Omaha Tribüne, Mittwoch, 31. Mai 1910. Seife 0.
die
Roman von
t
m. Fortsetzung).
' .Jetzt wird's ernst', meinte der
junge Offizier befriedigt .der Feind
ist im Ävrücken wir bekommen
Arbeit. . . , ,
.Gott sei Dank! Die Hangen und
Langen der letzten Zeit war ja' kaum
och zu ertragen.'
.Die aelben Lunde scheinen libri
enl gewaltigen Respekt vor uns zu
nbrn , nieint ostritz spöttisch.
.Nach diesen enormen Zvorvereirungen
möchte man annehmen, daß minde
stens der ganze asiatische Kontinent
und der Stille Ozean zu bekämpsen
wären! Und dabei gilt der ganze
Kraftaufwand dieser kleinen deutschen
Kolonie eine Handvoll wehrhafter,
teutscher Männer. Darauf können
ir un wahrhaftig etwa einbilden,
selbst wenn wir unter dem Ansturm
dvn Mongolen. Moskowitern und
nicht zuletzt Engländern zu
sammenbrechen müssen." . '
Krafft nickte.
' .Ich glaub, es passiert in der
Weltgeschichte zum erstenmal, daß
sich Schiffe und Truppen einer zivil,
pertea. weißen Nation unter daS
Kommando der gelbe Rasse stellen.
Mfut Teufel!' -
Nostritz stimmte bei.
' .Recht hast Tu pfui Teufel!
sage ich auch, der Henker soll Old
England holen und seine Spießgefel
ken dazu
Er blickte auf die See hinaus und
jdeutete auf ein Schiff mit graugrü
j&em Anstrich.
.Dort drüben liegt die .Kaiserin
Elisabeth', die auf Befehl de öfter
xeichischen Kaisers zu unserer Unter
ützuvg Hierbleiben soll. Viel hel
m wird es ja wohl nicht, denn der
Kreuzer ist alt. die Besatzung nicht
Stars, aber immerhin man freut
JH doch und in der Fremde viel
eicht ganz besonder über solch
iein Zeichen treuer Waffenbrüder
kchaft. Weißt Du schon, daß daS
deutschoftasiatische Geschwader, die
.Schaxnhorft' voran, ' heute morgen
1i KriegShafen verlassen hat? Sie
sollen auf offener See dem Feinde
so viel Abbruch wie möglich tun. Au
ßer der .Elisabeth' haben wir nur
noch einige kleine schwache Kano
nenboote zu unserem Schutz viel
ist daS ja nicht und von Deutsch
land können wir keine Hilfe er
warten; wir schen im Wurschtkessel
daran ist nun mal nichts zu än
dein.'
.Wenn auch' rief Krafft mit
leuchtenden Augen, .vergessen hat
man unö daheim trotzdem nicht, daö
beweist das AufmunterungStele
gramm. das Majestät heute dem
Gouverneur geschickt hat. So leicht
lassen wir uns nicht unterkriegen,
ugd das Iltis, das Bismarck und
Moltke-Fort sind harte Nüsse, an de
nen sich die Japaner mal erst die
Zähne ausbeißen mögen. Ebenso
sind die Berteidigungswerke nach der
Landseite, die Forts unmittelbar bei
der Stadt so gut wie uneinnehmbar.
Auch die zweite Berteidizungslinie
soll recht stark sein: überall durch
klektrifch geladene Drähte, Minen
verdeckte Batterien geschützt. Die Be
satzung ist sechstausend Man stark
und außerdem sind wir überreichlich
verproviantiert.'
Nostritz zuckte skeptisch lächelnd die
schmalen Schultern.
.Alter Junge Du bist doch
noch immer der unverbesserliche San
guiniker, der Du von jeher warst.
WaS besagt alles, was Du da auf
zählst. gegen zehnfache Ueber
macht? Viele Hunde sind deö Ha
sen Tod so wars' immer und
eS wird wohl auch hier nicht anders
kein.'
Tag um Tag. Woche m Woche
verging, immer drohender zogen sich
die kriegs schwangeren Gewitterwolken
um Tsingtau zusammen. ;
In der Lauschanbuchr erschienen
japanische Schiffe, um Truppen und
Geschütze zu landen. DaS Hochge
birge des Lauschan, an dem die
Grenze hinzieht, mußte fft weiten
Logen umgangen werden, 'doch die
Flüsse Paischa und Litsum waren
durch den langanhaltenden Regen zu
reißenden Strömen angeschwollen
und konnten vom Feinde nicht über
schritten werden.
Bergkblich versuchte japanische Ar
tillerie durch die aufgeweichten Löß
böixrt. , durch Schlamm und Geröll
mmüi zu dringen; nnverrichteter
Dinge mußte sie zurückgehen.
Ss kam die Natur selbst dn be
drohten Heldenschar zu Hilfe, ward
ihr BundkSgtNossin.
Auch deutsche Luftschiffe Mm her
kei und ßrisftn, ein. schleuderten
Bomben herab, mit sicherem Wurf
die feindlichen Schiffe treffend. Wer
gebenL eröffneten die Japaner ein
wütende? Geschüdfeuer: im, stolze
StiMug entschwanden die Segler
der Lsfte unversehrt. Denn die sie
lenkten, warm Männer mit stähln
nen Nerven, Kinder der Gefahr,
kühne Vorboten einer neue kriege
rischen Lurunst, mt vts sangnn
spotteten.
Wer e war vr ehr kurze! Auf
'a!mk- !n be MeUeZ KaVpf., Zu
i 2
l J
eiinar.
& K. Luckivald.
Wals er wie zu fcslnoe iprung vcr
Feind auss neue das lieme totuj
Deutschtum an, wie ein Nudel
hungriger Wölfe daS eingekreiste
Wild.
Lei Tag und bei Nacht erschüt
tert Kanonendonner die Luft, laut
brüllend hallte er iiber da Meer, sich
mit dem Rauschen der empörten Eee
zu schauerlichen Melodien verschmel
zend. Granaten lausten durch den
HlinmelZraum, i;u ajia durq fca
rige Striche zeichnend. Tod und Ber
derben sprühend.
Eine der vorgeschobenen japani
schen Berschanzungen nach der ande
ren wurde von deutschem Artillerie
feuer zerstört, hartnäckig wehrten die
Forts von Tsingtau alle feindlichen
Angriff ab.
Aufrecht' und unerschrocken, nach
rechter Feldherrnweise, stand der
Gouverneur an der Spitze seiner Ee
treuen, hier anfeuernd, dort weise
Vorsicht gebietend. '
Stolz wie! er daZ Angebot ehren
voller Uebergabe zurück, das ein Par
lamentar ihm gestellt, nachdem es den
Japanern gelunoen. sich in den Besitz
zweier AußenfvrtS zu setzen.
Siegen der terven dien dle
Losung der tapferen Streiter, die sich
eins wußten mit ihrem Führer, zu
dem sie mit Bewunderung und festem
Vertrauen aufsahen.
Nicht einer unter ihnen wollte der
gelben Gefahr weichen, die diesen
vorgeschobenen Posten europäischer
Kultur und Zivilisation im fernen
Osten bedrooten, die gekommen wa
ren, um zu zerstören und niederzurei
ßen. waö deutscher Flttk viele muhe
volle Jahre hindurch geschaffen und
aufgebaut. k
Keiner mochte die Hand dazu die
ten, der .gelben' Kultur' zur Ober
Hoheit zu verhelfen. Nur über ihre
Leichen würde der Feind sein Ziel
erreichen, daö hatten sie sich ge
lobt.
Aber trotz verzweifelter Gegen
wehr zog sich der eiserne Ring immer
fester zusammen, die die von allen
Seiten bestürmte Seefestunz ein
schnürte.
Seit gestern war die Wasserlet
tung zerstört, h'ftiger, blutiger wur
den die Angriffe von feindlicher Sei
te auf die schützenden Forts. Noch
leisteten sie Widerstand, aber auch die
Japaner, durch die Hartnäckigkeit der
Deutschen erbittert, boten alles aus,
den Feind zu werken.
; Japanische Offiziere hatten sich
durch einen Eid verpflichtet, die Fe
ftung am 1. November dem Ge
burtstag des .Tenno" zu besiegen,
um sie dem Kaiser 13 Festgeschenk
zu Füßen zu legen.
Jedoch sie vermochten ihr Gelübde
nicht zu halten: hin und her schwank
te das Kriegsglück, noch standen daS
Bismarck, das Jltis-Fort. noch ver
wehrten die deutschen Kanonen den
gelben Räubern den Eintritt in die
Festung.
Der Morgen deS zweiten Novem
ber zog grau und düfter herauf. Um
die gewaltigen Granitquader am
Molentopf gurgelten die Wellen, breit
drängte die Dünung ans Ufer, schäu
mend brach sich die Brandung an den
Piers. Taktmatzig hoben und senkten
sich die Schiffsplanken der .Kaiserin
Elisabeth". Der Kapitän stand auf
der Kommandobrücke, scharfen AuS
luz haltend, mit ruhiger, fester
Stimme erteilte er seine Befehle.
Wie alle am Kampf Beteiligten
wußte auch er. daß es nur noch eine
Frage von Tagen sein konnte, daß
die heldenmütigen Verteidiger von
Tsingtau die Waffen strecken mußten,
und eine Frage von Stunden nur
und sein gutes Schiff war dem Un
tngang geweiht.
Er gab den Befehl zum Feuern.
Mit hellem Pfeifen durchfauste in
vohlgezielter Granatschuß die däm
mernde Morzenlauft eS war die
letzte Kugel der Munitionsvorrat
war erschöpft.
Da ertönte daS Kommando: Alle
Markn an Deck! Und binnen weni
gen Augenblicken scharten sich Offi
zier und Mannschaft um den Ka
pitän.
Mit lauter, weithin vernehmbarer
Stimme rief er:
Wir hoben soeben unsere 'letzte
Kugel verschossen, sie war ein
Voötreffer, wie all andere un
sere Arbeit' hier ist vollbracht. Jetzt
heißt 8 Abschied nehmen von un
snem guten Schiff, das unS Heimat
gewesen Monde Jahre lang,
den in FeindeShand soll eS nicht
fallen. Ich bin entschlossen, den
Dampfer in die Luft zu sprengen.
Wr ber wollen den bedrängten
deutschn, Brüdern die Treue halten
und zu Lande weiter kämpsen sie
gen oder fallen wie Gottes Wille
es fügt. Unser ollergnädigster
Kriegsherr. Kaiser Franz Joseph
lebe hoch und nochmals ijcch und
ein drittes Mal hoch!" V.;
Ein dreimaliges, donnerndes
Hurra!" erschütterte die Luft. Der
Kapitän winkte der Musik und
.Gott erhalte Franz den Kaiser'
,die Klänge der österreichischen Natio
naiyymne stiegen feierlich und
ernst zum Himmel auf.
Straff aufgerichtet, die Hand an
der Mütze, simden alle, dann er
tönte das Kommandos .Rettung
boote herunter!'
In weniqen Minuten waren die
Nettungkboote gefüllt, als. letzter
folgte der Kapitän.
Noch elx der Hafen erreicht war,
erklang seewärts ein dumpfer Knall
hochauf spritzten die Woge
da Schiff barst in der Milte'ouS
einander.
Gurgelnd fielen die schäumenden
Wellen darüber her. rissen die äch
zcnden SckiffSrippen auseinander,
und in kochendem Wirbel sank die
.Kaiserin Elisabeth' auf den Grund
deS gelben Meere.
Am User aber begrllsjicn die Deut
schen die wackeren Bundesgenossen
mit jubelnden Hurrarufen.
Tätlich entbrannte der erbitterte
Verteidigunzskampf heftiger, und
da Ohren und Nerven zerreißende
Grollen und Zischen der Kugeln woll
te kein Ende nehmen.
Unaufhörlich schleuderten die
schweren Geschützt des Jltiö und
BlsM'Zrck Fort sprühende Feuer
garben gegen den Feind, klaffende,
Lücken in seine Reihen reißend. j
Aber auch die Japaner bedrängten ,
die deutsche Besatzung immer mehr. I
fortwährend rückte eine Verstärkung
an. um die erlittenen Verluste zu
decken, bei Freund und Feind hieli
der Tod blutig' Ernte. I
Die Raume deS Hospitals füllten j
sich, alle Betten waren bereits belegt.
Tag und Nacht gab eS Arbeit,
Aerzte und Pklkkerinnen kamen kaum
noch auS den Kleidern. Gar mancher
der tipferen Streiter, dem kein Arzt,
kein heilende Trank mehr helfen
konnte, ruhte iin Sande deS kleinen
Friedhofes, unter kreuzgeschmäcktem
Hügel, der die Inschrift .Helden
rab' trug.
Jedesmal, wenn die Sanitätöko
lonne mit neuen Opfern des Kamp
feS im Krankenhaus eintraf, spähte
Fränze ängstlich, ob der eine, um
den sie bangte, darunter sei. und je
desmal atmete sie erleichtert auf,
wenn ihr Blick auf ein ihr fremdes
Antlitz fiel.
Gestern war Krafft mit seinem
leichtverwundeten Prinzipal, den
man als alten Artilleristen der Ma
trosen'Batterie zugeteilt, vor ihr er
schienen.
.Ich empfehle Herrn Schröder
Deiner besonderen Obhut. Frän
ze". haite er gesagt, .pflege ihn
gut, r muß rasch wieder gesund
werden, wir önnen ihn draußen nicht ,
entbehren.' !
Jedoch der blonde Hüne wehrte
fast ungeduldig ab: !
.Lächerlich! Wegen dem kleinen
Streifschuß gehe ich nicht ins Hospi ,
tal. Verbinden Sie die Schramme,
nur schnell, Schwester ich hab' kei
ne Zeit ober wenn Sie 'nen lütten
Kognak bei der Hand hätten, wäre er
mir als Herzsiärkung willkommen
mehr brauche ich nicht.'
Mit geübter Hand legte Franz
den Verband an und holte das Ge
wünsckte. Auch Krafft drängte sie
ein Gläschen auf. Als sie eS ihm
reichte und zu ihm aufblickte, fuhr sie
fast erschrocken zurück.
Staub, Pulverrauch und Schweiß
hatten sein Gesicht mit einer dicken
Kruste überzogen, an einem Aermel
der beschmutzten Uniform gähnte ein
lassender Riß. Aber unter der ver
beulten Mütze strahlten seine Augen
sie freudig an:
.Auf Dein Wvhl. kleine Samari
ierin!'
.ES geht Dir doch gut. Krafft?'
forschte sie ängstlich. .Du bist un,
verletzt und gesund?
Er goß den Inhalt deS GlaseS
auf einen Zug hinunter und nickte ihr
fröhlich zu:
.Ja. Fränze - nie habe ich mich
wohler und, frischer gefühlt als jetzt,
und he ich nicht ein Dutzend der
nichtsnutzigen Gelbgesichter inS .Jen
seitS befördert habe, darf mich
teine Kugel treffen. Aber jetzt leb'
wohl, zum Schwatzen ist keine Zeit,
wir müssen wieder, auf , unseren, Po
sien.' - ; , .
. Fränze sah den beiden gleich , gro
ßen Gestalten, dir mit langen Schrit
trn den Weg zum JltisFort, ein
schlugen, mit einem Gefühl der Be
friedigung nach. Sie wußte die
dort von ihr gingen, waren echte
deutscht Männer, auf die das Vater
land stolz sein durfte.. Sie standen
auf verlorenen Posten und hielten
dennoch tapfer stand, den sicheren Un
tergang vor Augen. Unwillkürlich
fragte, sie sich: .WaS ist es. waS
diese Handvoll Menschen begeistert.
WaS sie Hunger und Durft. Straps
zen und Wunden vergessen läßt? Ist
es nur der heiße Wunsch, durchzu,
halten bis auf den letzten Mann, der
sie Uebermen'chlicheS . vollbringen
beißt, oder ist eS das eiserne deutsche
Pflichtgefühl, das in ihnen allen tief
eingewurzelt liegt?'
Sie richtete sich straffer auf. Auch
sie war eine Deutsche und sie wollte
nicht schwächer und lleiner sein als
jene, die, in heißem Ringer: dem
Tod ins starre, unerbittliche Ant
litz blickend, den Weg zur Pflicht
gingen.
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