Tägliche Omah, ktliünt . Der Fliegerangriff. von Aarl $v. Z?owak. 2 1 i e st , Cslan 101 'J. Nachmittagsschlaf übet der ganze,, Ctabt. Tot ließt die lay,ix OSuiitDe, mit leten, motten Fenster ba 'UMiilcipio. RegungSloL aus bm Glmscii darüber, mit Verschlafenen ftliialn unb einnniifitai Köpfen, ein Schwärm önti Tauben, nn deren Fütterung ut stllni einet beult, Foul an die Glastür gclrhnt, schlaft drüben bet Barbirr Im G testen, Manch mal, wenn von bet UJiafe her, don ba See het,' bie dennoch keine Meile träufelt, (iit laset Wmdituch foiuiiit, jiiiiut uu merklich bie Fächer bet Palmen, die da grllnk Blumenboetclt umrahmen. Ni.' mand an den Kaffeehaufitifchen vor ben Atkaben. Ab und zu bleierne, Tropfen n bet Glitle bie hallenden Schläge bet Rathausuhr. Bot bcn Spiegelscheiben bet Alltistellung noch immet da kleine Fräulein. Alö hätte sie sich seil gestern und hnr.vsfrn nrrfif hnn hi-r Citüt nn kühlt. Wa! für eine Ausstellung. Gigno tino?" Bilbet, Gignote, Bilder von Tricsicr Künstlern." Eine Rnnbe burch den kühlen Nanm. Hasenbilbet und bie ssischhalle. wie sie in trieben war, Goldschmicdearbeitcn und Miniaturen, bann, miedet das Modell zu einem Denkmal aus Doberd. Nirgend diel Schwung, nirgend viel Ku'nsllcrschast, vom Süden kein heifzct ffarbenslrich. Aber die Eignorina ist siebenjährig, iht Augen sind voll Fröhlichkeit und Ueber mut, helle ttlockkn, schwingen in ihrer Glimme. Sicherlich ist sie froh, bah sie Mit irgend jemand sprechen kann sie Plaudert und sie plappert: Lange war ich, biZ vot 14 Tagen, gat nicht weit vom Plateau ... In einem kleinen Dorf hin '.rt Toberbo: Bei meinet Tante . . . O, das wat ein Lärm ben ganzen Tag und jede Nacht. Und so schön war das. Gig nora, und so lustig Jählings steht, wie stc's ausspricht, in meinet Erinnerung eine galizische Land schüft. Balbina kommt mir wieder in den Gin: vot einem Jahr war's im Mai, mitten im Botmarsch zu Blazowa tn &a lizien. Mt kamen rechts ins Torf hin ein, links liefen die Russen noch zum Dorf hinaus. Buch Balbina war sicbzehnzah ng, auch in ihrem Sümmchen waren helle, jubelnde Kinderglocken auch sie hatte es damals so geschildert, mit bli senden Augen, froh und voll Uebermut: Und dann kamen unsere Soldaten bort iiber die Hügel. Es wurde geschossen, immer nur geschossen , . . Und das war ss schön, wie unsere Soldaten kamen, mit dem ganzen Lärm, ben ganzen Tag und bie ganze Nacht, so schon unb so lustig ' Die alten Männer, bie zu Hause bl'.iben müssen am Rande deZ Krieges, die Alten in unmittelbarer Kano nennähe sind alle wortarm und fast ge druckt im Blick. Die Frauen haben kein Lachen in den Städten, deren Hauset un tetm Geschützkampf beben. Abkt in ben jungen Mädchen hat bet Krieg an bie Heiterkeit nicht tasten können. Ueberall ist ihnen da! Lachen, spät im Kriege noch in Zutrauen und ein Rausch geblieben. Sie denken nicht an Sterben. Sie blühen weiter, wie die Blumen blühen, darußen auf den Feldern, übet die die Granaten sausen. Und schimmern und leuchten: auch wenn die Haubitzen dröh nen. .Fürchten Sie sich, denn gar nicht, Sig noriita?" Die Tut wird aufgerissen. ' Verwor reneS tönt herein. Irgend etwas ist auf ebrocken in der Stadt. Bia . . . Via ... Sie kommen! Eins zwei drei Captoni ..." Plötzlich ist die ganze Stadt aus dem Schlaf gerüttelt. Ein wildeS Rollen, Knallen und Tonnern hebt an, schwillt in, zwei Augenblicken zu hundertsiimmi gein Chot und fegt auch schon in klirren, den Scherben die ganze unwahre Stille vot sich her, von der man jetzt erst spürt, wie sehr sie nur ein Lauern, ein Horchen und Warten hiutet geladenen Geschützen wat. Det Schrei der Abwehrbattericn iiberrast plötzlich die Stadt aus allea Richtungen. Sekundenschnell fallen die Schläge, sie fallen ineinander, sie jagen hintereinander her, nur die Maschinen qewehre sind manchmal noch aus dem Gc stach herauszuhören als unsichtbare, tönende Schnüre, aber doch unwillkürlich als Schnur empfunden. Sie springen, sie knirschen und zischen quer in die Luft: Ritt . . . rt . . . tr . . . Ra . . . Rrrrrt ... Und wieder ein neuer Klang in dem plötzlich losgelassenen Chaos, gläsern und schrill. Aha: die ersten Schrapnelle . . . , Sie sind jetzt alle auS den Häusern ge rannt. Sie sind alle toll und verrückt, sie hocken nicht hinter Tür und Tot, in bombenfesten Kellern t nein: sie steigen auf die Stühle vor dem dose Spccci". Det, Barbier ist auch aufgewacht und sucht, die Hand vot den Augen, den Him mcl ab. ' Es wimmelt auf der Piazza Gtande seit einer Minute von Menschen. Es ist wunderlich, wie die Tauben er schreckt von den Simsen aufgefahren sind, wie sie unsicher flattern und schwe ben, wie sie auf einmal nicht wissen, wo hin, ratlos in dem Höllenlärm. Sie wol leu zum Platz hinab und es sieht aus, als fielen sie alle von den Simsen herunter, in einer schiefen, verworrenen Kette. Und auf einmal ist auch die Bewegung der Menge auf det Piazza. die Furcht und Flucht det Menschen genau so, wie die tat lose TaubenkeHc. Denn es gibt nichts meht zu lachen. Die Neugier wird Anflst, denn oben hoch oben sind schon die ersten Flieget da. Langsam schweben sie, sehr gemessen und unbeirrt, vom Meer her iioer die Stadt, zwei große, fchmete. schwarze Döc,el, hinter denen die Sonne steht, dunkle Raubslieget von aufreizender Gelassenheit, die ruhig sich die Opfer wäh len. Durch die Menschen peitscht ein un sichtbarer Sturm. Sie schäumen h grö len Bogen rechts und links, wie Wellen unterm Wind in krausen, schnellen Linie über ben Secspicgel flüchten, sie schäumen im den Uferbord der Hauset zurück. Aus dem ffliegerpaat abet sind v!et Flieget, siild sechs Flieget geworden. Sie kom men von drei Seiten, jetzt sind sie alle da, genau Über det Stadt. Da Schieben und Böllern, die Ab wehrgrschiitze und die Maschinengewehre sind endlich ein atemloses Fauchen, ein Poltern und Krachen ohne Sekunden Unterbrechung geworden. Das Echo aus rcm Meer haut wie aus eine große Trom mel drein, dann kollert und rollt es tsstch das Winkclwerk dct Straßen, das, die F.'nstct klirren. Lbcrlaut. wie durch einen Holzlraui. Die Menschen steigen nur mehr auf die Stühle dicht a der Kafsechauswand. Viele renne in die offenen Tore, rennen in Panik davon, ober im nächsten Augen blick kommen sie doch wieder zurück: Wo sind die großen schwarzen Böget? Ge rade iiber uns? Oder schon darüber hin loen,? Die Neugier treibt sie aufs neut, läßt sie immer wieder stärket kreiseln olä die Furcht. Mitten auf dem Platz allein ein altes Weib. Stumm steht es da, starrt wie versteinert zu ben schwarzen Untieren empor. Bor den Arkaden spannt ein Heer Im Äehrock seinen Regenschirm auf. Pia lacht. Wegen der Schrapnell stücke" Die Beleuchtung ist fahl geworden. Drüben stchbie Sonne genau so, bah sie den Abwchrkauonieren, all den Leuten on den Maschinengewehren in die Augen fallt, mit einem bleiernen, maltflimmri gen Glänzen hinter Dunst und Schwelen, aber stark genug, um nicht in ihren Um kreis schauen zu können, wo die Flieget gleiten. Ueber der 'Stadt dichtgcballtc Wolken, Grau und kalt. Und mitleidlos, wenn die Flieger zielen wollen. Auf einmal fallt irgendwo ein schwerer Schrank herunter. Ein dumpfes Auf schlagen, das am Boden kleben bleibt. Eine riesige Bücherkiste, die auS den Fu gen kracht. Jemand krallt sich in meinem Arm. Halloh? Es ist Pia. Bombet!" schreit sie auf. Mehr über rascht als bange, mehr aufgeregt. Und noch einmal, noch einmal, noch einmal. Ein Dutzend Bücherkisten gehen rechts und links, neben unS, hjnter uns aus den Fu gcn. Bomba! Bomba? Bomba!' Jetzt schreien sie es von allen Seiten, und Pia, zitternd vom Erlebnis: Ecco . . . dort oben . . . alle sechs!" Die Schrapnelle besäen den ganzen Himmel. Oben ist ein Ballett. Rauch flocken tanzen, Rauchbälle fliegen in der Luft. Sie wehen als Schleifen und Bän der, einmal ist's sogar ein großer, weißer, geometrisch tadelloser Ring: immer näher, an den schwarzen Flieger ., . . Einmal will einer tiefer gehen. Da platzen die Schrapnelle unheimlich nah schleunigst geht er wieder nach oben. Jawohl, euch herunterzuholen, mit Abwehrgeschützen und pfeifenden Maschinengewehren, die Sonsie obendrein im Gesicht, ist mehr als schwer. Selten gelingt dies Zufällige. Aber so sicher, so haarscharf gefährlich schießen doch unsere Leute, daß ihr gern dort oben bleibt, 3000 Meter über den! Dächern! Und ein Kampfflieger steigt auf. schraubt sich höher und höher. Einer gegen sechs ... Ein Ticken und Tacken von oben her. Jetzt beginnt auch unser Flieger seine Arbeit. Er hat das Gefecht sofort aufgenommen. Die sechs Caproni schweben nunmehr genau über der Piazza Grande. Eine Windwelle fegt die Menschen auf die an dere Seite. Das alte Weib auf dem Platz schrickt, sie setzt sich in Trab. Ein Pins sein und Knattern. , Schropncllfetzen ha geln auf den Platz, FUllkugcln kollern und rollen herum. Ein echter, rechter Gassen- bub, achtjährig, mir braunem, lustigem Spitzbubeugesicht, den Glimmstengel im Mund, einen Korb mit Gipsfiguren in det Hand, bildhübsch und schmutzig, Sa vostardenlnabe ohne Salonmalerel. zieh! endlich die eine Hand aus der. Tasche. Be ginnt kreuz und quet übet den Platz zu laufen. Et sammelt Schrapneustucke und Füllkugeln. Und jetzt sammeln alle Leute. Klirrr ... Ein Platzregen von Eisen. Ein Stuck schlägt an einem Telegraphenmast. Gcspensterhaft ist der Klang: ein zersplit terndes Glas, scharf und hell und kalt, nicht zu überhören. Tückisches und uner wartet. Bon irgendwo her . . . Und die Symbole haben recht: so rührt er einen an . . . Ruhevoll steuert ein Auio vurcu die Streulegel. Ruhevoll und unbelüm wert. Rundum klirrt es. Aber es ist ,a nichts . . . Der verwundete Offiziet im Auto lächelt. Und dann gleiten die Flieget davon. Schneller, immer schneller, übers Meer weg. Und unser Flieger treibt sie: Einer die sechs . . . Die Stadt aber ist schon wieder totenstill. Vorbei das Gewitter. Dreißig Minuten waren sie über Triest. fünfundzwanzig Bomben warfen sie. Da- hin und dorthin, in die Salisianerkirche: fünf Kinber tot, viele blieben mit zersetz tcn Gliedern. Wer weiß, wie viele starben." sagt Pia. Nachdenklich ist sie doch geworden. Aber wir holen uns bald die Vergeltung." Sie sperrt den Laden der Ausstellung. Jetzt geh' ich schnell zur Mama. Sie hat sicher wieder geweint." Aus dem Molo San Carlo spähen nocq mmer ein paar Mensckien in die Weite. Nichts mehr zu sehen. Die Sonne zer reißt den Duft und kommt hervor. Und der Abendkorso beginnt. Der Anfang der Erziehung fällt schon in jenen Augenblick, wo das Kind ans Licl't und mit der umgebenden Welt in Berührung tritt, und wo die Liebe pflegend und leitend auf dasselbe wirken kann. Die Zögerung beim Ueberlcgen, ob ein Wunsch zu gcwayren, eine Bitte zu erfüllen fei, wird häufig durch -den schein vermehrter Bereitschaft, den Ueberschwang' der Zusage wettzumachen und zu massieren gesucht. Die Erfahrung lehrt, daß burch Liebe weit mehr ausgerichtet werden kann, als durch knechtische Furcht und durch rm uu . Prichrt et. trottet fi, ilir ftanoiiitr. iüeiiei 0i'uet, ui et tonnest, tun r Irrtest, (colMtriill'o.) Rank aus dem Stroh. Rauf ans den Schinder. Waschen und Frühstück sinb ueverslutz unb Wohlleben. Kultur ich verlache bich. .An bie Pserde." .Fertig zum Aus sitzen." .Ausgesessen." .Batterie zu einem rechts brecht ob marsch," .rechts schmentt marsch." - Wenn man den Sattel wieder eine Weile unter sich knirschen hört und der Säbel leise klirrend an bie Bügel schlägt, bann kommt wieber Stimmung. Immer vorwärts. Nur zeigen, wa man gelernt hat, zeigen, baß man ein Kerl ist. Der Tag kommt unb für viele wird es Nacht werden. Finstere, lange Nacht. Trotzdem ist einem leicht zumute leicht und sicher. So aufgeblasen das klingen mag, aber es ist so. Man kennt die Gc fahr noch nicht. Es dauert ziemlich lauge, ehe der Soldat das Wesen des Krieges ganz kennen, lernt, ehe det Schändet in grellsten und gräßlichsten Farben deut lich wird. Die Kugeln, die da treffen kön neu, nun ja 'davon macht sich ein jeder ein Bild. Aber das andere, das ahnt noch keiner. Und überhaupt in dem Kriege. Und die Kugeln. Aber warum soll es benn gerade dich treffen? Schließlich, mixn es trifft, gibt es doch viele Aerwundctc. Warum gleich totgehcn! DaS Totschießen ist ja eine häßliche Sache. Aber noch lebt man ja, noch kreist das Blut. Im Augen blick des Einrückens in die große Schlacht ist jeder aller Sorge ledig Warum denn eigentlich? Das Persönliche tritt , scharf in den Bordergruud, dann bie Span nung, bie Erregung und der Augenblick. Das alles nimmt einen so in Anspruch, baß Gebanken nicht weit fliegen können. Unb gut, baß eS so ist. Im fahlen Morgen kommt ein franz'öst sches Dorf. Die Fensterhöhlcn in ben Branbruinen grinsen so irmein. Schweine und Kühe laufen, nach dem Stalle su chend. auf der Straße umher. Bor einem zerschossenen Hause sitzt ein Hund, auch den Trümmern noch treu. Er verkriecht sich angstlich. Katzen streifen umher. Das ganze Bild ist so unsagbar traurig. Tore hängen aus den Angeln schief und zerbrochen. Det Krieg hat angeklopft mit hartem Knöchel. Und auf sein Po chcn sind die Bewohner geflohen sinn los, planlos und arm ganz gleich wo hin nur sort. Hausrat liegt aus ver Straße. Weggeworfen haben die Men schcn das alles s und es gehörte ihnen doch: sie hingen daran. Born ist es Imon lebendig. Es beginnt. Die Kanonen bellen in der Frühe wie hei scre Hunde. Noch ein Dorf vielmehr seine traurigen Trümmer. Vielleicht ein trafgericht. Oder lag es mitten im Kampf? Weiter immer weiter dahin, wo donnert. Alle Augenblicke schreit es von hinten: Rechts heran. Autos kom- men von allen Seiten geiagt. Wagen und Kolonnen traben. Kavallerie reitet. ,m mer rechts heran." Ich reite vor die Bat terie. Am Straßengraben liegt ein To tcr Ein Franzose. Er ist durch den Leib geschossen und liegt auf dem Rücken. Im bloßcir Haar spielt der NIorgcnwind. bein? Finger haben sich im letzten Kamps in den Rasen gekrallt. Sein Gesicht ist. qelb ganz gelb, und weit und starr stehen seine Augen offen. Der ganze Tote ist ein Bild der Anklage, das furchtbar mahnt: Warum? Man müßte so viele still bei der Hand nehmen und sie einen Augenblick an den Zoten stellen manch Unzufriedener würde still werden und zu frieden, mancher Sinn würde sich'wcnden! Weiter! An einer Gartenhecke liegt gleich ein ganzer Haufe. Alles Franzosen. Sie liegen durcheinander, wirr und bunt. Da ein blutiges Gesicht, da ein Arm, ein Stiefel, eine abgeschossene Hand , det blutige Stumpf ist nach oben gereckt. , Da zwischen leuchten die roten Hosen und wei ßen Gamaschen. Schlecht paßt das Bunt der grellen Uniformen zu den gelbblassen Gesichtern. Man kann fast kein Mitleid haben mit den bunt ausgezogenen Leichen." Die Farben passen nicht zum Ernst des Todes. Sie sehen so verzweifelt unschön ans. Denn auch der Tod ist etnst und schön. Abet die buntbehosten Feinde ha ben etwas von einem Schauspielet in einet Komödie an sich. Im ganzen wirkt det Massentod det bunten Franzosen gräßlich. Ein Befehl reißt uns aus den Bctrach tungen. Ein Gefechtsbefehl. Schon saust der Hauptmann los und erkundet. Wir halten und warten auf das, was kommen soll. Das Kanoncnfeuer rollt immer stär ker. Dazwischen ein unaufhörliches Trom meln ein Rasen und Ticken Jnfan tcriefeuer. Deutlich hört man das Tack-Tack-Tack der Maschinengewehre. Sonst vergeht jedes Geräusch in dem großen, wirren und wahnsinnigen Knattern. In fantcrie zieht nach vorn vorbei im Eil schritt. Sie rufen uns zu. ,W!r rufen und winken. Immer feste druff!" Den armen Kerlen hängt fast die Zunge zum Hals heraus wet weiß, von wie weit sie schon kommen. Aber auch die langen, grauen Schlangen der Bataillone drän gen vorwärts, über Stock und Stein, alles mit erhitzten Gesichtern und vorgebeugtem Kopf. Wie vor uns das Feuer rast! Man hört kein Knallen mehr, kein Rollen nur ein einziges Brodeln und Pfeifen. Es heult und rasselt. Feuer spritzt auf, Flam men und Rauch. Immer neue Infanterie kommt; sie biegt von der Straße ab und marschiert querfeldein. Marschiert nein, läuft läuft; ein Waldstück nimmt sie auf. Rechts vor uns in der Luft erscheint ein kleines Wölkchen noch eins Tioch eins. Mein Pferd zuckt nervös zufam men. Schrapnells aber sie tun uns noch nichts. Da kommt der Meldereiter von vorn; sein Pferd fchäumt. Endlich ein Befehl. Und vorwärts geht es. Die Batterie trabt an, die schweren Gäule pu sten und schnauben, die Peitschen klatschen. Der Trab wird immer länger. Zuletzt Ikht Siiil'nt feilbct eilten ?ilifcfnitt bc ync .Ic? Jiif(K McfiAl" von Chrrliitt miiit meniiwi, in nur bei Gcrkard clalliitfl in CINMtbiitd i'tlitirilim wirk, ' Äon tii-t Cmtif IrblMtr tti)Cfltri: und nnickaI,cher ilsrru!ia. die bett äifiiati aiiäüciamcl. 4cuat auch diese Probe. i ... Die große Macht'). sagt die ganze schwere Batterie Im Stech trab. Der Teusel ist in alle gefahren. Selbst der lange Trab artet au, aber ich bin selbst daran schuld, denn ich jage vorneweg. Zuletzt ist ein schöner Galopp da , die Batterie if nicht mehr zu hal ten, denn der Drang nach vorwärts ist stärker, als alle andere. Mit Mühe nur kann man das Rennen kurz vot bet Feuer stellung verhalten. Wir fahren geschlltz weise ein. Abprotzen, Es ist eine ver deckte Randstellnng, Eigentlich für schwere Artillerie nicht richtig. Bor uns ein gro ße Haferfeld. Die guten Lehren des Schießplatzes und der Aucbildung scheinen vergessen zu sei eine gute, brauchbare Stelle ist nicht in der Nähe. Eile tut not. Die Geschütze werden Ins Haser seid hineingezogen. Die Batterie steht ohne Deckung frei vor dem Feind. Es ist eine ungewohnte Sache für unsere Kerls, Die sind gewöhnt, in dichtem Wald oder hinter einem Berge zu stehen und zu feu ein, ohne einen Feind zu sehen und ohne zu wissen, was vorn am Ziel los ist. Wir sehen den Feind vor uns, das heißt die Wälder, in denen er steckt und aus denen das verderbenbringende Feuer bricht. Die Schrapuellwolken werden immer häufiger, sie kommen immer näher mit ihrem Kfleitßlichen Niesen. Ein paar Infanterie salven fegen verirrt über uns weg nicht für uns bestimmt. Die Kanoniere reißen die Augen auf, aber es wird niemand ge troffen. . Endlich kommt ein Kommando durch die Jernsprechleitung endlkli. Es ist eine Erlösung, Mit einem Ruck fliegen die Bei schlusse auf. Die Schrapnells fahren in die Rohre. Einige Selnnden nur, dann Erstes Feuer!" Ranch und Feuer spritzen aus dem langen oyr ei markerschütternder Knall kurz, abgeris sen und jäh ! Das Erste" hat das erlösende Wort gesprochen. Und wie die Kanoniere arbeiten. Die Kerls hahen ordentlich Freude. 'Das ist auch eine Wonne für den Richtkanonier er sieht seinen Schuß einschlagen. Ein Jauchzen kommt von den Kanonen. Zweites Feuer!" Der Schuß klatscht. Hurra brüllt die Mannschaft. Und dann ein rollendes Feuer aus den vier Schlünde. Es ist eine Lust, Soldat zu sein, wenn es auch barbarisch klingt. Wie die Kerls arbeiten. Im Aug'nblick folgen die La fetten jeder Scitenänderung das Hoch kurbeln der Rohre grenzt an Taschenspie lerei. Die Gesichter tropfen von hellem Schweiß die Augen weiten sich Schuß auf Schuß. .Die Koppel fliegen auf die Erde. Das Jcucr der Batterie rollt wie rasend. Kommandos fliegen scharf in das Gewirr. Der Haufe gehorcht, niVmand sieht auf. niemand besinnt sich. Ein Stöhnen geht durch die Reihen Feuer Feuer Feuer. Wie bas brüllt unb faucht ohne Pause ohne Halt ! Man ist bem Wahnsinn näher, als man glaubt. Wie lange es so acht! Stundenlang. Auf einmal stehen rechts und lin! auch Batterien: erst letzt wird man s gewahr. Es ist unser ganzes Bataillon, die zweite, dritte, vierte Batterie. Die ganze lange Linie ist in Dampf gehüllt. Ob es über- Haupt noch kracht? Man. weiß es nicht mehr, man kann sich nicht besinnen, wie es ist, wenn kein Gebrüll durch die Luft zit tcrt. Jedes Bewußtsein des eigenen Men schen. alles, alles ist ausgeschaltet. Drei Dörfer sieht man brennen die Flamme rast an einem Kirchturm hinauf. , Rauch ballt sich und walzt sich zum blauen Him mel. Feuer, Dampf, Geschrei, Knattern und Gebrüll. Mechanisch sehe ich durch das Glas in da nächste Dorf; ich fahre zusammen , das Bewußtsein kommt wieder. Im Dorf fliege Ziegeln und Staub; Rauchsäulen fahren zwischen den Häusern in die Höhe. Eine jähe Lohe richtet sich kerzengerade auf. , Es sind die ersten Schüsse, die in ben Ort fallen. Feuerpause. Die Mannschaft sinkt m Geschütz zusammen wach werden zu sich selber kommen aus bem Wahn wie der Mensch werden, Bor der Batterie schlagen ein paar Granaten ein. Schrap nclls vlatzen. Aber das ist gleichgültig; niemand hat acht darauf. Man ist stumpf geworden. Ueber uns surrt es in der Luft. Ein Flieger. Erst ein Punkt in der blauen Höhe, dann nimmt er ein wenig Form an , er kommt auf uns zu. Wir sind alle neugierig geworden, denn diesen Gcg ncr kennen wir noch nicht. Die Nasen der ganzen Batterie sind nach oben gerichtet; mancher sperrt den Mund auf vor Span nung. Da ein neuer Fcucrbefehl ; er fesselt alle Gedanken. Der Flieger ist vergessen. Schon kracht das Erste" wie der. Da schreit der zunächst stehende Gc schützfllhrer: Achtung, das Luder schmeißt." Der Flieger ist über uns; ruhig fahrt er die Linie entlang. Etwas Schwar zes löst sich von ihm ein Punkt ; rasch fallt er abwärts ; ein Knallen in der Luft. Wir ziehen den Kopf ein. Aber es ist nichts. Wir merken nichts. Pein lich ist er aber doch, der surrende Bursche da oben. Noch dreimal wirft er ohne Er folg. Später wußten wir besser Be scheid , Zeitzunderbombcn, die nicht so wollten, wie der fliegende Bombcnschmei ßer. Trotzdem ist so'ein Kerl reichlich un angenehm. Der Ruf: .Paß op Jupp, dä fchmieß!" ist noch oft späterhin erklun gcn. Natürlich wurde der Flieger bcschos sen, ohne Erfolg freilich; er sah so niedrig aus, aber uns ging das Verständnis für den Flug eines solchen Vogels noch ab. Karabiner wurden auf ihn abgeschossen, sogar die Pistolen knallten; kurz, jeder, der Zeit und eine Handkanone hatte, machte Dampf. Dort zieht der große Vogel. Schrapuellwolken begleiten seine Bahn. Wir schießen noch immer. Das Zweite hat noch acht Schuß." Das Dritte noch sechs Schuß." Wie die Kerle brüllen. Der Reiter nach den Munitionswagen ist ja schon sort. Da kommt's auch schon an! Die schweren Gäule liegen in den Geschirren, daß das Leder knirscht. Die Peitschen wedeln, die Schenkel sind am Gurt; und herein keucht die Staffel im halben Galopp, .eiiintcr mit den Ge schössen." Hei. wie die von den Wagen fliegen. Die Munitionswagengespanne m .(?. ,5 stehen dicht neben den feuernden Kanonen Die Pserde zitiern und bäumen sich; ei nige schlagen; aber eisern hält die Faust den Zügel. Ein Gewirr von Pferden, Wa gen, Geschoßlörben, Mannschaften und Reitern, von krepierenden Granaten, Der Dreck fliegt. Jetzt ist das letzte Schrap nell in den Haser geflogen. Kehrt mit bcn Wagen unb sort sort in Deckuni, An ben Kanonen häufen sich wieder die uahikrnen Todvringer. Immer noch brlll. len die Kanonen. Wir bekommen jetzt fast lern ranalseuer nicht; wit wundetn uns Aber bald kommt die Nachricht, daß un fcr scharftr Geaner. die französische Ar tillerie hinter dem Berge, zerschossen ist. :Mcht einmal olle anoncn hat sie mit nehmen können. .Langsamer feuern!" Ich sehe unsere Schrapnells jenseit eines DorfeS platzen auf einer Höhe. Die ganze Höhe ist ein clbks Getreidefeld mit Garben. Rechts st ein Wald. Von dem Ist nicht viel zu sehen. Der Rauch sangt sich in den Baum Wipfel und den grünen Buschkronen. Das Gefecht scheint abzuflauen. Das Knattern nimmt mehr Form an. Ans den Dörfern sind die Franzosen zurück geworfen. Ein armer Kerl von Franzose kommt über die Straße durch bas Haser seid gekrochen, mitten zwischen den feuern den Kanonen hindurch; blutig; erschöpft; voll Schmutz und Staub. Hinter dem dritten Geschütz bleibt er liegen. Unser kleiner Medizinmann springt zu Ihm; er schleppt ihn mit an den rechten Flügel. Die Uniform wird ausgerissen. Bauch schnß. Die Gedärme kommen heraus, bald rechts-, bald linksseitig. Der Doktor müh, sich. Wir blutet dieser Mensch. Ein Verband wird gemacht: dann kommt die j Morphiumspritze, die letzte Linderung. Weiter kriecht der Todwunde; wir verlie- rcn ihn. Am nächsten Tage steckt er mit dem Kops in einer Strohpuppe, mit dem Gesicht nach unten, verendet wie ein weid- wundes Tier, ohne Handreichung, ohne Beistand. Der Krieg ist eine harte Sache. Immer mehr Zerschossene kommen von vorn. Schweiß, Schmutz, Blut, müde Ge sichter, von Schmerz und Wut verzerrt. Rohre frei!" Jäh blitzen die vier K noncn auf. Sofort ein hastiges Kmm mando, noch eins. Was ist los? Trüben über der Hohe mit dem Hafer feld kommt es herüber. Linie auf Linie, Kompagnie auf Kompagnie. Der Kamps lärm verhallt einen Augenblick. Tausend Männer holen Atem, tief und schwer. Es ist eine ungesunde Stille mit einem Male in der Lust. Von drüben tönen Hörner wie deutlich es zu hören ist , tau send Baionette buken , ein großer, I gräßlicher unvernünftiger Schrei ein Toben, ein wildes, wahnsinniges Gurgeln, und die franzosischen Sturmbataillone stürzen die Höhe hinab mit blanker Waffe auf die deutschen Linien. Schuß." Verflucht, der war weit, Schuß." Gott sei Dank, der war kurz. Die Haare sträuben sich unter dem Helm Rohre frei!" Die ganze Batterie Brenn- zunder 2250." Schnellfeuer." Die Erde zittert. Alles wankt. Zwischen Schuß und Schuß ist kein Raum, kein Unter- schied. Jeden Augenblick muß man ver ruckt werden. Der Hügel drüben ist nur Dampf, weißer, dichter Dampf. 16 Ka nonen halten dorthin. Ein paar Auf schläge fallen dazwischen. Erde und Dreck spritzt. Und immer wieder Rauchballen auf Rauchballen. Man hört nur noch ein einziges langgezogenes schweres Ge räusch, keine Gewehrsalve mehr, lein Ticken der Maschinengewehre. Feuerpause!" quakt der Lautsprecher. Tcr Kampf drllben verstreicht. Das große Feld liegt im Abendschein. Wo sind die Stürmer? Viele schwarze Punkte liegen auf den gelben Stoppeln. Masscnopfcr militärischen Ruhmes. Da liegen die.Bra den Feind und Freund überall. Blutige, schmutzige, zusammengeballte Fetzen, wahnwitzige Knäuel. Gottes Eben bilder. ? Heulen und Schreien Tod wunder , Brand, Rauch und Zusam menbruch. Die Nacht kommt. Vor uns brennen noch immer drei Dörfer. ,Wir protzen auf und fahren ein Stück zurück. Warum? Weil es so befohlen ist. Ich reite von mir selbst weiß ich nichts. Ich sehe ein Bild von mir ein großes Feld im Dämmcrschcin. Leicheuhaufcn verzerrte Gesichter Blut zerschlagene Glieder. Und dann einen weinenden Christus, der darüber hinschreitet. " Unser Heiland hätte einen weiten Weg. wenn er alle die Leichenfclder des hcuti gcn Tages mit seinen Tränen befeuchten wollte, einen weiten Weg. Die Schlacht von Longwy war geschla gen! Frankreich zum ersten Male in den Staub geworfen. Tausend Herzen schla gen nicht mehr, Tansende von Augen wei nen in der Heimat, tausend anklagende Hände recken sich im Todeskampf gen Himmel. Morgenkühle macht manchen Mann starr ! Ueber Deutschland drllben ging die Sonne auf! Das englische Noucn. In der ,,Ba taille" macht Le Folliculaire de Bellcvillc folgende nachdenkliche Betrachtung: Einer meiner guten und alten Freunde, der Nor manne von Geburt ist, sagte mir: Wenn der Wintcr uns flieht, fo gehe ich alljähr lich in die Normandie. Ich liebe es, sie wiederzusehen. Auch dieses Jahr bin ich dort gewesen. Ich komme eben von da zurück. Aber welche Enttäuschung! Rouen, meine schöne Stadt Rouen, sie, die ich iiber alles liebe, ist nicht mehr Rouen. Da- bei sind ihre Straßen am selben Fleck. Die Seine benetzt noch immer ihre Rais. Aeußcrlich ist nichts verändert. Und den noch gibt es etwas Unbestimmtes, was zur Folge hat, daß sich der dort Geborene nicht mehr auskcnnt. Du willst z. B. ins Restaurant gehen. Unmöglich! Es gibt keine Restaurants mehr. Dort, wo frü her Restaurants waren, gibt es nur noch Aftcrnoon tca" oder Grill Rooms". Tort, wo man früher guten Apfelwein der Normandie verkaufte, gibt's nur noch Refrcshmcnts". Kenn dich nun einmal aus. .npassllng im Wellkrieg. ' Berlin, 5. Slkai. Man dird da Wunder dieser Zeit, die, alle Theorien umstürzend, zeigt, daß mo derne Kulturvölkik jahrelang die mör derischste, zerstörendste KricgSsührung aller Zeiten seelisch, körperlich, finanziell und wirtschaftlich aushalten können, vor allem in der Anpassung zu erblicken haben. Die Berichte unserer Aerzte au dem Felde lehren, was über die durch die mo derne Kultur verursachte Entartung bei Böller gerebet wurde, falsch war. Es ist heute erwiesen, daß keine Entwicklung denkbar ist. in der die höchste Wahrhaftig kett de deutschen Bolle verloren gehen kann. Die Zeitrichtung, in der mehr als früher daS Geld Ziel und Maßstab der menschlichen Tätigkeit war, hat die idea listische Hingabt und den Schwung der Gesinnung nicht zu ertöten vermocht. Die Treue, die auch unbelohnt und ungesehen va cywersie ersullt, ist nicht erslorven Ucbcrraschend, wie die unveränderte Be, Wahrung der kriegerischen Eigenschaften und die sabellpste Anpassung an die von der Kriegführung geforderten Leistungen, Ist auch die Anpassung des Lebens hinter der Front an Erfordernisse, für die jedes Beispiel fehlt. Wenn wir den Ablauf von Handel und Wandel in Stadt und Land verfolgen und dabei auf den Durchschnitt der Gesamtleistungen blicken, können wir feststellen, daß die Lasten und Vorteile des ttriegszustandes für die Zurückgebliebenen in bczug auf Arbeitsqelegenlit, Hcrstel lung und Abatz von Waren, Gcsamtlauf, sich soweit ausgeglichen haben, daß es der hältnismäßig gut weitergeht, daß zahl reiche Unternehmungen blühen, unzählige Männer, Frauen und Jugendliche mehr verdienen .als im Frieden. Wenn man Günstiges 'und Ungünstiges zusammen rechnet, die Gcsamtlage der Nation in Be tracht zieht, und den Umfang der feind lichen Unternehmungen dagegen hält, gegen die wir uns fortwährend siegreich bchaup- ten, und zwar offensiv behaupten, so drängt sich die Erkenntnis auf, daß uuZ die Frage der Rricgsdaucr weniger be drücken braucht als unsere Gegner, so gut ist die Anpassung vonstatten gegangen. Das Leben des beutschcn Volkes ist so auf bcn Krieg eingestellt, wie sich bet Feld soldat aus det früheren Tätigkeit in das Kriegshandwerk eingelebt hat, so daß es gar nicht abzusehen ist, auf welche Weise es den vereinigten Feinden gelingen könnte, unser Leben so zu gestalten, daß wir zum Friedensschluß gezwungen wür den. Man weiß jetzt, daß der Krieg, wie für die körperliche und seelische Verfassung des Soldaten, so auch für die Verfassung von Wirtschaftsleben, Handel und Wandel seine eigenen Entwicklungsgesetze in sich trägt, die dem ungewohnten Zustand ge statten, anzudauern. Wer vor zwei Iah ren vom europäischen Krieg als von einem Dauerzustand, einer Sache von ändert halb Jahren und länger, gesprochen hätte, bei der nach Jahr und Tag das tägliche Leben, ruhig seinen Gang, gehen könne, den hätte man für einen Phantasien gehalten. Als eine ebenso fürchterliche wie notwen digerweise kurze Krise dachte man an den großen, Krieg, soweit man ihn überhaupt für möglich hielt. Ein Berliner illustriertes Blatt hat den hübschen Einfall ausgeführt, in einer Reihe von photographischen Bildern das Siraßenleben der Reichshauptstadt im 21. Kricgsmonat zu zeigen. Von diesen Bil dern stellt das bezeichnendste die ungeheure Menschenmenge dar, die sich am Ostermon- tag auf dem Platz vor dem Totalisator auf der Nennbahn in Berlin-Karlshorst drängte, nd die auch der ' mißtrauischste Blick weder in ihrer ungeheuerlichen Fülle, noch in ihrem Aussehen und Gehaben von den gewohnten Besuchermassen der Frie denszeit unterscheiden kann. Wer an die sen herrlichen , Frühsommcrabenden, die durch die Einführung der praktischeil Sommerzeit aufs angenehmste verlängert sind, durch die Straßen wandert, die bis zum letzten Platz besetzten Wirtsgärten mit ihrem heitern Treiben mustert, wer die Menschenfülle beobachtet, die sich abends ins Theater drängt, dem wird die Anpassung an den Krieg als Dauerzustand besonders deutlich. Die Schwierigkeiten der Ernährung, die unsern Feinden als einziger Vossnungsiiern leuchten, ange- sichts der nun wohl allgemein anerkann ten Unmöglichkeit unserer militärischen Be- zwingung, werden öffentlich mit einer Rücksichtslosigkeit erörtert, die beweist, daß nirgend das Gefühl herrscht, sie scheu ver bergen zu müssen, weil hier eine wirkliche Gefahr drohe. Die zahllosen Fälle von strafbarer Zurückhaltung von Lcbensmit teln, die jetzt die Behörden feststellen, und von denen unzählige sich gewiß ihren Blicken zu entziehen wissen, beweisen nur, daß es bei vielen Nahrungsmittclhändlern leider an der anstandigen Gesinnung, aber nicht, daß es an den Nahrungsmitteln selbst fehlt. Daß man, sofern man Brot, Kartoffeln, Gemüse, Fische. Zucker, Eier und Butter in ausreichender Menge besitzt, wie das in Deutschland glücklicherweise nachweislich der Fall ist, längere Zeit hin durch mit, sehr wenig Fleisch ohne jeden Schaden auskommen kann, ist eine so fest stehende physiologische Tatsache, daß die Hoffnungen, die sich an die vorübergehende Fleischknappheit klammern, sehr , brüchig ind. Wir DeutWn sind, seitdem wir ein reiches Volk sind, im Fleischverbrauch rasch an die Spitze der europäischen Völ ker getreten, und der ehemalige tägliche Flcischcrenuß, den die Aerzte übereinstim mend für überflüssig, ja sur unge und er klären, ist eine ganz allgemeine Erschei nung gewesen. Die jetzige Lebensweise der meisten Deutschen ist gesünder, als sie es in der letzten Periode vor dem Krieg war. Wenn die endlich einsetzende eifrigere Tä tigkeit der Polizeibehörden endlich die Hamsternestcr aufstöbert und eine zweck- mähigere, sparsamere Verpflegung der breiten Massen durch zentralisiierte Zube reitung der Hauptmahlzeiten geschaffen wird, wenn die Konservierung aller Nah rungsmittel, die sich dazu eigne, ebenfalls in großem Umsanqe vorgenommen wird, und die Rationierung dies kricaacbo ne Fremdwort wird wohl mit dem Frie den wieder verschwinden alle dessen, was irgend knapp werden kann, rücksichts los durchgeführt ist, dann können wir mit Ruhe abwarten, bis die Feinde auch die letzte Hoffnung ausgeben, da Gesetz der Kriegsanpassung siir Deutschland unwirk sain z machen. Die Erscheinungen in der beutschen Vollsernährung. beren sich die feindliche Presse frohlockend bemächtigt, sind Verteilungösehlei, die sich von Woche zu Woche bessern. Wo wirkliche Not , herrscht, geht nicht da Leben fg ruhig feinen Gang, wie die unbestechliche Platte des Photographen ans bet Neichöhauptstabt zeigt, unb wie unsere neutralen Freunde au dem Treiben in den zahllosen Stätten der Erholung und Verpflegung feststellen tonnen. Diese Zeugnisse sind nicht zu sä lo schen, denn den Neutralen sind unsere Grenzen und unsere Häuser offen. Sie können frei und unabhängig alle die über raschenden Tatsachen der 'Kriegsanpassung studieren und tun es in Berlin, wie im Reiche. Sie können die Speisekarten der Wirtshäuser auf das Borhandensein aller notwendigen und der meisten überflüssigen Nahrungsmittel prüfen, und wenn sie wol len, diese geprüften Beweismittel in die Heimat senden. ES kann von unsern Feinden durch kein Mittel gehindert werden, daß sich der bei spiellose elastische Organismus, als wel chen sich Deutschland erwiesen hat, jedem Erfordernis und jedem Druck des Krieges restlos anpaßt. Ein neues Zeugnis dafür bietet die hocherfreuliche Nachricht aus dem rhcinisch-westfälischen Jndustrieaebiet daß es nunmehr gelungen ist, einen Schnellar beitöstahl von höchster Leistungsfähigkeit ohne das für teures Geld aus dem Aus land bezogene Wolfram herzustellen. Zwei Firmen, die Stahlwerke Richard Linden berg, A.G., Remscheid-Haften. und Hein rich Nemy, G. m. b. H., Hagen, genießen gleichzeitig den Ruhm dieser Erfindung. Was das für bie- Muniiionsinbustrie Sc heutet, wird man Im Ausland wissen. Welche Forderungen können noch an die deutsche Anpassungsfähigkeit gestellt wer den? Die englische Wehrpflicht? Was sie auch immer an militärischer Kraft auf bringen kann, wir haben es schon. Muni tion feindlicher oder neutraler Herstellung? Es gibt keine Verschwendung von Leschös sen. der die deutsche Industrie nicht mit einer größeren begegnen könnte. Ein neuer Feind, den wir uns, wie der heutige Tag bewiesen hat, gewiß nicht wünschen, der uns aber auch nicht schreckt? Er kann we der mit seinem Geld, noch mit feinen Lie ferungen die Tore der Festung Deutsch land aufreißen. Unsere menschlichen, tech Nischen, wirtschaftlichen und finanziellen Angriffsmittel vertragen, ohne zu brechen, eine noch stärkere Inanspruchnahme, denn sie werden, wie einundzwanzig Monate ge lehrt haben, immer neu erzepgt, immer neu organisiert. Unsere Anpassung reicht aus, bis unsere Feinde ihr Verhalten der Tatsache angepaßt haben, daß. ihr Spiel verloren ist und verloren bleibt, so viel sie den bisherigen Opfern ,auch noch hinzu fügen. ' " Der Slreit um die Zouvre Schatze in Toulouse. Die panikartig überstürzte Flucht, die mit einer bedeutenden Anzahl der Haupt kunstschätze des Pariser Louvre Ende Au gust 1914 nach Toulouse angetreten wurde, beschäftigt gegenwärtig, da man eine Zurückbiingung dieser Kunstwerke nach dem Louvre erwt, die Gemüter der Pariser. Obgleich nämlich in immer neuen Gutachten versichert wird, daß die Werke sich in Toulouse in bester Obhut befinden und keine Beschädigungen erlitten haben, erzählt man sich doch die merkwürdigsten Dinge über die Schicksale, die die Schätze in der Verbannung erlitten haben. Die Bilder Raphaels sollen von den Ratten angefressen fein, in den wundervollen mit telalterlichen Tapisserien sollen, sich die, Motten befinden usw. Im ganzen sind 17 Gemälde des Louvre, die Tapisserien und Gobelins don Reims, Chantilly, Com Pik'gne, dann zahlreiche Skulpturen und kunstgewerbliche Gegenstände aus dem Louvre und den genannten Schlössern in nerhalb von drei Tagen nach Toulouse überführt worden. Daß es schwierig nr in solcher Eile alle nötigen Vorsichtsmaß regeln anzuwenden, leuchtet von von herein ein. Nun aber wird durch eine Ver öffentlichung der Zeitschrift La Re naissance" bekannt, daß sich die maßgcben, den Persönlichkeiten der überstürzten Fort' schaffung der Kunstschätze energisch wider setzt haben. Die Zeitschrift veröffentlicht eine vom 25. August 1914 datierte, von dem Dirck tor der Nationalmuseen Henri Marcel und sämtlichen Konservatoren des Louvre un terschriebene Eingabe an den Unterrichts minister Sarraut. in der sie dringend bit ten, von einer Wegbringung der Kunst werke abzusehen. Es seien, in den letzten drei Wochen, erklären sie, alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der Kunstwerke angewendet worden., .Die Skulpturen befinden sich hinter den feste sten Mauern; die in Kisten eingcschlossc , ..N,Nüi. r.w: r:j.. iit.il .nuiiiyi9uiiuiiuc uiv in lllijuKuiy liujt Verstecke gebracht; etwa 90 Gemälde sind in den Kellergewölben zwischen dicken Mauern eingeschlossen." Der Transport der Gegenstände nach Toulouse sei nur . eine neue und höchst bedenkliche Gefahr dung dieser unschätzbaren Kunstwerke. Ucbrigens lasse sich vor den Deutschen ja doch nichts verstecken, denn sie wüßten ganz genau, was für Kunstwerke der Louvre und sämtliche französische Museen enthiel ten. Wenn es notwendig wäre, in das Lösegeld für Frankreich auch unsere Mei stcrwerke einzubeziehen, dann wäre die Liste der Werke, die die Deutschen fordern könnten, sicherlich schon fertig." Dieser' Eingabe wurde kein Gehör geschenkt, son dern der Minister ordnete die Ucberfllh rung der Schätze nach Toulouse an. Der unglücklichste Zustand ist, der Menschen überdrüssig sein und sie doch nicht entbehren können. '-sy.'-it" 'v'i3 iV ,----:'1'. y -ifs-SPtW X-i-Z&i-w, inrfr; M