebenfalls maßgebend.
Mit einer tventucllen Landung einer
englischen Armee in Holland und wei
teres Vordringen derselben gegen Osten
und Süden würde eine Umfassung des
nördlichen Flügels der deutschen West
front verknüpf! fein. Ferner dürfte die
unmittelbare Bedrohung der vorläufig
noch nicht genügend besetzten deutschen
Nordwestgrenze, sowie des Hauptkriegs,
Hafens Wikhelmshaven vom Lande her
möglicherweise zu einer völligen Verschie
bung des strategischen Bildes im Westen
führen. Bekanntlich ist der Plan einer
Landung in Holland schon im Jahre
1916 von England ins Auge gefaßt
worden und nur die schleunigst getroffc
ncn militärischen Vorkehrungen und die
feste Haltung der niederländischen Re
gierung hieU damals die offenbar für
ein derartiges Unternehmen noch nicht
genügend vorbereiteten .Beschützer der
kleinen Nationen" in Schranken. Er
weist sich aber Lloyd George iu nächster
Zukunft wirklich als der Organisator,
für welchen er ausgegeben -wird, dann
dürfte wohl der Gedanke einer Invasion
in Holland auch in den Bereich der eng
lischen Operationspläne für das Jahr
1917 wieder aufgenommen werden.
Die, Möglichkeit, daß die Alliierten.
speziell England, auch eine Einbeziehung
des dänischen Territoriums in den Rah
mm der kriegerischen Operationen an
streben werden, um den zu Lande ge
schmiedeten Ring um Zcntral-Europa
auch im Norden zu schließen, erscheint
angesichts der tatsächlichen gegenwärtigen
Kriegslage noch etwas entfernter. Zwar
wäre ein solcher englischer Gewaltakt
nur " eine weltgeschichtliche Wieder
holung (Bombardement Kopenhagens
im Beginn des 19. Jahrhunderts)
und würde eine direkte Rückenbedroh
ung Deutschland! involviercn. Die erste
Vorbedingung zur halbwegs erfolg
versprechenden Einleitung dieses Unter
nehmens müßte aber die absolute Ver
nichtung der deutschen Secstreitkräste
und die Nicderkämpfung der deutschen
Küstenbefestigungen fein. Daß die Eng
länder ihre sorgsam gehütete Flotte, trotz
des kürzlich? Wechsels im Oberkom
mando derselben, zu einer derart gcwag
ten Aktion auss Spiel setzen werden, ist
fchon mit Rücksicht auf den Umstand,
daß die britische Weltherrschaft im Falle
eines Mißerfolges in ihrer Hauptstütze
getroffen werden würd, mehr als frag
lich. Außerdem hätte die Entente infolge
des Neutralitäts-Abkommens der drei
skandinavischen Reiche mit der Evenlua
lität des Eintritts Schwedens und auch
Norwegens in den Krieg auf Seiten
Zentral-Europas zu rechnen.
.
Eine Verwirklichung jeder dieser mög
licherweise in dem Feldzugsplane für
1917 aufgenommenen Angriffs-Aktionen
hängt jdoch in erster Linie von dem
Verhalten der gegenwärtig in der Jni
tiative befindlichen Zentralmächte wäh
rend der Winterperiode ab. Daß die
Generalstäbe Mitteleuropas in den näch
sten drei Monaten die Hände in den
Schoß legen und in Demut die beabsich
tigten Schläge ihrer Feinde abwarten
werden, dürfte selbst dem verbissensten
Alliiertenfreund nicht im Traume ein
fallen. Vielmehr kann mit Berechtigung
behauptet werden, daß ihre Entschließun
gen für den Verlauf der ganzen euro
paischea Kampagne deS Jahres 1917 be
stimmend wirken und den schlkßlichen,
Ausgang entscheidend beeinflussen dllrf
ten.
Von gleicher Bedeutung für die eben
tuellen Angriffsabsichten der Entente ist
ferner die Frage, ob die für derart um
fangreiche Neuopcrationen erforderliche
Truppenmassen au! dem Mcnschenrcser
doir des VierverbandeS aufgebracht wer
den können. Hiebei spielt nicht nur die
Größe der bereits erlittenen Verluste,
sondern auch die Erwägung eine Rolle,
daß im Falle eines tatsächliche Ein
bruches in neutrales Territorium die
Ctreitkräfte deS betroffene Staates
zweifellos durch da! Schicksal Grie
chenlands gewarnt aktiven Wider
stand leisten und damit eine Verstärkung
der zentraleuropäischen Heere vorstellen
werden. Außergewöhnliche Anstrengun
ge Englands und Rußlands sind zwar
scheinbar in nächster Zukunft zu erwar
ten, ob dieselbe aber ausreichen, die
zahlenmäßige Ueberlegenheit an allen,
auch den neue Fronten zu etablieren, sei
dahingestellt.
Für die Zentralmächte bleibt die gro
ße militärischen Gesichtspunkte, welche
ihre Kriegführung bisher bestimmt ha
den, auch im Falle der längeren Fort
dauer des Kampfes weiterhin maßge
knd. Stärkung ihrer Gcsamt-Tefensiv
Posttic durch Osttusiueloziise uf
speziellen Kriegsschauplätzen, Störung
der Vorbereitung bei Gegner! und Be
stimmung des Vorlaufe! der kriegeri
schen Ereignisse durch Fcsthaltung der
Initiative zählen zu denselben. Cha
rakteristisch für den Respekt, in welchem
die strategischen Fähigkeiten der verbün
beten Heerführer selbst bei dem Gegner
stehen, ferner für die Elastizität, mit
welcher sie Ihre Pläne den jeweiligen
Erfordernissen der Kriegslage anzupas
fen wissen, sind die nach jeder erfolg
reich beendigten Kampagne immer wie
berührenden Kombinationen im alliier
ten Lager über den zunächst zu erwar
tenden Schlag der Sieger. In den letz
tcn Tagen zerbrechen sich verschiedene
alliierte Militärkritiker neuerdings den
Kopf, in welcher Richtung die Streit
kräfte der Mittelmächte nach Erreichung
der unteren Donau verwendet werden
dürften. Vielfach wird ein Angriff ge
gen Italien vorausgesagt und laut Nach
richten aus Rom soll General Cadorna
schon mit Abwchrmaßnahmcn beschäftigt
sein. Ob die Nachricht einigermaßen be
rechtigt ist oder nur ein politisches Ma
növer der übrigen Ententemitglieder vor
stellt, um die erheblich abgeflaute Kriegs
lust des italienischen Volle! durch den
Hinweis auf die angeblich bevorstehende
Gefahr wieder einigermaßen zu beleben,
wird die nächste Zukunft weisen.
Vergleich der russische nd franzö
fischen Turchbruchs-Methoden.
Erfahrungsgemäß stellt die Aufgabe
einer Durchbrechung einer gegnerischen
Front, ob strategisch oder taktischer Na
tur, die höchsten Anforderungen an die
Qualitäten sowohl der Führung als des
Mannschaftsmaterials. Ein Durchbruch
muß mit einem Frontalangriff eingelei
tet werden, entbehrt daher Im Anfange
der Erfolgsaussichten. welche andere An
griffsarten im Bewegungskriege bieten.
Strategische Durchbrüche, wie sie im
jetzigen Kriege versucht und erfolgreich
durchgeführt wurden, waren, waS Aus
dchnung der Angriffsfronten und die
Zahl der dabei in Aktion getretenen
Streitkräfte anbelangt, in der modernen
Kriegsgeschichte noch nicht dagewesen.
Die moderne Durchbruchsstrategie wurde
daher eigentlich erst im jetzigen Kriege
unter Berücksichtigung der hochcntwickel
tcn technischen Hilfsmittel gewissermaßen
neu geschaffen und besonders von den
deutschen Heerführern mit Meisterschaft
gchandhabt. Richtiges Erkennen der
schwachen Abschnitte der gegnerischen
Front, überraschende Konzentricrungen
von Streitkrästcn, um an missen Punk,
ten die zahlenmäßige Ueberlegenheit zu
erzielen und treffende Wahl der Ein
bruchsstellen bilden, soweit sich dieö be
urteilen läßt, die Grundbedingungen
zum Gelingen der Durchbruchs-Aktion.
Mackcnsen's Feldzüge sind in dieser Rich
sicht geradezu mustergültig.
Unter den Generalen der Entente war
eS bisher noch keinem beschicken, einen
strategischen Durchbruchs-Vcrsuch ' zu
einem vollen Erfolge zu gestalten, trotz
dem sie im Laufe des Krieges die der
schiedensien Methoden erprobt haben.
Höchst bemerkenswert sind in dieser Hin
sicht die Unterschiede zwischen russischer
und französischer Strategie. Im Jahre
1916 traten diese Unterschiede besonders
bezüglich Wahl des zu durchbrechenden
gegnerischen FrontteileZ, in der Ausdeh
nung der Angriffs-Front und der Be
reitftellung und Ansehung der Streit
kräfte deutlich hervor.
Der russische Gcneralstab unternahm
im Jahre 191S vier große strategische
Turchbruchs-Versuche: Im März an
und südlich der Tüna-Front; im Juni
in Wolhynien und Galizien; im August
in den Waldkarpathen; Ende November
on der gesamten Front vom Tartaren
Paß bis zum OitozPaß. Die Russen
griffen daher die verbündete Ostfront
nur an beiden Flügel an, im Zentrum
aber nicht. Die Länge der angegrissc
nen Frontabschnitte variiert in den vier
Fällen von 100 bis 250 Meilen. Als
Haupteinbruchsstclle wurde nicht ein
Punkt, sondern mehrere gewählt und
dieselben gleichzeitig angegriffen; davon
wurde auch Verteilung und Gliederung
der Angriffs-Grupven beeinflußt, so daß
dieselbe der Ausdehnung dc! Angriffs
Abschnittes entsprechend mehr in die
Breite, als in die Tiefe ging.
Bei den Franzosen kann man eine fast
entgegengesetzte Methode beobachten. Das
deutsche Zentrum wurde ausschließlich
als Angrisss-Objekt gewählt; nach den
schlechten Erfahrungen des doppelten
Durchbruchs-Versuches im Jahre 1915
wurde nur eine Einbruchsstelle ge
wählt, deren Breite nicht 80 Meilen
überschritt. Die Angriffs-Gruppe wurde
daher nicht in die Breite, sondern in die
Tiefe gegliedert. Infolgedessen gestal
tcte sich die militärische Aktivität der
Alliierten an der Westfront zu einer
einzigen 4j Monate dauernden Durch
brnchs-Aktion.
Dem russischen Durchbruchsversuch im
Juni war entschieden ei bedeutenderer
Anfangs'Erfolg als dem alliierten. Der
Angriff auf eine Flügel und die Länge
deS angegriffenen Frontabschnitte! (230)
Meilen begünstigte die strategische Ueber
rafchung. da der Gegner in der ersten
Zeit nicht genau erkennen konnte, welche
DurchbruchsRichtung als die wichtigste
anzusehen war, und er daher auch die
Dirigierung von Verstärkungen an die
meistbedrohten Stellen nicht so rasch
vorzunehmen im Stande war. Tann
aber fand der russische Durchbruchsver
such infolge Mangel! an Reserven in ver
hältnismäßig kurzer Zeit ein Ende und
kam abrupt zu einem vollständigen
Stillstand. Ein gleiche! Schicksal fan
den auch die Durchbrüche in den Kar
parthen.
Die alliierte Somme-Offensiv krankte
hingegen on der Enge der gewählte
Einbruchsstelle. Den Deutschen war eS
ein Leichtes, jederzeit entsprechende Re
serden an diesem kleinen Frontabschnitt
zu konzentriere. Nur die Tiefenglie
derung der Angriff-gruppe und die da
durch möglich fortgesetzte Nährung der
Offensive mit frische Kräften ermög
lichte e! den Alliierten, dc Durch
brnchsVerfch monatelang fortzusetzen.
Die Zahl d:r aufgebotenen Streit
fräste toiti c beiden Front; im San
Die deutsch Landelsjchßahrt
nach dem Kriege.
Von L. PcrsiuS, Kapitän zur See a. D.
Die Entwicklung deS deutschen Han
dels und der Handelöschissahrt nach dem
Friedensschluß hängt vom Ausgang des
Krieges ab. Jede 'Betrachtung, die sich
bemüht, das Dunkel der Zukunft zu
durchdringen, muß also notwendiger
weise mit unsicheren Faktoren operieren.
Denn wer kann heute mit einiger Be
stimmtheit aussprechen, daß die Völker
nach ilm Niederlegen der Massen
wohlverstanden in ihrem ureigensten In
teresse sich wieder in vollem Ver
trauen die Hände zu freundschaftlich
friedfertigem Handelswettbewerb reichen
werden, wer vermag vorauszusagen, wel
chc! die Stärke der Kauffahrtciflotten
der nun am Krieg beteiligten wie der
neutralen Böller 'beim Friedensschluß
sein wird, um hiermit die Konkurrenz
sähigkeit bestimmen zu können? Wer
würde es zur Zeit unternehmen, auch
nur in rohen Umrissen die fernere w'.rt
schafiliche Widerstandskraft der nun
noch kämpfenden Nationen einigermaßen
zutreffend einzuschätzen, von der doch
ihre wirtschaftliche Beteiligung in der
Zukunft wesentlich abhängt. Wer maßt
sich prophetische Gabe hinsichtlich der
Entwicklung der innerpolitischen Ver
hältnisst in der Folgezeit an. die ihren
Einfluß zum Beispiel, um nur ein! her
auszugrasen, auf die Auswanderung
geltend machen dürften und hiermit ei
nerseit! da! Passagiergcschäft heben,
andererseits das Frachtengeschäst ver
mindern werden?
Unsere Handelsschiffahiskrcise lassen
sich durch die genannten Faktoren der
Unsicherheit in ihrem frohe OptimiS
mu! nicht wankend machen und tresfen
schon jetzt ernste Vorbereitungen für die
sofortige Aufnahme des Geschäfts, so
bald die Verhältnisse es gestatten. Neu
gründungen und Verschmelzungen von
Schisfahrtsgcscllschaften. Jndustrieanla
gen und von Wcrftu?ternehmen fanden
statt (Norddeutscher Lloyd. Krupp
Hamburg Amerika Linie, Stinnes, v.
Gewinner Hamburg Amerika Linie,
Hamburger Werft A.G.). die den Zweck
haben. Handel, Schiffahrt, Eisen und
Kohlenproduktion behufs größter Wirt
schaftlichkeit zusammenzuschweißen. Kiele
zu Dampfern für Passagier, und Fracht,
besörderung wurden gestreckt. Man ist
sich in den beteiligten Kreisen wohl be
wußt, daß die Arbeit unserer Handels
fchiffahrt nach dem Friedensschluß au
ßerordenllich erschwert sein wird. Wäh
rend die deutsche Rhcederei mit ganz ge
ringen Ausnahmen während des Kriege!
nur Verluste hatte und weiterhin haben
dürfte, häufte die feindliche und neutrale
Reederei zumeist Gewinn auf Gewinn.
Selbst wenn man die Ewbuße an Schif
fen, wie sie bisher vor sich ging, berück
sichtiqt, so war der Nutzen deS Geschäfts
infolge der Riesenfrachtraten geradezu
phantastisch. Die britischen wie die neu
tralen Reedereien werden daher finan
ziell weit besser gerüstet in den Konkur
renzkampf eintreten als die deutschen.
Trotzdem herrscht also in unseren Schiff
fahrts-, Werft usw. Kreisen Optimis
mus für die Zukunft. Ist er gerecht,
fertigt?
Der Krieg hat unserer Handelsschiff
fahrt harte Wunden geschlagen. Sie zu
heilen, liegt nicht nur im Interesse der
Reedereien, der Schiffseigner, sondern
auch in dem des gesamten Volkes. Eine
leistungssahige Kauffahrteiflotte bildet
die Grundläge für unseren gesicherten
Welthandel. Ohne sie würden wir. an
gewiesen auf den beengten Wirkungskreis
des Landverkehrs oder abhängig von der
Gnade schiffahrttrcibender fremder Völ
ker, iinS zum Siechtum verurteilt sehen.
Die da! Staunen und manchmal auch
den Neid der Welt hervorrufende rasche
Entwicklung unserer Kauffahrteischiff
fahrt, vor allem der großen Reedereien,
wie Hamburg'Amcrika-Linie und Nord
deutscher Lloyd, wurde plötzlich beim
Ausbruch de! Krieges gehemmt. Ein
Teil der Schiffe wurde in feindlichen
Häfen beschlagnahmt, ein anderer mußte
in neutralen Häsen Zuflucht suchen. Eine
wenn auch geringe Zahl von Schiffen
wurde vom Feinde vernichtet. Die in
deutschem Besitz kjeut noch befindlichen
Schiffe, gleich, ob sie in heimischen oder
neutralen Haken liegen, veralten, und
ihre Schiffskörper und Maschinen leiden
durch die lange Tatenlosigkeit. Sie fiel
len ein fressende? Kapital dar, ihre Kon
servierung erfordert erhebliche Summen
an Gehältern, Löhne und an Material.
ES müssen ferner Dock-, Liege und Ha
fengebüksscn gezahlt werden. Je länger
der Krieg dauert, umso ungünstiger ge
stalten sich naturgemäß die Verhältnisse.
Trotzdem haben sich unsere großen Ree
dereien entschlossen, .durchzuhalten",
loste es, was eS wolle. Sie haben die
Zuversicht, daß die deutsche Kauffahrtci
fchiffahrt bald wieder nach dem Frie
densschkutz ihre Flaggen entfalten kann.
Diese Zuversicht stützt sich in erster Linie
auf die Ueberzeugung, daß der freie
Handelsverkehr auf allen Meeren und
mit allen Völkern ein unumstößliches
Naturgesetz ist, gegen da! sich aufzuleh
nen zweck und sinnwidrig sei würde.
Dem. der de Versuch hierzu unternch
men wollte, würde eS zum eigenen bitte
re Schaden aukschlagen. Unter dem
Einfluß der Kriegspsychose entstanden
allerhand Projekte über künftige Absper
rung. Boykott und dergleichen mehr.
Aufgeregte Heimkrieger gefiele sich da
ein, Propaganda zu machen für ein
.Sichqenllgenlasse an heimischem Herd"
für Berzichtleistung auf Reisen außer,
halb de! Vaterlandes, Erlernen fremder
Sprachen, Benutzung von Auslandser
Zeugnissen usw. Die nicht zahlrei
chen , die auch in kritischen Tagen ihre
zen genommt keine bedeutende Ver
schiedenheit auf. Im Laufe der Opera
tionen dürste an jeder derselben zwi
schen bis 2 Millionen Man
Verwendung gkismme seift.
fünf Sinne beisammen hielten, ließen
jene nationalistischen Phantasten gewäh
ren, mußten sie gewähren lassen! Nun
aber nach mehr als zwei Jahren wird eS
Zeit, daß on Stelle des Irrsinns Ver
nunft tritt.
Was sagt die praktische Vernunft de
zllglich der Wiederaufnahme deS Welt
Handel!? Alle Kulturvölker der Erde
sind aufeinander angewiesen. Kein!
oder keine Gruppe kann sich von der All
gemeinheit ausschließen. Die intcrna
tionale Verknüpfung dc! Kredits, das
heißt die gegenseitige finanzielle Ab
hängigkeit, auf die Norman Angell in
seinem Buch .Die falsche Rechnung
überzeugend hingewiesen hat, läßt sich
nicht durch hohle Schlagworte beiseite
schieben. Wenn etwas geeignet ist, dazu
beizutragen, daß die dielfach noch immer
dominierenden, aber verkehrten Ideen
auf politisch wirtschaftlichem Gebiet ei
ner Revision unterzogen werden müssen,
wenn etwas geeignet ist, die Nebclschicht
der Unwisscnheit in besagter Nichtung
hiiiwcufegen, so sind es die Lkonomi
schen Begleiterscheinungen deS Kriege!.
Die wirtschaftlichen Interessen jeden
Volke! streben über die engen Grenzen
de! Landesgebiets hinau!. Die mächtige
Welle de! Verkehr! und der modernen
Technik überbrückte die Ozeane und ver
band die Nationen zu gemeinsamem
Streben für ihre Wohlfahrt aneinander.
Fulton sagte 1797 in seiner Schrift .An
die Freunde der Menschheit" über den
internationalen Verkehr: .Wer sich gegen
den Gedanken auflehnt, daß die gesamte
Menschheit friedlich beieinander leben
sollte, und daß sie nur einen Kampf
führen mu'ii, den Kampf um die Freiheit
de! Glaubens und Denken!. deS Wollen!
und Handeln!, versündigt sich an feinem
eigenen Volk." Zu sehr war bisher die
irrige Ansicht eines oft weltfremden,
überspannten Nationalismus maßgebend,
daß jedes Volkes Fortschritt des anderen
Volke! Niederlage, und jedes Volkes
Glück des anderen Unglück bedeuten.
Diese Ansicht spiegelte sich zum Anspiel
wieder im Kampf um die Absatzmärkte.
Die Möglichkeit eine! Nebeneinander der
friedlichen Rivalität wurde verneint, ob
gleich doch jeder urteilsfähige Kaufmann
darüber belehren kann, daß sich zum
Beispiel die Aufnahmefähigkeit des Ab
fahmarktes durch kluge Maßregeln bis
ins Unendliche steigern läßt, und daß der
Erfolg des einen Wettbewerbers meist
durch einen des anderen ausgeglichen
wird. Die Interessen der Rivalen sind
eng miteinander verbunden, einer bringt
dem anderen Vorteile. Jeder Staat ist
gleiicherweise von dem wirtschastiichcn
Gedeihen de! Konkurrenten abhängig.
Man hört bet uns zuweilen Bcfürch
tungen aussprechen, daß die Bemühun
gen gewisser Kreise iu Feindesland, nach
dem Friedensschluß, einen Handelskrieg
zu führen. Erfolg haben könnten, daß
hiermit auch im besonderen unsere Kauf
fahrteischiffahrt sich vor kaum zu über
windenden Schwierigkeiten sehen würde.
Eine Sorge ist hier jedoch kaum von
Nöten. Die anfängliche Begeisterung
ür einen Handelskrieg noch Friedens
chluß beginnt bereit! sich mnklich abzu-
schwächen.' Sie ist in England rasch der
Ueberlegung gewichen, daß ein Vorgehen
gegen Teutschland in besagter Richtung
ein zweischneidiges Schwert bedeuten
würde. Der Großindustrielle Sir Hugh
Bell, der eine herrschende Stellung in der
englischen Eisen und Kohlenindustrie
einnimmt, äußerte vor kurzem: Wissen
die Menschen, die bei uns rufen, .der
deutsche Handel muh zerschmettert wer
den", was das heißt? 1913 belief sich
der Wert unserer Geschäfte mit Deutsch
land auf 144 Millionen Pfund Sterling,
und fast jede Tonne der nach Teutsch
land ausgeführten Waren wurde in einen
unserer Hafen an der Ostküste in die
Schiffe eingeladen. Wa! sollte aus
allen den Häfen von London bis Aber
deen werden, wenn wir keinen Handel
mit Deutschland mehr unterhallen? Soll
das gesamte Kapital brachliegen, daS in
den Häfen investiert ist, weil eS einigen
Dummköpfen gefällt, zu schreien: .John
Bull haßt den Michel., da darf er keine
Geschäfte mit ihm treiben?" Sie wer
den sich nicht lange hassen, meine ich!
E! ist unmöglich, sich deS Handels eine!
Landes zu bemächtigen, daS von 70
Millionen Menschen bevölkert ist. In
London wie in Berlin usw. leben Tau
sende, die essen und sich kleiden müssen,
und recht viel von dem hierzu Nötigen
kaufen sie sich gegenseitig ab. Ich kaufe
nicht von einem Händler, etwa weil ich
ihn für einen braven Menschen halte,
wohl möglich, daß ich ihn nicht dafür
halte! sondern, weil ich seine Ware
nötig habe. Gerade so liegt der Fall
zwischen Deutschland und England."
Vor dem Krieg hörte man auch bei
unS und auS recht berufenem Munde
häufig da! Wort: Deutschland ist Eng
lands und England ist Deutschland!
bester Kunde. Der wirtschaftliche Nieder
ganq dc! einen muß den andern schwer
treffen." Hat der Krieg irgendwie an
der Richtigkeit dieses Gesetzes zu rütteln
vermocht? Die Antwort muß verneinend
ausfallen, und hiermit sind die Richt
linien vorgeschrieben, die unsere Ge
danke über die künftige Entwicklung
unserer Handelsschiffahrt zu nehmen
haben, wobei keineswegs verkannt werden
soll, daß immerhin der durch nationa
listische Heißsporne geschulte Kampf um
die politische Vorherrschaft eine Bresche
in da! Programm .Gleiche Handels
fteiheit für alle" zum Schaden der Völ
ker legen kann.
Man muh die arößten Gegensatze
miteinander verbinden: die Tugend mit
der Elcichgiltigkeit gegen die ksfeniliche
Meinung, die Luft an der Arbeit mit der
Gleickziltigkeit egm den Ruhm, und
die Sorge für feine Gesundheit mit der
Cleichgiliigkeit gegen da! Leben.
AieHrägerderVobelpreise
sürLteraluz,
Romain Rolland und Werner Hei
denstam.
Romain Rolland ist 1868 geboren.
Al! Schriftsteller wurde er zuerst durch
seine bedeutenden Werke über Musik
geschichle. deren Hervorragendstes die
Biographie Beethoven schildert, und
über Kunstgeschichte (Leben Michelange
los) bekannt. Sein Hauptwerk aber, dem
er die beste Kraft seine Leben! widmete,
ist der zehnbändige Roman Jean.Ehri
stophe, in dem der Versuche einer ver
gleichenden Kulturkritik Deutschlands
und Frankreich! gemacht wurde. Die
vier ersten Bände der Reihe schildern die
Jugend deS Helden, eines Deutschen, der
in einer kleinen Stadt am Rhein auf
wächst und in schweren Entbehrungen
zum großen Musiker wird, schließlich
aber sein Vaterland wegen de! Wider
standes gegen die gesellschaftliche Ord
nung, in den er mehr und mehr hinein
getrieben wird, verlassen muß. Mit
tiefem Groll gegen seine Heimat fährt
er nach Paris. Der fünfte Band gibt
eine dortigen Eindrücke wieder; eine
chärfere Kritik der faulenden Gesell
chaft", die das künstlerische Leben der
ranzösischen Hauptstadt beherrschte, ist
niemals geschrieben worden. Jean-Ehri-stophe
lernt aber auch ein anderes Frank
reich kennen, das in der Stilse leidet und
entbehrt, in harter Arbeit. Die letzten
Bände spiegeln die wachsend: Spannung
wieder, die in den letzten Jahren vor dem
Krieg auch dje persönlichsten Bezieh
ungen zwischen Deutschen und Franzö
sen vergiftete und die schließlich Jean
Christophe, der an einer revolutionären
Straßenkundgebung in Paris teilnimmt,
zur Flucht nach der Schweiz zwingen.
Dieser tragische Schluß mutet wie eine
Voraussage deS eigenen Schicksals Ro
main Hollands an, der in den ersten
Monaten selber vor den gehässigen Ver
dächtigungen, mit denen man ihn in
Frankreich verfolgte, in der Schweiz, wo
er seit vielen Jahren ein regelmäßiger
Gast war, Zuflucht und Verborgenheit
suchen mußte. Er hat sich dort dem
Liebesdienst des Roten Kreuzes gewid
met, daS den Angehörigen aller Krieg
führenden in gleicher Weife zugute
kommt. Vor einem Jahre sammelte er
seine im ersten Kriegsjahre erschienenen
politischen Aussäge unter dem Titel .Au
dessus de la Mölöe"; manches Wort, das
in diesem .Bande steht, ist für einen
Teutschen schmerzlich zu lesen, nirgends
aber verleugnet der Dichter die hohen
Gesichtspunkte, die über den jetzigen
Kampf hinaus in die Zukunft weisen.
.Der Krieg selber." so endigt Romai
Rolland dieses Buch, .ist nur eine Form,
eine Anschauungsweise des Friedens, uns
wa! heute Kampf heißt, ist der Beginn
einer Versöhnung von morgen."
Es ist nicht zweifelhaft, daß die schwe
dische Akademie, indem sie in Romain
Rolland den Schriftsteller ehrt, auch den
Menschen zu ehren denkt. Denn wenn in
irgend einem Falle, so ist hier der
Mensch nicht vom Schriftsteller zu tren
nen und eben darauf begründet sich die
einzigartige Stellung, die Romain Rol
land gegenüber dem Weltkrieg von dem
Augenblick an angenommen hat, da er
sich von dem Eindruck der falschen Nach
richten zu befreien wußte, die auch seine
Seele verwirrt hatten. Von da an hat er
als Mensch betäiigt, was er al, Schrift
steller empfunden und geschaffen hatte.
Es war ein schmerzensreiches, von
tausend Anfeindungen verbittertes Da
fein, daS er freiwillig erwählte, als er
sich entschloß, fern von seinem Vater
lande die Möglichkeit zu suchen, dem
deutschen Geist, an dessen Erforschung er
fein Leben gewandt hatte, noch mitten
in den Leidenschaften deS Krieges Ge
rechtigkeit widerfahren zu lassen. Sein
Standpunkt .oberhalb deS Getümmels"
war jeglicher Mißdeutung ausgesetzt, und
noch ist die Zeit nicht gekommen, daß
ihm volle Würdigung zuteil werden
könnte. In der Tat, waS wäre heute
wohl schwerer zu verstehen als die Ge
sinnung eines ManneS, in dessen Gedan
kenwelt sich Deutschland und Frankreich
als ein vereint an dem Fortschritt der
Menschheit arbeitendes Völkerpaar dar
stellen, sich in ihren Fehlern berichtigend,
mit ihren Vorzügen ergänzend?
Der Träger des Nobelpreises für
Literatur des Jahres 191S. Werner auf
Heidenstam, ist neben Gustav af Geyer
ftam und Selma Lagerlöf einer der
Großen der modeinen schwedischen Ro
mankunst, deren Werke weit über ihr
nordisches Heimatland hinaus Geltung
und Einfluß auf die Kunst anderer
Völker gewonnen haben. Heidenstam
wurde 1839 geboren und begann im
Jahre 1888 mit dem Versbuch .Wall
fahrt und Wanderjabre." Später schrieb
er überwiegend Romane, von denen der
morgenlLndischen .Endymion" und der
phantastische .HanS Aliemus" am be
kanntesten geworden sind. Eine seltene
Fabulierungskunst verbindet sich in
diesen stilistisch glänzend gefeilten Wer
ken mit tiefdringkiidcr Psizchologie. In
Arbeiten historischen Charakters gelang
eS ihm, seinen Menschen bei aller freien
Behandlung dcch das Kolorit ihrer Zeit
zu wahren. Heidenstam erfreut sich in
Schweden wie in allen skandinavisck,en
Ländern außerordentlicher Popularität.
Auch in Deutschland ist fein Name ge
schätzt und durch gute Uebersetzungen
verbreitet. Erst vor einigen Wochen kam
sein neuester, zweibändiger au! gründ
lichstcn Vorstudien erwachsener Roman,
des EpoS in Prosa .Karl XII. und
seine Krieger" bei Langen (München) in
deutscher Uebertragung herauS. Die Ver
keihung deS Nobelpreise! an den Poetcn,
Erzähler und Historiker wird über daS
Vaterland Heidenstam! hinau! den Bei
fall feiner Verehrer finden.
NevolutionS'Briefmarkn, l Grie
chenland. Die venezelistische Regie
rung bestellte für die Gebiete, die sich der
Revolution angeschlossen haben, neue
Bkicsmarkcn. Dieselben tragen d!
Bildnis AleianderS dr! Großen.