Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 21, 1916, Page 6, Image 6

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Eie f o) verwirrt auf ihre Uhr.
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Sie tiüe er (claic ihr. lim
Gittertor blieb er ut)tu.
.Ich werde Sie wie!,cr,chen.' sagte
er ruhig
Für DtN Abend h.,tte daä alte
Fräulein van Dt Sandt. aemtinsam
mit timsitn Bekannten aus dem Ho
tel. einen Tisch unter den binden te
legen lassen, nahe dem Podium; s.e
lle wollten die Zigeuner hören uns
sehen.
Als aber der Abend kam, hatte
Lisa starte Kovsfchnierzen. Sie ging
in ihr Zimmer und schloß die Tür
ad. Fräulein van de Candt wunderte
sich, daß die romantische, sröh'.iche
Lisa um der Kopfschmerzen willen
ein Zigeuneitonzert am Meer, unter
hoben ölten Linden, aufgab.
Sie ahnte es nicht, dag Lisa im
Dunklen, eben aus deik Balkon, in
wehmütiger Ergriffenheit lauschte,
wenn eines der schwermütigen Volks
lieber die grosze Stille der Nacht noch
stiller machte, und wie Seligkeit sie
durchbrauste, wenn die Geige lockend
zu ihr emporjubelte. " ,
Ter Zigeuner ober wußte, daß sie
ihn hörte: n sicheres Gejühl verriet
es ihm. dafz daä schöne, vornehme
Mädchen . sich lauschend verborgen
hielt.
Weshalb?
. Weil sie fühlte, daß seine Liebe sie
umschloß.
Ihn schüttelte die Sehnsucht. Er
preszte die Zähne zusammen; ruhig.
wie aus Erz gegossen, stund er da,
das schmale braune Gesicht fiotz er
hoben; die Augen sahen über die
Menschen hinweg. Sie sahen das
blonde Alädchen in der Sonne flehen,
das Haar gelöst. Er spürte wieder
den köstlichen Dust der ihn nach die
sem Haar greifen ließ und seine
Geige rief nach ihr.
Dritte Kapitel.
Wenn er in Lumpen wäre, dci.Hte
Lisa, ich wäre nicht mit ihm in den
Garten gegangen, halte leine
nicht genommen, hätte ihm
Hrln
meine
Hand nicht gelassen.
- Was fijr klägliche Geschöpfe wir
doch sind.
Aber er sieht sehr gut aus. er hat
ein angenehmes, ruhiges Wesen, nie
mand, der es nicht weiß, denkt, daß
er ein Zigeuner ist, und ich gehe mit
ihm in den einsamen Garten. Hätte
ein alltäglich aussehender Menh.
etwa der Cimbalist, ebenso gespielt
und gesungen, wie Andras Jmre,
würde es mich so stark gepackt haben?
Sicher nicht.
Die Schönheit, ja. die Schönheit!
Und diese göttliche Sommerselig
Zeit!
Lisa seufzte leicht.
Das alte Fräulein van de Sandi
saß schon auf dem Dampfer, der re
gelmäßig zwischen Ragusa und Can
nofa verkehrte, Lisa hatte keine Rikhe,
s ging auf dem Mole auf und ab.
Der Matrose läutete, es war Zeit
zur Abfahrt. Lisa war gerade wieder
beim 'Schiff angelangt. Sie ging
auf die Planke zu, der Matrose streck
te ihr die Hand entgegen. In dem
Augenblick, als sie daS Schiff be.
trat, hörte sie schnelle Schritte, ein
Sprung über die Planke und Andras
Jmre stand neben ihr.
Er grüßte nicht, als hätte er sie
niemals gesehen, und trat höflich zur
Seite.
Lisa ging zu ihrer Tante und de
ren Bekannten auf das Hinterdeck.
Andras Jmre stand kurze Zeit an
das Geländer gelehnt, dann begab er
sich vorn aufs Schiff und beobachtete,
wie der Kiel sich hob und senkte und
die Wogen durchschnitt. Lisa konnte
ihn sehen. Er trug keinen Rock, nur
ein fein gestreiftes Hemd, und einen
breiten Gürtel. Den Hut hielt er in
der .Hand. Der dunkle Kopf hob sich
scharf von dem hohen weißen Kragen
ab. Bisweilen fah sie ihn von der
Seite. Die strengen Linien des Pro.
fils ließen ihn dann Liter erscheinen.
Es machte ihr große Freude, ihn in
all seinen Stellungen und Bewezun
gen zu beobachten. ;
- Als der Dampfer den Hafen ver
lassen hatte und um Ragusa herum
suhr, wurde der Wellengang kräfti
ger. Am Bug des Echiffcs spritzte '
eer weiße Gischt hoch empor. .
Es litt Lisa nicht. Sie wollte da
vorn stehen, die Wogen heranrollen
sehen und einige Worte mit Andras
Jmre wechseln. - Sie war dankbar
,'ür, seine ; Diskretion, zugleich a:ch
:n wenig beschämt. Es war ihr be
Nsimen zumute, und coch trieb es sie
vorwärts. Sobald sie sich unauffäl
ig entfernen konnte, ging sie zum
Vorderdeck, lehnte sich in Andiiis
mres Nähe mit beiden Armen auf
das Geländer und fgte. ohne ihn
hcn. '
Ich habe Ihr Spiel zt'üfoL"
Er sah nicht auf.
Ich wußic es." und dnn: Hin-
im im ' Szrtea dcZ ErsZen Cozje,jRaZufa, ssn chwald üttris.
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Clara Ratcka.
, links von der großen alten Statue,
führt ein Weg zu einem kleinen Ro.
sengarlen. Bitte ja?'
Ich tc,:,k!.:.'
Der Wind ahm ihnen die Worte
vom Munde, niemand hakte sie ge
hi.'rt.
Innere Erregung durchglühte Li
sas klares Slnilifc.
Du ulle Fräulein o.?n de Sandt
iy ,hr mit gütigem Lächeln rntze
gen.
Merkwürdig. ihr? Schwägerin
konnte dieses .Itinb nicht verstehen;
immer gab e Mißhelligkeiicn. und
sie. die alte Tante Trude. konnte sich
t'in fonnigeres. lieberes Mädchen
deuten. Um wie viel schöner und ge
vankenooller war Lisa doch, als ikre
jüngere Sch!res!cr Erete. dieser Lied
ling der Familie, um wieviel klüger
no aufrichtiger als die Brüder, Aver
allcs daS machte ihr das Leöen zu
Haufe nur schie: D.e Muiter von
Ehrgeiz verzehrt, ein Vorbild gesell
schajüicher , Korrektheit; der Aatcr
mit Arbeit überbürdet, im Laufe der
Zeit in seinem Amt und in seinen
ewchnheükn versteinert. Sie ver
standen die phantasievolle, schönhetts
durstige Tochter nicht, diejeg zwan
zigjahrige Mädchen voll .hoher, star
ker Lebenssreude. so gesund und ein
fach, so in tiefstem Herzen froh, und
doch geneigt, alle Leichtigkeit des Le
v:ns hinzugeben, wenn irgendein
fremder Stern lockte.
Komm mal her, mein Kind,'
sagie sie.
Lisa holte sich einen kleinen Klapp,
stuhl und setzte sich zu ihrer Tante,
Ist es nicht wieder himmlisch?'
sagte Lisa und sog die köstliche Luft
ein.
Und uns bleibt noch fg viel
Schönes!'
.Wie lange werden wir noch in
Nagusa sein?' fragte Lisa. .
Ich denke, wir fahren übcrmor
gen, dann bekommen wir einen
Lloyddampfer. Der Portier sagte eS
mir heute mittag.'
.Uebermorgen Y Schnelle Eedan
ken bestürmten Lisa.
.Ja. meinst Tu nicht?"
.Sicherlich. , Tantchen, wir nehmen
den Lloyddampfer. ich packe morgen
abend. WaS sollen wir denn morgen
noch unternehmen?' ,
.Ja. mein Kind, ich wollte Dich
schon fragen. Der Portier - meinte,
mir sollten doch mit dem Automobil
nach Trebinje fahren. Eine große
Tour für den letzten Tag. aber es
paßt alles so gut. eö fahren nur ein
paar nette Leute mit.'
.Natürlich. Tante Trude. Du
fährst, das mußt Du sehen, aber ich
bleibe daheim, wenn Du erlaubst?
Ich packe und besorge einige Kleinig'
feiten, ich schwimme noch mal tüch
tig, und wenn Du zurückkommst, ge
hen wir früh schlafen.'
.Nein. Lisa, gerade Du "
.Ach was, Tantchen. Du weißt
doch, ich reiße mich so schwer los. Ich
schlendre noch mal durch die lieben
alten Straßen, gehe in den Kloster
Hof. die Kirchen: ich muß all die Sü
ßigkeit noch einmal zum ' Abschied
auskosten. Nein, laß mich nur.' sie
streichelte begütigend die Hand der
alten Dame.
.Ja. wenn es Dir so lieber ist '
.Du Gute. Liebe!'
Leide sahen auf daS Meer hinaus.
Allein sein, ganz allein, diesen
letzten Tag. das war alleS. was sie
denken konnte. Kein Plan, kein
Wunsch, nur einmal noch ganz ein
sam in der Sonne liegen, die Wellen
herankommen fchen. die wunderbar
blauen, durch den Wald aeben
Blumen in den Händen halten.
irucyienoe Bluten, fo hatten
sich diese goldenen langen Tage auf
sie gesenkt.
Abends, wenn sie in ihrem Bette
lag, das Gesicht zum dunklen Fen
sterausschnitt gewandt, in dem die
großen klaren Sterne dicht gedrängt
am herrlichen, tiefen Firmament '
standen, das all die glühende Schön
heit da unten überspannte und er
zuickte. dann kam ihr stets die erste
Zeile jenes tösilichen Lics in den
Sinn: . ;
.Und morgen wird die Sonne wieder!
scheinen "
Die reise, warme Ruhe . dieser
Worte tru.z sie hinüber in die Welt
bunter, wechselnder Bilder.
Und nun sollten sie vorbki sein.
diese Ta?e. ' '
Neue Tage kamen. Anderes, viel
leicht schöner, fremder
Wal gab ihr nur diese Schwer
mut? , , War es nicht voll geheimer
Wonnen, fortzuziehen, sorglos unter
dieser, gnadenreichen Sonne? ,
Ja, za aber die eigentümlich
verschleierten Augen, das dunkle,
schmale Gesicht, die schmerzlich fchö--nen
Lieder, die wie Tränen Lieben
der, Heimwehkranker in ihr Herz
hineingeströmt waren. Die fle
henden hinreißenden Geizentöne, die
sie umschlungen und gefesselt hatten,
wie viele ' schimmernde Perlenketten,
geheimen Neuerö voll: da alles soLte
1er bleiben in dem alten köstlich
gen, wosikiiumruuicht luute tut
sie versinken, sollte ein Erinnerung
ftin, 'nicht wehr glühende Gegenwart?
Abschied nehmen. Abschied!
. Und da stand die Sonne am Hiin
mel, da blitzte die bliue Adrta. dc
winkten die grünen, blühenden Gär
ten des Grasen Gozze unk
dicht hinter ihr, im Gedränge bei
Ankonimenden, die das Tampsbool
dem Molo von Cannosa zuführte
stand der schlanke Geiger.
Die älteren Herrschaften ginge?
langsam den beschwerlichen Weg hin
auf. Ambras Jmre war Lisas Blik
len schnell entschwunden.
.Wie wäre es nun, Tantchen,
wenn ihr schon zu den Riesenplata
nen gehen würdet, um zuerst mal
Kaffee zu trinken? Ich lause schnell
voraus, nehme den Umweg durch den
Garten und bin dann fast tu glei
cher Zeit mrt Euch bei den Platanen.'
Fräulein van de Sandt wandte
sich mit einem freundlich entschuld!,
genden Lächeln an ihre ältliche Be
gleiterin und ,ei rundes Ehepaar
aus Mngoeburg.
Die Jugend kann nun mal nichl
mit uns Schutt halten!" und dann
zu Lisa: ,Na, lauf nur, aber pünkt
iich sein!'
.Ja. Ja!'
Lisa sprang mit langen Schritte
vorwärts. ),hr zartes, weißes illeit
mit dem korallenroten Gü:!e!bond
tauchte hin und wieder auf, dann
h.ilie sie die Höhe erreicht.
Sie bog in den Torwez ab. ging
schnell am Haus vorbei, init gliickli
chen Blicken die vielen blühenden
Ko',tt:n liebkosend, und dann den
Hauptweg des alten herrlichen Gnr
Uns entlang bis zu der halb verfal
lenen Statue einer GAtin.
Da zweigte sich ein Weg ab.
schmal, ungepflegt, sie mußte leiden
speiistige Zweige zur Seite biegen
und dann sah sie schon die helle Ge
f!alt: Andras Jmre eilte ihr entze
zen.
Tief beugte er sich über ihre Hand -.Ich
bin Ihnen so dankbar!" Et
sagte es leise mit einer beoecktev
Stimme.
Sie standen in einem kleinen. wil
den Rosengarten, dein du? üppig,
Buschwerk ringsum viel Luf: uni
Licht nahm. Aus dem dunklen Gur
ceckten sich zwei verwitterte Göiietge'
stalten, aus hohen, berankten Sockels
stehend, in ewig ungestillter Sehn
sucht die Arme entgegen.
.Schön ist es hier. 'Andras Jmre!'
sagte Lisa.
Andras wollte Lisa sagen, daf
nichts so schon sei, wie sie.
Er konnte 's m.cht.
Sie stand so sicher da, so ganz da!
Mädchen aus einer anderen Welt,
dos den Zigeunerprimas nicht einmal
tennen dar?. Er. kühlte den Ädstank
so viel starker als sie.
Sein Schweigen erregte sie. Sl
sagte sie ganz unvermittelt, eine
Zweig heranziehend und mit ihw
spielend:
JSMi reisen ob, übermorgen schon
nach Spalato und Trieft, und dank
nach Haufe."
Immer noch schwieg Andras Jmre
Und Lisa sprach weiter.
.Ich muß Abschied von Ihnen
nehmen, man erwartet mich."
Nun sah sie ihn an.
Sein Gesicht war ganz fahl, ei
hatte die Hand aufs Herz gepreßt.
Sie trat näher zu ihin heran-
.Seien Sie nicht traurig! Nein,
nein! M:r wird eö auch schwer.
Ihre Stimme zitterte ein wenig.
.Glauben Sie eS mir, ich wollt.
Ihnen nicht wehe tun," fuhr sie fort
,S tun mir furchtbar ! weh.'
langsam und schwer brachte er di.
Worte hervor. Sie tun mir so weh
wie noch nichts mir tat, niemand, aL
mein Leben nicht,"
.Liebn Andras Jmre, Sie Haber
so wunderbar gespielt und gesungev
und Sie waren gut lieb zu mir.
auch ich werde Sie nicht vergessen
niemals. haben nicht viel Son
ne daheim," fuhr sie fort. Ick wollt,
nicht mit Ihnen spielen, glauben Sit
es mtr." dte Erreauna stieg in ihr.
ich bin doch auch nur ein junges
Mädchen von zwanzig Jahren, und
ich habe es nickt ollzu gut gehabt.
Nie war mein Leben so schön wi,
hier, und ich muß fort!'
Er sah sie unverwandt an. Sein,
große Liebe strömte über sie hin.. Du
Kluft verschwand.-
.Es füllt mir schwer." sagte
einem warmen Impuls nachgebend,
vielleicht, wenn ich geblieben wäret
wenn wir uns öfter gesehen hätten
ich glaube, daß Sie ein lieben
lieber Mensch ,md."
Er trat dicht vor sie hin.
.Lassen Sie mich ziehen, nein, las
sen Sie, ich muß wieder ganz ver
nünstig werden. Andras Jmre. hören
Sie mich?"
.Ja. ja, ich höre Sie, Lisa dar
de Sandt, ich kann Sie aber nich
lassen, so nicht. Morgen nachmittag
bitte, sagen Sie nicht nein," er hatt,
ihre beiden Hände ergriffen und küßt,
sie, .morgen nachmittag wollen wn
beisammen sein, zum letzten Mal
Um vier Uhr fahre ich zur Insel La,
croma. Bitte, bitte, kommen S'e!"
Bezwungen von seiner Innigkeit,
von der Angst ersaßt, vermißt un!
gesucht zu werden, sagte sie hastig
zu.
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