Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, June 05, 1916, Image 6

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    Omaha XrtbBHf, Won tun, -r. Jni 1916. Seite fl.
Schwärze svlen. i
JWminalroman
1 t f ttt 'illla4AA-f-M"f
' Mit heißen, satt Farben font
der Tag.
Tie Sonne stand im Westen und
sandte inen Sprühregen von Licht
durch die stille, unbewegliche Lust.
Nicht von Tämmersiimmung war
zu merlen. . .
Die Aebrenselder wogten wie slus
fges Gold, die grünen Wiesen, leuch.
teten smaragden und selbst in dcr
duntlcn Watotoano im iiueiöiurwc
tUmmttit ti noch metallisch.
Gleißend weiß lag die Landstrabe
da. Nur die Lindenallee, oie zum
Schlosse Rodenstein führte, bot un
Jet dem Dache jahrhundertalter
Zöäume Schutz vor der drückenden
Schwüle. . .
In diese Allee ritt eben ein lungcr
Ossizier ein.
Er war in scharfem Trabe von
Kottingbrunn gekommen und atmete
leichtert auf. als er in das erlö
sende Tuntel der Baume lauazie.
Nun warf er seinem Goldfuchs
die Zügel hin. klopfte ihm zärtlich
den dampfenden Hals ab, nahm die
Kappe vom Kopfe und wischte sich
den Schweiß .von der Stirn.
Eine Biertelstunde später hielt er
vor dem Schlosse, das infolge vieler
baulicher Veränderungen zwar keinen
einheitlichen, stilgerechten, aber doch
ehr malerischen Anblick bot.
Tie Front lag gegen den Garten
zu, eine breite Liudenallee führte zum
Eingang. Durch große Flügeltüren
gelangte man vom Speisesaale aus
die alte, kiesbestreute Terrasse, von
der steinerne. Freitreppen in edlem
Schwünge zu' einem weitläufigen Ra
senparterre hinaoführten. Mächtige,
auf Sockeln ruhende' Sandsteinlöwen
bildeten zu beiden Seiten den 216
jchlutz der Freitreppe.
Ein Offiziersbursch hatte den
Oberleutnant erwartet und nahm
ihm das Pferd ab.
. '.Wo sind die Herrschaften?"
Im Zimmer der Frcm Baronin.'
J .Wann wird soupiert?"
.Um ein halb neun, Herr Ober
leutnant." ...
Der Janko darf nicht gleich in
den Stall!" befahl der Oberleutnant.
.Führ' ihn eine Viertelstunde herum
und dann reibe ihn anständig ab.
Verstehst?"
Der Offizier eilte die Treppe hin
euf, während der Bursch dem Pferde
die Sattelgurten nachließ.
An der Tcrrassentür erwartete
den Oberleutnant ein glattrasierter
Diener in tadelloser Haltung. Ohne
ein Wort zu sprechen, führte er den
Offizier mit einer tiefen Verbeugung
in dessen Zimmer.
.Befehlen Herr Baron etwas?"
.Kann ich ein Bad haben?"
.Gewiß!" antwortete der Diener.
.Also rasch ein Bad! Und dann
richten Sie mir die Salonhose, Attila
und frische Wäsche her!" .
Eine halbe Stunde später trat der
Offizier in ein Parterrrznnmer. in
dem eine kleine Gesellschaft plau
derte.
' Ein alier Herr, Kavalier vom ge
lichteten Scheitel bis zu den glän
zenden Lackschuhen, kam ihm fteund
lich entgegen.
.Ah, auch du flüchtest zu uns, lie
er Walden?"
; Es ist entsetzlich draußen," ant
wartete der Offizier. .Die hohen,
kühlen Zimmer sind eine wahre Wohl
tat."
Eine junge, elegante Frau trat zu
den Herren und reichte dem Offizier
die Hand. Einen Augenblick trafen
sich die Blicke der beiden und tauch
ten tief ineinander.
Eine feine, leise Röte überzog daS
vornehme Gesicht der reizenden Frau,
der Tochter des Hausherrn, verwit
weten Freifrau v. Landsegg. alS sie
on den Oberleutnant die Frage na
tete:
.Wie war die Arbeit- auf der
Rennbahn?"
.Tanke, Baronin, alles tadellos."
; . .Sprang er gut?"
' Wie ein Vogel flog er über alle
Hindernisse!"
Na, dann .waren ja deine Be
fürchtungen unbegründet!" bemerkte
ein hagerer, blonder Mann, der ne
den der Haustochter saß.
Bisher allerdings. Aber Jan!
bat seine Mucken. Wenn es am
Sonntag so geht wie heute, dann
bin ich wirklich zufrieden," erwiderte
der Oberleutnant.
.Hoffen wir's!" sagte der HauZ.
nx, während Baronin Landsegg
oufftand und an den Offizier die
Frage richtete:
.Eis oder Tee?"
.Wenn Sie gnädig sind, Baronin,
tzeben Sie mir einen Kognak."
Du, das ist nichts bei der Hitze!"
warnte' der Hausherr.
Ich muß mich aufpulvern, ich bin
ganz schlaff. Di Arbeit auf der
Rennbahn und dann die Reise. e
schlafen habe ich auch nicht viel."
Tie Baronin hatte einen Kognak
eingeschenkt.
.Mit GießhüölerZ" fragte sie.
AZilU ja." -
MMMMMHfWWmmHW
von August Weiszl.
Die Baronin reichte dem Oberleut.
nant das Glas.
Küß die Hand!" sagte dieser und
tränt ei aus einen Zug leer.
.Vielleicht noch einen?" fragte die
lüarornn lächelnd.
Wenn Sie die Gnade haben
Die junge Frau nickte lächelnd,
So gnädig - bin ich schon. Ich
eye es Jynen an. feie verdursten ja
örmlick.-
Oberlcutnant Baron Waiden nahm
in einem breiten Sessel Platz.
Der alte Herr fetzte offenbar da?
durch den Eintritt des Offiziers un
terbrochene Gespräch wieder fort, als
er seiner Tochter zurief:
.Ich sage dir nochmals. Mary,
das war ein Unsinn!"
.Wodurch hoben Sie sich den Ta
del zugezogen?" fragte der Ober,
leutnant neckend.
Meine Tochter kapriziert sich
nämlich", wandte sich der Hausherr
an Walden. bei dem sonntägigen
Rennball den Familienschmuck ,u
tragen. Jetzt im Soinmer. hier in
Kottingbrunn! Sie hat Johann
eigens deshalb m die Stadt geschickt.
Er mußte in die Bank, um die Kas
sette zu beheben. Was sagst du zu
dieser Idee?" -
Ich denke, die Baronin wird wohl
wissen, waö sie tut. Da werden wir
auch die berühmten schsvarzen Perlen
zu sehen bekommen, nicht wahr, Ba
ronin?"
Natürlich", antwortete die iünge
Frau lebhaft. Um die handelt es
ich ja. Papa übertreibt wieder ein
bißl. Familienschmuck fällt mir
gar nicht ein! Nur das Perlenhals
band möchte ich tragen, weil es zu
meiner Toilette pakt. Wozu hat
man denn so berühmte Perlen, wenn
sie auf der Ban? liegen und kein
Mensch davon etwas zu sehen be
kommt? Und dann, es ist doch ein
Ball, ein Rennball. Man erscheint
in großer Toilette und trägt daher
auch Schmuck."
.Na. mir ist es recht", saate der
alte Herr trocken, .aber das sage ich
d,r. Mary, nach dem Ball mun die
Kassette sofort wieder in die Stadt."
Bitte, Papa, dagegen habe ich ja
nichts. Montag früh kann sie der
Johann wieder hineintragen."
.'so wertvolle Stucke geboren in
sicheren Gewahrsam. Mary."
sut aufgehoben sind die Derlen
auch hier." bemerkte die Baronin.
Eine Bank bietet jedenfalls mebr
Sicherheit als ein Landhaus, das oft
tagelang verwaist ist.' antwortete der
Baron.
Ja. ja. Vater! Wie gesagt. Mon
tag in aller Frühe kann der Johann
wieder damit zur Bank nach Wien."
or dem Schlo e fuhr ein Wagen
vor. Die Baronin eilte zum Fenster
uno 10900 den Boryang etwas zurück.
Joyann 1 t da!' riet tie und un
verkennbare Freude klang aus ihrer
stimme.
Auch der hagere blonde Herr war
von feinem Sitze aufgeschnellt. Er
eilte zum Fenster und rief:
Wahrhaftig, da ist er! Mit der
Kassette!"
Natürlich mit der Kassette!" ant-
wortete die junge Frau. Deshalb
habe ich ihn doch hingeschickt!"
Tu Baronm kungelte und befahl
dem Diener, daß Johann mit dem
Schmuck sofort zu ihr kommen möge.
scann wandte fie fich an ihren Vater:
Es dämmert schon draußen. Man
könnte jetzt die Fenster öffnen."
.Höchstens die rückwärtigen. Da
vorn brütet noch der Tag auf dem
KieS. Der strahlt uns alle Wärme
zurück. Oeffnen Sie dann olle Fen
ster, die in den Park führen, recht
weit!" befahl er dem Diener.
Die Baronin ließ sich wieder in
s kleine Sofa nieder, das mit ei-
nigen Fauteuils und Tischchen in
der mutt des im- Barockstil ringe-
richteten Salons stand.
Erwartungsvoll starrte sie nach der
Tür. Ihr Vater schüttelte wieder
den Kopf und meinte:
.Hörst, du benimmst dich ja ge-
radeso, als ob du sechzehn Jahre alt
warst und zum erstenmal in deinem
Leben ein' Schmuckstück tragen soll
test!"
Mary zwang sich zu einem Lä-
cheln.
Oh, ich freue mich immer wieder
wenn ich die schönen Sachen sehe."
.Frauenart!" brummte der alte
Herr. .Um einen blitzenden Stein
verkaufen sie ihre Seele!"
Johann trat mit einer Verbeu
gung ein. Ein alter Diener mit sil
berweißem Haar, glattrasiert, in ta
delloser Haltung.
.Haben Sie alles?"
Ja, gnädige Frau Baronin."
.Ist nichts passiert?" fragte der
Schloßherr den Diener.
Nein," antwortete der Diener zö
gernd, .nur "
.Nur?" fragte Herr v. Rodenftein
erstaunt.
.Vielleicht war eZ nichts. Euer
Gnaden, ober ich weiß nicht ....
Zwei Burschen, die mir verdächtig
vorkamen,, find mir in Wien gefolgt
und haben sich auch im Zuge an mich
herangedrängt."
. Na, na," bemerkte der blond
Herr in spöttischen Tone, mit
jcheint, Johann, Jhiicn ist die Räu
berromantik in den Kopf gestiegen!
Sie werden doch nicht glauben, daß
in Wien die Banditen nur so aus
dcr Straße lauern?"
Ach. Euer vnaden," meinte der
Diener, man liest alleö mögliche in
der Zeitung."
Schon gut. Geben Sie jetzt den
Schmuck her!" rief Mary ungedul
big und beugte sich vor, die Kassette
in Empfang zu nehmen.
Bei dieser Bewegung streifte sie
tote unabsichtlich den Oberleutnant,
der neben ihr saß. und drückte ihn,
einen kleinen Zettel in die Hand,
den er mit einer Bewegung, ali
wolle er sein Sacktuch ziehen, in der
Seücntasche seiner Attila verschwin
den ließ.
Johann stellte die Kassette auf den
Tisch.
Die Baronin erhob sich rasch, ging
in das nebenan liegende Schlafzim
nur und entnahm einem eilten Ma
hagonisekretär zwei silberne Schlüf
sei.
Während die junge Witwe die Kas
sette öffnete, wandte sich Johann an
seinen Herrn mit den Worten: .
Euer Gnaden, bitte, soll ich keim ,
Anzeige erstatten?"
Ein scheuer Blick deZ Blonden traf
den Bedienten. Er wollte eine 33e
merkung machen, unterdrückte sie abei
und sah scheinbar der Baronin zu,
die in den Juwelen wühlte, horch!,
aber aufmerksam auf jedes Wort,
das der Diener sprach.
.Was willst du denn anzeigen?
fragte Herr v. Rodenftein.
Ich meinte wegen der der-
dächiigen Leute, die mir in Wien
nachgegangen sind."
Nun und? Das ist doch noch
lein Verbrechen! Hden sie dich über
fallen? Wollten sie dir etwas nch
men?"
.Nein, Euer Gnaden, aber "
So sag' doch endlich einmal klar
heraus, was eigentlich los war! Die
es ewige Hinundherreden , vertrage
ich nicht!". rief der alte Baron un'
geduldig.
.Euer Gnaden, das ist nicht sc
leicht erzählt ", begann der alte
Diener. Also, ich fahre hinein nach
Wien. Auf der Südbahn, unter
beim Ausgang,' auf der Straße, s!e
hen zwei Männer, die die A?ikom'
menden genau prüfen. Rein zufäüi?
sind sie mir aufgefallen, obwohl i:o
der frühen Morgenstunde ziemlich
viel Leute unten waren. Als sie mich
erblicken, bemerke ich, wie der eins
den andern mit dem Ellenbogen an
stoßt und mit dem Kopf auf mich
deutet. Ich steig' in einen Omnibus,
fahr' in die Bank hinein und denk'
gar nicht mehr an die Sache. Aber
beim Aussteigen jeh' ich auf der rück
wartizen Plattform dieselben zwe
Männer. Sie steigen mit mir ab
und gehen hinter mir ins Bankge
bäude.
.Daran ist doch nichts Merkwürd!-
ges i!" sagte der Hausherr.
.Nun. denk ich mir, es ist ia moz-
lich, daß sie auch ctwaZ in der Bank
zu tun haben", setzte Johann seinen
Bericht fort. .Aber stutzig bin ich
geworden, als der eine immer an
meiner Seite sich was zu schaffen
gemacht hat, während der andere
plötzlich weg war."'
Der alte Herr begann aufmerksam
zu werden.
.Bist du zu Ende?" fragte er.
.Nein. Herr Baron! Wie iefa spä
ter in die Wohnung fahr', hab' ich
keinen mehr g'sth'n.' Auch auf mei
nen KommissionSwegen bin ich ihnen
nicht begegnet. Aber in der Vorhalle
der Südbahn, wie ich fortfahren will,
da sind sie wieder g'standen. Sie
haben sicher auf mich gevaßt. Justa
ment sind s' in denselben Zug. in
dasselbe Coupö eing'stiegen, wo ich
g'sessen bin."
.Hören Sie, Johann, was . Sie
füx Räubergefchichikn erzählen ,
bemerkte der junge blonde Herr. '.
.Ich bitt', Herr Baron, daö is
akkurat so. wie ich's verzähl'. Im
Wagen haben f' ang'fangen mit mir
zu plaudern vom Wetter wohin ich
denn fahr', woher ich denn komm',
was in den Paketen da alleS wär'.
Dann haben s mir ein SchnapS
angeboten, aber ich hab' ihn nicht
g'nommen. Euer Gnaden wissen ja,
erst unlängst ist in der Zeitung g
standen, daß man einen Reisenden
mit vergiftetem Schnaps betäubt und
dann ausg'raubt hat."
,No, no, no, beruhigte der 23a
ron den alten Diener, .und was
geschah dann weiter?"
Ja, eigentlich nichts. Ich hab'
nur den Eindruck, daß diese Männer
sich aunallend viel mit mir zu tun
g'macht haben."
Nun ja," nickte der alte Herr lä-
chelnd. Das Ganze kann aber ja
auch ein Zufall gewesen sein.. Genau
genommen, hat sich also ar nichts
ereignet. Mir scheint, Johann, in
dir spukt wieder mal irgendeine alte
Geschichte, die du irgendwo einmal
gelesen hast. Geh'' jetzt nur!"
Brite, soll ich die Kassette hinauf.
trogen?"
Nein, antwortete die Baronm
rasch an Stelle ihres Vaters. Ich
verwahre den Schmuck selbst."' ' "
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