Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 25, 1916, Image 2

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    Tägliche Omaha Tribüne
X
Die Moöilmachmg der iige.
von Or. Oerbert G zkrfchberg.
Xai schwere Ringen, in dem sich düs
Deutsche Reich seit jetzt mä;t ali einem
Jahre gegen die wohl stärkste in Europa
denkbare Koalition befindet, ist niiM nur
ein stampf der Wessen und Maschinen,
'. ist zugleich auch ein Stampf bet üfieiit
lichen Meinungen der Welt, wie er bischet
feiiuigleichen nech nicht halte. Wer M
Vordem noch nicht gcklcht oder is zu,
ivcnigstcn nicht daran qeglaubt hat, daß
die Presse, die in gieicker Weift Ursache
wie Niederschlag der öffentlichen Meinung
ist, eine öirofjNlacht darstellt, dürfte in
diesem Kriege dem seinem Irrtum über
die Veoentuiiq der Presse geheilt worden
sein. Und bau dankt er unseren Feinden.
Dem Stolz?, wit dein jeder Deutsche o;f
die bis!r in der Geschichte unvcrglcich
lichc Äobilmackiinq unserer gesamten
Voilahast in militärischer, finanzieller
und vcrwaltungt'kechnischcr Hinsicht blickt,
können unsere Feinde ihre Genugtuung
über die Nutzbarmachung der Macht der
Presse gegenüberstellen. Sie stand genau
so vorbereitet da und funkiionierte mit
derselben Eratibeit wie der Aufmarsch
unserer Trupven in Feindesland, E war
ihre größte Mobilisierung. Mögen auch
die Mittel, mit denen unsere Fein ihren
Preßapparat zur Beeinflussung der Bf
fentlichen Meinung haben dienstbar
rnachen tonnen, unsere tiefste Abscheu er
regen, mag es mich zutreffen, dasz nicht
alle Menschen für alle Zeit belogen wer
den können und daß schließlich und end
lich die Wahrheit doch immer zum Siege
gelangt, eine gewisse Bewunderung tön
ncn wir der Benutzung der Presse durch
unsere Feinde als rein organisatorischer
Leistung nicht versagen. Und wir haben
mit ihr rechnen müssen, mehr als je einer
eZ bei uns geahnt hätte.
Das vorliegende Äuch hat es sich zur
Ausgabe gestellt, an einer großen Anzahl
Von Lriginalartiteln und Bildern aus
ausländischen Zeitungen unter Grp
pierung nach sachlichen Gesichtspunt'.en
die Methoden zur Anschauung zu brin
gen, mit denen unsere Feinde die Lüge
und die Verleumdung als Waffe gegen
uns benutzt haben. Gewiß: gelogen wird
in jedem Krieg. Wie das klappern zum
Handwerk gehört die Lüge seit Menschen
gedenken zu den immer wiederkehrenden
Begleiterscheinungen des Krieges. Und
deshalb könnten wir uns von vornherein
- ganz gleichaiiüig dagegen verhalten. Aber
ej handelt sich in diesem Kriege um mehr.
Er hat uu neben den vielen Ueber-
schunaen, die er gezeingt bat, zum ,
erstenmal einen bcwundernslveri funkiio-
nie?endenPreappt beschert, der die j
Lüge als Snstem benutzt und der sich
nicht' darauf beschränkt hat, nur nn eige
nen Lande zu wirken was man, wenn
man will, unier gewissen Joraussedim
gen, ' insbesondere im . Hinblick aus die
Schaffung, und ErheZiung der für die
Verteidigung notwendigen , Schwungkraft
entschuZdkasinden kann er hat es
vor allem auch verstanden, durch ein ras
finiert augcbautes, skrupellos gchand
ihaSteZ Informationssystem die öffentliche
Meinung so weiter Kreise der neutralen
Länder in uns feindlichem Sinne zu be
einflussen. Und hier beginr.t unser In
teresse. Zwar darf es uns auch nicht
gleichgiltig fein, weicke Meinung von uns
trotz aller Feindschaft die Bevölkerung der
mit uns im Kriege befindlichen Staaten
hak. Denn es wird dereinst einmal auch
wieder Friede herrschen. Zunächst und in
erster Reihe aber tonnen wir es nicht
ruhig hinzchen lassen, daß die Meinung
bet neutralen Staaten, mit denen wir in
friedlichem wirtschaftlichen uns Zulturel
ken Austausch stehen und verharren wol
lcn. planmäßig durch Ausstreuung der
abscheulichsten für ein Mcnschenhirn er
findbaren Verleumdungen über un der
giftet wird.
Einem möglichen Einwand soll von
vornherein begegnet werden: daß der auf
merksame Zeitungsleser, vor allem aber
der, der etwas suchen will, während des
Krieges auch in deutschen Zeitungen eine
Anzahl von Nachrichten gefunden hat und
ständig findet, die sich nachträglich als
falsch herausstellen. Eine solche Behaup
tung ist in dieser Form ganz gewiß rief)
iia:, 'berücksichtigt aber nicht die schwierigen
Bedingungen, unter denen sich jchon in
Friedenszeiten die tägliche Nachrichten
Übermittlung an das Publikum vollzieht.
Die Schnelligkeit, mit der der Zeitungs
betrieb arbeiten muß, das häufige Ein
treffen wichtiger Icachrlchten kurz vor
Redaktionsschluß und diele andere Mo
mente mach es sehr oft unmöglich, die
Richtigkeit und den Wert einer Nachricht
im Augenblick 'so sehr auf Herz und
Nieren zn prüfen, daß die Aufnahme un
richtiger Nachrichten absolut vermieden
wird. Daß diese Schwierigkeiten der Nach
richtenprüfung im Kriegszustande in
ußererdentlichem Umfange wachsen, liegt
ohne weiteres auf der Hand.
Dazu ober kommt, daß dai Publikum
im allgemeinen die Quelle einer Nachricht
nicht zu prüfen pflegt und etwaige falsche
Nachrichten, die aus ausländischen Blät,
tkiii bzw. Korrespondenzen wegen des
Interesses, da! sie auch in Tellischland
haben, in unseren Zeitungen wieder
gegeben werden, trotz der Quellenangabe
als eigene Nachrichten der betreffenden
deutschen Zeitung ansieht.
Diese beiden Momente konnten, wie ge
sigt, bei manchem vielleicht die Meinung
heroornisen, in der Derksiellung feind
lich Lügen etwas Pharisäerhaftes zu
erblicken. Aber es gehört keineswegs etwa
eine besondere journalistische Schulung
dazs, um sossrt aus den ersten Blick den
fundamentalen Unterschied zwischen der
deutschen k.rigpssk und den un! feind
liche Blättern zu erkennen. Mag man
auch im einzelnen gelegentlich nachweisen
können, daß m deutle Zeitungen auf
nommene Äaeb richten sich späterhin cli
unrichtig erwiesen haben, so wird man
eine Bcha,!?tunz dcch mit reinem Äewis-
sen und Skotj ausstellen kennen:
?,!r,mm 411 Hwai ! !.'"! fr
!.-S!fn ! 4 erWfrt ud t
.'. T-Lsi.'.ii kir .vr!:iß füi'.crLfci.
)
Daß keine einzige deutsche Zeitung von
irgendwelchem Rang und Ansehen wäh
rend des Krieges bewußt Lügen verbreitet
hat. im Gegensoiz zu dein von Teutsch'
lands Feinden unter Benuhung aller tcch
Nischen Errungenschaften unseres Zeit
alter ins Werk gesetzten stifte Mail
schen Lllgenfeldzug.
Nicht minder groß darf der deutsche
Stolz sein, soweit über tatsächliche Lugen
hinaus eigentliche Verleumdungen und
Herabsctzungcn deZ Gegners in Frage
lomnien. Wir haben bei aller Feindschaft
mag man die Gefühle, denen wir i
unseren Zeitungen Ausdruck gegeben ha
den, als Groll oder Haß oder Zorn be
zeichnen es doch immer vermieden,
unsere Gegner so mit Schmutz zu be
werfen und ihre Eigenschaften und
Leistungen so hcrabzuzietzen, wie sie es
uns gegenüber getan haben. Hat uns doch
die Jlamnie der Entrüstung gegenüber
unseren Feinden immer noch gestattet
und das ist cin"typischcr Wesens mg des
Volkes der Denker psychologisch-wis
senschaftliche Betrach'ungen über unsere
Gegner, ihre Eigenart, ihre Motive, ihre
Schuld usw. anzustellen, im Gegensatz
zur Methode unserer Feinde, die seit
AuZbruch des Krieges, sobald sie vom
Gegner sprechen, kaum etwas anderes ken
nen als die offene, durch kein Verständnis
geschichtlicher und kultureller Vorgänge
gemilderte Sprache der Gemeinheit.
Unsere Presse hat sich vom Ton der
Straße freigehalten, und je höher sich die
Schmutzwellen unserer Gegner türmten,
desto ernster, sachlicher und würdiger
wurde der Ton unserer sich ihrer Vcr
antwortlichleit stets bewußten Presse.
Air haben bisher immer nur von unse
ren Gegnern (in der Mehrzahl) gespro
chcn, doch im Grunde haben wir alle
nur einen Feind: England".
Es ist psychologisch außerordentlich in
ieressant, wie sich dieser Haß gegen Eng
land während des Kruges in Deutschland
entwickelt hat. Als England uns am 4.
August des vergangenen Jahres durch sei
nen Botschaster in Berlin den Krieg er
klären ließ, da stieg wohl allen im Lande
die Zornesrote ins Gesicht, aber niemand
hatte wohl auch die tief sitzende selbstver
ständliche Haßcmpfindung gegen das
Britenrcich, die uns beute zur Natur ac
worden ist. Ties hatte seine Ursache
darin, daß das mehr oder minder gute
äußere Einocrnchmen mit England, daß
insbesondere die politische Annäherung
der letzten Jahre nicht nur die breite
Masse des über, die einzelnen diplomati
schen Vorgänge nicht orientierten Voltes, ,
sondern auch unsere höchsten Reginungs-
stellen über die eigentliche Natur der eng
lischen Politik und ihre Ziele getäuscht
hatten. Erst während des Krieges ist uns
mit eisernen Schlägen die Erkenntnis ein
gehämmert worden, daß. mag auch der
eigentliche Anstoß zu, diesem Kriege von
Rußland ausgeganaeir sein, der Vernich
iungsxlan gegen Deutschland seine Wur
zel in England hat.
Einer der schlagendsten Beweise hier
für ist die Gebarung der Auslandsxrcffe
in diesem Kriege gewesen. Die Engländer
haben es verstanden, mit Hilfe ihrer
Telegraphenagenturen sowie durch Vtr
nichtung oder Kontrollierung nicht eng
lischer Kabel, durch Ankauf oder sonstige
materielle Unterstützung ausländischer
Zeitungen bzw. ihrer Korrespondenten,
fast die gesamte ziviüsierte Welt aus
Wochen hinaus und zum großen Teil
auch heute noch, wo amtliche deutsche
Nachrichten überall hin gelangen, in ihrem
Sinne einseitig und skrupellos zu beein
flussen. Ties gilt in erster Linie für das
gesamte Amerika, insbesondere für die
Bereinigten Staaten von Amerika, mit
denen wir stets in Freundschaft und
gegenseitigem Verstehen gelebt hatten.
Wie ein kalter Wasserstrahl wirkte es aus
uns. als wir zuerst von der 'feindseligen
Haltung so weiter Teile der amerika
nischen Bevölkerung erfuhren und erken
ncn mußten, was für eine Wacht der
britische Presse-Apparat darstellt und wie
man sich feiner zu bedienen versteht. Hat
er es doch zuwege gebracht, daß, wie Pro-
fcssor Münsterberg in seinem Buch "The I
War and Anieriea" -auf Gründ eigener
Anschauung mitteilt, in Amerika, dem
einzigen großen neutralen Lande, die'
Stimmung der Bevölkerung Nicht einen'
Tag lang neutral geblieben ist". I
Die englische Presse muß daher &'
einer Bclrachtung über den gegen uns ge-
führten Lugeuftldzug den ersten Raum
beanspruchen. Das Charakteristische der
englischen Zeitungen in diesem Kriege ist
das außerordentlich Planvolle ihres Vor-'
gehen!. Der große Umfang der Zeitun-
gen ermöglicht es, jede Frage in der der
schicdensten Form und an allen möglichen
Stellen des Blattes immer und immer
wieder in dem gewollien Sinne zu be
handeln und so. mit festem Ziel vor
Augen, den Leser zu beeinflussen und
mürbe zu machen. Jedes noch so gering
fügige Ereignis in Deutschland wird in
den englischen Zeitungen breitgetrcten.
entstellt und zur Erzeugung falscher Vor
stellungen benutzt. Es ist besonders in
teressant, festzustellen, daß bei den mit
lischen Zeitungen die dick aufgetragenen
Lügen, d. h. vollständig aus der Luft
gegriffene Nachrichten, so groß üuch ihre
Zahl ist, im allgemeine keine so bedeu
tende Rolle spielen wie die mit System
verzerrte Tarstellung alles dessen. waS
auf dem Kriegsschauplatz und in Deutsch
land geschieht, und die planmäßige Ver
leumdung. Der aufmerksame Leser wird
fast in jeder Notiz der englischen Zeiiun
rzen. euch wenn sie oft noch so harmlos
erscheint, Eist entdecken.
Hand in Hand mit der Besudelung alles
Teutschen geht die ebenso planmäßige
risizierung der Verbündeten, Frankreichs
wie Belgiens, wie auch Serbiens ('.), vor
allem aber Rußlands, als d?s den Eng
.ändern gefühlsmäßig am -n-gsten zu-
jsager.dcn Äundesgencssen. Seit Jahren
unv z!vor sk,t dem Bcg-nn dr nkeve
Politik, ist bin trefflich minier, und üver
au geschickt oirzearbeitet morden. Es sei
beispielsweise nur an die vor einigen Iah
ren in London veranstaltete "Ilniaii
iWoii" erinnert. Die Stimmung war
bei Ausbruch des Krieges dcrctis geglät
tct. und volltönend konnte Vt englifck
Presse, gehorsam wie mn Schnürckien. die
Leier zum Ruhme des östlichen VundtS
genossen und Kulturträger? schlagen. In
früheren Zeiten hätte man sich vielleicht
noch ein Gewissen daraus gemacht. ES
ist aber eine unbestreitbare Tatsache, daß
das Niveau des Iournalistenstandes und
damit der Presse überhaupt in England
während der letzten 20 Jahre ganz erheb
lich gesunken n. Gebort doch die
"Ti)W', einst Englands vornehmste
und tlnslhastcstes Llutt, seit einte Anzahl
von Jakren durch Ankauf dem berüchtig
ten Ztitungskönig Lord Norlhelifte. dem
Eigentümer des gewissenlvscsten Schand
maule. "Großbritanniens, du "Daily
Mail".
W französischen, Zeitungen, die Im
übrigen, soweit der Nackrichtendienst in
Frage kimmt, im Kriegt ihre Selbständig
keit zurteit nahezu verloren haben und in
fast vollständiger Abhängigkeit von den
englischen Nachrichtenbureaus leben, haben ,
einen etwas anderen Charakter. s? lu
gen und fälschen nicht so raffiniert wi die
Engländer. .Man hat eher vielfach den
Eindruck von' absolut unbckerrschten Kin
betn, die böse" sind und die nun sag
bor dumm un unverschämt und skrupel
los drauf los lügen und schimpfen. Na
türlich ist dies teiiie Entschuldigung für
die namenlose Niedrigkeit ihrer Ausdrucks
weise und ' man erlaub den starken
Ausdruck den üblen Unrat, in dem sie
sich wälzen. Keinem Trunkenbold wäre
der Ton zu verzeihen. Das Niveau der
sranzostschen Presse ist ja bekanntlich nie
mals sehr hoch gewesen, aber es bat doch
immer neben den typischen und für jeden
Preis feilen Boulevardblättern eine An
zahl von Zeitungen gegeben, die in Form
und Inhatb mehr oder minder Anstand
und Würd: , zu wahren wußten. Zurzeit
aber sind alle Unterschicde wcggen?ischt.
Ein Blatt wie der lemp" unterscheidet
sich, abgesehen von der äußeren Auf
machung, nicht allzusehr vom ..rixgro"
oder vom ,.Mafin", diesem wohl schänd
lichsten Prcßgewächs, das die Erde jemals
hervorgebracht hat. Kein Widerspruch ist
diesen Blättern zurzeit zu groß, keine Be
Häuptling zu närrisch, kein Schi.npswort
zu gering und kein Schmutz zu ekcl.rre
gend. Und die Lächerlichkn.. die einst in
Frankreich getödtet hat. scheint heute die
Parole zu fein!
Wieder etwas anders müssen die omeri
kanischen Blätter beurteilt mrden. Bei
ibnen ist vor allem die Sensation aus
schlaagcbend. Zurechtgzstutzte. in die
Augen springende und schreiende Ueber
schristen sIl.'.Z-1in?) in Riesenlcitern
sind ihr äußeres Merkmal. Der I:rT
braucht durchaus richt dem zu entsprechen,
was die Ueberschrift besagt. So genau
werden die. Zeitungen, offenbar schon we
gen der Fälle des rn ganz kleiner Schrift
miedergegebenen Inhalts, nickt gelesen.
Wenn nur die Ueberschrift dem eiligen Le
ser das einhämmert, was die Zeitung ha
den will. Dies die eine Seite.
Neben der Sensation ist es der Dollar,
der die Mehrzahl der amerikanischen Zci
tungen regiert. Der ameritanisck Pro
fessor Henry Fairfield Osborn hat einmal,
wie Wolzogen in seinem vor drei Jahren
erschienenen Buch über Amerika mitteilt,
in einer Ansprach? an feine Studenten
über die amerikanische Presse folgende
Aorte gebraucht: .Einen guten Maßstab
für die Kultur Ihrer Umwelt bildet der
Tiefstand, bis zu welchem Ihre Ibtorgen
zeitung sich dem Dollar zuliebe prostituiert,
ihre Schattierung -n von Gelbbeit, ihre
Frivolität, ihre Skrupellosigkeit." Wer
am meisten zahlt, für den wird : mei
sten geschrieen. Und da Deutschland es
bisher im allgemeinen verschmäht hat. in
dieser Richtung viel oder gar nur etwas zu
tun. ist es erklärlich, daß die amerikanische
Presse, abgesehen von den eigentlien
Blättern der Deutsch-Amerikaner. fast
ausnahmslos von dem sür die Prekeein
flussung des, Auslandes stets opferbereiten
England beherrscht wird und ausgespro
chen dentichfeindlich ist. Hicrüber darf
man sich auch dadurch nicht täuschen lassen,
daß die meisten amerikanischen Zeitungen,
d. h. auch die antideutschen, beispielsweise
die Reden unseres ehemaligen Staatsseire-
tärs Ternburg unter Beifügung emes rie
senhoften Bildes deS Redners in extermo
gebracht haben. Dazu ist die Sensation
zu wichtig. Nichts aber hat diese Zeitun
gen gehindert, in derselben Nummer un
mittelbar auf der nächsten Seite die groß
ten Lügen und Verleumdungen tiber
Deutschland zu veröffentlichen. An der
Möglichkeit der richtigen Jnsormation
fehlt es heute nach so vielen Monaten in
Amerika bestimmt nicht mehr. Selbst die
enAische Gewaltpolitik hat nicht derhin
dein können, daß mit der Zeit durch alle
möglichen Kanäle die Wahrheit nach Ame
rika gedrungen ist. Aber die amcrikani
schen Zeitungen wollen die Wahrheit nicht
bringen oder jedenfalls nicht ausiommen
lassen, und das ist Englands Werk.
' Unter den deutschfeindlichen amerikani
schen Blättern dürfte der in Deutschland
früher sehr verbreitete "Xev York
Ifrrald" daS schlimmste sein. Das latt
gehört dem großen, zumeist in Paus ie
benden amerikanischen Sportsman Gor-
don Bennet und übertrifft an Hcherei und
Verleumdung, n Gewissenlosigkeit und
Schändlichkeit beinahe noch d,e schlimm,
s n Zeitungen der uns feindliche Länder
Sein Verfahren ist um so schlimmer, als
das Blatt wie auch die meisten anderen
rurch gleichzeitige Aufnahme, aber meist
versteckt und ohne Ueberschrift erfolgenden
Abdruck deutscher Nachrichten, sowie durch
andere Kunstgriffe in put gespielter Heu
chelei bik'iaÄ den Anschein der llndortev
lichkcit zu erwecken sucht und sich ein sa
enscheiniges Mänkelchm der Lbjektivität
umhängt. Ein überaus charakteristisches
Beispiel dafür soll hierber gesetzt werden.
Der "Xw York. IkraM" brachte einmal
in einer Nummer, die von den übelsten
ttebässteikeiten gegen Teutschland strotzte,
in einer Äuschriit "To thu flitor" den
Brief einer Schweizer Dame, in dem diese
j eiwa ausführte: sie kenne Tcu'.schlgüd aus
! if!-rt 9)f :fn nh fflnslfiT! Aliicntöalt fehl
! genau ii:j6 könne sick nicht vorstellen, daß
die Deuttcken solche ck,and!a!cn ocgmaen
m sie der Herald täglich schildere. Siesi
Zuschrift druckt das Blatt wortgetreu ab,
darüber aber schreibt sie: "Not lr
lisiroiis a.v wi eirl" (Et sind keine
Barbaren, sagt ein Schweizer Wädche)
und sofort ist der Zuschrift jede Wir.
kung genommen. Aus der schcinlur objck
tioen Wiedergabe wud ein Hineinziehen
ins Lächerliche.
Daß immerhin nicht alle nichtdeutschen
Zeitungen von denen ja niemand bei
uns eine Stellungnahme für Deutsc,,land
verlangt, auf deren wirkliche Neutralität
und Objekiivität wir atu glauben einen
Anspruch zu haben in Amerika auf die
fem Niveau stehen und sich die englische
Bevormundung und Beeinflussung ohne
weiteres g,ssllln lussc, zcigt ein Artikel
der Londoner "Tim," Mit der Ueber
schrift Amerika und die Zensur". In
diesem verteidigt sie das englische Nach
richtensyslem gegen einen Artikel der ''Eve
niiiff und man erfährt hierbei,
(aus der lim" selbst!):
.Die E. F. erklärt, daß die englische
Zensur einfach von dem Wunsche beh.crschl
ist, soviel wie möglich die Ausdehnung der
deutschen Erfolge zu verheimlichen, den
Charakter des Feindes zu schwärzen und
im allgemeinen die öffentliche Meinung in
den Vereinigten Staten auf anständige
oder unanständige Weife (by fair rnean
or foul) zu beeinflussen. Sie fährt fort,
zu bemerken, daß es eine der traurigsten
Tatsachen des Krieges ist. daß der eng-
lische Ruf von Mnnlich!cit und recnt
schaffcncm Handel fo sehr beeinträchtigt
worden ist. Diese Anklogen werden unier
stützt durch Anführung eines Briefes des
Londoner Korrespondenten des "New
York Globe", der geradeheraus die Ve
schuldigung aussprickt, daß Depeschen zu
dem Zweck geändert worden sind, die
Wahrheit zu verbergen und den Charakter
der Feinde zu schwärzen."
Aber solche Proteste sind selten und
auch nicht immer so ernsthaft gemeint
wie es ja zuweilen bei amerikanischen
Protesten vorkommen soll.
So viel zur Charaücrisierung und Un
terscheidung der drei Gruppen von deutsch
feindlichen, Zeitungen, die in erster Reihe
sür uns Interesse haben. Gemeinsam ist
ihnen allen, neben der Minderwertigkeit der
Gesinnung, die sich in ihnen offenbart, die
unerhörte, für unfere Vorstellungen gar
nickt zu begreifende Kritiklosigkeit, die sie
bei ihre Lesern voraussetzen. Die mei
sten der von diesen Zeitungen aebrachten
Nachrichten tragen für jeden urteilsfähigen
Menschen, auch wenn er gar nicht im Be
sitze wirklich zutreffender Informationen
ist, den Stempel des Unwahren fo offen
kundig an der Stirn, daß man sich immer
und immer wieder an den Kopf faßt und
nach einer Erklärung für die Geduld des
Publikums fragt. Die Zeitungen schief
ken nickt davor zurück, in zwei Spalten
nebeneinander oder an zwei aufeinander-
folgenden Tagen diametral entgegengesetzte
Behauptungen aufzustellen und über ir
SZSi&5Z52525Z52SEH52SZSi5&ZSZS25i
CurtlVwiNcx Cwsfurnm
0H) uuv,' 3v ff
anj feine Seemacht.
Dem C. persi5, Kapitän zur See a. D.
Asquith hat in seiner Novemberrede den
Sieg der Alliierten als über jeden Zweifel
erhaben hingestellt, und er hat semen
Landsleuten als für den endlichen Erfolg
nur notwendig, Geduld und Mut zum
Ausharren empfohlen. Er versäumte zwar
genaueren Hinweis zu geben auf welchem
Wege und mit welche Mitteln der schließ-
liche Triumph erzielt werden toute.
Verschiedene Mitglieder des Unterhaufes
sahen weniger opilimistisch in die Zukunft
und es wurde sogar ausgesprochen, daß
bei manchen Neutralen die Meinung Herr
sche. die Chancen der Zcntralmächt dm
Krieg zu einem glücklichen Ende zu fllh
ren, foicn überzeugend groß. In der eng-
lischen Prene fanden solche ketzerisch: a.n
ittjUn naturgemäß wenig Beachtung.
Aber die Erienninis. daß die fcuher be
fchrittene Bahn nicht zum Siege führen
könne, kommt zuweilen schon recht be-
stimmt zum Au-oruck. So verbreitet sich
die Zeitschrist Eandid Ouarterly Revierv"
darüber, daß tue englische Landkriegssul,
rung -bisher oller Orien versagt habe.
Tas sei selbstverständlich, denn England!
verNer,e eben Nicyr, aus dem Vanoe zu
fechten. Seine Stärke liege auf der See. !
TaS habe die Geschichte dutzendfach be j
wiesen. Landkriege seien kostspielig, reich
an Menschmverlusten. kurz, unkbar!
gewesen. Man mußte also xrt Betein-
gasig am Landkri'g -inschränken und wie
der rn der altbewährten Methode, mit den
Waffe'lXauf drn Wasser, seineuflucht
suchen. Die Flotte musst auS ihrer In
aktivität erlöst weiden.
In dies Offenherzigkeit wurde bisher
von der englischen Presse über die unbe-
fnedtgende LandlrieMührukig. unv ver
allem über die Jnaktivität der Flotte kaum
gesprochen. Ganz im Gegenteil las man
hinsichtlich der Se?streltZiüZte stets nur du
höchsten Lobpreisungen. Mit geradezu
bewundersweriem Eifer und manchem
Geschick unterzogen sich bekannte Marine
schriftsteller, wie Fred Zane (.St. James
Gazette"), Frederick Palmer ".Times"),
Archibald Hurd und Ashmead Bartlett
(.Dailr, Telegraph") und Eope Cornford
s,Taily Mail") der keineswegs einfachen
Aufgabe, das Interesse des Publikums an
der Flotte, auch wenn sich rein nichts aus
dem Seekriegsschauvlsiz zugetragen hatte,
wachzuhalten und immer erneut darauf
hinzuweisen namentlich auch im Hin
blick auf die Bundesgenossen . daß der
Krieg nur dank der rastlosen Tätigkeit dr
britischen Seestreiikräfte nd dank der bri-
tischen' Beherrtebung oller wtnt erfolg
reich 'weitergefübrt werden könnte.
Im jetzigen Augenblick besonderZ muß
die Preüe äußerst gewandt operiere!!, denn
am 1. Dezember trat infolge der Verfii
gung des britischen Handelsgericküs ein;
Maßnahme in Kraft, die' von einschnei
dend beschrankende Wirkung für die ge
sainte Kaiisfab'teischiffakrr sein wird und
dm stolzen, in deu ersten Monaten des
Krieg'! so oft gedörien Wort l,usin(:
, asuutT einen eiteren starken Ctofc
gendwelche Verhältnisse einmal die dreiste
sten LUg'N und kurz darauf eine mehr
oder minder objektive, wenn oilch meist
schiefe Tarstellung der wirklichen Verhalt,
nisse zu geben.
Nur zuweilen scheint ei den Lesern zu
dämmern. Ein Überaus interessanter und
über die englische Pressepolilik gewogt oder
unbewußt farbebekennender seitartikel der
"lim,'" vom AI. 11. führt Klage datii
bei, baß manche ihrer Leser sie tadelten,
weil sie zu optimistisch, andere weil sie zti
pessimistisch (zur Förderung der Rekrutie
rung!) fei. Solche Vorwürfe, sagt das
Blatt, müsse die Presse zurückweisen. Wer
die Presse dafür ritisiere, daß au Ihren
,ritgsberichtcn iulsck Eindrücke geooi
nen würden, solle sich an die Regierung
wenden. Diese übt die Kontrolle mit
einzigartiger Inkompetenz und großem
Mangel an Urteil' aus. Als Beweis
führt das Blatt ein Anzahl von Ossi
zicrsbriefen an, die sich gegen die amtlichen
Darstellungen, sowie auch gegen die tom
Prcssebureau offiziell lanziertcn Auen
zeugcnberichte" wenden kurz, ti wirft
hier einer rein anderen vor, daß er liigt.
Aber das .st nur ein seltene. Fall. Im
allgemeinen nimm! man alles, auch die
größten Widerspruche und Dummheiten,
kritiklos und gläubig hin. Und. deshalb
bildet eine Darstellung der feindlichen
Kriegspresse vielleicht auch einen nicht
wertlosen Beitrag zu einer Untersuchurg
über das Bildungsniveau der breiten Masse
in den einzelnen Nationen. Wir dürfen
wohl behaupten, daß bei uns zu Lande
eine Zeitung, die ihren Abonnenten eine
solche Fülle von Albernheiten, Sinnlosig
leiten und Widersprüche, . vorzusetzen
wagte, der öffentlichen Lächerlichkeit an
heimfallen würde.
Daß aber cn,ch geistig hochstehende, nicht
ohne weiteres durch Phrascngcwäsche be
einflußbarc Leute eingefangen worden sind,
beweist ein Brief, in dem ein angesehener
Amerikaner, allerdings im August vorigen
Jahres, dem ihm befreundeten Direktor
einer zroßen Gesellschaft in Berlin schreibt,
er sei .sehr besorgt um ihn in dieser Zeit"
und eimöchte gern wissen, ob sein deutscher
Freund und seine Familie sich in "good
sascty" befinden. Man erkennt aaS sol
chen ungeheuerlichen Vorstellungen einmal,
was für eine Verwirrung ein Kriegszu
stand in den Gemütein selbst intelligenter
Menschen anzurichten pflegt, sodann aber:
wie gründlich von unseren Feinden gear
kitet worden ist.
Für uns Deutsche uU: muß ein ein
gehendes Studium der feindlichen Presse
mit Notwendigkeit eine Wirkung haben:
es muß uns stärken!
Nickis kann das Bewußtsein unserer
Kraft und die Ueberzeugung von der guten
Sache, für die wir kämpfen, so fördern,
wie eine Erkenntnis der Mittel, zu denen
unsere Feinde in Ermangelung von Beste
rem zu unserer Bekämpfung greifen
müssen.
4VMy
geben dürfte. Die Verfügung lautet:
.Wegen der stetig wachsenden Nachfrage
nach Kaufsahrteischiffskonnage ist eö not
wendig geworden, besondere MaßnahMfN
zu ergreifen, um den Bedarf an Handels
schiffstonnage für nationale Dienste sicher
zu stellen". In Verfolg dieser Verfügung
erging das Verbot, daß vom 1. Dezember
ab kein britifches Schiff von einem frem
den zum anderen fremden Hafen mehr
irgendwelche Ladung bringen dürfe. Und
weiter wurde angeordnet, daß alle Kauf
sahrteischiffe jederzeit zUm Transport von
Leben-mitteln und anderem mehr von der
Regierung beschlagnahmt werden dürften.
Diese Bekanntmachung legt Beweis dafür
ab. welche beängstigende Knappheit an
Handelöschif fstonnage in England herrscht.
Sie räumt auf mit der freien Selbstbe
ftimmung der britischen Handelsschiffahrt
und kommt in Wirklichkeit schon einer
Enteignung gleich.. Die Wirkung wird
bestehen Zn der weiteren Steigerung der
Frachtraten, der Lebensmittelpreise u. a.
m. ., Die FrÄchiraten stiegen während d:Z
Krieges in einem Maße, von dem man
sich meist keinen Begriff macht. So be
trug zum Beispiel der Transportpreis
einer Tonne Kohlen vom englisichen Häfen
nach Port Sa:d wahren! des Friedens ?
Schillinge. Anfang des 'Jahres war er
aus 30 angewachsen und jetzt belauft er
sich auf etwa 45 Schillinge. Dir Grunde
für daZ Anschwellen der Transportpreise
Übersee bezw. für die Knappheit an der
fügbarer ' privater Handelsschiffstonnage
sind zu suchen in der Inanspruchnahme
der Kauffahrteischiffe für kriegerische
Zwecke, im Fortfall des in FriedenSzeiten
zum GkZrauch bereitstehende deutschen,
österreichisch-ungarischea, russischen u.s.w.
Handdsschiffsmaterials, in der Festlegung
vieler englischen, französischen und russi
schen 'Schisse in feindlichen Hasen, und
endlich namentlich in der Vernichtung
eines Teiles der englischen u. s. w. Han
delsflotten durch den Feind. Die englische
Presse verschweigt aus naheliegeudcn lir
sacken den zuletzt angeführten Grund. Es
wurde bekannt, daß die Bernichtunz der
britischen Handelsschiffstonnage durch
Feindesland zurzeit twas über 6 Prozent
betragt. Verantwortlich tut vielen ,.'!er
Inst sind in erster Linie die deutschen Un
terseebootk. deren erfolgreiche Tätigkeit
von Monat zu Monat zunahm. Der
eiamtliche Handelskrieg, begann im Feb
cuar. Es Wurden in dieftm Monat 11
Schiffe versenkt, im Mar, 27. im Mai 5
und im Juni 13 Schiffe. In den letzten
Monaten nahm die Ertragkzisfer in nord
europäischen Gewässern allerdings ob. da-
uc stieg die Zahl der ,m Wmelmeer ver
ichteten Schiffe, nicht zu vergessen auch
infolge der Beteiligung der österreichisch
ungarischen Unterseeboote am Handels
krieg, beträchtlich. Die Bemühungen der
englischen Presse, die Tätigkeit der deui
schen und der k. t, I. Unterseeboote als
belanglos hmzustellen, scheitern an den
eine zu überjeugende Sprache ö.l'LK
pur A?r
Alrau n e verve- Mmmel!.
O I s
von Dr. Hans vorst.
Es Ist zwischen fünf und sechs Uhr
nachmittags, im Herzen Londons, auf
ivm tninft. an dem die Bank don (5na-
land, das .Manston House". die Residenj
des Lordmoyors. und die or,x. egen.
:?tnhi',fslniil lallten hier die Haupt-
straßcn der City zusammen und speien
naufhörltch unglaubliche Z"ac,i ron
Fußgängern. Wagen' und urmhohm
'nmnibusskn aus den verhältnismäßig
engen Platz hinaus, um alle dies ebenso
schnell und sicher wieder in' sich hineinzu
saugen. Es ist ein Verkehr, so getvaltig,
knk man aus dem Festland Europas
vergeblich seinesgleichen suchen würde.
Wenn man sich still an eine flauer leyni
und MeUm Treiben eine Weile zuschaut.
so ergreift einen leicht jenes peinliche Ge
fühl, da man gelegentlich empfindet,
wenn man sich auf der Brücke eines Se
birgswasscrS über das Geländer beugt:
ein wenig Schwindel, in wenig Ekel, ein
wenig Grauen.
Plötzlich schmettert eine trompeten
fslnfnr. ilficr den VlaK und wird von den
energischen Rhythmen eine Militärmar
schcs abgelöst. Aus der steinernen Insel
vor der Börse hat sich eine Regiments
iift im fir'ift olliaeitellt. In ihrer
Mitte sieht ein Knirps von neun Jahren
in regelrechter katifarvener , unisorm.
Englands soldatischer Nachwuchs. Im
f'ndmd'ebkn bat stck die Menge ae-
sammelt und bildet einen undurchdrinci-
liehen Wall. Aus den yoyen ncinernen
Treppcnvorsprung der Börse ist ein jun
nfr Unthat geklettert. Nun steht er r-
tend da. Wie die Kapelle schweigt, lr,.ü
er die Mütze ab, tritt einen kckrttk vor:
T,i;a ar,A f. tl Atnf.nl" Mit ruhi-
n'frn Osnffnnh fifflinill tt keine Rede. Seine
Stimm: klingt weit ijber den Platz. M:Hr-
fach kehren die Worte ,encö gronariig
schlichten Tagesbefehls wieder, den Nelson
vor der Schlacht von Trafalgar ausgab:
England erioartct, daß jedermann feine
Pflicht tut." England, sagt er. hat die all
gemeine Wehrpflicht nicht zum Gesetz
knk'n w! ssnaland überteuat ist. daß in
der Stunde der Gefahr die Wehrpflicht
ein lebendige Gesetz im erzen oes vi
kes sein würde. Die Stunde der Gefahr
ist ha. TAt teutonische Welle droht Euro-
pa zu überschwemmen. Er schildert mit
überrascndcr natürlicher Rednergabe das
Schicksal, das England bedroht, wenn es
in diesem Kriege unterliegen sollte. 'Er
appelliert an den Patriotismus, das
Machtgefühl dcS englischen Volkes, erlebt
sich zu echtem und starkem PathoS und
schlicht, indeck er allen wehrfähigen Man-
nnn leidenschaftlich zuruft, st sur ie
Armes anwerbe zu. lassen. An seine
Stelle tritt ein anderer, an seinen Mienen
und Gebärden schon erkennt man den
fiumorifien. in Mb aebückter Haltung.
die Hände aus die Knie gestützt, spricht er
zum Volke. Er schildert do sroynffe
SnttKihmkb'n. eriäblt Anekdoten aus
dem Felde, macht Witze auf die Deutschen
und Witze aus die Engländer, die sich
nirfit fttitrorfefn lassen wollen. (51 reanct
englische E Pässe, die er mit komischen
Grimassen begleitet. Das Puvinum, vas
eben noch sichtlich ergriffen war. ist jetzt
munter, beluitiat und gefesselt. ÄNZwi
sehen haben sich eine Anzahl älterer Sol-
doten unter du Menge gemischt, llnaus
fällig treten sie an den einen oder anderen
heran, um die Wirkung der Redner noch
durch persönlichen Zuspruch zu stärken.
Bald geleitet einer von ihnen einen jungen
Burschen die Stufe',, hinauf zu dem Ossi
zier, der oben wartend steht. Leise Worte
werden gewechselt, ein Handschlag ge
tauscht, sie verschwinden in der Börse:
der erste Pakt ist geschlossm.
&i ist in flrtöflltisler Bvvarak. den die
nglifche Regierung aufgeboten hat, um
nt den modernsten Mitteln das veraltete
Werdesystem aufrechtzuerhalten und neu
z beleben. Man sollte es kaum kür möa
lich halten, daß die Reklame auch auf die-
fem Gevictimcht versagt, der das eng
lische Bolk hat in feinem gesamten Er
werbsleben die geradezu faszinierende
Macht, die diese! modernst Geschäftkmli-
tel auf da Publikum ausübt, oft uns
Ziffern der Verlustlisten!
Ob die englische HandelSmelt sich nun
leichthin mit der von. der ReLjerung .ins
Un nrfnhhn Mnt-lnnnna htr Jffluffafll
teischisfe einverstanden erklären wird,
bleibt abzuwarten. .Daily Telegraph"
äußert beschwichtigend in einem Artikel,
überschrieben The farnine in merchant
ships": .Die Handelsschiffahrtshungers
not ist eine der Bußen, welche der über
große Erfolg unserer Flotte(Z) für un!
im Gefolge hat". Und tl wird der Er
Wartung .Raum gegeben, daß die Regie
rung bei der Ausführung der Verordnung
nicht etwa zu .drastischen Mitteln" schrei-
ten wurde, die der iUiufkayrkeiichlsiayri
unsagbaren schaden zufügen könnten.
Diese Befürchtung wäre nicht Vonnöten,
wenn die von der Candid Quarterly
Review" eingangs erwähnten Hoffnungen
sich verwirklichten, dat heißt, wenn vie
englische Flott, auS ihrer Jnaktivität
heraustreten würde. ES wäre jedenfalls
dankbar begrüßt worden,, hätte sich der
Verfasser deS Artikels etioaS eingehender
über die Tätigkeit einer .aktiven" driti
schen Flotte verbreitet. Wie glaubt man,
daß die Ceehrnschaft wirklich errungen
werden könnte, heute bei der Minen und
Unterseebootsbedrohung? Eine wirkliche
Seeherrschaft würde die Nöte der eng
lischen Kaufahrteischiffahrt rasch beenden.
Aber daö Mittel, sie zu erzwingen, dat
Mittel zur Losung des Rätsels, wie man
der Unterseeboot! unv Minengefahr Herr
werden kann, ruht noch ungrboren im
Hirn deSsenigeN, der ei rfindensoll. An
Zahl und Gefechtkkrcft von Monat zu
Monat immer stärker werdende feindliche
Unterseeboots-Jlotillen unter dem Schutz
einer fiWt in being" der deutschen
Schlachtschisfsflotte in den Nordseehäfen
schränken die auf die Seemacht gestell
ten Hoffnungen mehr und mehr ein. und
die Ereignisse auf dem Balkan tragen fer
ner dazu bei. daß sie sich immer weitn
inl Nebelhafte dnlieren.
...r?:'!! Jl.li .
y
gründlich genuZ erprobt, um auch darauf
zu vertrauen, wo ei sich nicht mehr um ,
Geld und Gut. sondern um Blut und L:
ben handelt. Ich will hier nicht darauf '
eingehen, wie tt man mit diese, Mittel
noch wird reichen können. Jedenfalls sind
aanz erstaunliche Resultate damit erzielt ,
worden. Allerdings ist die ganze Werbe
altivn oußcroldknilich geschickt und mit
bemerkenswertem niodern-kaufniännischem
Organisationsgeist in Werk gesetzt wor
den. Die Werbcplakatk, mit denen man
da ganze Land tiberschwemmt hat, sind
überaus wirkiigsvvll und für jeden Ge
schmack berechnet. Die einen ziehen durch
ihven Gegenstand oder durch schreiende
Farben gewaltsam die Ausmcrksamleit
auf sich, die anderen fesseln durch ihr
künstlerisch wertvolle Gepräge und wir
ken still und eindringlich. Kein Mittel
bleibt uuveucht, keine Triebfeder deS
Herzen unbeachtet. Wen seine Batcr
landslicbe nicht der Armee in die Arme
treibt, der I ird bei seinem Nationalstolz
oder seiner Eitelkeit gepackt, die nüchterne
englische Logik muß ebenso wirken, wie
Geschäftssinn und materielle Vorteile.
!or allem soll aber diese Niesdullame ,
die Massen in suggestiver Weise beern
flussen und so die inneren Hemmungen
allmählich beseitigen, die der Anwerbung
Im Wecie sieben. Das Weitere ergibt sich
dann leicht dur,ch die Umstände. Hundert-
mal geht biell t der zunge Engianver
achtlos an allen Plakaten vorbei, aber
endlich, unter dem Einfluß des Mißerfol
gcs, eines Verdrusses, einer Disscrcnz Nlit
seinem Chef, folgt er dann vielleicht doch,
wie unter einem magischen' Zwange, d.'n
riesigen blutroten Pfeilen, die ihn allen!
haben zur nächsten Nccruting ossice'
weisen.
Und wer nicht selbst kommen will, S?n
sucht man auf, um ihn zu überreden.
Ueberall in den belebtesten Gegenden itt
Stadt kann an die militärischen Werber
am Werke sehen, wie ich es eingangs be
schrieben habe, besonders häufig am
Hydcpark oder an den steinernen Balu
stradcn vor der Nationalgslcrie auf dem
Trafalgar Square. Ich will nur noch eine
kleine Szene schildern, deren Zeuge ich
war. In der Nordostecke deö Hydeparls,
in nächster Nähe des Marble Arch. hat:e
sich eines der fliegenden Werbeburcaus
aufgctan und eine stattliche Menge um sich
versammelt. Etwas weiter zur Linken
wetterte ein alter Mann vor einem kleinen
Zuhörerkrcise unter ungebührlich reichli-
cher Verwendung von Bibelzitaten gegen
den Alkohol und die Prostitution. Zur
Rc ')ten hatte ein hageres Frauenzimmer, '
Mitglied der .weivlichen patriotischen
Liga", ihr Katheder aufgeschlagen. Mit
ihren dünnen Armen durch die Luft such
telnd, redete sie heiser und geifernd auf die
pazurganger ein und glich auf ein Haar
einer Rie en Pinne mit einem Assengebiß.
Sicherlich hatte sie noch vor zwei Jahren
mit hysterischem Kreischen, votcs
.sor
womcn verlangt und Attentate gegen
Minister und alte Gemälde geplant. (Die
Londoner Büderaalmkn können, wie Mir
verschiedene Engländer zugestanden haben,
jetzt nur deshalb essen g'balten werden,
wett der Tatendrang der Suffragetten
durch den Krieg eine Ablenkung gesunden
hat.) Ich hörte nur im Vorübergehen,
wie sie. ihre langen gelben Zähne fletschend
und fpeichelsprübend iiöer die .gcrinans"
herfiel und gerade Schiller als den blut .
künftigsten aller Poeten schilderte. Die
Werbearbeit wurde vo zwei Unterosfi
zieren, muntere und detroegen blickenden
Burschen geleitet, die schon verwundet von
der Front zurückgekehrt waren. Als ick
mich unter die Menge mischte, war gerade
eine stoaung tm Gc cha t eingetreten. .rs
ging aber doch ganz munter lzer und das
Publikum amüsierte sich. Der eine von
den Unteroffizieren klimperte laut mit den
Silberlingen, die als Handgeld dienen
sollten, schilderte die Genüsse, die man sich
dafür gleich heute abend verschaffen könnte,
und die sorgenlose Zukunft des Soldaten
lebens. Ein alter klappriger Greis bot
sich scherzend als Rekruten an und griff
mit verlangender Gebärde nach den N!un
zen. Der Unteroffizier stülpte ihm unter
dem Hallo des Publikums seine Soldaten
mutze auf den kahlen Schädel und setzte
sich selbst den Zylinder des Alten ins,
Genick. Der Redestoff schien ihm etwas
ausgegangen zu sein. Eine Frau, die
ganz vorne stand, bot ihm ihren Säugling
sür die Münzen an. Das Publikums
lachte, aber melden wollte sich keiner mehr,i J
:;i.v. i. v.. .t!!, ;.r' i
U VClUUUlllt piUllU Vlfc uttltll'Uilt,
den Ton, hielt Avch eine kurze wirkungs
olle Ansprache, in der er die patriotische
Pflicht betonte, und begann nun, mit der
Hand aus die Männer deutend, die ihm
zum Militärdienst tauglich schienen, jeden
einzelnen mit ermunterndem Zuruf auf
zufordern: .Komm heran!" Schlag
ein!" Einer von ihnen hob als Antwort
die Finger feiner einen' Hand in die Höhe
und ruf: Fünf Kinder!" Zwei junge
Männer blieben siumm und schlichen sich
scheu und verlegen auk dem Kreise. Auch
i sollte inich anwerben lassen, aber man
Iif 6 hnn tiiir tifi nta iifi rflTirt hn6 i
kein Engländer fei. Jetzt zeigte der Wer ($
der aus einen, Mann von vierzig odrrk'
zweiuudvierzig Jahren, der dicht neben mir l '
stand. Ich sah. wie eine lebhafte Erre
fliirm in k?in?n Wmm arhtUeit. 9J?irfi?"
fragte er heftig und zugleich erstaunk, f
.mich?' Es klang, als würde er grob '
werden und sagen: .Ihr seid wohl ver-
rückt. Ich denke gar nicht dran, in mei-k
nern Alter!" Es dauerte eine kleine Weile.; ;
Darauf richtete er sich auf, das Bewußt-' j :
sein der Folgenschwere und Lerantwof-, s
tung seine Entschlußes stand ihm deutlich
im Gesicht geschrieben und laut und klar s
sagte er: .Jf hou want me. hade me!" '
Wenn ihr mich braucht, so, nehmt mich! .
Unter dem lauten Beifallklatschen bei Pu-'' '
blikumS. da Ihm Platz machte.fchritt trl :
zu dem Unterofiqier hin und schlug in x
die dargebotene Rechtk ein.' Das Beispik'4
wirkte. Es meldeten sich gleich daraus-
noch mehrere andere und noch im Fcrk-j
gelxn hörte ich da bedeutuNgsvolle Hund ' ,
Datschen skch wiederhol ( ;
,r
V
X
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L
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