Omaha Triliiuk, Samsta, .1. Juni 1915. SFff ß.
fytt einer vsn deu Vielen.!
ItZach wa Crlkbiii von i. Tssel.
! Horft GUingtr ging suchend dir
schmale Terrajit entlang. Wald hatte
kr den Namen gefunden, den er suchte.
Ln einem niedrig Häuschen mit
winzigem Vorgarten wur ein !I!ess!ng.
schUd mit der Auklchrist .Kinder
garten und Fröbel chule von Cu
sänne Torn'. Da war der Name.
den der Gefällte, der NegimentS
Izmerad, dessen letzten Wunsch er nun
erfüllte, auj jeden Brief schrieb, den
er in die Heimat sandte. Tal war
der Name, der auf all den kleinen
Paketen mit ZiIcirctter., Echokolnde.
PulZwcirmern, Lichten und (Schreib
pipier stand, die er cu der wncn
erhielt.
Horst blieb einen Augenblick zau
dernd stehen, beoor er die Pforte des
tLartchens osknete. Er hatte eigent
lich wenig Lust, in dieses fremde
Hau zu dringen, den fremden i'ien
chen auszusuchen. Sie mußte ti
lange erfahren haben, aas) Paul
Cussin in Flandern auf dem Schlacht
seid verwundet und gleich gestorben
war. Hatte sich vielleicht schon damit
obgefunöcn in den Wochen, in denen
er verwundet mit dem Arm und
Cchultcrschug im Hamburger Laza
rett lag. Paul Sussin. dieser Wort
Zarae. verschlossene, hahllche und un
ansehnlich Mensch, war doch kaum
em Mann gewesen, große Liede,
große Leidenschaft, untröstliche Trauer
zu erweacn.
Und doch Mzie der Besucher nicht
umzukehren. PlvKlich sah. er den
Sterbenden vor sich, zu dem er sich
niedergebeugt, während noch über das
Schlachtfeld unaufhörlich der Tonner
der Geschütze ro-ite.- Der Vertonn
iete krumpfte sich mit aller Kraft
noch einmal an ihm empor. Tie
dunklen, stillen Augen, schon gestreift
von dem überirdischen lenzen der
letzten Stunde, hingen on ihm mit
flehentlicher Bitte. Wenn Sie nach
Hamburg kommen, Kamerad, . brm
gen Sie Susarme meinen letzten
Gruß. Sagen Sie ihr . . Weiter
tarn er nicht. Er fiel zurück, um
Zangen von der Ohnmacht, die, ohne
poch emmal dem Bewußtsem zu wer
ihen, in den Tod überging.
' Susanne sollte den Grutz deS
Toten haben. Er stieß das Psörtchen
zum Garteu auf, m dem gewiß lm
Sommer nn inniges Blühen war,
Jetzt lagen die paar Rosenstöcke mit
Stroh umwickelt, und die Hecke war
kahl. Er stieg die ausgetretenen
Stufen hinan. AIs er die Tür öff
riete, klang daS blechnne Glockchen
darüber mit wimmerndem Laut.
Von irgendwoher kam ein unsicheres
Licht.- Eil Tür stand offen. Er
sah einige Reihen Kinderbänke, er
kannte undeutlich farbige Bilder an
den Wänden. Äuf der Schwelle
eines andern ZrmmerS erschien eine
schmale Gestalt w schwarzem KId,
Er sah in ein müdes,- jodestraurige
Sestcht, dessen Zuge m der aller
ersten Jugend dielleicht einmal zart
und vornehm gewesen waren. Jetzt
erschienen sie alt und vergrämt,
Blondes, , cm manchen Stellen schon
ngrauteS Haar lag schlicht gescheitelt
über dem Altjungfernaesicht. Wenn
das Paul Sussms Braut war. stand
le rhin an Häßlichkeit und an Un
cheinbarken mcht nach.
Er verbeugte stch leicht.
Habe ich die Ehre, Fräulein Torn
vor mir zu sehen? brachte er hervor,
.Ja." Sie wandte erst jetzt be
wußt den Blick, der ihn teilnahmslos
betrachtet hatte, zu ihm.
- .Fräulein, ich war mehrere Wochen
ein RegimentskaVerad JhrcS verttor'
denen Herrn Bcsutigams." sagte er,
.Seine letzte Bitie an mich war, Sie
aufzusuchen un! Ihnen seinen Gruß
zu bringen.
Sie taumelst ein wenig, lehnte für
eine Sekunde das Haupt an die
Wand. Dann gaffte sie sich zusam
men, öffnete di Tür zu ihrem Zim
n.er, ihn durch eine Handbewegung
zum Eintritt einladend.
Dann saßen sie sich gegenüber. U
schienen von dem gelblichen Schein
ver niedrig hängenden Ampel über
dem Tisch. Ueber dem Sofa hing
eine große Photograph: des Berstor,
denen, tranzartig umwunden von
schwarzweißrotem Tuch und ein paar
Lorbeerzweloen. Er sah in das lang
iiche, häßliche Gesicht des einstigen
Kameraden. Der Photograph hatte
nicht geschmeichelt. Das Antlitz war
.nltö!agend, gewöhnlich und aus
drucksloö. wie es in Wirklichkeit , ge
Wesen war. Nein, es schien ihm noch
häßlicher, als er es in der Erinnerung
hatte. Djr samtounlle Gianz oer der
ängstigten Augen, der unter den
Wimpem hervorgeleuchtet, fehlte eben.
Sie tvaren dort auf dem Bilde nur
zwei mäßig große, bräunliche Punkte,
waren Klicklos wie ö Augen fen
samies. die ihn beim Eintritt ange
sehen und zugleich geistesabwesend an
,bm verberge eben hatten.
Er sah wieder zu ihr hin. die wie
in Erschöpfung den Kopf an die
Polster des Lehnsiuhls drückte. WaS
für' ein alter, blasser, vergrämter
Mund! Wie dürftig und haltlos ans
in sich zufammengklunkene Figurchen !
Nur die auffallend kleinen Hände
waren hübsch on ihr.
ES wurde ihm unbehaglich. Dos
garte kleine Fräulein vor' ihm war
pichts wie ein Bild der Wehmut und
des dkisteinerkn Schmerzes. Won
der Wand schien daö Portrat des
Toten voll Wehmut aus tyn yerav
zusehen. Er raulperte sich unv oreyie nervo,
an einem Knopf seiner Uniform.
Susanne schrak zusammen. Sie schien
sich erst setzt seiner Anwesenheit wie
öcr bewußt zu werden.
.Verzeihen Sie, mein Herr, daß ich
nicht aufmerksam war lugte sie mit
einer rührend sanften Stimme. .Ich
bin es gar nicht mehr gewöhnt. 'Uien
seien um mich zu sehen. Auch die
Kinder kommen nicht mehr. Die
Bänke sind leer, da Spielzeug liegt
unbenudt im Schrank. Sie er
schrecken vor mir. sie erschrecken vor
meinem schwarzen Kleid. Ich lasse
sie ruhig geben. Was soll mir das
alleS noch. Jetzt hat nichts mehr für
mich Sinn und Zweck, seit Paul va
bin ist . . ."
Er redete beschwichtigend auf Su
sänne ein. Tie üblichen Worte kamen
ihm über die Lippen. Man dürfe sich
seinem Schmerz nicht so hingeben, es
wäre doch gewiß nicht im Sinne des
Bcrblichenen. so niedergebeugt zu
sein. Er wäre doch einen Zchonen
Tod gestorben fürs Vaterland. Auch
ihm gedührte ein Anteil an der ewigen
Schuld dir Dankbarkeit, die daö
Polk für seine Gefallenen im ge
treuen Herzen trage.
Das blasse Fräulein schaute vor
sich hin mit Augen, in denen der
stahlhane Glanz der ungeweinten
Tränen brannte. Die müden, weißen
Pögelchen auf dem schwarzen Kleide
irrten zuckend hin und her, als hätten
sie nicht Rast noch Stich.
Wissen Sie, lieber Herr, was er
für mich gewesen ist?" sprach sie leise.
Wie ein kleines, zerbrochenes, ein
sames Elöcklein klang ihre Stimme
durch den Raum.
.Wissen Sie. daß er mir Heimat.
Vater und Mutterland, Hasen und
Feiertag, Himmel und Licht gewesen
ist? Wissen Sie, wie wir gedarbt
und gespart, gehungert und gelitten
haben für die Zeit, in der wir ein
ander hätten angehören können, in der
wir uns ein Heim hätten schaffen
können, das uns entschädigte für
unsere glücklose Jugend? Sehen Sie,
es hat ja vielleicht etwas Lächerliches,
so eine alte Braut wie ich kö bin.
Aber ich schwöre Ihnen, keine Sieb
zehnjährige kann seliger in ihrer
Brautzeit sein, als ich es war. Spät
fanden wir uns erst zueinander.
Jeder hatte schön die Hoffnung auf
gegeben, auf dieser Welt noch einen
Strahl deö Glückes zu erhäschen. Ich
wollte ihn erst nicht nehmen, als er
mich zur Frau haben wollte. Ich
weinte und wies ihn von mir, trotz
dem ich ihn mehr liebte als mein
Leben. Ich sagte ihm, ich wäre zu
alt für ihn, zu häßlich, er fände ge
wiß noch eine Jüngere und Hübschere
als mich, die nicht wie ich beschwert
war durch den Gram harter Jugend
jähre. Aber er nahm meine Hand:
.Das ist es ja gerade, Susanne, wa
rum ich dich haben muß," sagte er.
Was soll mir ein Schmetterling.
Verstehen und mit mir leben, mich
hinnehmen mit meinen Launen und
eingewurzelten Sonderbarkeiten kann
nur eine, die ihr Leben lang glücklos
gewesen ist wie ich."
.Ach, Herr, wie hingen wir an
einander. Fest verwurzelt wie die
verschlungenen Wurzeln zweier
Bäume war sein und mein Leben.
Es hat ihn ja keiner gekannt wie ich.
Ich weiß, man beachtete ihn nicht viel.
Er war zu still und bescheiden, er
glänzte nicht. Er wußte sich nicht
bemerkbar zu machen, war finster und
langweilig. Erst bei mir war er
er selbst. Wie sroh und hubzch er
lachen konnte! Unbekümmert wie
ein Schuljunge, wie ein blutjunger
Student! Wie tief er alles Leid der
stand! Wie zart und rührend er für
mich sorgte! Für mich, sur die sich
niemals hilfreich eine Hand geregt!
Im Frühling wollten wir Hochzeit
machen. Dann waren wir so weit
gewesen, unser eigenes Heim zu be
ziehen. Wie waren wir glückselig.
Jeden Tag machten wir einen Strich
im Kalender. Da kam der Krieg.
Der schlug wie ein Blitz in unsere
kleine Stube. Er wollte mit, und ,ch
konnte und durste ihn nicht halten.
Aber mein Herz schrie auf in den
dunklen Nächten vor brennendem
Schmerz. .Ich komme wieder, Su
sänne," sagte er immer. .Gewiß, ich
fornjne wieder."
Ach, Herr, als die Todesnachricht
kam, habe ich, den Brief in der Hand,
einen Tag und eine Nacht hier unbe
weglich im Stuhl gelegen. Als ich
mich wieder bewegen wollte, mußte ich
erst langsam ein paar Schritti auf
und nieder versuchen, als müßte ich
wieder wie ein Kind das Gehen
lernen. Ich sehe ihn immer. Er
steht hoch auf einem Berg. Er schaut
zu mir hinab so liebreich. Er winkt
mir, winkt mir und deutet den Weg
empor.' Warte ein wenig. Liebster!
Warte nur, ich komme nach! Ich
komm schon:
Horst Ellinger schritt leise zum
Hause hinaus. Sie hatte es gar
nicht gemerkt, daß er ausgestanden
und fortgegangen war. In sich zu
lammengesunken, blicklos un uxl
nahmslos. schon mehr einer andern
als dieser Welt angehörend, saß
sie da.
Horst schaute empor zu dem nacht
dunklen Himmel, an dem schöne,
große Merne in diamantenem StraHli
Erglühten.
Es war ihm wundersam
zu !inn. vüs grost.e chlcli,! unv
da kleine Menschenleben, wie der
worren es In eins verflochtrn war!
Wer weiß etwas von den Hknfchtn,
die neben ihm heraehen und am Wege
niedersinken? Hatte er nicht geglaubt,
um Paul Sussin, diese arme, ge
scheuchte, geduckte Kreatur würde Nie
mand trauern? Er wäre nur einer
von den vielen, die spurlos dahin
sinken im großen Sturm? Nun
wußte er: jeder einzelne von den
dielen war durch ungesehene Bande
verknüpft mit andern Herzen, hatte
seine Bedeutung im Lebensbereich, war
für irgendeinen armen Menschen nötig
zum Dnsein wie allem Wachsenden
und Blühenden die Sonne.
Der amtliche Tagesbericht.
Von F. Gchrls.
Ich habe eS von einem neutralen
Freund. Der hat einen ' Better in
Bordeaux. Und dieser 'Setter Hai Be
Ziehungen zum Portier im französi
schen Knegsministerlum. Und die
Geschichte ist also die:
Bleibt da eines Tages der Joff
resche Tageeibericht aus. Natürlich
rennt der Poincare ins JlnegSmirn
sterium:
.Im Namen des Vaterlandes,"
fährt er gleich am Eingang den Vor
tier an, zu dem der Better meineZ
neutralen Freunde! Beziehungen be
sitzt, .im Namen des glorreichen
Frankreichs, wo bleibt der Tagesbe
richt von heute?"
.Herr Präsident, sagt der Por
tier, .ich bedaure. der Verantwortung
wegen nur un Beisein des Herrn
Kriegsministers erwidern zu können."
Abe da kam der Kriegsminister
schon die Treppe herunter. Und. hast
du nicht gesehn, hat ihn der Präsi
dent beim Nockknopf:
.Herr Kriegsminister, im Namen
der moralischen Bormacht Europas
.Weiß schon, Herr Präsident
eS ist ein Skandal der Joffre hat
keinen geschickt.
.Im Namen des Pionier? der
Kultur, Herr Kriegsminister, wir
müssen unsern Tagesbericht haben."
.Habe ich ihm telegraphiert, Herr
Präsident. Telegraphiert er zurück, es
sei außer ein paar kleinen Schlappen
seiner Truppen nichts passiert."
Passiert oder nicht passiert im
Namen des sieggewohnten Frank
reichs, Herr Kriegsminister: Er hat
einen Sieg zu melden, das ist seine
verdammte Wicht."
Habe ich ihm telegraphiert, Herr
Präsident. Telegraphiert er zurück,
dafür ser ihm der elektrische Strom
zu teuer."' ' :
.Im Namen des triumphierenden
Frankreichs, das ist eine Frechheit,
Herr Kriegsminister."
.DaS hab ich ihm nicht telegra
phiert. Das telegraphieren ihm besser
Sie, Herr Präsident.
.Im Namen des heilig aushorchen
den Frankreichs wir müssen den
Bericht haben. Herr Kriegsminister.";
.Der Bericht ist abgetan, Herr
Präsident, wenn Joffre nein sagt
aber vielleicht genügt ein Bericht ;
Sie verstehen Herr Präsident." ;
.Ich verstehe alles, im Namen deS
lodernden Frankreichs, wenn nur der
Bericht erst da wäre, Herr Kriegsmi,
nister." .
.ES ist eine verflucht schwierige
Kiste. Herr Präsident: Mangels des
Berichtes einen Bericht zu deichseln,
der doch amtlich sein muß."
.Selbstverständlich, im Namen deS
wahrheitsglühenden Frankreichs."
.Und dessen Inhalt an sich be'
schworen werden könnte."
.Unter allen Umständen. Herr
Kriegsminister, im Namen des eibge
treuen Frankreichs."
Hm ja, ich glaube, ich kann eS
machen." . ,
.Ich danke Ihnen im Namen deS
großherzigen Frankreichs, daS nie
vergessen wird, Herr Kriegsminister,
was seine Söhne " "
.Gewiß, Herr Präsident, aber Sie
müssen mir Generalvollmacht fiiis;
meteorologische Zentralbureau geben,'
Herr Präsident." ;
.Im Namen deS siegeshungrigen
Frankreichs, jede Vollmacht, die Sie
wünschen, Sie kluger und geliebter
Sohn des 'mächtigen Frankreichs."
An diesem Tage erschien der sei
gende amtliche Tagesbericht: '.
Die Situation beginnt sich über
all aufzuklären. Lokale Stürme sind
nicht ausgeschlrssen. Im allgemeinen
kann die Depression als endgültig
überwunden gelten, soweit französi
scheS Gebiet in Betracht kommt. Jen
seitS der Bogesen stnd dagegen schwe
re Niederlagen zu erwarten, die einen
hagelartigen Charakter anzunehmen
scheinen. Es ist serner als sicher an
zunehmen, daß sich unser Hochdruck
in der Richtung nach der Rheinebene
fortpflanzen wird."
Ganz Frankreich ist an diesem Ta
ge vor dem neuen Tagesbericht ge
standen, und es war ein -richtiger
Jubel. Besonders der .Hochdruck in
der Richtung nach der Rheinebene'
hat entzück
Und es ist in der allgemein geho
benen Stimmung nicht weiter aufge
fallen, daß an diesem Tage der
meteorologische Bericht ausgefallen!
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