Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, July 19, 1916, Image 3

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Australien, Denijchländ
und der Welllirieg.
Voll Prof. Tr.
T Kurz vor Kriegansbruch war das po
lifischc, kommerzielle und litetariftft JU
mUni! zwischen Australien und Teutsch'
and bester aI8 je. Man halte i Md
ounie erkannt, daß man in Deutschland
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scher Erzeugnisse habe, sondern einen noch
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tuiiraucn in o inaien beengen ooryan
hene Gefrierfleisch. Der in London woh
ende damalige Generalvertreter des
australischen Dominiums, einer der
schlaueslen liberalen Politiker und Advo
laten de! fünften Erdteils, Sir George
Rcid. ist es wohl gewesen, der seine Rc
hierung, die damals unter dem Arbeiter
ilihrer Andrew Fisher als Ministerpräs
enten stand, veranlaszt hat, eigene anstra
lisch Vertretungen auf dem europäischen
Kontinent einzusetzen. Reid selbst erschien
in Berlin und hielt in einem im Neichstag
gut Verfügung gestellten Saal vor einem
Drohen ' Hörerkreis einen beifällig aus
genommen und diel erörterten Vortrag
iiber Australiens natürliche Hilfsmittel.
Ich verrate Wohl kein Geheimnis, wenn Ich
Jage, daß man ganz knapp vor Kriegs
usbruch sogar in maßgebenden Kreisen
jsich mit dem Gedanken des Abschlusses
ine!; selbständigen deutsch-australischen
Handelsvertrages trug. In den letzten
Monaten vor Kriegsausbruch fand Au
Kralien auch in der deutschen Presse eine
gerechte Beurteilung, eine Reihe von 2a
geSzeitungen berichtete regelmäßig über
Australische Tinge. Auf dn andern Seite
jsand' man in australischen Blättern we
nigstens ab und zu eine nicht gerade
dektschscindliche Aeußerung über uns. In
.seiner Berliner Rede hat Reid, der als
früherer Ministerpräsident die Deutschen
in Australien kennen gelernt hat, erklärt:
.Wenn auch die Australier so weit von
iDeutschland entfernt leben, daß sie keine
dauernde und enge persönliche Fühlung
haben können mit ihren teutonischen Vct
tern, so kennen und bewundern sie doch
die ruhmreiche Geschichte des deutschen
Volkes, und wir haben unter unseren
'Landäleuttn zahlreiche Deutsche; diese ha
ken durch ihre Charakterstärke, ihren ruhi
gen aber unbezähmbaren Fleiß, ihre h'äus
tichen Tugenden und ihr soziales Ansehen
großen Eindruck auf unser Volk gemacht.
Wir sind der Ueberzeugung, daß die deut
schen Ansiedler in Australien typische Ver
treter des ganzen deutschen Volkes sind,
und ich kann nm aufrichtig erklären, daß
wir unS freuen würden, die Zahl unserer
deutschen Ansiedler zu vermehren." Mit
dieser Anerkennung deutscher Leistungen
für Australien steht Reid unter den offi
ziellen hervorragenden Politikern deS Lan
des keineswegs allein.
r Vom August 1014 an hat sich alles
plötzlich vollkommen geändert. Trotz der
in Australien in Friedenszeiten keineswegs
allzu lies wurzelnden Liebe zu England
hat der Kriegsausbruch ganz Australien
zum fanatischen Anhänger des Kampfes
für Englands Größe und Kultur gegen
Deutschlands Barbarentum geinacht. Ein
geeignete Mittel dazu gewesen sind vor
allem die australischen Zeitungen, die so
wohl in materieller Beziehung wie im
Nachrichtendienst in vollständiger Abhän
gigkeit von London sich befinden; sie rniif
scn bringen, was ihnen von der Nachrich
tenzentrale in London übermittelt wird
und dürfen nichts bringen, was dort nicht
genehm ist. Alle Versuche selbst der in
Australien mächtigen Arbeiterpartei, eigene
unabhängige große Zeitungen ins Leben
zu rufen, sind, nicht zuletzt aus sinanzicl
len Gründen, gescheitert.
Die australische öffentliche Meinung ge
gen Deutschland einzunehmen, hat man
aber von England aus seit langem mit
Erfolg versucht. Besonders nach Abschluß
seines Bündnisses mit Japan hielt es Eng
land für um so notwendiger, gegen
Deutschland zu Hetzen, als die Australier
das englisch-japanische Bündnis höchst un
günstig betrachteten, weil sie gegen die
gelbe Rasse aus Instinkt wie aus Ueber
legung eine unüberwindliche Abneigung
besitzen und mit Recht voll Furcht nach
Ostasien blicken, von wo zweifelsohne un
aufhaltsam immer stärker die Gefahr einer
Eroberung des fünften Erdteils heran
rückt. Außer durch die bekannten eng
lischen Märchenerzählungen von der ver
heerenden Wirkung des deutschen Milita
rismus hetzte man die Australier dadurch
'gegen Deutschland aus, daß man ihnen
vorstellte. Deutschland erstrebe die Vor
Herrschaft in der Süds, die England und
seine Kolonien beanspruchen müßten. Der
deutsche Kolonialbesitz - in der Südfce
konnte so dem unqemein ehrgeizigen Au
stralien leicht verhaßt gemacht werden.
Namentlich als Britisch-Neu-Guinea unter
dem Namen Papualand zu einem Glied
des australischen Bundes erklärt wurde,
und hiermit die unmittelbare Nachbar
schaft zwischen australischem und deut
schern Besitztum in Neu-Guinea hergestellt
worden war, nahm die Hetze gegen ver
meintliche unberechtigte Ansprüche Deutsch
lands in der Südsce gelegentlich recht un
angenehme Formen an.
Inner, der frühere deutsche GencralkoN
sul In ihnen, gibt in feiner neuen
Schrift .Vötterdäininerung im Stillen
Ozean' der Meinung Aiiödrnck, wenn
Australien in diesem Weltkrieg an die
Seite Englands getreten sei. so habe die
Entscheidung für diesen Schcitt allein das
natürliche staatliche Interesse veranlaßt,
daß der australische Bund an der Erobc
rirng von unserem TeutschNeu-Guinea
bat. Er nennt es den ersten Akt der austra
lischen Monroe-Toktrin. die alle politi
scheu Parteien Australiens beherrscht.
Es war nicht schwer für Australien, den
deutschen Kolonialbesitz auf Neu-Guinea
i.?eqzuneh,ncn. da die Zahl der Deutsch:
do.t stlbst sch nur auf einige Dutzend be
mißt und aus'cr ganz wenigen eingebe,, j
r.iien Truppen irgkndivelch.'r militärischer!
Schutz nicht vorhanden war, Aber d,is,
I,idert die Australier nicht, selb st kreitä!
u Vuchsorn, übet xt hervorragende!, '
Alskkd V.'ancS.
Leistungen den Deuts, he i , t..lkct zu
berichten und sich gelegentlich i der rohe
stcn und unwürdigsten Weise ihren Ge
sangenen gegenüber zu benehmen.
Der Traum eines australischen Südsee
Imperiums dünkt, durch die Wegnahme
von Deutsch NeU'Guinea den, Australiern
erwirklicht; die gelbe Gefahr dürfte aber
m so drohender sein, als keine großen
Rechentalente dazu gehören, zu erkennen,
wie schwach nach, dem Krieg die Verteidi
gungSkräfte Australiens gegen Japan fein
werden.. Ist an sich die australische Be
bölkeruirg schon ungemein schwach, da sie
auf einem Gebiet, welches 45 Europas
beträgt, noch keine 5 Millionen Menschen
vereinigt, so sind die Verluste der austra
lischen Streitkräste in dem Weltkrieg ganz
ungemein stark. Das ist um so schlimmer
für das Land, als nach Friedensschluß die
Auswanderung nach Australien noch viel
schwächer sein dürste, als in der Zeit vor
dem Kriege, während der abnorm geringe
natürliche Bevölkerungszuwachs in Austra
lien kaiiFi eine Erhöhung erfahren dürfte.
Da wird die Kapitalarmut nach dein
Krieg zufolge der starken Verschuldung
besonders schwer hervortreten und es auch
verhindern, daß die extreme sozialpolitische
Gesetzgebung, die mich einst veranlaßt hat,
in meinem Buche über Australien, dieses
das Land der sozialen Wunder" zu nen
nen, sicher zum Stillstand, vermutlich so
gar zu einer Rückbildung führen wird.
Der jetzige Ministerpräsident Austra
liens, , Hughes, befindet sich gegenwärtig
in London und hat auch als Mitglied der
englischen Vertretung an den Pariser Kon
ferenzen teilgenommen. Er hat durch al
lcrhand temperamentvolle Reden, die aber
in seinem eigenen Land und in seiner eigc
nen Arbeiterpartei lebhaften Widerspruch
gefunden haben, die Aufmerksamkeit auf
sich gelenkt. Denn Hughes begnügt sich
nicht damit, in die bekannten Schimpfe
reien gegen daö deutsche Barbarentum ein
zustimmen und die Vernichtung des deut
schen Handels zu predigen, seinen unbe
dingten Ausschluß aus Australien für alle
Zeiten zu fordern, er begnügte sich nicht
mit negativen Maßregeln, sondern er be
kennt sich als unbedingter Anhänger eines
viel festeren Zusammenschlusses des briti
schen Mutterlandes mit seinen Tochter-
staaten. Hughes predigt vor allem den
schutzzöllnerischen Zusammenschluß aller
britischen Besitzungen und verleugnet mtz
mit die Politik, welche die herrschende
australische Arbeiterpartei bisher vertreten
hat; denn die Handel! und Zollgesetz-
gebung Australiens hat bekanntlich auch
auf englische Waren hohe Zölle gelegt, nur
genoß England gegenüber den Zöllen,
welche die übrigen Staaten, bei Einfuhr
zu zanlm hatten, einen gewinen Mchtag.
Das Gesetz des australischen Bundes zum
Schutz australischer Industrien und zur
Unterdrückung, gefährlicher Monopole,
durch das man eine direkte Förderung der
Interessen von Arbeitern und Käufern,
verbunden mit den der Bekämpfung der
Kartelle dienenden Bestimmungen durch
geführt hat, richtet sich gegen Engländer
genau sowie gegen Deutsche oder gegen
Angehörige einer andren Nation. Mit
diesem Gesetz hat man versucbt, den Aus
schluß des von nicht australischen Unter
nehmern nach Australien erfolgenden Ver
kaufs von irgendwelchen Waren zu Prci
sen, welche keinen Gewinn übrig lassen,
zu bewirken, um auf diese Weise den
Wettbewerb zu beseitigen.
Nur das Gefühl der Beklemmung und
Angst kann den australischen Arbciterfüh
rer dazu veranlassen, im jetzigen Augen
blick alles preisgeben zu wollen, was der
australischen Arbeiterpartei seit jeher als
unantastbarer Grundsatz galt: die gesamte
innere. wie äußere Politik danach einzu
richten, wie der australische Arbeiter so
viel als möglich verdienen könne und so
wenig als möglich zu arbeiten brauche.
Was der Ausschluß des deutschen Handels
bedeutet, merken die Australier schon jetzt
während des Krieges nach den Berichten
ihrer eigenen Zeitungen deutlich: eS fehlt
an einer ganzen Reihe von Waren, die sie
bisher für mehr oder weniger uncntbehr
lich ansahen und die ihnen auch Japan,
das sich eifrigst bemüht, den deutschen
Handel und die deutsch: Schiffahrt zu er
setzen, nicht zu bieten vermag. Wogegen
Hughes sich mit besonderer Erbitterung
wendet, ist die deutsche Vorherrschaft auf
dem australischen Mctallmarkt. die tat
sächlich vorhanden gewesen ist. Nur durch
eine Gesetzgebung, die gegen jedes Böller
recht verst!.' . hat man im zweiten Jahre
deö Krieges in Australien die Stellung
Deutschlands aus dem australischen Markt
zu beseitigen vermocht. Man hat einsach
alle Verträge für nichtig erklärt, die mit
Firmen bestehen, welche mittelbar oder un
mittelbar durch sciudliche Fremde, mögen
sie naturalisiert fein oder nicht, geleitet
weiden. Des weiteren haben Mitglieder
des australischen Abgeordnetenhauses und
zwar durchweg leitende Industrielle und
Landwirte, sich verpflichtet, nie wieder
deutsche Waren zu taufen. Wie lange eine
solche Gesetzgebung aufrechterhalten wer
den kann, uiid wie lange man in Austra
lien ohne deutsche Einsuftr aiiszuiommen
vermag oder geneigt ist, wikddicZutiinftleh-
ren. enn e?,s vurcyaue nnr.i ;ncu uci
Wahrscheinlichkeit, daß die Söhne des M-
lado ohne Wafseiisrrrich.ciiics Tages als
Herren vo Australien auftreten werden,
otine daß England v,el dagegen cii',wcnv,n
wird. Dcnn'daß d:u Japanern irgendein
Ventil geöffnet werden muß, weiß man
in London so gut wie i New Z)ork. und
die Engländer besitze keine Kolonie, deren
Bewohner sie weniger lieben, als Austra
lien, kein Dorninium,' das stiefmütterlicher
von ihnen behandelt wird, als der fünfte
Erdteil. Aber auf den Handel mit Deutsch
land wird man in diesem Kontinent unge
wiesen fein, gHefivicl ob er künftig ,3,1m
britischen Reich g: hört oder zu einer javn
itt!''ii Kolonie wird. Denn c kann kein
Zweifel darüber bestellen, daß Ansiraiien
sich in aller Sinne auch für eine ,nicht
englische Zäunst vorbereitet.
Jer
Wird es möglich sein, nach dem Kriege
wieder friedliche und, wenn nicht herzliche,
so doch leidliche Beziehungen zwischen
Deutschland, und Frankreich anzuknüpfen?
Auf diese Frage werden sicher diele Deut
sch mit einem hoffnungsvollen I ant
Worten: es sind dick die Leute, die ihre
teuren Illusionen nicht aufgeben wollen.
Ich bitte im Voraul die guten Seelen um
Verzeihung, die in ihrer Täuschung eine
so große Freude finden. ES ist mein
giößter Wunsch, da ich schon längst eine
wirklich fruchtbare Annäherung zwischen
den beiden Ländern erstrebe, den Deutschen
daS wahre Gesicht Frankreichs zu zeigen,
damit sie eS richtiger beurteilen können.
Der größte Fehler der Franzosen ist ihre
maßlose Eitelkeit, alles, wa dieser schmei
chelt. vergrößert sie, und nichts ist besser
dazu geeignet, all die Bewunderung für
erdichtete Vorzuge.
Da Gefühl, welches jetzt die ganze Be
völkcrung Frankreichs, von oben bis unten,
von den Alten bis zu den kaum Sprechen
den. beseelt, ist einzig und allein der glü
hende, wahnsinnige Haß gegen Deutsch
land. Nicht Vaterlandsliebe, nicht Ehr
gefllhl. nicht Gedanken an Vorteil verbin
den dort die Menschen, nur blinde Wut
treibt sie zusammen. , Die Dichter besingen
nicht die Größe und die Vorzüge ihrer
eigenen Nation, nur Echimps gegen den
Feind findet man in ihren Erzeugnissen;
jedermann, in den alltäglichen Gesprächen,
glaubt seinen Loyalismus in keiner Weise
besser betonen zu können, als in der Be
Zeichnung der Deutschen mit Gossenaus
drücken. In allen Reden, in allen Flug
schristen. die den Zweck verfolgen, den
Mut der Bevölkerung zu stärken, sucht
man dies durch schmähliche Beleidigungen
zu erreichen, und kann sicher sein, durch
dieses erprobte Mittel die Begeisterung
der Massen am wohlfeilsten zu entslam
men ...
Gewiß, eine solche Erscheinung hat
viele in Deutschland in Erstaunen gesetzt.
Man ist eben zu oft dazu geneigt, beim
Beurteilen des Andern sich selber als
Maßstab zu nehmen. Ein Schurke hak
zu keinem Menschen Vertrauen., und der
Herzensgute ist unfähig, sich gegen die
Bosheit zu schützen, weil er sie einfach
nicht sieht. In einer ähnlichen Weise ist
es den Deutschen ergangen. In Deutsch
land hegte man keine hinterlistigen Ge
danken gegen Frankreich, da man nicht
annahm, daß Frankreich so etwas täte.
Aber jeder Franzose, oder fast jeder, war
vollkommen davon überzeugt, daß Deutsch
land an nichts anderes denke, als an die
Zertrümmerung Frankreichs, daß die Re
gierung in Berlin ewig auf der Lauer
nach einer günstigen Gelegenheit sei, sich
ohne eigene Gefahr aus ihren westlichen
Nachbar zu stürzen.. Nach dem Grund
satz, daß jeder dem andern seine eigenen
Gefühle und Gedanken leiht, brauchen
Sie nur den vorhergebeuden Satz vmivi
kehren, um ein Bild Frankreichs zu er
halten. Ahnungslos bewegten sich die
Kaufleute Deutschlands auf diesem Pul
verfaß; die Lehrer und Gelehrten kamen,
bewundernd und lobend, mit dem Oel
zweige in der Hand, und waren entzückt
über die Liebenswürdigkeit der Leute.
Ach, sie hörten die Gespräche nicht, die sich
nach ihrem Abgang entwickelten, sie sahen
die spöttischen und mißtrauischen Blicke
nicht, die man nach ihnen warf. Um das
zu hören, m das zu sehen, mußte man
selber ein Mitglied der Familie sein. .
Sie können nichi wissen, sie, die von rer
Liebäugelei mit Frankreich nicht lassen
wollen, wie alle ihre französischen
Freunde, die sie kannten und achteten,
unter dem Mißtrauen und dem Groll
ihrer Landsleute gelitten haben, schon
lange vor dem Kriege, als der politische
Horizont durch kein Wölkchen getrübt
schien. Es genügte oft, bloß das einfache
Wort Deutschland auszusprechen, um die
Gesichter sich zu verändern, die Mund
Winkel sich senken, die Augen wie von
einem innern Feuer glänzen zu sehen, um
ein Paar kurze hysterische Lachsalven, und,
falls ein besonders Wütender anwesend
war, mißfällige Bemerkungen zu hören.
Ich, der doch in Deutschland nur offene
Herzen gefunden hatte, der überall, als
man meine Staatsangehörigkeit erfuhr,
ausgezeichnet behandelt wurde, empfand
dieses Benehmen meiner Landsleute stets
als etwas Beschämendes. Ich versuchte
oft. dagegen zu kämpfen, den Leuten zu
beweisen, daß sie sich irrten, immer fand
ich vor mir eine undurchdringliche Eis
mauer. Man warf mir vor, ich hätte
mich gerinanisieri, viele betrachteten mich
als einen Verräter, ja, als einen gehei
men Spion. Der arme JauröS, der das
auch wußte, wurde beseitigt, und wenn alle
seine Gesinnungsgenossen nicht daS gleiche
Schicksal erfahren haben, so haben sie es
ihrer Verborgenheit zu verdanken.
Nicht ein einziges ,Buch, welches in die
sen letzten vierzig Jahren in Frankreich
erschien, können Sie zur Hand nehmen,
ohne von diesem wahwitzigen Haß Spuren
zu entdecken, und dies an Stellen, wo man
es sicher nicht erwartete. Ich spreche nickt
von den Schulbüchern und den Uutcrhal
tungsbüchern zum Gebrauch der Jugend:
sie sind davon getränki, und werden es im
mcr mehr; man kann es an dem wachsen
den Chauvinismus beobachten. Die Ge
neration, die während ihrer Kindheit noch
die alten Bücher las, die vor Ann siebzig
versaßt waren, ist am wenigsten angesteckt,
zusammen mit dem Verschwinden dieser
Literatur verbreitet sich die Seuche. Ich
lasse auch die Romane und Theaterstücke
Heiseite liegen: diese Erzeugnisse sind doch
im Grunde demagogisch, drehen sich nach
dem Winde, und suchen den Erfolg, in
dem sie die niedrigsten Instinkte des Pu
blikums widerspiegeln. Nein, blättern Sie
die am unschuldigsten aussehenden Erzeug
isse der Buchdruckerpresse durch: Hand
biicher der Gavekbe. Aiiffäbc über Kunst,
Zoversat!onsl?rikti, und Sie werden die
interessantesten Erscheinungen waheneb
men. Es scheint, als b das Wort Alle.
nietane oder Ailemand die Eigenfchast bt
säße, die Scham der Leute wachzurufen,'
Laß der Aranzojen.
Von einem Franzosen.
man wagt nicht, eS niederzuschreiben, oder
nur in Verbindung mit unfreundlichen
Redensarten. Einige Beispiele, die mir
zufälligerweise inS Gedächtnis kommen,
mögen genügen, um diesen Hang zu erläu.
tern. In einer Abhandlung über den
Steindruck, die im Jahre 1391 erschien,
wird natürlich von Seneselder berichtet,
jedoch mit dem Zusatz, daß er in Prag
geboren und folglich kein Deutscher sei.
Desgleichen in einem Handbuch der Par
siimerie, wo die Deutschen als Barbaren
bezeichnet werden, die die Blumenessenzen
durch chemische Nachahmungen entwürdig
ten. Ich habe eine Notiz über das Schloß
Chambord in Mittelfrankreich zur 'Hand,
wo anläßlich eines Aufenthalt! deS Mar
fchalls Moritz von Sachsen, der ein natllr
licher Sohn Augusts des Starken und der
Gräfin Aurora von KönigSmark war, die
fer Feldherr als Pole bezeichnet wird,
denn durch einen Deutschen wäre sicher,
in der Vorstellung deS Verfassers, da,
schöne Gebäude für immer entweiht rdor
den. Ich ösfne das große Konversation!
lexikon von Laroussc und suche da! Wort
PangermanismuS. Da wird erklärt, daß
dieses System sich weder auf ein histori
sches Recht noch auf die Einheit der Rasse
und der Sprache, die im heutigen Deutsch
land nicht existierten !), gründe, sondern
daß e! die Freiheit der schon gebildeten
Völker, u. a. der Schweizer und Oester
reicher, verkenne. Ich wundere mich im
stillen, woher die Franzosen selber ihr an
geblicheS Recht auf Elfaß-Lothringen her
leiten, und lese, einige Seiten weiter, die
Ausführungen über Pansiavismus. Da
wird nur Lob erteilt, weder daS mangelnde
historische Recht, noch die Uneinigkeit der
Sprachen werden erwähnt, es wird nur
auf da! Elend der süd- und westslawischen
Völker hingewiesen, die dadurch Grund
genug hätten, ihr Heil bei Rußland zu
suchen. Zwar sind die angeführten Siel
len. jede für sich genommen, nicht sehr
wichtig; bei manchen kann man sich eines
Lächeln! nicht erwehren; doch, wenn sie
ewig und ewig wieder vorkommen, wenn
die Franzosen bei jeder Lektüre verleitet
werden, Deutschland entweder zu miß
oder zu verachten, bildet sich eine Stim
mung. die gewiß nicht nach Liebe aussieht.
Der Wassertropfen allein benäßt kaum den
Stein, wenn er. unaufhörlich erneuert,
jahrelang auf dieselbe Stelle fällt, bohrt
er den Felsen durch.
Die Ereignisse in Nancy und Luneville,
die Theateraufführungen von chaiwenisti
schen Stücken, die Hctzartikel einer scham
losen Presse wurden leider von vielen
Deutschen als Kindereien, als Aufbrausen
eines hitzigen aber doch im Grunde liebens
würdigen Völkchen? genommen. Und doch
waren sie so symptomatisch, daß kein er
fahrener Arzt über den Stand der Krank
heit einen Zweifel hegen konnte. Aber wo
waren die erfahrenen Aerzte? Mitten in
diesen Haß hinein platzte der Krieg; er
fand einen von lange her lorgsaing vvr
f,.TvH?iii Huben, und sofort trieben die
schönsten Blüten des, Schimpfes und der
Niederträchtigkeit. Die Pflanzen waren
aber schon da. obgleich sie noch nicht ge
blüht hatten, war doch soviel Mist herum
gestreut, daß jetzt die Blumen zu wahren
Ungeheuern heranwuchsen. Die guten
Leute, die noch immer an die Höflichkeit,
an die Ritterlichkeit, an die Liebens
Würdigkeit glaubten, waren zuerst sprach
los vor Erstaunen, dann erholten sie sich
nach und nach, und versuchten einige
schüchterne Erklärungen, sprachen von be
trogenem Volke, von Zorn über einen ver-meitiHirt-n
Anariss. und fanden noch der-
gleichen schöne Redensarten und Ent-
schuldigungen mehr, vurcyicn ,,e ,icy, 0
Wahrheit ins Geficht zu schauen?
Heute bereiten sich die Franzosen vor,
noch kräftiger zu hassen, als sie es vorher
taten. Durch alle Mittel der Verleumdung
und der Heuchelei wird der künftige Haß
großgezogen, durch alle Mittel, außer
durch edle und männliche. Nur die Lüge
darf da ans Werk gehen, denn die Hetzer
fürchten sich vor der Wahrheit. Sie
dürfen ihrem Volk doch nicht sagen, daß
hrt stfritidlicfie Rcaicruna daö Feuer so
lange geschärt hat. bis es ausbrach ; sie
dürfen doch nicht aus ven anen ag vor
dem Kriege hinweisen, denn dadurch
kannten vie'llciclit einiae Geister den angeb-
lichen Angriff des Feindes einigermaßen
verstehen. Äian leugnet me,en an. man
h'finnnMt lfm in Liebe: Die kriechenden
Demagogen kramen ihre schönsten Worte
aus und vergehen xn eie,erregenoni
ffirfimpirMfiftt kor diesem Volke, das seit
so langem kein anderes Gefühl kannte als
einen untilgbaren Haß; sie haben die
Stirn, ihm zu sagen, vag es nur ocr ic
fHhin fei: yll-rander Scvv. ein Mitarbeiter
des Figaro", schrieb neulich in einem
Halsen detlletten Arinel ocn so,genoe
,?nt der alle Kenner der Verhältnisse
wahrlich lahm vor Erstaunen legen sollte:
Was. hassen! 'Wir, die wir bezaubernd
und mit einem Himmel bevorzugt sind, der
nur Schönheiten, Blumen und Wohl
gerüche ausstreut! Hassen, wenn das Leben
so kurz, wenn das Vertrauen so unaus
sprechlich lieblich, wenn lvir immer durch
unsere vergessende, zu nachsichtige und lieb
kosende Anmut hingerissen und geherrscht
baben." Wenn man denkt, an welche an
mutiger Geschöpfe dieses süßliche, ver-
worrcne Geschwätz miiunrer gericyier in,
an die Wohlgerüche der Stadt Paris und
nn di? Rmiiennrdbliimen. kann man wahr-
lich ein homerisches Gelächter nicht unter
drücken. Das Schönste kommt aber noch.
.Wir müssen." sagt der Verfasser immer
in demselben Stil, hassen lernen. Nie
mals die Verbrechen der Barbaren ver
gessen, die abgeschnittenen Hände, die er
schossenen Frauen." Und dieser Kerl weiß
ganz genau, daß, ivenn Zivilisten er
schössen worden sind, sie es nur den Haß
predigten von seinesgleichen zu verdanken
haben sowie die Wühlarbeit eines ganzen
Volkes von Ober und Unterskribentcn, er
,,'!& nmii itstii bah die französischen
Flieger jeden Tag in den nordfranzösischen
Städten Greise, yraucn unv inoer
töten, ihre eigenen LandSlnite! Doch wozu
sich erregen; und ein Mann, der in einer
- Kpwuü.
solchen Weise seine Feder handhabt, daß
man den Katalog einer Parfümeriehand
lung oder die Lobpreisung einer neuen
Modeschöpfung zu lesen wähnt, verdient
nicht, daß man sich länger mit seinen Er
Zeugnissen besaßt!
ES sind aber bessere, die denselben
Ton anschlagen, die man bisher al! wahre
Künstler geehrt hatte, alS Leute d Ge
dankenS, alS Dichter, und man ist schmerz
lich berührt, sie jetzt als Demagogen der
niedrigsten Art wiederzufinden. J't) habe
eS beschämend empfunden, neulich in einer
Rede (Kevna hebdornadaire, 25. März
1916) von Wauri Donnay nicht? ande
re! 311 finden, alS in den schlimmsten Hetz
artikeln von Fünfpfennigjournalisten.
Wenn er zu einem erlesenen Publikum pa
triotisch redet, die Gefühle der Barmher
zigkeit und Verantwortlichkeit aller gegen
alle- anruft, wenn er dabei seinen Hörern
die Vorzüge der Einfachheit, die Be
schränkung eines unsinnigen LuxuS preist
und sie beschwört, nach dem Kriege der
Frivolität und dem Leichtsinn nicht wie
der zu frönen, kann man ihm gewiß nur
beipflichten, und ihm Beifall schenken.
Warum aber glaubt er seine Ausführun
gen mit Schimpfworten, Albernheiten und
gemeinen Ausdrücken würzen zu müssen?
Muß er die Deutschen, die er übrigens
so oft wie möglich Joches" nennt, mit
betrunkenen Anthropoiden" vergleichen,
muß er fabeln, daß sie nur den Dröhnn
gen gehorchten, und daß sie wahre Skla
ven feien, daß sie die Menschheit aus
rotten wollten und dergleichen abge
schmackte Phrasen ewig wieder herleiern?
Wenn wir diese Rede sorgfältig lesen und
unS durch die Gemeinheit, die einen bit
tern Geschmack hinterläßt, hindurchgear
beitet haben, merken wir bald, daß ihr
Zweck eigentlich ist, den Haß zu predigen.
Wahrlich, der Mann verschwendet seine
Mühe. Er kommt mir vor wie einer,
der die Neger aufforderte, sich fchwarz zu
färben. Den gehässigsten Menschen der
Erde Haß zu empfehlen! Nur das allein
beweist, wie wenig zurechnungsfähig HS
rer wie Redner sind. Denn sonst hätte
der Redner eingesehen, daß er Bekehrte
bekehren will, und die Hörer hätten ge
gähnt, da der Sprecher ihnen nichts Neues
erzählte. Der eine glaubt aber an die
Nützlichkeit .seiner Predigt, und die an
dern empfangen die. bis zum Ueberdruß
wiederholten Redensarten als etwa? Fri
sches und Belebendes. Es ist also nicht
wunderlich, wenn die Gründe, die dieser
Denker angibt, so arm und Widerspruchs
voll sind. "
Zuerst kommen die nie bewiesenen Be
Häuptlingen, daß die Deutschen materia
listisch, die Franzosen idealistisch seien. Es
genügt, jenseits der Vogesen geboren zu
sein, um ewig an der Erde zu kriechen, und
diesseits, um von der Kindheit an im
Himmel zu schweben. Kant war Materia
list. Condillac Idealist. Die Leute hören
mir offenem Munde auf solche Weisheit
und bewundern ihren gelehrten Phrasen
drechsler. Wie kann man aber, fährt der
Redner fort, von uns Idealisten verlan
gen, daß wir hassen? Nichts ist einfacher,
als diesen scheinbaren Widerspruch zu be
seitigen: wir sollen idealistisch hassen!
Es ist durchaus notwendig für das Heil
Frankreichs und seine leuchtende Zukunft,"
sagt er weiter, daß bei allen Franzosen
der Haß und die Verachtung Deutschlands,
der Deutschen, des deutschen Gedankens
die Kraft eines Instinktes und zu gleicher
Zeit eines Ideales erreiche!" Wie dumm
sind doch die geistreichen Leuie, besonders
wenn die Wut sie leitet! Bewundern Sie
nicht diesen Instinkt, der sogleich ein Ideal
ist? Dadurch, führt Donnay am Ende
aus, bleibe Frankreich dem klassischen Ge
danken treu, der die Mittel suche, in dem
menschlichen Leben das obere über das un
tere Element obsiegen zu lassen, die Ver
nunft über den blinden Antrieb, die Ge
rechtigkeit über die Kraft, die Güte über
die Bosheit. Also, Herr Donnah. soll die
Güte über die Bosheit siegen, indem der
Haß ein Instinkt und Ideal zugleich wird?
Ich neige den Kops, stütze die schwere
Stirn mit beiden Händen, denke nach und
.... verstehe nicht. Oder vielmehr, ich
verstehe, ja, es wird mir blendend klar,
daß bei Donnay die Vernunft weit davon
entfernt ist, den Sieg über den blinden
Antrieb erfochten zu haben.
Der Idealismus, der sich in Maurice
Donnay mächtig regt, führt ihn weiter
dazu, Mittel und Wege zu ersinnen, um
einen idealen Instinkt, oder ein instinkti
des Ideal, wie man will, in den jungen
französischen Generationen zu erzeugen.
Es soll ein Buch gedruckt werden, sagt er.
ein Schulhandbuch, welches alle deutschen
Greuel enthält, und die dogmatische Blut
gier der germanischen Hunnen an den
Pranger stellt. Ich bewundere übrigens
immer die schönen Ausdrücke, wie dogma-
tische Blutgier, die eine so tiefe Bedeutung
haben, daß sie beinahe kaum zu verstehen
sind, die aber die pedantischen und falsch
wissenschaftliche Art vieler Mitglieder der
Akademie treffend bezeichnen; sie nehmen
sich besonders schön aus, wenn sie mit Ge
meinheiten zufammengekoppelt find, mit
Vokabeln aus der Diebessprache. Dieses
Buch aus Blut und Schlamm soll, sagt
Donnay, die Bibel unseres Hasses wer
den, es soll immer wieder gelesen, soll
auswendig gelernt werden. Vortreffliches
Erziehungsmittel, um ideale Menschen zu
bilde! Einzigartige Methode, um Güte
und Vernunft in den Seelen der Kinder
gedeihen zu lassen! Der Hetzer, wenn er
noch einen Funken von Intelligenz besitzt,
was ich noch annehme, weiß, daß diese
Sammlungen von deutschen Greueltaten
ein Gewebe von Lügen sind, er hat sich
selber historisch versucht und bat gelernt,
mit welcher Vorsicht man die Berichte, die
unter dem Einfluß der Leidenschaft ge
schrieben sind, verwerten darf; er kennt
die Psychologie der Massen, und w.'iß,
wie wenig Gewicht ein erfahrener Richter
auf Zeugnisse zu legen hat, die von erreg
ten Leuten herrühren; er hat tausendmal
gelesen, daß eine Sache immer von den
beiden Seiten beleuchtet werden muß. be
vor man ein Urteil fallt, und trotzdem
rm-f. qHi'Sk- 9
Der Zlelierlänjer.
Kricgsepisode von Arthur G. Abrecht.
Tort, wo die Pin sich unter dickem Ei
hinweg ihren Weg nordostwärt! sucht, wo
weiß der seichte Sumpf sich breitet, weit
hin in , die schneeigneblige Unendlichkeit
Rußland! hinein, dort haben er und die
Seinen sich in des Morastes Einöde auf
einem Jnselchen, nicht viel größer alö der
Buckel eine! Elefanten und ungefähr von
derselben Farbe, einen Unterstand gebaut.
Stamm türmte sich auf Stamm, und bald
war ein Blockhaus au! russischen Kiefern
fertig, wie'! schöner nie in der ganzen
Rußlandei acsianden hat. Aber der Ober
leutnant hatte eh schon geschimpft, daß sie-
ihre Villa gar so protzig dahingestellt
hatten, und wa! sein muß, daS muß sein.
Also türmten sie den russischen Dreck um
die Blockhütte.
Dort führte er das Kommando. Er ist
Unteroffizier, hat den Chinafeldzug mit
gemacht und ist schon damals wegen Tap
ferkeit vor dem Feinde ausgezeichnet wor
den. Er stammt aus den bayerischen Ber
gen. Eigentlich ist er Kavallerist. Aber
wie so ziemlich alle, hat auch er in d'.esem
Kriege umgelernt und ist vom Roh her
uniergeftiegen und in den Graben gekro
chen. Der Oetterer war wieder zündeln" ge,
gangen. Wenn er zündeln ging, und daS
tat er oft und gern, meist allein, zuwei
len ober mit ein paar glcichgesinnten Ka
merken, dann nahm er selten sein Gewehr
mit. Dafür aber ein hirschfängerartiges
Messer, das er in den Stiefel steckte, und
ein paar Schachteln idireichyoizer. unv
wenn dann draußen im weiten Sumpf
land, dicht bei den am weitesten vorgescho
denen Stellungen deS Feindes, die hochge
schichteten Haufen SumpfheuS aufflamm
ten und hell die Glut gen Himmel loderte,
dann wußte man in ganz Pinsk und die
Pina hinauf und hinunter: der Oetterer
ist am Zündeln. Das mit dem Heuyauten
war fo: die pflegten die Russen sogar am
hellichten Tage Mit Schlitten und Gespan
nen hereinzuholen. DaS wär' dem Oette
rer eaal aewesen. denn er gönnt auch den
Russenpferden. waS ihnen zukommt. Aber
daß die Russen es gelegentlich risner
im fHiitntTi" hinter fn einem ßeubsllli
sen' ju verstecken, und daß besagte Äa-
trouille hinter dem Heuhaufen hervorschoß
und die eigenen streifen ihres eoens
nicht sicher waren, das war's, weshalb der
Oetterer so süchtig war aus die braunen
tapel.
Der Oetterer kennt den Pripjet-Sumpf
wie er seine Burg im Morast kennt und
daheim sein: bayerischen Berge. Was er
nicht sieht, das fühlt er, wenn er sich be
hutsam. Schritt vor Schritt, vortastet. Der
Oetterer ist schon bald einen Kilomek
vorgedrungen. Ganz langsam, ganz rx
butsam. Eine Stunde hat'- wohl acdait
ert. Jetzt ist er im Röhri,!. Da richtet
er sich vorsichtig aus und späht. Drüben
bei dem dreieckigen Zelt steht der russische
Posten. ,, Steht still, mäuschenstill, wie an
gefroren.' Jetzt. waS war denn dös,"
denkt der Oetterer. wie sein fcharfeZ Auge
sieht, daß der linke Arm des Russen sich
hin und her bewegt, als flattere ein leerer
Aermel im Wind. .IS ven: woyl scyon
gar, der Arm abg'falln und steht er als
steife verfrorene Leich' da, oder Was ist
los mit dem da drüben?
Fuß vor Fuß. Tritt vor Tritt. ES ist
so still, so totenstill. Nur wenn von der
eisigen Weite drüben ein Windstoß kommt
und die Schilfhalme raschelnd aneinander
schlagen, dann geht ein geisterhaftes Rau
nen durch die Stille, als flüstert; es auS
unbekannten Regionen. Den Oetterer
freut'S, daß ein bissel ein Wind weht, und
gar, daß er ihm entgegen weht. Da kommt
was hinter ihm her. Ganz sacht, lautlos
fast. Aber er hötrs. Und weiß auch all
sogleich, daß' es sein Schnauzl ist, sein
Hund, der ,hn seit dem ersten Augusttage,
als er ausgezogen, begleitet und Brest-Li
towsk und Warschau und vieles andere
Große mitgemacht hat. Der Sakra, der
ölendize." denkt der Oetterer, jetzt is er
ehna auskemma". Weil er weiß, daß der
Schnauzl in der warmen Stube den gan
zen Abend über nur auf den Moment ge
lauert hatte, biL einer der Kriegskamera
den die Tür mal auf einen Augenblick
offen ließ. Jetzt kriecht er heran an den
Oetterer. Geduckt, als erwarte tt Schelte
oder gar Schliirimercs. Er weiß wohl,
der Sakra", daß er dem Verbot zuwider
gehandelt hat. Aber der Oetterer ist zar
nicht wütend. Er tätschelt dem Schnauzl
den Kops und sagt eanz leise: Na, weil
d halt schon da bist, Spitzbub vermaledel
ter, is schone guat, aber wannst oan Ton
von Dir gibst, dann huit hast rni ve?
schreckt er nicht davor zuru, eine Folie
von nichtswürdigen Klatschgeschichten als
Bibel der Zukunft, als Erzichungsbuch
für die ganze Jugend einer Nation, die
sich für eine Leuchte der Menschheit aus
gibt, zu gründen! Im Mittelalter ver
brannte man die Brunnenvergifter, welche
Strafe wäre für den Mann vassend, der
danach trachtet, diesen klaren Brunnen
der kindlichen Seele 1 besudeln und zu
vergiften?
Jedenfalls werden die Deutschen wissen,
welche Gefühle sie von dem französischen
Volk in Zukunft zu erwarten haben. Sie
werden auch wissen, mit welchen Mitteln
sie diese Gefühle bekämpfen werden. Ge
wiß nicht mit weitern Schmeichelt.
Eine ernste, männliche und feste Haltung
wird da am Platze fein. Der Franzose
hat sich selber aus der Reihe der hoch
kultivierten Nationen entfernt, er hat sich
zu "den Kindcrvölkern, zu den Wilden, die
er jetzt für seine Verteidigung anruft,
erniedrigt. Mit Nachsicht, aber mit
Wurde und Strenge wird er zu beyan
dcln sein. Schreiende und keifende kin
dische Weiber würdigt man nicht im?
vernünftigen Antwort, man versucht nicht.
sie mit Gründen zu überzeugen. Viel
leicht wird dies nutzen; nach und nach
werden die Leute, isoliert und dieser Be
wunderung beraubt, die ihre Eitelkeit
großzog, zu sich kommen, sich besinnen und
sich bessern. DaS möge eine aiinstiae Zu
kunft uns bringen! I
r -mff1 .arvü-3if
S
standen?" O ja, Schnauzl hat Lersian
den -I .
Jetzt schleichen beide vor. Der Schnauzl
voraus, der Oetterer hinterdrein. Da
bleibt der Hund stehen, stellt die Ohren,
schnuppert in der Luft und blickt sich nach
seinem Herrn um. Was hast denn,
Viech," sagt der. DaS heißt, er sagt es
nicht, er flüstert e! nur zwischen den Zäh-
nen hindurch. ES rührt sich nichts. Einen
ganz kleinen, ganz unhörbaren Knurrer
gibt Schnauzl von sich. Oha," denkt der
Oetterer, da is luoi Im Wind." Er
greift nach dem Messer. Wahrfcheints
ein Schleichpatrouille. Konkurrenz."
ES rauscht im Röhricht, als schöbe sich
etwas zwischen den dürren Stengeln hin
durch. Etwa Fremdes, Unbekanntes. Es
kommt ihm entgegen. Es schlüpft aus
dem Schilf und bleibt eine Augenblick
am Rand der weiten Eisfläche. ES richtet
sich auf. wie zum Spähen. Dem Oetterer
sträuben sich die Haare, dem Schnauzl sie,
hen alle Borsten zu Berg, kaum, daß er
an sich halten kann. Meiner Söl', a
Ruß, a leibhastiger lebendiger Ruß." Daß
er kein Gewehr hat, sieht der Oetterer
gleich. Soll er ihn anrufen? Soll er
nicht? Einen Augenblick nur Lberlegts
der Bayer, dann duckt er sich und kauert
sich, sodaß der da draußen auf der schnce-,
beschienenen glitzernden Eisfläche ihn nicht
sehen und nicht wissen kann woher der
Laut kommt, dann ruft er halblaut hin
über: Wer da!"
Wie beim Hampelmann, wenn man die
Schnur zieht, fliegen die Arme deS Russen
in die Höhe, und, halblaut, wie der Oette
rer, ruft er herüber: Ergeben!"
Dös möcht i dir auch g'rat'n ham, du
Lackl!" Fast hätt's der Oetterer geschrien.
Und mit drei, vier Riesensätzen, fo wie
man daheim in den Bergen von einem Fei
fengrat auf den anderen springt, ist er drll
ben und hat den Russen beim Wickel. Der
zittert am ganzen Körper wie daS Schilf
rohr im Nachtwind zitte'.. Hat keine
Mütze auf, keinen Mantel an und ist ganz
unbewaffnet. Aber noch benlr er, es
handle sich um eine Falle, und rasch zieht
er feinen Gefangenen ins schützend: Schilf.
Dort muß er sich ducken. Wannst oamal
das Maul aufmachst, dann ". Das
Messer in deS Bayern Hand spricht wm
Russen eine beredtere Sprache als der
Deutsche. , Er muckse nicht, während der
Oetterer vorsichtig sich aufrichtet und
späht. Nichts ist zu sehen. Blos der
russische Posten steht noch drüben, stumm
und still und steif, und fein linker Aermel
flattert im Wind. Grad wie vorher.
Jetzt schleichen die drei durchs Sumpf
gelände. Genau so vorsichtiz, wie der,
Oetterer vorhin allein geschlichen ist. Der
Ruß' voraus, hinter ihm der Oette"er, der
Hund daneben, dicht auf den Fersen des
Gefangenen.
Bald sind sie an der Burg im Schlamm.
Die gänze Besatzung" ist gleich auf den
Beinen und beschaut sich, was der Oetterer
mitgebracht hat. Sie durchsuchen ' den
Russen und finden nichts bei ihm als ein
ovales Metallschildchm mit einem Heili
genbild drauf und ein par abgezrifsene.
beschmutzte, an den Rändern ve.- Umschläge
ausgefranste aber uneröffnete Briefe.
Am Morgen marschiert der Oetterer
seinen Gefangenen ne:ch PinZk hinein zum
Kommandierende,!. Ein Dolmeier wird
geholt und der Russe wird ausgefragt.
Ein Ueberläuser? Einen Ueberläufer
hob i verwischt? Pfui Deixel," sagt der
Oetterer.
Der Russe war auf Posten gewesen.
Da war ihm der Gedanke gekommen, zu
den Deutschen hinüberzugehen. l? t habe
sein Gewehr mit aufgepflanztem Seiten
gewehr in den Schnee gesteckt, aU seinen
Mantel ausgezogen, mit Schnee eingerie
ben, ihn eine Weile gehalten bis er in
Mannesbreite steif gefroren war, ihn dann
ans Gewehr gehängt, die Mütze ondraus
gesetzt und habe sich datongeschlichm.
Was cs mit den Briefen, die man bei
ihm gefunden, und die der Oeiterer abge
liefert, für ?in, Bewandtnis habe, wurde
der Russe gefragt. Die ftien von seiner
Frau. Warum er sie nie geöffnet hac.
sie wären doch fast ein Jahr alt, wie der
Poststempel zeige. Er selber könne nicht
lesen, sagte der Gefangene, in sein.: gan
zen Kompagnie sei nicht ein Einziger, der
das verstehe, und an einen der Offiziere
habe er sich nicht herangeiraui. Man
könne doch nie wissen, wa! die Frau einem
zu sagen habe. Zuerst glaubte man dem
Russen nicht, aber als der Dolmetsch die
Briefe vorlaS, wurde es ganz still in dein
Raum, und man hörte nur daS S l'ch
zen des Russen, der zum ersten Mal seit
einem Jahr wieder von Lieben In der
5 imat Kunde ehielt, Kunde, die ein Jahr
alt war.
Akurat wie der Schnauzl, wann ihm
oaner aus den Schwanz !ritt, f hat er
g'heult," sagte der Oetterer später, ah er
den Kameraden die Geschichte erzählte.
Aber davon, das; der Kommandierend: sich
mit einem Mal für irgend etwas, was
draußen vor dem Fenster vorging, ganz
auffallend interessiert, und oovon, da-,', er
selber, der Oetterer nämlich, sich g,,nz un
gebührlich laut geschneuzt hat!e, so daß
ihm nachher die Augen ganz rot waren
und ganz sonderbar glänzten davon hat
er den Kameraden nichts gesagt, de" Oel'
tcrer...
Die Juqend ist so liebenelnürsie,.
daß man sie anbeten müßte, wenn Seele
und Geist ebenso vollkommen wären als
der Körper.'
Die wahre Regierung muß einem
fruchtbaren Sommerregen gleichen, der
das trockene Land befeuchtet, ohne daß
nian ihn Hort.
Es ist leichter, Schweres zu tun,
wenn man noch Schwereres erwartet hat,
als Leichtes zu tun, wenn man noch Leich
tereS erwartet hat.
Kürzlich wurde aus der Raralpe ein
Denkmal des Generalobersten Conrcid .
Hoetzendorf enthüllt. ES ist ein Überlebens
oroßks Reliefb'ld, das in eine F?lSw,i!'
eingelassen wordin ist.