Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 24, 1916, Image 7

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    ÄZMe OmsZ Trliusk
Der Kampfplatz am Irak.
von Vr. Crnncc Saab.
Turch die militärischen Opkkai'.onm im
Irak ist Ins Interesse auf die Nalifenstadt
Bagdad, sowie deren Umgegend, besonder!
auf dem Teil nach Nut.el.Amara und von
hier nach der persischen Grenze zu, hinge,
lenkt. Der ganze Irak gkhört zu den elen
besten und schmutzigsten Gegenden deS tllk
tischen Reiche, kein Beamter geht freiwil.
lifl dorthin, ei sei denn, um sich finanzicll
zu .restaurieren". Dies gilt ebenso vom
Innern und der Küste am Noten Meer.
AIS ich vor mehr,k'n Jahren in de Dienst
der Internationalen EanitäiSverwaltung
trat, wurde mir für den Ansang meiner
Lausbahn ein Posten am Noten Meere
oder an der tiirkisch.persischen Grenze an
geboten. Wer in den Sanitätsdienst ein
trat, mußte In diesen Gegenden debütieren.
Ich entschied mich für die tllrkisch-persische
Grenze, und so schiffte ich mich eine! Ta
geg aus einem russischen Dampfer nach
Älezandrette ein. Von hier ritt ich nach
Aleppo und Diarbekir, um denn auf einem
Flosz einen ganzen Monat lang fei Bag
dad den Tigris hinunterzufahren. Von
Bagdad halte ich bii nach meinem neuen
Aufenthaltsorte Khanekin 28 Stunden, die
ich in vier Tagen zu Pferde zurüilegte.
Nach einem fast einjährigen Aufenthalte
eS war Anfang April bekam ich den
telegraphischen Befehl, nach der Stadt
Bcdra zu gehen, um die Natur einer dort
aufgebrochenen Krankheit, der seit Mona
ten bereits viele Menschen zum Opfer ge
fallen waren, zu bestimmen. Ich hatte
eine sehr beschwerliche Reise bis dahin.
In Bedra stellte ich das Vorhandensein der
' Pest fest und telegraphierte dicS an die
Sanitätsverwaltung i Konstantinopel.
Daraufhin bekam ich Order, dort zu blei.
den, um die nötigen sanitären Mahregeln
vorzunehmen. Ein Major mit 300 auf
Maultieren berittenen Soldaten wurde mir
beigegeben. DaS ganze damalige Pestge
biet reichte bis Kut-el-Amara, Jinam Ali
Gharbi und Scheich Said, waS nun zum
Kaufplatz geworden ist.
KutAmara ist ein kleiner Ort mit
etwa 4000 Einwohnern und liegt 170 SlU
lometer von Bagdad am linken Tigris
ufer. Nur durch seine Lage hatte er ad
rninistrativen Wert, sodah die ganze weite
Gegend biS nach der persischen Grenze von
hier aus verwaltet wurde. Demselben
Grunde verdankt es jetzt seine Befestigung
durch die Engländer. Das ganze Gebiet
war zum größten Teil von den Beduinen
der Beni-Lam und deren Unterabteilun
gen, wie dem Stamme der Dai'ni, den
Ambara, den Ehumeis bewohnt. Hier
und da befanden sich einige ffamilien da
runter, die zu den Fili-Kurden gehörten
und Vor dem persischen Gouverneur in Lu
ristan geflüchtet waren. Die Beni-Lam
sind Schiiten und große Feinde der Sun
niten. Als ich einmal an ein Zeltlager
heranritt und gegen den Durst Buttermilch
verlangte, bekam ich ein kleines Porzellan
Näpfchen voll, meinen beiden Soldaten
aber wurde die Buitermilch in einem hol
zernen Napf gereicht, in dem die Hunde ge
füttert werden. .Sehen Sie, Effendi,"
sagte mir der Unteroffizier, .Sie sind bei
diesen Leuten besser angesehen als wir
Sunniten." Der ganze Stamm ist in
größere und kleinere Zeltlager verteilt, die
jede einen eigenen Scheich haben. Haupt
fcheichs der Beni-Lam sind die Dschmdil
Familie, mit wenigen Ausnahmen lauter
Galgengesichter. Die meisten sind sehr
arm, sie lagern in dürftigen, gegen die
Witterung nicht geschützte Zelten auf der
Erde, gewöhnlich ohne jede Unterlage,
Mann, Weib und Kind im schrecklichsten
Schmutz, die Augen von Fliegen umlagert,
in dem Eßgeschirr unzähliges Ungeziefer,
daneben Kalb, Ziege und Lamm, allcS
vertraulich beieinander. Als meine Sa,
nitätssoldaten ein Laken -über mein Feld
bett ausbreiteten, wunderten sich die Be
duincn über den Luzus: Wenn wir das
hätten, würden wir uns ein Hemd daraus
machen" meinten sie.
Die Eeni-Lam sind durchweg hagere,
dunkel oder schwarzbraune Gestalten mit
scharf ausgeprägten Zügen, stark vorfprin,
gendek Nase, schwarzen, funkelnden Augen
und hochgehobenen Augenbrauen. Bei den
jüngeren hängen lange schwarzlöckige Zöpfe
an beiden Seiten ,bn Ohren herunter.
"für N!kkn sink n!t !nrl fr sind nf
Uj VV. ("V.., . (..
weder veraltete Lanzenspitzen oder alte
Doppelflinten, auch trugen manche Keulen.
Man erzählte mir abir im Geheime, daß
sie ihre besseren Waffen zu Hause lassen,
damit sie ihnen nicht von dem Militär ab
genommen werden. Ebenso gefielen mir
die meisten Pferd nicht. Selten trifft
man dort arabische Vollblutpferde. Der
persische Gouverneur von Luristan, der auf
dies Gegend einen großen Einfluh au?
übt, läßt den Bcni-Lam überhaupt kein
gut?s Tier. Wenn er , hört, daß ein
Scheich ein edle Pferd oder Füllen hat,
so schickt er sofort zu ihm und nimmt es
ihm entweder für Geld, nach seiner Schä
jzung, oder mit Gewalt fort. Die Leut,
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des Gouverneur von Luristan sind insal
gcdessen viel besser beritten. AIS ich da
mal unter den Beni.Lam war, sah ich
nach vielem Drängen nur beim Cchkich Ali
Mohammed d schönste Stute in der Ge.
gend, mit Namen Hamdanie, sie wurde
auch wie sein Augapfel behütet und im
jielt bei den Frauen angebunden. Der
Gouverneur von Luristan hatte dem
Scheich bereit alle mögliche Angebote
gemacht, die er stets mit einem Gott be
hüte!" abwies.
Alle Beduinen nd Einwohner, mit
Ausnahme der wenigen Beamten und ihrer
Familien, sind der Negiermig feindlich ge
sinnt Mancher Scheich sagte mir: .Möchte
uns Allah selbst die Jnglis (Engländer)
herschicken, wenn sie uns blos von dieser
Regierung befreien - (Damit war die
türkische Regierung gemeint.) Nun haben
die Beni'Lam die Jngliö. die sie herbei
sehnten und können sie kennen lernen! Ihre
Abneigung gegen die Negierung ging so
weit, daß sie nicht einmal türkisch sprechen
wollten. Ich traf keinen unter ihnen, der
diese Sprach kannle. Als ich einmal einen
sehr intelligenten, jungen Scheich fragte,
warum n sei Türkisch gelernt habe,
sagte er: .Am Tage der Auferstehung
werden alle Menschen, selbst die Franken
(Europäer) und Christen, die in den Hirn
mel komm, arabisch sprechen, die aber in
die Hölle verstoßen werden, werden tür
lisch reden, deshalb lerne ich diese Sprache
nicht.' '
Die Beduinen klagten sehr Äber den
Gouverneur von Luristan. Trotzdem
steckte manch mit ihm unter einer Decke.
Seine Reiter machten oft Einfalle in der
Umgegend, und das Räuberhandwerkricb
damals seine schönste Blüten an der gan,
zen Grenze entlang, besonders im Früh
jähr. Hierzulande heißt es: .Stehlen ist
keine Schande, nur da Ertapptwerden."
Bei manchen Stämmen bekommt ein
junger Man kein Mädchen, wenn er nicht
vorher Proben von feiner Geschicklichkeit
im Stehlen abgelegt hat. Diese Gegenden
sind daher nicht bloß unsicher, wegen der
wilden Tiere, Wüsienhyänen, Schlangen,
Leopolden ich seihst schoß einmal eine
Wiistenhyäne und der mich begleitende
Hauptmann einen jungen Leoparden ,
sondern auch wegen der vielen Raubziige,
die von persischen Räubern auf türkischem
Gebiet und umgekehrt an der Tagcsord
nunz sind. Auch abgesehen von dieser
unglaublichen Unsicherheit im Lande ist e
unmöglich, vhne Führer zu reisen, da es
keine Wege gibt und die Beduinen von
Zeit zu Zeit ihre Zeltlager an andere Stcl.
len verlegen, die nur den allernächst woh
i.enden Stammesgenossen bekannt sind.
Da man der Hitze wegen und auch aus
verschiedene anderen Gründe sehr oft
nachts reist, so ist man gezwungen, sich
ganz auf die Führer zu verlassen. Diese
richte sich in der Dunkelheit nach den
Sternen und sind, wie ich mich oft iibcr,
zeuge konnte, große Meister darin.
In dem ganzen weiten Landstrich sind
nächst Kutel-Amara nur die Orte Bedra,
Zorbatie und Dschesan vo Belang. Zwi
schen diesen gibt es überall kleine Nieder
lassunge und Zeltlager, denn daS Land
wird im Frühjahr gern von den persischen
Kurden, die vom Gebirge herunterkommen,
als Weideplatz benutzt., Der bedeutendste
Ort ist Bedra, Sitz eines Kaimakams
(Landrat). Hier trat auch die Peft zuerst
auf, eingeschleppt au! dem Luristan. Der
Ort liegt an ..einem offenen Terrain an
dem Flüßchen Bedrasni, auch Gelal.Nahri
genannt, das von den zwei Flüssen Gani
und Gundschandschu gespeist wird. Das
Flußmasser ein anderes Trinkwasser
gibt es nicht in der ganzen Gegend ist
salzig, bitter und unbekömmlich. Bei den
Beduinen trinkt man daher am besten
Buttermilch. Kamelmilch soll zwar den
Durst stillen, schmeckt auch nicht schlecht
suß-säuerlich . wer aber nicht daran ge
wöhnt ist, bekommt Durchsall. Bcdra
liegt auf der linke Seite dcö Flusses und
zerfällt in zwei Quartiere, Kumkumie und
Kal'a mit zusammen etwa 700 Häusern.
Auf einem kleinen Raum zusammenge
drängt, hat der Ort keine Möglichkeit, sich
auszubreiten, zwischen den Häusern ist
nicht der geringste Raum frei, es sei denn,
daß eS me zerfallene Wohnung wäre.
Um die Stadt herum und auf der anderen
Seite des Flusses liegen sehr schöne und
große Palmengärten mit einem gemischten
Bestand von Feigen. Apfel und Pflau
menbäume; dahinter sind große bebaute
Aecker, die unter anderen wirtschaftlichen
Verhältnisse immense Erträge abgeben
wurden. Tie Einwohnerzahl wurde da
mals auf 3500 Seelen geschätzt, alles Schi
iten, ausgenommen vier oder fünf Beamte
mit ihren Familie, die Sunniten waren;
eine andere religiöse Seite gibt es nicht.
Die Wohlhabenden treibe Ackerbau, der
Rcst, gewöhnlich im Besitz von zwei oder
drei Eseln, vkrmittclt den Verkehr nach
Kut-el-Amara, Kreide. Scheich . Said,
0000000000000000000000000000
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tiefinnen die heimlichen QdelUn sieben
und diäten empor tut der Ode Schon,
dt ist d heilig ige Ceben,
du will zur Sonne, du ringt sich loi.
Durch kncheiide Schollen, durch berstende Cir,
durch IDind und ttieuer und CUmterqual,
und dann aus einmal In Iluien lt.it.
Im Ueilchensimi lacht der jrübling Im Cal . . .
fluch Innen Im Herren lind heimlich, Quellen ; -verschüttet
der Kummer sie einmal zur Nackt.
ie treiben und drangen, sie wogen und schwellen
trnpor sich zum leben mü'siegender Mach,.
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ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo:oocoooocooooooooooooöooooöouoo,
Jmam Ali Gharbi, Mendkli und dem u
ristan. . Einen Basar gibt es nicht, nur
ein paar Läden Von Tuchhändlcin und
Krämern.
Eine arofte Anzahl Von Häusern fxsitjl
in der Mitte einen inneren Hof, welcher
gewöhnlich als Siallung dient; sämtlicher
Mist der Tiere ist hier aufgespeichert. Nie
mand in all den Ortschaften bischt einen
Abtritt, man begibt sich auf die Dächer;
hier schläft man auch im Sommer, dann
fegen die besseren Bewohner ollen Usirat
in eine Ecke zusammen, im Winter bleibt
er natürlich auf den Dächern liegen, bis
ein ordentlicher Regen kommt und ihn
wegspült. Dazu herrschte es war im
Mai eine erdrückende Hitze Mittags
4- 28 R. Unter so ungünstigen' hygieni
schen und klimatischen Verhältnissen ist es
begreiflich, daß man selten ein vollkommen
gesundes Gesicht sieht. Zwei Krankheiten
fordern jedes Jahr viele Opfer, der Ty
phuö und das Wechfclfieber. Dazu wird
in Abständen von mehreren Jahren die
Pest aus Pcrsien eingeschleppt, wo sie en
demisch sein soll. Es kommen nämlich je
den Winter verschiedene Stämme aus Per
sie auf türkisches Gebiet, um Weide für
ihre Tiere zu suchen, besonders zwischen
dem Paß Teng und der Gegend Gyrdal.
Außerdem kamen fast alle Tage von der
persischen Grenze Leute, um ihr Getreide
in der Mühle bei Bcdra zu mahlen.
Der wichtigste Ort nächst Bedra ist
Zorbatie. , Hier residiert ein Mudir (Un
tcrpräftkk) . Die Einwohnerzahl beträgt
2000 Seelen. Auch Zorbatie ist von schö
ncn Gärten umgeben. Im Uebrigcn ist der
Ort ebenso schmutzig wie Bedra. Als ich
in Zorbatie dem Mudir meinen Gegcnbe
such mache wollte, fragte ich den Gmdar
mcn an der Tür, ob der Bei zu Hause sei:
Jawohl," erwiderte dieser, in diesem
Loche wohnt er." In der Tat mußte ich
zwei Pferdeftälle pafsicren, bis ich in den
Hof kam, wo der Chef der Behörde zu
sitzen und zu schlafen pflegt. Er war ge
rade beim Zählen und Sortieren der Miin
zen, die er von der Schafsteuer einkassiert
hatte. "A
In dritter Linie kommt Dschesan mit
etwa 1000 Einwohnern. Diese sind durch
weg Araber, Schiiten. Die Frauen sollen
ausnahmsweise sehr hübsch sein. Ein 30
Meter breiter Graben, der stagnierendes
Wasser enthält, umgibt den Ort. Die
Straßen find voll von Misthaufen, außer
dkm siebt man viele zerfallene Lehmhäuser.
Die Gärten taugen nichts wegen Wasser
Mangel, die Eiüxohncr von Bedra lajjen
ihnen keines zukommen. ES gibt hier nur
einen sogenannten Kanal, während Bedra
deren 80 bat. .
Da ick m cn Ortschaften wcht wolw'n
wollte, schlug ich auf dem offene Felde
vor Zorbatu mit meiucn 3uü Soldattn
die Zelte auf. Für mich wurde eine vier
Meter lansse Hütte aus Lehm hergerichtet,
die nach zwei Seiten offen und der Kühle
halber einen Meter tief in den Boden hin
eingebaut war. Das Dacls bestand aus
Palmenzweigen, und an beiden Seiten
waren Wände auS trockenen Gräsern an
gebracht, um der, Luft Durchzug 'zu ge
währen. Die. Luft war hier viel besser,
namentlich war es ein schönes Gefühl, un
tcr freiem Himmel ju schlafen und nur die
Sterne und den Mond über sich z haben.
Die Ansteckungsgefahr vor der Pest war
auch geringer uls ist den schmutzigen Häu
fern.
Ich war froh, als nach fünf Monaten
die Pestepidemik überall erloschen war und
ich auf meine Posten in Khanekin zriick
kehren konnte. WaS ich in der Zeit an
Entbehrungen ausgestanden habe, wie ost
ich in Lebensgefahr war, kann nur der der
stehen, der diese gottverlassenen Gegenden
gcseken bat. Auch dienstlich hatte ich die
größten. Schwierikkeiten. Wi Überall sind
Kriegö-Ostern.
Cs kann ja kein ßerz'die Uerzweillunj fassen,
und iminer.In fhdfct nur und Crübsal gehn,
es kann kein herz von der kollaung lassen,
inmal wieder muss ticbl es sey!
S komm denn Ostern! Die Ilammenmale
des Krieges brennen noch Immer so rot.
Dennoch bis in die stillsten Ci!e
wandert die Hoffnung und lenzt und lobt.
Die Zuversicht Ist (a nicht umzubringen.
Ostern, Ostern, 0 rüg. IO3 '
dazu die gewissheil: es wird gelingen
Deutschlands end!, ch. unendlicher Siegl
fugen 5tgei.
JliillTITstlÜIII lilil ilslil
von Gmkl
Athen.?. März.
König Konstantin empfing mich im
Schloß, einem schöne Weißen Palais, das
er sich als Kronprinz gebaut hat, nicht in
jenem großen, etwas langweiligen Bau In
Mitte der Stadt. Das Polais liegt im
blühenden Garten, etwas rückwärt., und
macht eher den Eiirdruck einer großen bor
nehmen Billa. ES ist außen griechisch,
aber innen englisch. Seine Räume sifld
prunklos und wohnlich. Ich sah in einem
kkinen Vorzimmer, daS voll von Büchern
stand, zwei kleine Bilder einander gegen
über hängen, die ungewollt die Neutrali
tät ihres Herrn betonten: auf der einen
Seite Nelson und Wellington als Stiche
im romantischen Geschmack deS beginnen
den 19. Jahrhunderts, auf der anderen
Seite der Kaiser als Garde du Corps mit
einer Unterschrift zur Erinnerung an die
Dienstzeit des König in Berlin. Auf
einer stillen, weißen Marmortreppe, auf
der mich der Oderhofmarschall empor
führte, lag ein blauer Teppich, die Farbe
des Landes andeutend.
Der Herr dcS Landes sitzt in einem
hohe Eckzimmer; er trägt auf der hohen
Gestalt eines völlig genesenen Mannes
einen von Stirn und Augen beherrschten
Kopf. Der Blick geht durch das breite
Fenster vor ihm über den Park des Schlos
ses bis zur Akropolis, deren unsterbliche
Säulen, wie vor Jahrtausenden, in die
Blaue ragen. Jm Wesen und der Gestalt
dieses GriechenkönigS scheint nichts einen
Ucbergang auS jener Zeit zu bedeuten, wie
er etwa von einem toniantifchen Schwär
mer auf dem Thron angestrebt werden
könnte. In Haltung und Auftritt, in
Auffassung und Rede glaubt man viel
mehr einen Realisten zu erkennen, in dem
die Kühle realistischer Naturen durch ganz
ungewöhnliches Feuer ausgeglichen wird.
Die Hurtigkeit seines Denkens, die Gelen
kigkeit seiner Auffassung, dies jugendliche
Feuer, die überraschende Freiheit und
RückHaltlosigkeit der Urteile vor ollem aber
über Feind und Freund, gaben mir das
Gefühl, hier nicht nur einem vorsichtigen
Politiker gegenüber zu sitzen, sondern auch
einem aufrichtigen Soldaten. Denn vor
allem ist König Konstantin Feldherr und
Soldat, er weiß es und ist stolz darauf.
Ich bin," sagte er. selbst Armeefüh
rer gewesen und kann voraussehen, welche
Schwierigkeiten die Entente uf der
schmalen Basis von Saloniki erwarten,
auch wenn sie, wie erzählt wird, eüenso
wie in Flandern, fünf Meter tick ringe
graben sind. Warum die französische Rc
gierung noch immer Saloniki zu halten
sucht, verstehe ich; ich weiß auch, daß die
Engländer durchaus nicht so willig waren,
mitzumachen. Welche Tollheit aber, wenn
ich mich ihnen anschlösse! Für mich kön
nen Gefühle nicht maßgebend sein, weder
Gefühle für die einen, noch für die ande
ren. In Deutschland wird man gewiß
nicht erwarten, daß ich wie ein Deutscher
handle, ich kann nur als Grieche richtig
handeln."
Ein Soldatenkönig wie er, der in zwei
Kriegen sein Land verdoppelt hat, emp
findet auch feine Stärke. Als ich ihm von
Unterhaltungen, die ich mit griechischen
Offizieren gehabt hatte, berichtete, erwi
derte er lebhaft: Ja, vom ersten bis zum
letzten Mann steht die Armee ganz zu
mir. Das sind Leute, die der Welt ge
zeigt haben, wie , ch schlagen können.
Ueberhebung ist es wirklich nicht, wenn ich
daS ausspreche. es ist ein Art preuhi
schen Verhältnisse? zwischen König und
Armee, wie Sie eben sagten. Aber auch
bei uns bedeutet heute die Armee das
Volk. Zu Beginn des Krieges hatte es
franzosische Sympathien, das i in Grie
;ch.land Tradition. Aber die Entente hat
inzwischen alles getan, um an Sympa
thien zu verlieren. Durch planmäßige
Verletzung und Brüskierung unserer Frei
heit, hat sie die griechisch Freundschaft
aufs Spiel gesetzt.
An anderer Saelle wie hier bei dieser
einftündigen Unterha"ung kam die Rede
aufVenizelos, und cs ist ei schöner Cha
rakterzug dicsc Königs, daß er gcwAt ist,
dem Gegner gerecht zu werden, wie es po
die Einwohner Feinde jeder sanitären
Maßregel, sie betrachten alles als eine Be
lästigung und weisen jede ärztliche Hilfe
ab, da sie mehr Vertrauen zu ihren Prie
stern, Barbieren oder zu den alten Wei
bern haben.
Bei guter Verwaltung, Anlage von
Straßen und Eisenbahnen, ließe sich aus
diesen Gegenden vieles machen. Das
wissen auch die habgierigen Jnglis, Ihr
Auge ruht schon längst auf dem Irak und
Mesopotamien. Bagdad zu besitzen, wär
von jeher ihr Vreben. Aber wie die Tür
ken sagen: Jnschalloh. iama iok!" so
Gott will, wird et nicht weiden! ''
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Wgckchcknö.
Lndwkg.
li tische Denker von Welt und Reife tun
Von allein, was er übcr Bcnizclos sagte
und wovon ich nur wenig wiedergeben
kann, zeugte nichts vom Gesuhl des ge
kränkten Dynasten, der von feinem Mini
fter fast verraten wurde. Wie pon einem
klugen Gegenspieler sprach er 'von ihm,
nicht wie bon einem zweifelhaften Diener
der Krone. Der Kon,g sagte: In Politik
schen Dingen ist Venizclos oft phanta
stisch. Als Sir Edward Gre ihm als
Preis dcS Beitritts Griechenlands ein
Stück der kleinasiatischen Küste von der
Ferne zeigte, erklärte er in der Kammer
sosort, wir würden den ganzen W:stcn bis
gegen Afium Karahissar bekommen, nd
er schilderte schon Wiesen und schafher
den, wie er sie vor sich sah."
Der König zeigte sich bei diesen Schilde
runge als der Menschenkenner, als der
er sich bei Beurteilung anderer Personen
auch weiterhin ,n sehr hohem Grade er
wies, und ich sah, wie eben seine Gerech
tigkeit auf dieser klaren Erkenntnis fußt.
Diese Gerechtigkeit versagt er auch nicht
den Bulgaren, seinen früheren Gegnern.
Falsch ist es, wenn verbreitet" wird, König
Konstantin brenne vor Haß gegen den
alten Femd. Man kann freilich einem
Griechen, vom König bis zum Bauer eben-
sowenig zumuten, wie einem Bulgaren,
daß ste einander besonders lieben, und die
Art. wie der Könicr auf Rambaur byzan
tinische Geschichte hinwies und auf die
Widersprüche, die schon im 10. Jahrhun
dert zwischen de beiden Rassen bestanden
hätten, zeigte, daß er historisches Gefühl
besitzt. Freili tonnte rm einzelnen man
chcs besser sein." sagte der König, und
ich möchte wohl, daß die friedfertige Ge
sinnung der bulgarischen Regierung auch
bis m jene Untcrorgane ihre Wirkung aus
übte, die unS in den letzten Wochen durch
mehrere kleine Streiche im Grenzgebiet
verletzt haben. Ich erwarte aber zuver
sichtlich und bin überzeugt, daß die Bul
garen, sobald sie ihre Feinde aus meinem
Land getrieben, Griechenland verlassen
werden."
Als ich dem König erzählte, wie sehr er
selbst in Deutschland populär wäre, lachte
er und sagttt Der Punch" hat mic'i im
altgnechischen Kostüm, im Stil der alten
Vasen gezeichnet, wie ich, vom Kaiser und
der Britannia an zwei Seilen gezerrt, auf
den Füßen schwanke. Das ,st zwar amu
sant, aber falsch, denn ich habe nie gc
schwankt. Wir können nur neutral biet
bcn. Sie meinen, die Entente könnte nach
einer Vertreibung auS Saloniki zu schar
fcren Gcwaltmahregeln greifen? .Nun,
seit einigen Wochen benimmt man sich in
gewissen Fragen besser als vordem. Was
hätte es schli.lich für einen Sinn für sie,
in einem anderen griechischen Hafen zu
landen? Hierher, nach Athen, kommen sie
jedenfalls nun und nimmer, sie werden es
auch nicht versuchen."
. Ich erzählte dem König, der mich mit
der Frage empfangen hatte, wie es mir in
diesem Lande gefalle, daß man in Deutsch
land über die Sicherheit der Wege hierher
und die hiesige Lage eine Zeitlang mit
einer gewissen Unruhe geurtcilt habe.
Ich kam später darauf zurück und erklärte
ihm, daß man 'in Deutschland seit drei
Wochen keine Nachrichten gehabt und die
Entente übrigens zu allem für fähig halte,
nach dem, was in Korfu, Chios, Kreta
und Saloniki geschehen wäre. Darauf
erwiderte der König: Freilich enthält
das, waS geschehen ist, lauter Verletzungen
des Völkerrechts und wird erst teilweise
wieder ausgeglichen. Doch wird gegen
Athen keiner seine Hand erheben. Die
fremden Gesandten, sür deren Sicherheit
man. bet Ihnen zu fürchten scheint, sind
alle gleich meine Gaste, ein Leids darf kei
nem geschehen."
Der König kommt bei aller politischen
Weite doch immer wieder auf militärische
Dinge zu sprechen und ist bis ins Detail
der Zahlen völlig orientiert, auch übcr ent
fernte Schauplätze dcs Krieges. Den Kö
nig hat der Fall von Erzerum, mit dessen
Wirkung die Entente hier sehr gerechnet
hatte, äußerst kühl gelassen, da er als Mi
litar aus der Karte ersah, wieviel tausend
Kilometer Erzerum von Stambul und
Bagdad entfernt liegt.
Als die Audienz beendet war, nahm ich
das Bild eines Fürsten mit, den Mut und
Klarheit zum Feldherrn, Natürlichkeit zum
Freunde und ein ungewöhnliche politische
Vradhejt zum Bundesgenossen gcsckmffen
zu haben scheinen. Er schien mir in sei
ner Frische ud creillchast srci von Eitel
keit, ein Mann, der das Leben liebt, ober
den Tod nicht fürchtet. ' .
In dem Augenblick, als ich aus dcm
Schloß trat, fuhr an der gleichen Pforte
der französische General ?arrail in Uni-
form vor, ''
Französische
Unser E..'d wird gar nicht all", lautet
der Kehrreim eines besannt deutschen
Liedes. Er kennzeichnet vielleicht am besten
das Prinzip, wonach die sranzösischen Fi
anzen seit Jahren vermaltet werden und
noch mehr das Gebaren der führenden Fi
anzkikise dieses Landes.
E gibt kein r.,!chternkri und in ge
schiistlichen Dittgn grllidchrlichre! Voll
als die Franzosen, und diese Eigenschaft
tc, verbunden mit angeborener Liebens
Würdigkeit, sink eS wohl auch, die den
Franzosen Snmpathicn in der ganzen
Wlt bcrschasst hatten. Diese Sympathien
babcn in der Hauptsache dazu gejährt,
über die schweren Lehren hinwegsehen zu
lnssrn, welche französische Eitelkeit, Herrsch
sucht und Selbstbetörung so häusig in der
Vergangenheit über die Welt gebracht ha
be. nicht so sehr, weil der Durchschnitts
franzose einen Drang zu Aggressivität ge
gen andere i sich fühlt, sondern weil die
kleine Minorität, welche Frankreich be
herrscht und die unglaubliche Unwissenheit,
die ixbtr, alles im französischen Volk be
steht, was sich nicht um Kirchturmsintcr
essen dreht, ti immer wieder zum Spiel
ball gewissenloser Politiker und skrupcl
loser Finanzkreise gemacht hat.
Bekanntlich gefiel sich die franzosische
Politik während der letzten 30 Jahre da
rin, durch finanzielle Aorteile und An
leihen Rußland an sich zu fesseln. Die
Folge war, statt der erhofften Wicdercr
tangung Elsaß-Lothringens mit russischer
Hilfe, dcr japanische Krieg, welcher zu der
fast uiibzrenzten Stärkung dcr Macht Ja
pans im Osten geführt hat und wahr
s '.inlich dcr Ausgangspunkt einer unab
schbarcn Bedrohung der europäischen In
tercssen daselbst, und der weißen Rasse
überhaupt bleiben wird. Nachdem Frank-
reich einmal A nelant hatte, mukte es
sagen, und so kommt es, kurz vor Be
ginn de! Krieges Rußland an Franireiq
etwa 22 Milliarden Francs schuldete. Zin
scn für diese Anleihen wurden in der
Hauptsache seit viele Jahren nur och
durch neue Anleihen und Neudruck von
Papieren befriedigt. Welches der Wert dcr
russischen Anleihe heute ist, darauf kann
sich icbet selbst ein Lied machen. TaS sr
rede von dem ungelurcn Reichtum Ruß-
lands ist irreführend. Erstens befinden
sich gerade die reichsten und crgibigsten in
dustriellcn und landwirtschaftlichen Bezirke
Rußlands in deutschem Besitz und sodann
gleicht Rußland einem großen Saoril
gebäude, dessen Inneres leer oder verwahr
lost ist. Die Entwicklung der natürlichen
Bodenschätze Rußlands wird Generationen
in Anspruch nehmen, und zunich t eine
vollständige Umwälzung der russischen
Verhältnisse und eine Aenderung iu der
allgemeinen fremdfeindlichen Politik Ru
lands zur Vorbedingung haben müssen.
Damit hat es heute gute Wege und in-
zwischen ist Nußland rettungslos anre
rott. Vor kurzem hörten wir den russi-
schen Minister Sasanofs von eirem nne
ren Dränge zu engerem wirtschaftlichen
Anschluß mit Ameüka sprechen. Was da
von zu halten ist, darüber geben lürzliche
Aeukerunaen des bekannten Bankiers.
cob Schiff, die besten Ausschlüsse, und im
übrigen bedeutet dieses Werben Rußlands
um Amerika nichts anderes als eine Pa-
ralelle zu den Bild in der Lebewelt, wo
der ruinierte Liebhaber von der Dame fei
nes Herzens rücksichtslos gut die Seite ae
schoben wird, weil aus ihm nichts mehr
herauszuholen ist" und et anderer gesun
den werden muß, der zahlen kann.
Die französischen Darlehen im Aus-
lande wurden zu Begin des Krieges auf
etwas über 40 Milliarden geschätzt. Von
der nach Abzug der russischen Verbindlich
leiten laufenden Hälfte, befinden sich die
meisten Placierungen in der Türkei, Grie
chenland, Bulgarien, Serbien, Portugal
und dem lateinischen Amerika, besonders
in Brasilien. Als Collateral für eine An
leihe in den Vereinigten Staaten wird nur
ein kleiner Prozentsatz dienen können.' In
die gesünderen, auswärtigen Unterneh
mungen der übrigen Länder, besonders wo
englisches Kapital vorherrscht, haben die
Franzosen kaM je einzudringen gewußt.
Die Geschichte der auswärtigen Finan
zierungen Frankreichs, beginnend mit dem
Panamakanal während der letzten dreißig
Jahre, ist eine lehrreiche und vielfach ge
radezu tragische. An und für sich ent
sprachen dieselben zweifellos dem Bedürf
nis Frankreichs, zu Unterbringen natio
naler Ersparnisse auswärts zu besserem
Zinsfuß, im Sinne nationaler und han
delswirtschaftlicher Expansion. Die Ver
wirklichung dieser Idee führte jedoch
hauptsächlich zur Befriedigung gewinnsüch
tiger Emmifsionssyndikate und einer rück
sichtslosen. Dividendenpolitik großer fran
zösischer Finanzinstitute, bei der es weniger
auf die gebotene Sicherheit, als auf leichte
Gewinne und hohe Kommissionen ankam,
für die daS französische Sparer-Publikum
den Rücken herzuhalten hatte.
EZ würde zu weit führen, auf Einzel
heilen hier einzugehen, über die in Frank
reich jeder unterrichtet ist, über die man
aber nicht gern spricht, weil dies für un
patriotisch gilt, und die Presse aus nahe
liegenden Gründen derartigen Besprcchun-
gen aus dem Wege geht. Es möge nur
daran erinnert werden, wie Anfang 1914
die Drohung des fteckbrieslich verfolgten
Finanziers Rochette an den französischen
Minister Caillaux, enthüllen zu wollen, in
welch' rücksichtsloser Weise die französischen
Sparer seit Jahren von Pariser Finanz
kreisen ausgebeutet und geschädigt worden
waren, auf diese Kreise denselben Effekt
übte, wie etwa vor W Jahren in der bc
rühmten Kammersiknng. als dcr bekannte
Abgeordnete Delahayc von dcr Tribüne
herunter, aus die gefüllten Banken der De-
putierten hinweisend, den entsetzten Zuhö
rern mitteilte, daß daselbst über 200 von
der Panama-ijesellschast bestochene Abge-
ordnete saßen.
In Wirlllchkeit hatte das Finanzgeba
ten dcr führenden Kreise Frankreichs dazu
geführt, daß Ansang 1!)14 daS Bargeld
im sranzösischen Sparstrumpf durch un-
verkäufliche uns faule Werte so gut wie
ganz ersetzt worden, daß das Publikum
mit Mißtrauen und Entrüstung gegen die
Emissionsbanken und . Pariser Haiitc
sinance erfüllt war, und letztere fclwi,
welche die Aufnahmesahiakcit dcS Publi-
kums augenscheinlich überschätzt harten, mit
nplacierbaren Wertpapiere überfüllt nd!
Finanzen.
zum Teil vollständig Immobilisiert war.
sodah sür sie der Ausbruch des Krieges
fast eine Erlösung und zum mindesten ein
ufschikbkn der Stunde d Verantmor
tnng bedeutete. Mit welchen KunstckkN
einzelne groß französische Banken siz, nur
noch hielten und gehalten wurden, dazüb'r
werden wir einmal in einem anderen j
pilel berichten.
Ja jene Periode fällt auch die sranzösi
sche Anleihe von 80 Millionen Francs,
LZ, Prozent Rente zum Kurs von 2 Pro
zent. Auch dicfts Kapitel ist lehrreich. Die
saft oschli,ßlich auf Revanche gerichtete
französische Politik dcr letzten L0 Jahre
und die immer laknen Finanzverhältnisic,
die sie bedingte, hatte zuletzt zu einem
Anwachsen de Deficits auf nahezu 2
Milliarden Francs gesuhlt, dessen Decken
die Hauptaufgabe des wieder auS Ruder
gelangten Ministerium. Eaillaux war. Ei
ne nationale Anleihe wurde als unvermeid
lich gefunden. Zuerst sollte es 1700 Mit
lionen sein, schließlich aber einigte man sich
auf die Ziffer von M0 Millionen, da man
erkannte, daß die Lage deS französischen
Sparmarkteö kein großes Quantum zu
ließ. Jene Anleihe wurde anfan Juli
aufgelegt. Der Welt wurde mitgeteilt, daß
sie 32 Mal überzeichnet fei. doch schon fast
am Tage, nachdem die Zeichnungen ge
schlössen waren, ging der Kurs unter den
Kommissionspreis zurück. Wie sich bei Be
ginn dcs KricgcS herausstellte, war in
Wirklichkeit nur ein kleiner Bruchteil der
Anleihe vom französischen Publikum aus
genommen worden, der Rcst ober, i den
Händen der Banken verblieben, denen man
Erleichterungen und späterhin Umtausch
in Oprozentige Rente gewähren mußte, um
eine Katastrophe zu vermeiden.
Die vorstehende Tatsache ist bemerken!
wert, weil sie zeigt, wie es in Frankreich
gemacht wird, und was von manche Biit
teilungm daselbst zu halten ist.
Zur Deckung der, durch die dreijährige
Dienstzeit gesteigerten Mehrausgaben pro
panierte Csillaux außerdem die Einsuh
rung einer progressiven Einkommensteuer,
sc l;a ..c .1... rinn stn!rt:-
vcun Vigeoriis aus nur riiva üöv xiiiuiu
nen Francs geschätzt wurde, . trotzdem sie
die höheren Einkommen bis zu 78 Pro
zent heranzog. Die indirekten Steuern und
Importzölle hatten in Frankreich eine fol
ehe Höhe erreicht und alles Besteuerbare
war bereits derart belastet worden, daß
neue Einnahmen aus diesen durch Erhö
hung der Steuer nicht mehr zu erhoffen
waren. Der Minister Caillaux hatte sehr
richtig begriffen, daß eine gerechte und ef
fckiiv wirkende Einkommensteuer ziur
möglich si-i durch detaillierte Selbstein
schätzung und das Recht der Nachprüfung
durch die Steuerbehörde, ahnlich wie in
England und Deutschland. Hieran schei,
terte jedoch das Projekt. Sein Nachsolger
proponierte eine Einkommensteuer auf
Grund äußerer Kennzeichen des Besitzes.
Kurz gesagt, entsprach dieses System dcm
unausgesprochenen Wunsch der Regierung,
die Steuer als politisches Machtmittel ge
gen andere Parteien benutzen zu können,
und seinen Freunden die Möglichkeiten of
fen zu halten, die wir einmal seitens eineZ
berühmten . französischen Journalisten in
den Worten ausgedrückt sahen, daß es in
Frankreich mit dcm Hintergehe des Fis
kus gehe, wie mit Jagdfreveln, nämlich
daß ein jeder solche begehe. Wichtiger ist,
daß Frankreich aus der Einkommensteucr
Summen herauszubekommen dachte, die
nur einem geringen Bruchteil der aus den
großen während des Krieges angehäuften
Schulden entsprechen, d. h. den Zinsen von
ö Milliarden, gegen 40 Milliarden, die
man seit' zwei Jahren ausgab. Und
dies in einem Augenblick, wo auch abgesc
he vom Kriege infolge jahrelanger Poli
tik, und abnehmender Bevölkerung die ma
teriellen Hilfsquellen Frankreichs bereits
stark gesunken sind. Mit allen diesen Um
ständen hängt es auch zusammen, daß
Frankreich bis jetzt nur im Stande gewe
fen ist, ine Anleihe von 12 Milliarden
Franc? auszubringen, wovon l mit alte
Anleihen beglichen werden konnte, also pur
8 Milliarden, und daß eben dieses Land
auch heute noch im vollen Moratorium sich
befindet, wührend Deutschland dieses über
Haupt nie gehabt hat und England e! ach
wenigen Monaten abschaffte.
Die Grenze für ungedeckte Banknoten
mußte kürzlich in Frankreich von 10 Mil
liarden Francs auf 13 Milliarden erhöht
werden, und gleichzeitig sieht man sich da
selbst genötigt, zu Goldverschisfungen zu
greifen. Die Verschuldung, vor dem Krieg
etwa 30 Milliarden, heute ea. 70 Milliar
den, hat ine Höhe erreicht, gegen die auch
im besten Falle eS keine Rettung mehr gibt.
DsS ganze französische Finanzgcbäude
gleicht einer ungeheuren Pyramide, die scit
langem mit wachsenden Schwierigkeiten
auf der Spitze balanziert wird und die das
ganze finanzielle Frankreich unter sich be
graben muß am Tage, wo die entsetzlichen
Folgen der Vergangenheit und noch mehr
der Gegenwart zu Tage treten müssen,
und sie ihr künstliches Gleichgewicht der
lieri.
Es ist übrigens kein Zweifel, daß auch
in eingereihten Kreise New Aorks man
sich über diese Sachlage Rechnung gibt,
obwohl man nicht gern darüber spricht,
und daß diese wachsende Besorgnis in dem
scharfen Kursrückgang auf Paris in den
letzten Tagen zum Ausdruck kommt. Eine
andere Anleihe heute in Frankreich oder
auch tn rrgend einem der kriegführenden
Länder ohne Verpfändung sicherer natio
naler Hilfsquellen für Zinsen und befon
der auch Amortisation würde ein Vcrbre
chen gegen dieameriianischeNation bedeuten.
Es ging jüngst das Gerücht, da durch
die Morgangruppe mit Rußland ein An
leihen geplant sei aus BasiS der Vcrpfan
dung russischer Eisenbahnen. Wer mit rus-
jijchen Verhältnissen nicht einigermaßen
vertraut ist, wird gut tun, die neuere Ge
schichte dcr Wicn-Warschauer Eisenbahn
zu studieren. Er wird erfahren, daß deren
ZinsertragniS aus null gesunken war, ganz
einfach, weil niemand mehr ktwaS bezahlte
und das ganze Publikum umsonst reiste,
einfach, weil die Einnahmen den Gla'ubi
gern zu gute kommen sollten. Nur Anlci
hen, bei denen gleichzeitig den merikani
schen Pfand.Gläubigern daS Recht der
Verwaltung und Inkasso der Einnahmen
eingeräumt werden, haben in Rußland
irgend welchen ZLert. Am besten aber ist es.
zanz pavo j bleibe. - L5i.
. ... . .