Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 30, 1916, Image 3

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der völligen Gemeinschaft aller
llciiiSt?tl);i!tniffe zwischen Mann und
'Weid beruhen sollte, als eine rechtlich
notwendige Einrichtung erkannt. Sie
bildet die wesentlichste Grundlage eines
geordneten Familienlebens und dient zur
nu'ralischen Bcrcdluug des Menschenge
schlechßs. Teis Eingehen dieser Bcrbin
düng zu Zweien seht zu ihrer Vollgültig
leit eine Menge gewisser Vorbcdingun
gen voraus, deren 'Nichtbeachtung zu gro
b?n Nachteilen und selbst Gefahren für
die Beteiligten führen kann. In pcrsiin
licher Hinsicht sind die Ehegatten zu ge
gcnseitiger Liebe und Treue verflflichtct,
und die ffrau hat unbedingten Anspruch
auf den Namen, Rang und Schutz ihres
Mannes. Er muß ihr als seiner gleich
berechtigten Genossin den Lebensinter
heilt gewähren, dafür soll sie in Freud'
und Leid zu ihm stehen, seine Kinder
gut und vernünftig erziehen und der Be
sorgung des Hauswesens gewissenhaft
obliegen.
Die Familie bedeutet in ihren Be
Ziehungen zum Staat und der Welt ein
wichtiges Element zur Weiterentwicklung
des geistigen und sittlichen Lebens, und
in der stark sympathischen Hinneigung
der einzelnen Glieder zueinander erhalt
die Liebe erst ihren wahren Sinn und
ihre Weihe. Lcßtere ist im großen Gan
zen Gefühlesache und, weil sie in ihren
Erwartungen und Forderungen meist zu
weit geht, von Enttäuschungen und Lei
den aller Art begleitet, die vornehmlich
im ehelichen Bunde ein fruchtbares Feld
finden. Denn die Haupttriebfcder dieser
höchsten menschlichen Empfindung ist
und bleibt, wenn auch oft unbewußt,
doch immer das sehnliche und wieder so
natürliche Verlangen nach dem eigenen
Glück und Wohlergehen. Daher müssen
die einzelnen Rechte und Pflichten jedes
Teils einer Familie in das richtige Vcr
haltnis zueinander gebracht werden, weil
sich hierauf allein ein friedliches und
harmonisches Zusammenleben und Wir
ken aufbauen läßt. Wer einen Haus
stand errichten will, übernimmt damit,
zumal unter heutigen Umstanden, eine
große Verantwortung. Und ob er die
Gründung dieses eigenen Herdes, der
vielleicht nur in einem blinden Glücks
taumel vorgenommen wurde, später auch
noch so bitter bereuen möge er m u ß,
sofern seine Geistes- und Körperkräfte
dazu fähig sind, die ihm daraus erwach
senden Pflichten getreulich und bis ins
Kleinste erfüllen! Von dieser schweren,
ober herrlichen Ausgabe entbindet ihn
kein Gesetz der Welt, und wird er ihr
nicht freiwillig gerecht, so sollte es auf
dem Z w a n g s w e g e geschehen. Die
fem bedeutungsvollen Gedanken verlieh
vor wenigen Tagen ein hervorragender
New Aorker Ncchtsgelehrter, der bei der
jüngsten Präsidentenwahk'zum Distrikts
anwalt avancierte, in einer öffentlichen
Ansprache beredten Ausdruck. Vom
Standpunkt des bürgerlichen Rechtes
spricht sich genannter Herr besonders ab
fällig gegen jene ehevcrgessencn Ehemän
ner aus, die Frau und Kinder im Stich
lassen, ohne sich weiter um sie zu kiim
mern, und energisch tritt er für eine rück
sichtslose gerichtliche Verfolgung der Ge
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UUppchcns.SPlcgcwild.
Wenn unsre Kleine am Morgen n
wacht,
Zuerst einen Blick in den Spiegel sie
macht,
Wie sie's von den Großen sieht, tut sie'!
genau.
Unsre Kleine wird mal eine richtige
Frau.
Jüngst hat sie ein neuej Piippchcn
bekommen
Und nachts gleich zu sich ins Bettche
genommen l
Das mußt' mit ihr schlafen' uttd böm
Erwachen
GKich ihr einen Blick in daö Spiegclch,
machen" '
wisscnloscn ein. Ferner weist Herr L.
auf die Tatsache hin, dafz solche treulosen
Wichte mit ihrem Verschwinden nicht nur
den Ihrigen bitterschwere Tage bereiten,
sondern auch dem Staat, welcher jährlich
Hunderttausende für obdachlose und
darbende Familien aufzubringen habe,
eine ungeheuere Last aufbürdeten. Wäh,
rcnd der letzten Jahre seien die dafür
verausgabten Summen zu Millionen
angewachsen und im Verlaufe des vor!
gen Jahres habe sich der Betrag allein
auf rund $700,000 gestellt. Nun soll
auf Antrag eines zweiten weisen Stadt
vatcrs ein DesertionSBureau eröffnet
werden, welches das Wohlthätigkcits
Departement den Zurückbleibenden sol
cher Ehcgcsponsten zur Verfügung stellen
will. Man erwartet, daß schon binnen
dieser Frist die Erträgnisse des neuen
Unternehmens größer als seine Ausga
den sein werden und daß es dann zu
einer ständigen Einrichtung erhoben
wird. Gleichzeitig richten die beiden
Herren an alle derart betrogenen Frauen
das dringende Ersuchen, den zuständigen
Gerichten dadurch zu helfen, das, sie die
Ausreißer schleunigst anzeigen und wo
möglich bei der Aufspürung ihres Auf
enthaltsortcs nach Kräften mitzutun.
Diese Vorschläge denn nur um sol
che handelt sich's vorläufig zum
Schuh der Verlassenen finde ich vollauf
gerechtfertigt, und der weitverbreitete
Unfug des Durchbrennens verheirateter
Männer muß einmal exemplarisch be
straft werden. Kann ein Mann aus bc
sonders triftigen Ursachen absolut nicht
bei seiner Ehefrau bleiben, so lasse er die
Seinigen wenigstens in geregelten Vcr
Hältnissen zurück und sorge weiter für
ihre Bedürfnisse.
Das böswillige, eigenmächtige und
grundlose Verlassen eines Gatten ist ent
schieden eine verbrecherische Handlung,
die keine Schonnng verdient und nach
einer Reihe von Jahren als Scheidungs
grundrechtskräftig anerkannt wird. Da
gegen kann die bloße Veränderung des
Aufenthaltsorts des Mannes niemals
als solche gelten, da die Frau verpflichtet
ist, ihm zu folgen. So darf sie auch,
wenn er, um sich dem Strafrichter oder
drängenden Gläubigern zu entziehen,
nach unbekannten Regionen entwichen,
ihr aber von dort Nachricht gab und sie
zu ihm zu kommen gebeten, nicht schon
deshalb auf Scheidung klagen. Verläßt
sie ihn aber, so kann er den richterlichen
Bcsehl zur Rückkehr gegen sie erwirken
und im Falle der ,Nichtbefolgung die
Trennung der Ehe verlangen. Keine
Gatte wird gesetzlich gezwungen, zum
andern zurückzukehren, doch hat der ab
wcsende Mann, wenn die Frau darauf
besteht, scmcr Alimentationspflicht zu
genügen. Dieser Umstand treibt manchen
ehelichen Sünder wieder in die Arme der
Seinen, und mit gemischten Gefühlen
setzt man ihn aufs Neue in seine Haus
vaterrechte ein. Eine wcltkluge und
ehrenhafte Frau wird schon m ihrer
Kinder willen keine Unversöhnlichkit
walten lassen, zumal wenn der Uebeltä
ter sich gebessert hat. Und wer weiß
denn, wer ihn zu diesen Eskapaden ver
leitete? Sie sind ihm hoffentlich zu einer
guten Lehre geworden und haben ihn
erkennen lassen, daß es in den eigenen
vier Wänden immer am schönsten ist.
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Doch während die Kleine vergnüglich
lacht,
Wenn sie einen Blick in den Spiegel
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Hat das Püppchen das gleickjc Gesicht
behalten,
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Da? hat unsre Kleine erst sehr der
drossen,
Fast hätte sie Tränen darüber vcr
gössen.
Bis ihre Gedanken das Richtige tra
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.Wahrscheinlich hat das Püppchen zu
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Sieben kleine ..Wau-Wau-Wau'.
Seht doch die Bescherung!
Brauchen eine Hundefrau
Zur Pflege und Belehrung.
Agnctcns
Agnetc Torfcr sah schwermütig durch
die Scheiben, uiiadc an den Sonnlagen,
die doch junge, abhängige Mädchen ge
wohnlich freudig stimmen, wurde sie
stets traurig. Ju der Woche vergaß sie
über ihrer Arbeit die Einsamkeit, in der
sie lebte; in der Muhezeit aber bedrückte
sie ihr die Brust. Sie war noch, kein
Jahr in der großen Stadt. Gleich nach
dem Tode ihrer Mutter, einer Beamten
witwe in keinem Provinzort, hatte sie
die schwere Reise angetreten, um sich
künftig selber ihr Brot zu verdienen.
Jetzt arbeitete sie Perlstickereten für ein
vornehmes Geschäftshaus. Ihr Zimmer
chcn hatte nur ein Fenster. Das ging auf
eine kleine, aber lebhafte Straße hinaus.
Durch die Scheiben sah sie zahllose Men
schen, die mit FesttagLfreude in den
Augen, sonntäglich gcputz., am Fenster
vorübergingen. Manchmal hielten sich
zwei oder drei Mädchen eingehakt und
sperrten mit ihren weißen Fähnchen
breit und übermütig den Bürgerstcig.
Kamen ihnen junge Männer entgegen,
gab es oft ein lachendes Geplänkel, und
manches verliebte Scherzwort wurde
laut. Es geschah auch nicht selten, daß
einer oder der andere, ob er die Mäd
chen auch vorher gar nicht gekannt hatte,
sich einfach anschloß und mit den lusti
gen Tingern gemeinsam in das Grüne
hinauszog. Anderen wieder sah man die
Einsamkeit an. Mit suchenden Augen
sahen sie in alle Fenster und unter alle
Hüte.
Auch in Agnetes Fenster sahen sie.
Besonders ein großer, vielleicht dreißig
jähriger Herr mit weichem blonden
Schnurrbart, der auch in der Woche
öfters vorllberkam. Alles das rührte
an Agnctens heimlicher Sehnsucht. Sie
war nicht sehr heißblütig, aber sie war
immer so allein, daß ihr ganzes Herz
nach einem Freunde verlangte. Wie
konnte sie den aber finden? Für die
untren Kreise, die sich leicht anschließen,
war sie seelisch zu fein und empfindlich,
und die oberen Stände sah sie nur von
weitem. Sie gehörte zu den armen Wen
schen, die es zu Tausenden in der Groß
stadt gibt, die eine quälende Sehnsucht
gemeinsam haben, und die sich gegenseitig
das Leben verschönern könnten, wenn
sie sich kennen lernten! Aber sie lernen
sich selten kennen und werden verbittert
und vor der Zeit welk und alt. Oft genug
ging Agnete auch an den Sonntagen
nicht aus dem Zimmer. Heut sah die
Sonne aber doch zu verlockend durch die
Scheiben, und sie entschloß sich, ein
Stündchen spazieren zu gehen. Langsam
kleidete sie sich um. Sie hatte eine hohe,
schlanke Gestalt, ein etwas schmales,
blasses Gesicht mit schönen dunkeln
Augen und kastanienbraunem Haar. Das
weiße Kleid stand ihr vortrefflich, und
als sie sich die Korallenkettc um den Hals
gehängt hatte, mußte sie sich vor dem
Spiegel selbst gestehen, daß sie ein ganz
hübsches Mädchen wäre. Freilich: was
nützte ihr das? Sie hatte niemanden, der
sich darum kümmerte!
Ten dünngerollten Schirm in der
einen Hand, das fchwarzlederne Täsch
chen in der anderen, schlenderte sie ziel
los durch die Straßen. Die sonnige
Fröhlichkeit von Menschen und Himmel
ringsherum stimmten sie heiterer. Un
schlüssig über den weiteren Weg blieb
sie an einer Straßenecke stehen. Da sah
sie den Herrn, der so oft nach ihrem
Fenster aufsah, daherkommen. Ein leiser
Kitzel überlief sie: wenn der die Gelegen
heit benutzte und sie anspräche! Bei ihrer
strengen, bürgerlichen Denkungsart stieg
aber gleichzeitig ein peinliches Gefühl in
ihr auf. Sie hätte sich gefreut, wenn, er
ihr in einer Gesellschaft vorgestellt wor
den wäre, aber so auf der Straße...
nein, das wollte sie lieber nicht! Sie
rasfte den Rock und ging auf die andere
Seite des BUrgerstciges hinüber und bog
in die Kaiserallee mit ihren prächtigen
Villen und Gärten ob.
Neugierig bin ich doch, ob er nach
kommt," dachte sie dabei. Und plötzlich
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KundomUttorchen.
Molly". .Dolly". .Tina". Schack".
.Minka". .Putz" und Steffen"!
Ruft bei Namen man das Pack,
Fangt es an zu kläffen!
Sonntag.
fühlte sie mit dem Instinkt des Weibes,
daß er hinter ihr herging. Agnete hätte
keine Evastochter sein müssen, wenn ihr
das nicht geschmeichelt hätte. Sie raffte
ihre schlanke Gestalt noch straffer auf
und ging federnder. Er folgte nur lang
sam, so daß immer ein Zwischenrau.n
zwischen ihnen blieb. Nachdem sie so eine
geraume Strecke gegangen und schon bis
nach Friedenau gekommen waren, schielte
sie, anscheinend in das Schaufenster
eines Hutgeschäftes sehend, einmal zurück.
Ihre Blicke trafen sich. Er zuckte und sah
scheu, als ob er sich schämte, zur Seite.
.Der ist noch schüchterner als ich,"
dachte das junge Mädchen. .Freilich:
woher weiß er denn, ob ich ihn nicht
schmählich abfallen ließe, wenn er mu
tiger wäre? Es ist doch traurig, daß
Menschen, die sich gefallen, sich ohne Ver
letzung der Sitte nicht selbst bekannt
machen dürfen!" Und stärker 1.3 je fühlte
sie den Wind der Einsamkeit, der nir
gends so stark bläst als in der Großstadt.
Der Tag könnte heute so freundlich wer
den,' wenn sie sich zufammenfänden!
Sogar in einen Konzerigarten könnte sie
ohne Aufsehen mit ihm gehen! Und sie
hatt: doch wirklich Sehnsucht, wieder ein
mal unter rauschenden, grünen Bäumen
Musik zu- hören! Ein Grauen überlief
sie, als sie dann an die vielen Abende
dachte, an denen sie müde und mit heiß
gelaufenen Füßen nach Hanfe gekommen
war, ohne das geringste erlebt, ohne die
geringste Freude gehabt zu haben. Solle
das heute wieder ebenso werden?
Sie kam an einem Bildcrladen vorbei,
der hinter einem kleinen, vergitterten
Vorgärtchen lag, blieb stehen und sah
sich die Auslagen an. Ihr Herz klopste.
Bequemer konnte sie es ihm nicht machen.
Wenn er jetzt nicht käme, würden sie sich
fremd bleiben!
Während sie sich die Gemälde betrach
tete, hörte sie, wie sein Schritt zögernder
wurde. Er räusperte sich. Endlich aber
ermannte er sich und trat neben sie. Erst
guckten sie beide, anscheinend ganz in
Kunst vertieft, das große Mittelbild an,
das in starken Farben eine alte Burg
darstellte. Schließlich wandte er Agnete
den Kopf zu und sprach sie an: Ist das
Bild nicht herrlich. Fräulein? Es ist die
Feste Koburg, und in der Nähe bin ich
zu Haus."
Ja, es ist sehr schön!" antwortete
Agnete. Sie wurde rot dabei. Jetzt, wo
er sie wirklich angesprochen hatte, wurde
ihr doch ein bißchen unheimlich. Eine
kleine, drückende Verlegenheitspause ent
stand. Agnete stocherte mit ihrem Schirm
im Kies und er zupfte an seinen
Schnurrbartenden.
Bei mir zu Hans sieht es anders
aus." führte sie dann leise das Gespräch
weiter. Ich stamm' aus der Heide. Da
gibt es diese Bcrgwäldcr nicht, aber
schön ist es da auch."
Es ist die Heimat!" antwortete der
blonde Herr seufzend. In Berlin bin
ich noch nicht warm geworden. Wie ein
verlaufener Hund irrt man hier durch
die Stcinwiistc. Sagen Sie, Fräulein,
haben Sie ein bestimmtes Ziel? Oder
gehen Sie auch nur spazieren? Und
dürfte ich mich Ihnen vielleicht an
schließen? Wir kennen uns doch schon
länger. Wenn auch nur von Fenster und
Straße her."
Ueber Agnctens Lippen flog ein
Lächeln. Die Bekanntschaft vom Fenster
her" amüsierte sie und sein Ton war so
schüchtern und stockend gewesen, wie sie
es einem Mann mit so großem Schnurr
bart nie zugetraut hätte. Es rührte sie
ordentlich. Sie dachte sich, daß er ein
guter Mensch sein müsse, und das Gefühl
der Fremdheit wich von ihr. Sie nickte
ihm also ganz freundlich zu. .Wenn
Sie so gerne mögen, Herr
.Hans Schmidt heiß' ich," stellte er
sich vor. Techniker von Beruf. Vor
läufig bei der Firma Hilmar und Mey
enburg." Und ich heiße Agnete,"
sagte sie. Seite an Seite schlenderten sie
dann die Allee weiter hinauf. Er erzählte
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Ach, man hat schon seine Noi
Mit den Teufelsbraten!
Doch man liebt und knutscht sie tot
Je mehr sie ungeraten!
Eine Großstadtskizze von
$,ofj Vusse-Z'akma.
von seiner Heimat, und auch das Mäd
chcn ging immce mehr aus sich heraus.
Berlin 'ist ja ganz schön," plauderte sie.
und ich finde hier auch mein Brot.
Aber zu Haus, da kannte man jeden,
und hier ist cS fürchterlich, wie fremd
alle Menschen nebeneinander hergehen.
Wollen Sie mir glauben, daß ich hier
noch nie mit einem Herrn, wenn es nicht
gerade geschäftlich war, gesprochen habe?
Und Freundinnen habe ich auch nicht."
Hans Schmidt nickte lebhaft. Genau
wie ich. Ach, Fräulein Agnete, ich freu'
mich doch so. daß ich mit Ihnen bekannt
wurde! Wie wäre eS, wenn wir in einen
Garten gingen und dort ein Glas Bier
tränken?" Agnete war gleich dabei,
und bald saßen sie unter einem alten
Kastanienbaum, nicht weit vom Musik
Pavillon, und das Mädchen trank Kaffee,
und er billiges, helles Bier. Immer
heiterer und vertraulcr wurden sie. Als
es dunkelte, wurden die bunten Lam
pions entzündet, die überall in den
Aesten hingen. Wie aus einer Märchen
weit, wie Augen von Fabelioesen, sahen
sie auf die trinkenden Gäste, und weich
und schmeichelnd zog die Musik durch das
leise mitrauschende Laub und durch die
warme, schöne Abcndluft. Es war eine
Stimmung zum Mcichwcrdcn, und die
beiden wurden einsilbig und sahen sin
nend und verträumt vor sich hin. Doch
fühlten sie sich dabei innerlich näher als
dor1ler.
Soll es heute das einzige Mal gewe
sen fein, daß wir zusammen waren?"
fragte Hans Schmidt leise, als Agnete
zum Aufbruch drängte. Oder treffen
wir uns wieder Agnete? Ich fürchte,
daß die große Einsamkeit sonst wieder
über uns kommen wird."
Wenn Sie nächsten Sonntag nichts
vorhaben... Es ist doch kein Unrecht
dabei "
Auf dem Heimweg, den sie zu Fuß
zurücklegten, gab es keine Küsse und
Zärtlichkeiten, aber er faßte ihre Hand
und behielt sie die ganze Strecke über in
seiner. Wie zwei Kinder gingen sie durch
die auch am Abend lauten Straßen und
freuten sich ihrer Zusammengehörigkeit,
ohne ein Wort darüber zu verlieren.
In ihrem Zimmerchen aber reckte Ag
netc die Arme und trank am offenen
Fenster sich noch einmal d'.e Lungen ganz
voll mit der warmen Nachtluft. Nach
sicn Sontag!" flüsterte sie vor sich hin.
Es war ihr zumute, als wenn der heutige
Tag etwas Großes, und Wundervolles
gebracht hätte, und ihre ganze Seele
zitterte vor Dankbarkeit. Und es war
doch nichts geschehen, als daß zwei
Fremdlinge Freunde geworden und aus
dem eisigen Zugwind getreten waren, den
die Vereinsamung durch die Herzen der
Großstädter bläst.
Tninenschuhe ohne Lcdcr
sind schon einmal dagewesen. Infolge
der Nachahmung der klassischen griechi
schen Tracht. Anfang des vorigen Jahr
Hunderts waren bei den Damen ganz
flache Stoffschuhe mit Kreuzbändern
üblich, die fast Sandalen gleichkamen.
Engländerinnen benutzten Patterw,
Holzuntcrsätze mit Eisen beschlagen, um
die feinen Stofschuhe vor Straßen
schmutz zu hüten. Durch diese Schuhe, so
schrieb eine in England lebende Deutsche,
werden die fpazierengehenden Damen
einige Zoll von der Erde erhoben. Die
Schuhe bleiben folglich rein und die
Füße trocken, allein das Machwerk ist so
wenig für einen feinen Frauenfuß be
rechnet und die Trägerinnen dieser
Pattens klappern so unangenehm auf
den Trottoirs, daß man immer ein
Pferd hinter sich erwartet. Aus prakti
schen Gründen kamen damals in Eng
land auch Lederschuhe auf, die sich später
erst in Deutschland bei den Frauen ein
bürgerten und in den vierziger Jahren
zu hohen Stiefeln führten, von einer
Form, die wir heute wieder schätzen.
Die Litelkeit der Kinder.
Ueber die Eitclkcit der KirTder hat sich
eine sehr erfahrene Frau folgendermaßen
geäußert:
.Jeder Mensch ist eitel, der eine mehr
als der andere; eine gänzliche Ausrottung
der Eitelkeit ist unmöglich, denn sie ist in
der Natur der menschlichen Seele begrün
dct. Indem die Erziel,er die Eitelkeit in
ihren sittlichen Pflegling bekämpfen
wollen, sind sie selbst nicht von dieser Erb
fünde frei und eS wäre oft erst zu unter
suchen, bei wem, dem Kinde oder der
Mutter, sie am festesten säße und wo sie
beim Kinde einer Bekämpfung bedürfe.
Die verzeihlichste und für die Erziehung
unschädlichste Eitelkeit der Mutter ist die
jenige auf ihr Kind, denn diese erwächst
aus der Liebe; wo sie aber diese Eitelkeit
in äußerlichen Kundgebungen und sinn
licher Befriedigung zu verwirklichen
trachtet, wo sie ihr Kind selbst bis zur
Lächerlichkeit bewundert, es durch Klei
dung und Ausschmückung vor den Augen
der Welt auszeichnet, wo sie durch Lob.
Anerkennung und Schmeichelei, die ihrem
Kinde zu Teil werden, sich selbst freudig
in ihrer Eitelkeit gehoben fühlt und selbst
jede kleine Fertigkeit oder Leistung des
Kindes in übertriebener Weise hervor
hebt, da kann man gewiß sein, daß die
Mutter ihre eigene Eitelkeit auch auf das
Kind überträgt und dasselbe sich selbst
über alles Maß hinaus werthschätzen
lernt. Es liegt in jedem Menschen
gemüthe ein inneres Behagen an sich
selbst" und seinen wirklichen oder ein
gebildeten Vorzügen und dieses Selbst
behagen wächst leicht zur Eitelkeit auf,
auch wo es von außen nicht gereizt und
gepflegt wurde: die normale Erziehung
hat aber die Aufgabe, diesen innc
wohnenden Zug des eitlen Selbstgefühles
nicht zu tilgen, sondern, da er einer der
Hebel des gesammten Gemüths- und
Geisteszustandes ist. für sittliche Zwecke
dienstbar zu machen. Besonders ist eS
das weibliche Geschlecht, in welchem die
Eitelkeit siark hervortritt und zu ebenso
viel Gutem als Bösem antreiben kann.
Man verlangt sogar, daß ein Mädchen
eitel sei, ober man will verständiger
Weise nichts anderes damit sagen, als
daß' es gegen seine äußere Erscheinung,
die Kultur. Sauberkeit und Accuratesse
seines Körpers und Anzuges nicht gleich,
gültig und nachlässig sein, daß es den
Wunsch haben solle, zu gefallen. AlleS
dieses wird aber nicht der Fall sein, wenn
das Mädchen nicht Interesse an sich selbst
nimmt, nicht eitel auf sich ist. Diese un
schädliche Eitelkeit soll die Mutter sogar
in ihrer Tochter bis zu einer wohlbedach
ten Grenze rege machen. Reizen wir
doch zu einem gleich guten Zwecke bei
dem tragen, nachlässigen Schüler, dem
mit Unarten behafteten Kinde die Eitel
leit, damit sie als Besserungsmittel des
Selbstgefühles dem Lode oder Tadel zu
Hülfe komme.
Soll aber die wohlthätige Eitelkeit
ein wirklicher Sporn der Seele zu sitt
lichcn Zwecken bleiben, so handle man
darin äußerst vorsichtig und mäßig, sonst
wächst dieser Seelenzug zu einer Un
tilgend auf, die alle anderen sittlichen
Anlagen schwächt und verzerrt; man ver
schaffe dem Kinde frühzeitig einen
richtigen, unterscheidenden Begriff über
den Werth äußerlicher und innerer Vor
züge, lehre ihm die eigene Wertschätzung
nach inneren Eigenschaften und sittlichen
Zisecken äußerer Dinge abmessen, zeige
ihm, namentlich dem kleinen Mädchen,
daß seine äußerliche Ausschmückung und
seine Freude daran nur dann Werth und
Berechtigung haben, Nxnn Sauberkeit
und Ordnung darin das Wohlgefallen
erregen, daß die äußere Ausputzung
weniger gefällt, als ein freies, schuldlos
offenes Auge, heiteres Gemüth, Fleiß,
Sittsamkeit. Anmuth und Licbensmür
digkeit in Gefühl und Benehmen; man
lehre ihm, die hinfälligen Dinge des
äußeren Gefallens von den dauernden zu
unterscheiden, man nehme Gelegenheit in
Beispielen zu schildern, wie bald äußere
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Täub -chcn, die flie gen so froh her -aus; sie
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fließen aus das giiUne Feld, wo'S ih , mir gar so
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wohl ge fallt. Doch sei) - rett sie ' heim zur
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r gu-tenRuh',so schlie-ßen
Im unsere Minen. '
Die Kinder bilden einen Kreis, in des
sen Mitte mehrere Kinder als Täubchen
hocken. Sie spielen mit den Händen,
stecken die Köpfe zusammen usw. Der
Kreis steht ganz dicht mit geschlossenen
Armen um sie herum. Während das
folgende Liedchen gesungen wird, schrei
ten die im Kreise Siehenden rückwärts
und erweitern so den Kreis. Die Täub
chen erheben sich und flattern zum Kreise
Vorzüge und gefällige Eigenschiftl.
schwinden und erbleichen, während die
sittliche Schönheit als die wahre Ursache
des Werthes und Wohlgefallens durch
das ganze Leben vorhalte.
Noch müssen wir vor Anerziehunz
derjenigen Eitelkeit warnen, welche sich
in Bescheidenheit kleidet, um durch
Widerspruch die Anerkennung herauZzu
fordern, und wo der eitle Ehrgeiz im
Stillen sich gewaltig beleidigt fühlt,
wenn Andere diese Bescheidenheit nicht
als Selbstverleugnung erkennen wollen.
Diese Eitelkeit ist selbstüberschätzender
Ehrgeiz, mit sittlicher Schwäche verbun
den. Eine richtige Geistes und Herzens
bildung wird diese eitle Bescheidenheit
nicht aufkommen lassen. Noch eine
andere Eitelkeit giebt eS, welche nicht aus
Uebermaß von Selbstgefühl, sondern
auS Mangel daran, bei Armuth des
Geistes und Herzens entspringt, nämlich
die Sucht, dadurch mehr gelten und an
gesehener erscheinen zu wollen, daß .,ran
den Umgang und die Freundschaft höher
gestellter oder reicher, glänzender Per
fönen sucht und darum buhlt. Das Bei
spiel der Eltern irkt hier allemal auf
das Kind zurück und solche ältern können
überhaupt nicht erziehen. Aber auch
selbst in Familien, wo sonst die Er
ziehung ernste und vollständige Zwecke
verfolgt, giebt es zuweilen einzelne Per
sonen, in denen sich die sittliche Schiräche
vorfindet, auf dergleichen nichtige
Aeußerlichkeiten mit dem eitlen Hange
nach Theilhaben am Abglanze der Herr
lichkeiten Andc- - hinzutreiben und darin
die eigene Vcrirrung des Selbstgefühles
zu befriedigen. Solche Menschen ge
Kinnen weder Inhalt und Charakter,
noch Seelenfrieden und Glück.
Findet die Mutter bei einem ihrer
Kinder die beklagenswerthe Neigung, sich
in glänzenden Aeußerlichkeiten zu bc
friedigen und Ehre und Selbstgefühl
daran zu stärken, so lasse sie diesen Hang
nicht fortwachsen, zeige ihm das Lächer
liche und Nichtige desselben, unterricht:
es über die Werthlosigkcit äußerlicher
Scheinchre und verwende ihre Sorgfalt
auf eine immer noch mangelnde Geistes
und Herzensbildung und Selbstachtung.
Sie muß das Kind zu überzeugen fuchen,
daß nicht die gesellschaftliche Stellung
den Menschen hebt oder erniedrigt, fon
dein nur die würdige Art, wie er die
selbe, mag sie hoch oder niedrig sein, aus
füllt; daß jede nützliche oder schöne Ar
beit, mag sie sein, welche sie wolle, ehren
haft sei; daß jedes Glänzen mit erborg
iem Scheine, jedes Ausschmücken mit
fremden Flittern und Federn, jedes Ein
drängen in höhere Lebens- und Standes
kreise, jedes Streben, den Anschein eines
vornehmen Umganges oder Reichthumes
zu erkünsteln, thöricht, lächerlich, gemein,
unwürdig sei und sich jedes Mal bitter
lich selbst bestrafen Das mache die
Mutter durch eigenes elterliches Beispiel,
Vorstellung und Erzählung ihrem Kinde
bewußt und fest.
Während sie die Tochter auch in der
Entbehrung der körperlichen Schönheit
und einer glänzenderen äußeren Stcl
lung im Leben zufrieden und sittlich
glücklich zu machen bemüht sein muß,
hat sie den Knaben vor jener falschen
Scham zu bewahren, welche oft fremden
unerlaubten Anreizungen und Auf
fordcrungcn nicht das abweisende Wort
zu entgegnen wagt, und dem Bewußt
sein von Recht und Pflicht untreu wird,
aus eitler Scham, sonst geneckt, belacht
oder für knabenhaft gehalten zu werden,
und m aus Eitelkeit den Beifall der
Versucher zu erhalten und sich ihnen in
Altere und Freiheit gleichzustellen. An
dieser Klippe scheitert die kindliche Sitte
der meisten reiferen Knaben. Mit dem
Scheine des Bösen will ihre Eitelkeit vor
den bösen Genossen glänzen und Beifall
finden. Dieser Eitelkeit entgegen zu
wirken ist heilige Erziehungsaufgabe und
geschieht nur durch die Erweckung der
sittlichen Kraft und Selbstachtung."
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hinaus, indem sie mit den Armen die
Bewegung des Fliegcns machen. Die
Worte .Sie fliegen auf das grüne Feld,
wo' ihnen gar so wohl gefällt" werden
solange wiederholt, bis die Kinder einig:
Maie zum Kreise heraus- und wieder
hineingeflogen sind. Wenn die letzten
beiden Zeilen gesungen werden, verengert
sich der Kreis wieder nach und nach, in
dem die Kinder auf die in der Miie
hockenden .Täubchen" zuschreiten.