Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 29, 1916, Image 2

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Zilgttche Omaha Trlbuse
(Tftorfi
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in militärischer Deleuchtung
"gton einem cyemaligcn chcncrarstavsofsizicr.
Tic Fricdcns.Tkndcnz in den Ncdkn ASquIths und BcthmannHollwegS. Kernpunkt der Aeußerungen
Zrcnch's und Brussiloffs. Alliierter Gcsamt Fcldzug 191G unbedingt ein Fchlschlag. Ursachen in
verfchltcr AngriffS-Jdee zu suchen. Alliierte fiir gleichzeitigen Angriff an allen Fronten zu schwach.
Ungleichheit in den angewandten TurchbruchSMethoden.
Jnfosg! einer bemerkenswerten sioir.zi
denz haben sich in jüngster Zeit zivei
leitende Staatsmänner der kiicgführen
den Parteien Europa's beinahe gleich
zeitig in offizieller Weise Lbcr die Frie
densaussichten und l .gliebkeiten aus
gesprochen., Ter deutsche Reichskanzler
von Bcthmann-Hollweg vor dem Reich
kiauZhalls-Allsschusse deS Reichstages
und Premier Asquith don England ge
legentlich des Banketts für den Lord
'Iayor in Guildhall zu London. Zieht
man in Betracht, dafz England laut
Erklärung des bekannten britischen !Ki
Uiär-5Zritikers Obersten Repington in
der Nodember-Nummer der Londoner
Zeitschrift Magazine. jetzt offen die
Führung der Entente in Anspruch
nimmt, während Deutschland fcbon seit
geraumer Zeit als leitender Geist des
mitteleuropäischen Bundes angesehen
wird, so kann man sich des Eindruckes
nicht erwehren, dafz in diesen Aeuhcrun
gen der höchsten politischen Stellen der
gegnerischen Parteien parallel laufende
Tendenzen sämmtlicher an dem Kriege
beteiligten Nationen zum Ausdruck ge
kommen sind. Tas Faktum, daß diese
beiderseitigen Besprechungen der Frie
densfrage zum ersten Male feit Kriegs
beginn gleichzeitig erfolgten, hat deshalb
die besondere Aufmcrkiamleit der ganzen
Welt erregt Und in allen an der Beend!
ung des Völkerkampfe, interessierten
neutralen Kreisen lebhaften Wiederhall
gefunden. Vielleicht war diese Koinzi
denz nicht einmal fo zufällig, wie sie
von mancher Seite hingestellt wird, son
dern eher von den englischen Staats
Männern bewußt herbeigeführt. Denn
der Termin, an welchem der Reichs
Zanzler auf die Behauptungen des bri
tischen Staatssekretärs Urey bezüglich
der Kriegsursachen antworten wollte,
war an der Themse wohl bekannt. Ueber
dies stellen die Aeußerungen Asquiths
betreffs Serbiens einen direkten Frie
dcnöfühicr in Gestalt einer verhüllten
Anfrage an die Zentralmächte hinsichtÜ'h
deren "Absichten auf dem Balkan vor,
nachdem sich die Entente durch die Un
abhängigkeits-EiWrung Polens und die
schon früh öfter erfolgte Verneinung
im Annerwns-Plänen auf Belgien über
den Standpunkt, Deutschlands bezüglich
zukünftiger Gestaltung iner Ost und
Westgrenzen fo ziemlich tlar geworden
war. " . " '
lieber die eventuellen politischen Kon
sequcnzen dieses Anschneiden der Frie
densfrage ist in letzter Zeit viel geschrie
ten und kombiniert worden. Daß die
Lösung dieses Problems in erster Linie
hauptsächlich von der jeweiligen rnil'l
tärischen Situation diktiert wird, ist
dirett selbstverständlich und man beht
daher mit der Behauptung bestimmt nicht
T'M, daß dieses, Abgehen des offiziellen
Englands don dem Standpunkte einer
starren Ablehnung jeder Fricdens-Dis
kussion von schwermiegenden militärischen
Faktoren veranlaßt worden ist. In
dieser Hinsicht bieten die ebenfalls in den
letzten Wochen abgegebenen Erklärungen
zweier alliierter Heerführer sehr beach
tcnswerte Fingerzeige. Viscount French,
der Oberkommandant der britischen
HciinstreitZrafte, sprach bei derselben Ge
leaenheit wie Asquith die Ansicht aus,
daß der Kantest jetzt oder im nächsten
Frühjahre feinem Kulminationspunkte
tnigegengehe". '
Ob nun French in direktem Auftrage
oder mehr unbewußt seine Zuhörer und
mit ihnen die ganze alliierte Welt auf
eine mehr oder minder unmittelbar be
' vorstehende Entscheidung vorbereiten
wollig bleibe dahingestellt, jedenfalls
fcht er sich offiziell mit früheren Er
ilarungen hoher alliierterMilitärs. welche
tr:-e Entscheidung erst ouf den Sommer
V-17, ja sogar in das Jahr 1313 hinein
deriegten, in Widerspruch. Untersucht
man nun die Wo.te des britischen Ge
nerals hinsichtlich ihres damit verfolgten
Zweckes, fo drängt sich unwillkürlich der
ZS,lu auf, daß er mit seinem Hinweis
auf die 6 vorstehende Kulmination
eigentlich verhüllt andeuten wollte, daß
die Entente zum gegenwärtigen Zeit
pickte oder im Frühjahre das Höchst
, rnef? ihrer Kröfte-Kapazität erreicht hat,
respcttiv: erreichen wird.
Denn zu dem .Klimax" jedes Kon
tcsies gehört doch jedenfalls der Höchst
aufwand an Kraft, zum- Mindesten von
einer in diesem Falle der alliierten
Seite her. Stellt man dieser Andeutung
der größten Kraftanspannung der En
lin'eVie gegenwärtige, an allen Fronten
undeftreitbar gunstige strategische Lage
dir Zentralmäcbte gegenüber und zieht
av.f "brand derselben die wenig der
heikunssvolle Aussiebten für eine even
I:isZe Wendung des KrieasaluZeS zu
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Ein ähnlicher tieferer Sinn und eine
gleicherweise verhüllte Absicht kann auch
trotz der bramarbasierenden Tonart in
den kürzlichen, einein britischen Kor
respondenten gegenüber geäußerten Be
hauptungen des russischen Heerführers
Brussiloff entdeckt werden. Der S
nannte geht sogar weiter als sein eng
lischer Kollege. Er erklärt zu gleicher
Zeit wie jener den Krieg bereits für
gewonnen. Auf Tatsachen kann sich
Brussilosf angesichts der militärischen
Lage, speziell an der Ostfront, bei seinem
Ausspruche nicht stützen, da die russischen
Streitkräfte mit ihren rumänischen Bun
desgenosscn gegenwärtig einen im Wesen
reinen Defensiv 5 cicg führen. Eine
derartige Naivität der Auffassung wird
auch dem russischen Strategen, der
von allen alliierten Führern den einzig
nennenswerten Erfolg im Sommer 131(5
zu erringen und soweit zu behaupten der
stand, von Niemandem zugemutet
werden. Vielmehr kann man in seinen
Worten gleichfalls das Eingeständnis er
blicken, daß Rußland in diesem Jahre
das Höchstmaß an Kraftanspannung er
reicht hat und nunmehr darauf aiigc
wiesen ist, das Niveau derselben wo
Eine Bestätigung letzterer Annahme kann
möglich auf gleic ,r Höhe zu erhalten,
aus dem von Brussiloff beinalie Wort
wörtlich von deutschen Führern über
nommenen Ausspruch Es ist lediglich
eine Frage der Zeit, wie lange es noch
dauern wird, bis der Feind von der
Hoffnungslosigkeit seiner Sache über
zeugt ist", abgeleitet werden. Eine
eigentümliche Beleuchtung erfahren Lb:r
dies Brussiloff's Ausführungen durch
das Bekenntnis des Militär Kritikers
der russischen Zeitung Rjctsch", worin
gegen die Alliierten der Vorwurf erhoben
wird, 'daß die Russen seit einem Jahre
stets über die wirkliebe Stärke und die
Verluste Teutschland,? falsch berichtet
wurden, und ferner behauptet wird, daß
die Teutschen noch immer genügend
Kräfte zur Verfügung haben, um an
einem erfolgversprechenden Punkte die
Initiative zu ergreifen.
Anscheinend dehnt sich das Gefühl der
Aussichtslosigkeit zukük.ftiger Änstrcn
Zungen behufs Besiegung , Zentral
Europa's, ferner der Zwecklosigkeit
weiterer, alles bisher Dagewesene in
Schatten stellender Opfer an Menschen
Material und Geld auch auf breitere
militärische Kreise der Entente-Nationen
aus. Beweise hierfür sind die jetzt
ziemlich unverblümt lautwerdenden Kri
tiken der alliierten Kriegführung des
Jahres 1916, worunter jene des Heraus
gebeis der englischen Zeitschrift Ob
ferver" besonders hervorsticht. Die Be
merkungen Garvin's, daß diese Krieg
führung einen Rekord an ?1!ißgriffen
und Fehlern vorstellt, und die Voraus
sage, daß es in diesem Jahre weder zu
einem Durchbrüche an der Westfront,
noch zu einer Verkürzung der deutschen
Linien kommen werde, sind alles eher
als schmeichelhaft für die Entente-Gene
ralftabe. Sehr vielsagend für die unter
den kontinentalen Alliierten herrschend:
Stimmung gegen England ist auch die
von dem französischen Militär-Schrift
sicller 5auptmann Philippe Millct an
England gestellte Aufforderung, daß die
britischen Streitkräfte einen größeren
Teil der französischen Front übernehmen
sollen, als sie jetzt inne haben, um Frank
reich eine Erholungspause, zu gönnen und
es vor der vollständigen Erschöpfung zu
bewahren. Wie weit dieses Anstnn:n
die plötzlich entdeckte Friedensstimmung
der britischen Staatsmänner erhöhen
wird, ist vorläufig noch nicht abzusehen.
Das Faktum, daß die große Angriffs
Kampagne der Entente im Jahre 1S15
trotz einigen Gelände-Gewinnes im
Wesen ein entschiedener Mißerfolg .oar,
wird heute bereits von einsichtsvolleren
Beurteilern in den alliierten Ländern
zugegeben. Das große Kriegsziel, Zen
tral-Europa zu schlagen, und zu zer
trümmcrn, ist nich erreicht, die Fronten
des Gegners nirgends durchbrochen und
nicht einmal auf große Distanzen zurück
gedrängt, worden. Ein Gesammt-Ge
ländegewinn von ca. 7200 Quadrat
Meilen (an allen I' nten zusammen)
ist mit dem Verluste von mindestens
3,000,000 Mann und einem Geldauf
ir!"de von schätzungsweise 15 Milliarden
Dollars bezahlt worden. Das effektive
Resultat steht daher zu dem Einsatz
überhaupt in gar keinem Verhältnis.
Daß sich der alliierte Feldzug 1916.
was Vorbereitung und Anlage anbc
langt, wesentlich von feinen Vorgängern
1O14 und 1915 unterschied, und zwar
auf vorteilhafte Weis., ist eine unleug
bare Tatsache. Zwei charakteristische,
den Vorjahren gegenüber neue Merkmale
zeichnen diesen Feldzug besonders auS:
Einmal die verhältnismäßige Einheit
lichkeit in der Leitung der Operationen
an allen Fronten, dann das weitaus
größere Aufgebot an Truppenzahl,
Artillerie und Munition. Letzteres ging
soweit, daß die Alliierten feit Juni 1913
auf allen drei Haupt-Kriegsschauplätzen,
dem russischen, dem französischen unS
dem italienischen, stets den Vorteil der
Ueberlegenheit an Zahl auf ihrer Seite
hatten. Trotz aller dieser günstigen Vor
bcdingungen steht es heute bereits fest,
d..' die gesanimte Offensive ihre Stoß
kraft beinahe gänzlich tjngebübt bat und
gggksichtk des herannahenden Winter?
langfam aber sicher im Versanden ist.
An 'der russischen Front ist sie schon zur
Defensive geworden, an der französischen
flaut ihre Intensität stetig ad. und an
der italienischen flackert sie nur noch in
immer längeren Intervallen zeitweise
auf. Für den Mißerfolz.dieser. in der
Weltgeschichte eigentlich Hifangreichsten
einheitlichen Ossensiv Operativ,, sind
daher weder direkte Mängel in der Vr
bereitling noch in der aktuellen Durch
führung, sondern eher ein ungenügendes
Erfassen der einer solchen Riesen-ttam
pagiie zu Grunde liegenden Hauptidec
sciiens der alliierten Heerführer verant
wortlich zu machen. Kurz gesagt, scheint
die Anpassung der großen fundamentalen
Lehrsätze der Strategie an die kolossalen
räumlichen und zeitlichen Dimensionen
dieses Weltkrieges nicht in entsprechend
durchgreifender Weise erfolgt zu sein,
so daß an Stelle großzügiger Natürliv
kcit öfters Künstelei eintrat. Dieses sich
nicht Klarwcnden. dieses tastende Er
Proben vieler Methoden hatten daher das
oberwähnte geringe Ergebniß zur Folge.
Gründe des Vnsagens der Offensiv
Kampagne.
Um die vorstehenden, allzu fachtechnisch
klingenden Ausdrücke dem allgemeinen
Verständniß näher zu bringen, sei hier
zunächst auf den bekannten Vergleich
Zentral-Europa eine belagerte Festung
zurückgegriffen. In kleinen wie
großen taktischen Verhältnissen gliedern
sich Angriffs-Operationen gegen feste
Plätze im Wesen in folgende zeitlich uf
einander folgende Hauptakiioncn:
a) Der Kampf im Vcrfelde.
b) Die Bcrennung des festen Platzes.
c) Die eigentliche Belagerung.
Wendet man diese Erfahrungssäh:
auf die Ereignisse im bisherigen Verlaufe
des europäischen Krieges an, so kann
man die Fcldzügc der Jahre 1914 und
1915 in das Kapitel der Aktionen im
Vorfelde einreihen. Die Belagerten dik
Jentralmächte) wann in dieser Periode
erfolgreich, weil es ihnen gelang, den
Gegner an allen Fronten zurückzudrän
gen und sich die ihnen zur Abwehr gecig
neisten Vorstellungen zu sichern.
Eine Benennung eines festen Platzes
besteht ihrem Wesen nach aus einem
gleichzeitigen Angriff auf die Festung
von allen Seiten, um sie womöglich durch
einen rapiden Gewaltstreich zu nehmen.
Die Kräfteverteilung des Angreifers
spielt bei der Bcrennurg keine fo aus
schlaagebende Rolle wie das Moment deZ
gleichzeitigen, Angriffes an allen Seiten,
ferner des unmittelbaren engen Zusam
menwirkens aller Angriffsgruppen. AuS
letzterem Grunde bleibt die Berennung
mehr oder minder stets eine lediglich
taktische Aktion, da mit der Vergröße
rung des Raumes und dem Hinüber
treten auf das strategische Gebiet die Er
folgsaussichten , eines solchen Unter
nehmens infolge der Lockerung des Zu
sammenhangcs, der Verlängerung der
Bclagcruiigslinien und der dadurch
wirkten Schwächung derselben entlang
des gesammtcn Belagerungsringes pro
portional abneh,ien. In ganz großen
Verhältnissen vermehren sich diese auf
das Resultat der Aktion ungünstigen
Einflüsse dergestalt, daß eine Chance des
Gelingens eigentlie ausgeschlossen er
scheint, wenn der Verteidiger, dem ja
die Vorteile der inneren Linie zu Gebote
stehen, über verhältnismäßige Streit
kräfte und gute Verbindungs-Möglich
leiten verfügt.
Beurteilt man nun den Offensivfeld
zug der Entente im Jahre 1916 unter
obigen Erwägungen, fg sieht derselbe
einer strategischen Berennung verzweifelt
ähnlich. Daß die alliierten Generalstäbe
die kolossale strategische Dimension dieses
Wellkrieges in den Rahmen einer tat
tischen Aktion zu pressen imstande zu
fein glaubten, dieser Irrtum barg schon
den Keim des Mißlingens des Felvzuges
in sich. Das Uebersehen des eigenen
lockeren Zusammenhanges und cine
Ueberschätzung der Stoßkraft der eigenen
Streitkräste bildeten die direkten Gründe
des Mißerfolges. Trotz des Aufgebotes
von schätzungsweise 89 Millionen
Mann war die Entente doch zu schwach,
um an den mit einander geographisch
nicht in Zusammenhange stehenden euro
päischen Fronten von ca. 1L00 Meilen
Gesammtlange überall für, den Dimen
sionen des Krieges entsprechend lange
Zeit fortgesetzt wirksam offtnsiö aufzu
treten. Der Nachteil der tcrriotorialen
Zusammenhanglosigkeit hätte vielleicht
keinen so ausschlaggebenden Einfluß auf
das Resultat der Berennungs-Kampagne
gehabt, wenn die Entei.te imstande ge
Wesen wäre, die Anfangs Intensität
ihrer Offensive an allen Fronten für
einen viel längeren Zeitraum, als dieS
tatsächlich der Fa war, aufrecht zu er
halten. Faktisch konnten sie jedoch bei
spielsweise an der italienischen Front den
Hochdruck in Intervalle ; nur für einige
Tage, an der russische eigentlich nur
für zwei Monate ausüben, da dann in
folge der V:rausaabung .ammtlicher Re
ferven ein Erschöpfungs-Zustand eintrat.
Nur an der Wcsront war für eine
stetige Nahrung des Angriffes für
länge Zeit gesorgt, da dort die zwei
in enger Verbindung stehenden Bundes
genossen England und Frankreich ein
ander wechselseitig ergänzen, respektive
im Angrisft ablesen tonnten, vit
Ententt'Mächte waren daher an zwei
Stellen det BclagerungZ'Ringez (der
russischen und italienischen Front) für
die sortgesetzte Nahrung der Offensive
zu schwach, die Intensität de Druckes
war nicht au allen Punkten die gleiche,
was naturlich den Jusammenbruch der
der Gesammtokiion zugrunde liegenden
Berennunks-Jdee zur Folge haben
mußte.
Ein alter klsahriingZsatz hätte über
die, falls er von der Oberleitung der
alliierten Kampagne genügend ins Kal
kül gezogen worden wäre, ihr die der
hältnisiiiäßig geringen Aussichten für
einen großen, auf nui kurze Zeit be
messcnen Handstreich gegen Mittel
Europa nahe legen müssen. Jk früheren
Zeiten war in jedem Velagerungs-Krie.ze
im Allgemeinen zwischen Verteidiger und
Angreifer ein Stärkcverhältniß von 3:1
erforderlich, um dem Angriff zu einem
entscheidenden Erfolg zu verhelfen. Die
phänomenale Entwicklung der diversen
Kriegsmaschinen und die in der Aus
nütziing der Terraingestaltung bis bei
nal) zur Vollendung gesteigerte moderne
Kampfmeise verschieben jedoch, wie
der Weltkrieg soweit gelehrt hat,
dieses Verhältniß noch weiter zu Un
gunsten des Angreisirs. so daß man
dasselbe jetzt auf beiläufig 5:1 festsetzen
kann. Durch den fortgesetzten Kampf
Kontakt mit den Armeen der Zentral
mächte muß die alliierte Oberleitung
über die beiläufige Gelammtstärkc der
gegnerischen Feldstrciikräftc, ferner auf
Grund statistischer Taten auch über die
Reserve und Ersatz-Möglichkeiten der
selben ziemlich genau orientiert gewesen
sein. Nimmt man die Stärke der der
Kündeten Gesammt-Heere Mittel-Eurc-pa'k
am 1. Juni 1916 mit beispielsweise
5 Millionen an welche Ziffer de
stimmt zu niedrig gegriffen ist. dann
hätte die Entente, um den obgcschildertcn,
modernen Angriffs-Bedingungen zu ge
nügen, 27) Millionen Mann aufbieten
müssen, um mit Berechtigung einen voll
ständigen Sieg über den Gegner in der
kurzen Zeit don 6 Monaten erwarten zu
können. Diese gewaltige Zahl ist in
keinem Stadium des .Iriegcs von cr
Entente je erreicht worden und wird
auch in Zukunft, die fürchterlichen Vcr
luste des diesjährigen Sommer-Feld
zuges in Erwägung gezogen, in diesem
Kriege niemals von ihr mehr erreicht
werden. Es dürste chr. trotz deS wieder
holten krampfhaften Hinweises ouf d',e
Uncischöpslichkeit ihrer Ressourcen von
nun an immer schwerer werden, ihre bis
herige Stärke aufrecht zu erhalten. Diese
Tatsache kann einem nüchternen Be
urteiler nicht entgehen. Alle krieg
führenden Mächte sind heutzutage nach
2j Jahren Kriegführung hinsichtlich Er
fatzes der Abgänge, bei den Feld-Armeen
bereits beinah: ausschließlich auf ihre
Jung-Mannschaften. das heißt. Re-Zruten-Jahrgänae
angewiesen. Ausge
nommen vielleicht England. Die Kolf
zahl der unter dem Konskriptions-Gesctz
stehenden Bevölkerung des europäischen
Englands ist - aber, mit 46 Millionen
reichlich bemessen und die militärische
Leistungsfähigkeit feiner Kolonien spielt
heute keine besondere Rolle mehr. Das
britische Reich hat überdies seine vkono
mische Weltherrschast gegen das ge
sammte Ausland zu verteidigen, fo daß
es nicht seine gesammte ManneZZrast in
den Dienst der militärischen Sache stellen
kann. Die Fähigkeit Englands, neue
Heere von großem Umfange der Entente
zur Verfügung zu stellen, ist daher trotz
aller gegenteiligen Versicherungen der
hältnismäßig genau begrenzt.
. In diesem Lichte betrachtet, erscheint
das don der Entente mit Vorliebe an
gewandte Argument von der Ueberleaen
heit der Zahl und der Unerschöpflichkcit
, ihrer Hilfsquellen imme fadenscheiniger.
Die Zentralmächte vermögen mit den
ihnen zur Verfügung stehenden Ersah
Mannschaften jederzeit die Lücken in iren
Reihen auszufüllen, wenn sie an ihrer
bisherigen Defensive festhalten. Die
Alliierten hingegen-müssen auf Grund
der Erfahrungen der Kampagne 1916
ihre Kräfte ganz wesentlich vermehren,
um für die Kriegsentscheidung wirk
samcre Ersolge als im Sommer erzielen
zu können. Soweit sich dies beurteilen
läßt, sind sie aber dazu nicht mehr fähig.
Die Aussichten des mitteleuropäischen
Bundes, als Sieger aus dem Kriege her
vorzugehen, dürften sich daher stetig
mehren, falls die Entente auf ihrer bis
herigen Kriegführung, der Berennungs
Methode, beharrt. ,
Turchbrchömetl,dkn der AUiirten.
Nicht nur diese! Herumezperimen
tieren mit einer nicht mehr in den
enormen Rahmen des Weltkrieges passen
den Angriffs-Jdee. sondern auch die vcr
schieienartigen Methoden der Durch
führung des Offensiv-Unternehmens an
isen einzelnen Abschnitten der Gelammt
front scheinen zu dessen unbestreitbaren
Mißerfolge beigetragen zu haben.
Im Wesen blieb den alliierten Äe
neralsiäben an jeder Front nur die Mc
thode des Durchbruches bei der Durch
führung ihrer Operationspläne Lbriz.
Es handelte sich als, lediglich darum, ob
der Charakter dieser Durchbruchsversuche
auf allen Kriegsschauplätzen gemeinsame
Merkmale ausweisen sollte oder nicht.
Natürlich waren die geographischen
Eigentümlichkeiten der drei europäischen
Hauptsronten don großem Einflüsse auf
die Gestaltung der Turchbruchs-Aktionen.
Bei ihrer Ansetzung scheint jedoch nicht
so sehr das Streben, diese Eigentllm
lichkeiten mit der erforderlichen prin
zipiellen Einheitlichkeit der Gefammt
Kriegführung in Einklang zu bringen,
als vielmehr pcrfönliche strategische An
sichten der betreffenden Oberkomman
danten vorgewaltet zu haben.
Derart sieht man m' dem russischen
Schauplätze einen Durchdruchsvcrsuch
aus recht breiter Front, der sowohl gegen
das Zentrum, als einen Flügel, deS Äer
teidigers gerichtet, an drei Stellen n
gesetzt wurde. Diese Methode und die
Wahl dieser Angriffsstellen (hauptsäch
lich des Jlügels) hatte den größten An
fangscrfolq der Kampagne in Gestalt
.eincr.zitmlich. erheblichen Zurückdrängiing
mi niraieunxaiZHen fcimen -in vsa
lizlen und Wolhynien zur Folge. ES
mangelte jedoch den Russen an der
nötigen Reservk'Kraft. um chn zu einem
entscheidenden zu machen.
In Frankreich wird noch heute die Me
thode der Keileintreibung an einem der
hältnismäßig kurzen Frontstück versucht.
Nachdem die BasiS de KeileS räumlich
,u gering bemessen ist, mußte eS ,ot.
wendiger Weist bald zu einer Spitzen
bildung und ,u einer stetigen Verengung
der eigentlichen Angriffsfront kommen.
Mit dieser Verengung geht naturgemäß
eine Verminderung des geplanten urch
bruchsEsfekteS Hand in Hand und es
wird dem Verteidiger immer leichter, den
Angriff zum Stocken zu bringen. An
statt auf die Verbreiterung der in der
deutfchen Somme-Front bewirkten AuS
buchtung auszugehen, und dadurch die
Linien des BerteidigcrS mehr und mehr
zu spannen, wollen die englischfranzö
sischen Generale den Durchbruch bisher
mit der Kcilspitze bewirken.
Auf dem italienischen Kriegsschau
platze schließlich wurdk schon seit KriegS
beginn ein und dieselbe Methode des
LoshämmernS auf dem nur ca. 20
Meilen breiten Jsonzo-Abschnitt von
Görz bis zum Adriatischen Meere be
folgt. Im Prinzip ist die strategische
Idee des Angriffes auf einen Flügel der
Verteidigungslinie zwar gesund, die
Bodcngcstaltiinz jedoch und die geringe
Länge' der Angriffs-Front geben der
österreichisch ungarischen Verteidigung
beinahe alle Trümpfe in die Hand. Im
Gebirge hat offenbar nur eine Offensive
auf breiter Front einigermaßen Aussicht
auf Erfolg, wie der zw' langsame, aber
stetige Vormarsch ffalkenhahns durch die
Transsylvanischcn Alpeu nach Rumänien
hinein zu erhärten scheint.
Keine dieser verschiede .n Methoden
der Alliierten während ihrer gemein
samen Offensiv-Aktion bat an irgend
einer Front einen entscheidenden Erfolg
gezeitigt, und daraus ergiebt sich für die
leitenden Geister der Entente eigentlich
nur die Alternative, eS entweder noch
einmal mit einer prinzipiellen Acndc
rung der Grundidee ihrer Offensiv
Kampagne zu versuchen, oder dem cn
scheinend aussichtslose . Unterfangen mit
einem Friedensschlüsse ein Ende zu
machen.
Welche Möglichkeit einer Abänderung
der Grundidee kann mit Rücksicht auf
die große militärische Situation in Er
wägiing gezogen werde? Bisher haben
die Entcnte-Jührer einen im Großen
gleichmäßigen, gleichzeitigen Druck ent
lang der gesammten europäischen Be
lagcrungsfront versucht. Jeder Teil der
alliierten Gesammt-Strcitkräfte hat in
dem ihm vom geographisch politischen
Gesichtspunkte aus zukommenden Ab
schnitte seine Turchbruchs-Aufgabe zu
erfüllen getrachtet und dort auch seine
Reserven cingesktz.. Der gleichzeitige
Angriff an der Gcsammtfront mit ziem
lich gleichmäßiger Kraftverteilung hat
kein Resultat gezeitigt. Die Abänderung
sollte sich daher sowohl auf die Offensiv
Methode, als auch auf die Kräfte-Ver
teilung erstrecken. Die Alliierten könn
tcn es daher nur noch mit der Verlegung
des Hauptdruckes auf einen speziellen
Kriegsschauplatz versuchen, das Gros
der Gesammt-Streitkräste dort konzen
tricren, ihre gesammten Reserven dort
hin dirigieren und infolge ihrer dort
dadurch erzielten riesigen Ucbermacht
unausgesetzt die betreffende Front der
Zeniralmächte zum Ang.iffs Objekt
machen; während auf den anderen
Kriegsschauplätzen nur das System der
Fcsthaltung der Verteidiger inauguriert
wird.
Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich,
daß die Entente sich je zu dieser, jedes
Privat-Jnteresse ausschließenden Ge
meinsamkeit der Kriegführung empor
schwingen wird. Schon aus politisch n
Gründen. England dürfte wohl kaum
das GroS feines Heeres nach Rußland
w"''n, ebensowenig wie der Zar seine
Heercsmassen nach Frankreich dirigieren
würde. Vom militärischen Standpunkte
würde schon die Vorbereitung einer sol
chen Aktion bedeutende Zeit in Anspruch
nehmen und ungeheure Kosten berursa
chen. Tas Problem der Basierung dieser
Kräfte-Konzentrierung erscheint beinahe
unlösbar. Schließlich würde sich der
durch den Tauchboot-Krieg bewirkte
Mangel an Tonnengehalt bei Transport
und Nachschub der Riesen-Massen und
Ricsen-Vorräte außerordentlich bemerk
bar machen und den glatten Verlauf des
ganzen Unternehmens in Frage stellen.
Es ist jedoch kaum anzunehmen, daß
sich die leitenden militärischen Kreise der
Entente mit der obangedeuteten Idee
nicht befaßt hatten. Vielleicht haben die
Verluste und Einbußen der verflossenen
26 Monate die Durchführbarkeit dieser
Idee bereits unmöglich erscheinen lassen.
Darum vielleicht auch die Friedens
schalmcien der britischen Staatsmänner.
Paul L. Schellenberg.
giiimänien und die Judenfrage.
Wie der Amsterdamer Vertreter der
Schlesischen Zeitung' aus angeblich be
ster Quelle erfährt, haben England und
Frankreich in Bukarest Schritte unter
ncmmen. um die Gleichstellung der ru
mänifchen Juden mit den übrigen
Staatsbürgern zu verwirklichen, wie !
schon im Berliner Vertrag von 1873
vorgesehen worden war. Die Vertreter
der beiden Westmächte forderten eine
förmliche Zusage der rumänischen Re
gierung in dieser Frage, allein diese
lehnte jede Einmischung in ihre innere
Politik ab, wobei sie augenscheinlich von
Rußland unterstützt wird. Nur soviel
hat Rumänien versprochen, daß eS der
israelitischen Bevölkerung von Sieben
bürgen und der Bukowina, fall! diese
Länder ihm zufallen sollten, dieselben
Bürgerrechte zuerkennen würde, die sie
heute unter der österreichisch-ungarijchen
Herrschaft genießen. England und
Frankreich gaben sich mit dieser Antwort
nicht zufrieden; die Verhandlungen bau
ern fort.
Der Wille, die Zentralkraft deß
Charakters, muß in der Gewohnheit der
Entschlossenheit gesucht werden, sogst
wird er nicht fähig, weder dem Bösen zu
widerstehen, noch dem Guten u folgen.
y"T 'Vjjjiy y y V V
Mz Wün MiM LckiMj. j
ic.it Tttlfx k, ?Nf",Z, Sir
l l tJV V - V
r h.mU
ll mi
jk A ATM.
fc Ai A A A A A A
Im Pädagogiumsgartcn der Ctiftun
gen August Hermann FranckeS zu Halle
Seht unter den Wipfeln hoher Ulmen in
kaulliner Einlamkrit eine Urne um Ge
dachtniS deS Stifters. Diese trägt eine
Toppelinschrist, die in lyrer Ichlichlcn
Majestät aeradc'u erarcifcnd wirkt. Auf
der einen Seite lesen wir: Er hat Gu
ui getan und tt nieizi ermüdet. , aus vcr
anderen: Er erntet ohne Aufhören."
Die Stiitunaen Auaust Hermann
FranckeS unermeßlich ist der Segen,
der von ihnen ausgestreut i)t in die Welt,
und unübersehbar die Fülle geistiger
Kräfte, die von diesem Zentralpunkt sich
ausgewirkt haben in dem deutschen
Volksleben. Und wie ein Treibhaui
von Berühmtheiten erscheint unS diese
Anstalt. Wie ost. wenn von einer Zele
brität die Rede ist. Heißt'S: Er war ein
Zögling der Franckcschen Stiftungen!
Erst in jüngster Zeit bei Mackcnsen, dem
Fcldhauptmann von Gottes Gnaden.
Die Wcgrichtung aber, die diese Lor
beergckrönten genommen haben zu ihrcr
Sonnenhöhe, welche Verschiedenheit zeigt
sie doch in den einzelnen Fällen! Selten,
nur ausnahmsweise bewegt sie sich in ge
radlinigem, rakctcnartigcm Aufstieg; für
die Regel macht sie Schlangenwindungen
oder Zickzackbkwegungcn. wenn eS nicht
geradezu heißt: erst tief hinab und dann
hoch hinauf.
Die Franckcschen Stiftungen! Zu die
sem ungeheuren Schul und Erziehung?
organismus bildet den eigentlichen Kern
Punkt die Waisenanstalt. Die Zöglinge
derselben, deren Aufnahme nicht blind
lingS crfolz!, etwa nach bloßem Erbar
men mit der lieben Armut, sondern nach
eingehender Prüfung der Familienvcr
Hältnisse, werden für die Regel zuerst der
Bürger (sogenannten Teutschen) Schule
der Stiftungen zugewiesen, um sie ouf
ihr geistiges Vermögen zu prüfen. Die
Begabtesten treten dann etwaZ später in
die Lateinische Schule, da! Gymnasium,
ein zur Vorbereitung auf die Universi
tät; die geringer Veranlagten verlassen
mit ihrer Konfirmation die Anstalt, um,
von derselben unterstützt, ein Handwerk
zu erlernen. So unterscheidet man deut
fche und lateinische Waisenknaben.
Heiße Schweißtropfen rannen dem
Knaben P a u l von der Stirn, nachdem
er von der deutschen auf die lateinische
Schule übergeführt worden war. Brav
war er ja, sogar kreuzbrav, und jeder
hatte ihn gern, den Knaben mit den of
fcnen Augen und dem fonnigen Gesicht.
Und an Fleiß ließ er es auch nicht feh
len. Kam er in den gemeinsamen Ar
beitsstunden mit seinen Schulaufgaben
nicht zustande, so versagte er sich in den
Freistunden das Herumtummeln im
Feldgarten und faß dazu auch oft noch
in die Nach! hicnein über feinen Büchern.
Allein die geistigen Kräfte wollten nim
mer zureichen, alle die großen und weit
gehenden Anforderungen der Gelehrten
schule zu bewältigen. Mit der Mathe
matik. Geographie. Naturkunde und
Weltgeschichte mochte es ja gehen, wenn
nur die alten Sprachen nicht gewesen
wären. Die alten Griechen und Latei
ner. denen doch kein Zahn mehr weh tat.
warum man sich mit deren Sprache nur
noch abquälen mußte!
Für die Zöglinge der Waisenanstalt
war das Sitzenbleiben in einer Klasse
eine Sünde. Einmal' ließ man eS sich
zur Not noch gefallen, der Wieder
holungsfall aber bedeutete die Vcrwei
fung von der Schule.
Bei unserm Paul war dieser Fall nicht
eingetreten, aber nahe daran war er
mehrmals. Und da8 hatte feinen Grund:
die Unlust an den Aufgaben der Schule
steigerte sich bei ihm in demselben Maße,
als eine lange still in sich gehegte Nei
gung immer mächtiger ward und ihn
schier verzehrte. 'Und daS Feuer glühte
um so heißer, je sorgfältiger er es vor
jedermann verbarg, indem er keine Hoff
nung hatte, be! seinen Angehörigen Vcr
ständniS und Zustimmung zu finden. '
Sein Klassenlehrer aber, dem fein fiil.
leS Traumen aufgefallen war. fühlte sich
in unbestimmtem Mitleid zu dem guten
Jungen hingezogen und beschloß eineS
Tags, einmal ernsthaft mit ihm zu
reden. Einen väterlichen Ton anfchla
gend. machte er ihm klar, daß er für die
gelehrte Laufbahn nicht befähigt sei. da
rum an die Wahl eineS anderen Lebens
berufcs denken müsse. Und um ihm nun
dazu behilflich zu fein, fing er an, Ihn
inwendig zu visitieren, um etwa in ner
geheimen Neigung deS Knaben einen Fin
gerzeig zu bekommen für die Berufswahl.
Nachdem er dann eine Weile nachdenk
lich dagesessen, richtete er geradezu die
Frage an den Knaben: Hast du denn
in dir vielleicht eine bestimmte Nei
gung?"
Einen Augenblick sah der Gefragte
stumm vor sich nieder, dann brachte er
mit einem schweren Atemzug herauS:
Ich möchte gern Seemann werden.'
Der Professor maß den Burschen vom
Kopf bis zu den Füßen. Die äußere Fi
gur mochte wohl dazu passen, und was
an leiblichen Kräften noch mangelte, daS
würde sich ja wohl in der kräftigen See
luft und in der Befriedigung in dem er
sehnten Beruf noch hinreichend entwickeln.
So gab ihm denn der verständige, wohl
wollende Herr seinen väterlichen Segen.
Bald darauf schnürte der Knabe fein
Bündel und fagte der Anstalt ade. Ver
schwand in der Versenkung wie ein Thea
terheld auf der Bühne. Man hörte nichts
mehr von ihm, bloß daß er auf einem
Sckikk iinteraekomme wäre. Und ein
Schulfreund erhielt einmal einen Brief
von ihm. eS gehe -ihm gut, und er fühle
sich wie ein Fisch im Wasser. DaS war
alles, und fo gut wie nichts: ein Echisss
! junge was ist das? Einer unter vielen
Taufende don unbekannten Gr?ßn'
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Die riafire ainacn bin. und der Paul
ja. wenn man ihn nach zehn Jahren
wiedergesehen hätte, man hatte ihn nicht
wiedererkannt, solch eine urkräftige See
mannsgcftalt war daraus geworden, und
au feinen Augen llrahtic der ganze
Stolz, daS ganze Hochgefühl der Be
friedigung in feinem Beruf. Auch an
feiner Uniform hätte man sehen können,
daß au! dem Schiffsjungen etwaS ge
worden war. War'S nun nicht ein Zag
des GlückeS und des Segens für ihn ge
Ynrhn fcnfi r damals, aus der Zucht der
Waisenanstalt und der Gelchrtcnschule
entlassen, die Arme frei bekommen haue
und aus der Enge in die Weite streben
durste?
Im ganzen Deutschen Reich jauchzte
alles in himmelhoher Begeisterung und
Verzückung, und in England ballten sich
die Fäuste, knirschten die Zähne in grim
miger Wut. Was war denn vorgefallen?
Ein deutscher Sieg errungen? Ja. ein
Sieg, und was für einer! Eine Tat war
geschehen, wie ein Wunder vor oller
Augen. Deutschland sollte mit Gewalt
auf die Knie nieder; mit den Mitteln
der Waffen ging es nicht, so wollten es
die Herren der Welt' mit dem Hunger
zwingen: Germania sollte, nach allen
Seiten hin abgesperrt, den Atem verlie
ren und Hungers sterben, die allgemeine
Blockade sollte alle Zufuhr abschneiden,
bis hinüber nach Amerika.
Da da jubelte cS durch die Welt:
Germania hat die englische Blockade
durchbrochen.' Ein neugeschaffenes Han
delsunterseeboot ist quer durch den AI
lantiscken Ozean geschwommen und
wohlbehalten in Baltimore gelandet! Ein
Triumph des deutschen Geistes ohne
gleichen! Eine Tat, erhaben über allen
Lobpreis!
Ja, hin war er glücklich gekommen,
ober zurück? Wehe dir. Unterseeboot
Deutschland'! Auf dich lauert der eng
lische Todeshaß mit seinen Kreuzern und
Wachtschiffen! Hinüber bist du gckom
men. aber zurück sollst du den Weg nicht
finden! Und alles hielt den Atem an.
als die Nachricht kam: Die Deutsch,
land' ist feit dem 1. August auf r
Heimfahrt! Und Millionen Hände hoben
sich gen Himmel: Ter Allmächtige be
hüte dich!"
Da flatterten im Deutschen Reich die
Fahnen. Am 23. August dröhnte durch
die deutschen Gauen die frobe Votschaft:
Die Teutschland' ist glücklich in Brc
men gelandet! Und da stieg er aus. der
Kapitän mit seiner Mannfchast, der
wackere, der herrliche Mann, der das
große Wagestück unternommen und glück
lich ausgeführt hatte: Kapitän Paul KS
nig. der ehemalige Zögling der Waisen
anstatt in den Franckeschen Stiftungen
Spanien, Deutschland
und der ?Sicrveröand.
Der Vossischen Zeitung' wird Ende
September geschrieben: Aus London u
fahre ich, daß ein Pariser Synditat in
Spanien mehrere Zeitungen angekauft
hat. Diese Nachricht gewinnt an Jntcr
esse durch die Tatsache, daß Lord Noith
clisse zurzeit in Spanien weilt. North
cliffe treibt, wie er selbst eingesteht,
deutschfeindliche Propaganda. In länge
ren Artikeln an seine Blätter Times'
und Daily Mail" beklagt er den dem
sehen Einfluß in Spanien und den da
rauS sich ergebknden niedrigen Kursstand
deS englischen Geldes. Jedermann fü
in Spanien von dem schließlichcn Siege
der Mittelmächte überzeugt. Die 'pani
schc Presse sei durchgehend dcutschsrcuno
lich, wie auch alle Kreise der Bcvölkc
rung. Dies müsse anders werden. I3
besteht zweifellos ein Ziisommcnhai'g
zwischen der Anwesenheit Northcliffes in
Spanien, dem Erscheinen dieser Artikel
und der Nachricht von den Zeitungsan
kaufen.
Ergänzend meldet ein anderer Lon
doner Bericht über Lord NorthcliffcS
Entdeckungen wie folgt: Lord Northclisfe
klagt in einem Aussatz, den er seinen
Blättern aus Spanien sendet, über die
unerfreuliche Überraschung, die er dort
gefunden hat. , Für englisches Geld
mußte er ein Agio zahlen. Er ersah
aus den Zeitungen, daß der Glaube an
den Sieg und die Unllbermindlichkcit der
Deutschen in Spanien sehr weit verbrei
tcl ist, und als besonders unangenehm
empfand er die bereitwillige und freund
liche Aufnahme der Deutschen in der spa
Nischen Gesellschaft. Ein großer Teil
der spanischen Aristokratie, die gesamte
Kirche und weite Kreise der Mittelklass
sind deutschfreundlich. In Hofkrcisea
herrscht etwa folgende Auffassung: oi;
englischen Offiziere sind tapfer, ausge
zeichnete Polospicler und gute Sports
lcute, aber als Soldaten sind sie Dilet
tanten; die Tommys sind tapfer abcc
tollkühn; die blutigen Rückschläge, die die
deutschen Heeresberichte so oft erwähnen,
erhärten die Tatsache, daß eine Armee
nicht in ein Paar Jahren gebildet vcr
hen kann. Frankreich habe alle Män
ner vom 17. bis 43. Jahre ausgehoben.
Deutschland müsse daher gewinnen, und
wenn ei nicht siegt, so kann es doch de.t
Krieg nicht verlieren.
Krikgsgesangencn.Pgstvcrkehr. Der
KriegSgefangenen-Postverkehr, der von
der deutschen Reichspost vermittelt wird,
umfaßt nach einer neuerdingk angestcll
tcn Zählung monatlich fast 7 Millionen
im Reichepostgebiet aufgelieferte, und
über 10 Millionen im Reichspostgebiet
eingegangene, insgesamt also rund 17
Mill. Postsendungen. Davon entfallen
auf kriegS und zivilgefangene Russen
6.6 Millionen, auf Franzosen und !!)
gier 9,1 Millionen und aus weiße und
ÜLe Engländer 1.4 Millionen.
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