Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 15, 1916, Image 7

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    ZaglZcht Omaha Tribüne
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Zur yundertflen lUUUttt seines Aekurlslazes.
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von Usbert Vreuer.
ii kann über Menzel nicht reden,
Über die zweierlei Arien der Natur
ackituna Volle itlarb.eit au arminnm.
der Naturalismus umfaßt, und d
et;, im..., w:. .:. :! !.'!-.
nu( ui iiitiMti, oic tinc orn jun
irren, die andere für den alteren kenn
eichnend sind. EciiI war sich solche
mterschiedlichen Art, die Natur zu sehen,
rchauS bewußt; er bekannte, feine Aus
assung von der Malerei kines TageS ge
Ädert zu haben, hxil er nämlich verhun
xrt wäre, wenn er so, wie er ti in seiner
lügend tat. weiter gemalt hätte". In
Lirklichkeit wurzelt die Ursache deS Um
chmungri viel tiefer. ?och im höheren
lltn sagte Menzel einmal beim Anschauen
ei 1852 gemalten Flätenkonzertck", die
ks Bildes, das eigentlich schon zu der
weiten Gattung des Naturalismus," zu
m avicyreivenden, wii enden, rruisch rech
nden und kühl zusammenstellenden
rt, daS aber dennoih durch die spürbare
Ktonung des Lichtproblcms, durch die
empercimentvolle Bc Handlung der Kerzen
rkuchtung, zu der früher geübten Art des
ZaturverzücktscinS mancherlei Beziehungen
ufweist: ,Ucbrrhapt hab ich's bloß ge
lalt deS Kronleuchters wegen." Indessen :
in andermal, vor dem Uebcrfall von!
ochkirch", einem Bilde, das noch weit,
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j nehr als das Mötenkonzert ein Lichterlcb
lis und ein leidenschastt'.ches Hervcikechen
-aufgewühlter Seele ist, meinte Wenzel,
in wenig skeptisch lind beinahe ,tadelnd:
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i der Ueberraschung und Verwirrung mit
. ttm Hut aus dem Kops dargestellt habe,
' ics ist auch nur so. so; richtiger wäre es
s ewcsen, wenn er keinen Hut gehabt hätte."
Ku solcher Auffassung der A?alkunst. die
I nicht aus di; historische Treue und die
isychologische Wahrscheinlichkeit des Bor
1t langes, mehr auf die Nichtigkeit des Ko
tüms und die irdische Logik des darge
'Aellten Prozesses, als auf die Musik der
z.rbkn und das kosmische TaseinsMck
,eS Bildes an sich den Wert legt, paßt es
' '-urchaus, wenn Menzel vor einem Bilde
Zes Josef Israels den Kopf schüttelt
?aul, faul; was hätte da noch alles
z $ ncingemalt werden künnen."
' VS dükftr als Im allgemeinen wohl
; tjiig fein, den späteren M.nzel. bcson
IßerS den der Friedrichsoilder, den des
i Lollsoupers" und des .Eisenwalowerks".
- ir den Naturalikmus des Wissens, für
, ; esen leicht in das Philistcrium entarten
r Naturalismus, zu beanspruchen: der
i-n.;el aber, der das .Balkonzimmer" alS
im ikiaiäkriarr und das .Thöatre gym
H im Jeihre 18öS gemalt hat. gehört
ier oyeren aiiung ve, aiuraiisinu,
im Naturalismus des Gefühls, einer ly-
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ein pathetischen. jedensaUs .einer
Niiicktcn Art. die Natur zu erleben, zu
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wrangen uno ourcy eine üieugrvur, nun
j Gleichgültigkeit zur Vollkommenheit
2 Kunst zu erlösen. Wobei freilich zu
' , -.zten ist. daß diese zwei Aeuherungs
z n der Malerei, die der handwerklich
'linierten und die der künstlerisch naiven
.em Werke Menztts oft genug neben
ander festzustellen sind.
1? alte Wenzel wer ein optische Pha
"nen. ein Augntier. ein stehender App
.von unerhöeter Präzision und Schärfe.
, Vcdeutui-.g dieses unaufhörlich zeich'
bn, nichts vorurcNaiienven. ouea mir
mi Nadeln au f?kcud'n Seaturtor
E-8 !kqt in dem Dämonischen, in der
Uiffenen Keitiakeit. womit er seine
e festhielt. Einmal' ist er. während ;
n?n Eierkuckien aß. vor Wlldigitit ein
aien: als er iiii.l?te. bat er die in
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chen kaltgewordene Speise wütend zu ,
angefangen. Einmal, als er krank
lag. bat er seinen ftuß gezeichnet.
mit jener anatomischen Einzelheit,
Hautfalte. jedem Haar.
Y ist nicht ganz einfach, die beiden Ar
.V Nati!raims. von denen wir hier
j,n, nd die den alten von dem jun
'.?czcl scheiden, auseinander zu hal
AlMM.
tei Solche Schwierigkeit zeigt, das; die
Kunst, so sehr man auch um ihre Popula
risierung bedacht sein mag, doch nicht für
jedermann da ist, ja daß sie von den mei
sten mibverstanden und immer nur von
wenig? hellseherisch erkannt wird. Das
Publikum liebt den Menzcl der großen Ck
chichtsbildcr, liebt diese interessanten Dar
icllungen bemerkenswerter Borgänge aus
:rn heldenhaften Leben deS großen Kö
n'iQS; dal Publikum wird nur zögernd fol
gen können, wenn behauptet wird, dojie
ncs stille, nichts erzählende Bild von dem
verträumt summenden Innern einer ein
samen Stube von grökcrcr. künstlerischer
Bedeutung sein soll, als solch ein viel,
köpsige, buntlebendige Szene, die einen
wichtigen geschichtlichen Borgang mit greif'
barer Natürlichkeit vor die erstaunten Au
gen stellt. Und doch ist eS so: die lln
stcrblichkcit der Kunst wird nicht durch die
Bedeutung des Dargestellten, sie wird viel
mehr durch die unmittelbare Hingabe und
Enthüllung der künstlerischen Persönlich
keit bedingt- Ein Bild, das die Zeiten
überdauern soll, muß (wir wagen das zu
sagen) der letzte Sinn und der eigentliche
Zweck dieser Zeiten sein. Solch Bilder
hat Menzel gemalt. Bilder, die uns Blick
linien tief In die letzten Geheimnisse einer
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Generation ausschließen. Ströme von
Empsinduiigen lösen sich aus jenem Bai
konzimmer"; aller Härten der täglichen
Zufälligkeiten vergessend, tauchen wir in
eine glückselige Melodie in das musizie
rende Fuisichsein, das aus den Schwin
gungen des Mahagoniholzes, auS dem
lautlosen Atem der grllnetllnchten Wand,
aus dem weichen Wehen d;r vom Wind
bewegten Gardine und aus dem Sonnen
licht, das den Raum durchsegelt, zusam
menströint. Tief und rein, unentrinnbar
und unvergeßlich genießt man die Essenz
einer Zeit, die noch einsam und in solcher
tönenden Einsamkeit selig sein konnte.
Als Wenzel diese kleine Werk schuf, da
war in seiner Hand ein Schicksal europäi
sch?t Kunst. Zehn Jahre lang hat er es
in seiner Hand gehalten, wenn auch die
heitere Höhe dieses wie an einem einzigen
glücklichen Bormittag gemalten Bilde?
kaum je wieder erreicht wvrden ist", mit
solchen Worten weist Karl Cchessler (in
seinem Buch von der Berliner National
galcrie) in die ganze, grausame und doch
beglückende Tragik bei künstlerischen
Schaffens. Welche Fülle der Studien, der
Forschungen nd Skizzen hat der spätere
Wenzel öst genug an eines seiner großen
historischen Äilocr wenden müssen, wie hat
er geschuftet und gehastet, um der kalten
Forderung des komplizierten Auftrages
gerecht werden zu können. Und damals,
als er. empfänglich wie nnr irgend ein
Dmißigjähriger, an einem sonnigen Mor
gen halb zufällig, halb schnsuchsooll den
Blick ' durch sein bescheidenes , Zimmer
schweifen ließ, erschloß sich ihm ein Stück
Unsterblichkeit. Gewiß, auch damals wird
Wenzel genau beobachtet haben, tausend
mal und mehr wird er jede Einzelheit des
Zimmers 'prüft und studiert, verglichen
und aus eine Formel gebracht haben; die
künstlerische Schöpfung aber seht voraus,
daß die E-obachtung Gefühl geworden ist.
w.ichzS, klingendes, dem Augenblick dc.'
Geburt knlglginschauerndes .Keimplasma.
Da! Wissen von den Dingen tut es nicht;
erst, wen die zusammengetrelgenen Be
obachtungen zum -flüssigen Spiel der Li
nen und Farben wurden, kann der üleie
tum des Stoffes sich zum Schöpsungsatt
der Form entspannen.
Solch ein Vorgang im höheren Chor
war es, der Wenzel das .ThSatre gym
nase" malen ließ, diese unvergleichliche Bi
sion von der musikalischen Dramatik eincS
Saumes, der unter den Temperamenten
einer sinnlich lodernden und doch königlich
geweihten Nasse zu kxrsien scheint. Das
gan,ie weite Kaiserreich i't in mesenf'B:!
de. die ganze. Artistik eine BürgertumS.
das sich an einer Oper Paradiesisch zu ei
Halaat-Ael.
Aus dem iibtn des hs vorragenden türkischen Staatsmannes.
von Dr. Alsred NosfZg.
Selbst diejenigen, die nur oberflächlich
mit türkischen Dingen vertraut sind, wissen,
daß die ganze neue Richtung in der Türkei
in zwei Wännern sich verkörpert: in Enver
Paschq und TalaaLBei. Während nun
CnvcrPrischa, dank seinem längeren Auf
enthalt in Deutschland, hier bunahe die
gleiche Popularität genießt wie In der Tür
lei. ist die Persönlichkeit TalaatBeiS nur
wenigen bekannt. Und doch verdient sie
besondere? Interesse. Denn wenn in dem
noch jiinglinghafien Enver den Türken ihr
Woltke" heranwächst, so erblicken die OS
manen in Talaat ihren Bismarck". Tat
sächlich ist Talaat mit seiner urwüchsigen
Energie mit seiner überragenden siaats
männischen Begabung und seiner charakle
ristischen, unerschütterlichen Ruhe der
stärkste Wann der jungen Türkei, ginge
weihte wollen wissen, daß er dementspre,
chend Im Grunde das ganze türkische
Staatsgebäude auf seinen Schultern trägt:
Zwei Umstände fielen mir auf. als ich
gegenwärtig, fünf Jahre nachdem ,ch T
laat-Bti zum erstennvil kennen gelernt, ihn
in Konstantiol!el zu sehen und auf dem
Hintergründe der dortigen politischen Welt
zu beobachten Gelegenheit hatte. Zunächst
bist bedeutende Veränderung in seinem
Aeußeren und seinem Gehaven; dann der
nicht minder erhebliche Umschwung der
osfentlichen Meinung im Verhältnis zu
etc cm leitenden fctaalsinoniu
In früheren Jahren konnte man dem
Minister seinen revolutionären Ursprung
noch ansehen. Sein Schnurrbart war von
drohender Lange, seine Kleidung von ge-
mollter Einfachheit, seine Sprache von
lapidarer Härte, in seinen Augen glühte
noch ein umsiür,',lerisches Feuer. Heute
"itzt hinteri dem Diplomatenschreibtisch ein
gepslealer err von vornehmen Manieren.
mit sorgfältiger Eleganz gekleidet. Talaat
Bei! Svrache bewegt sich in den verbind
liehen Formen der hergebrachten Diplo
matie. ohne je etwaiGekünstelteö zu haben.
Seiner P'rlönlickzkeit bftet nach wke vor,
a jetzt noch wehr als früher, etwas Gebie
tendes an. Aus den mächtigen Schultern
sitzt ein ausdrucksvoller Kops, gekrönt von
ein Stirn, die starke Gedankenarbeit ver
rät. Talaat-Bei würde heute in jeder
internationcrizn Diplomatenversammlung
Hitzen vermochte. Wenzels Bild. 1833 nach
Tlrttfi eivilfi AslittrtTs .rtiiMiio. ,
vmvbuuiii imu.t. juuimifc tus'
schöpfend und Wanet verkündigend, ist
von einer so überwältigenden Schönheit,
daß, wer es auch nur einmal zu sehen be
kam, von solchem rauschenden Konzert aus
Gold und Rot, von solchem undergleich
liehen Spiel und Gegenspiel der Schatten
Pirfitcr n! mthr InBnfiiffpn tnirt.
Dieses Bild Wenzels ist eines der seltenen
rrn c v-. R-.ti cm.tfi . .
!Ujunoer. oeren lyeqicn D' ntw arm er
scheinen lassen würde.
Und ein anderes Bild! ein verlorenes,
der großen Stadt vorg'lagcrks Stück
Oedland. noch nicht' kaserniert, aber schon
van der, bernnhianof nhtn Mäulern anae
nag!; die dürre Einsamkit toter Äccker
uns verjaucner Wieftn, eirnpe gezayike
öäume,.die fröstelnd der Azt wurien, eini
ges zerrauftes Gestrüpp. Mitten durch
solches Sterben die frei schweiscnde Kurve
der Schienen , und darüber Hinbrausend,
von einer Nauchfshne 'unischwärmt, ein
Eisenbahnzug ; hinkn, ausiauchend. 'an
klingend, abklingend, schattenhaft umrissen:
die Türme und Dächer Berlins. Wieviel
Angst ist in diesem Bilde, wieviel dumpfes
Atemanhalten, wieviel fliegendes Zu
kunftsahnen. Es mag, zutreffen, daß die
Augen Wenzels, als er das Eisenbahn
bild malte, mit Constable. mit der brau
nen, windbewegten Tonigkeit dieses Eng
Inndrr n?säii!t war,n wie aleicbaültia
ist solche Feststellung. Endscheidend bleibt.
genau Wie bet dem .Balkonzimmer : van
in Urnm Unnenblick ha Wenzel dikS Stück
Natur, , anschaute und dessen Pulsschlag
suhlte, die Bergangiiqieik wt Erregung
in ein Stück Ewigkeit verwandelt wurde.
Enlfft in Bild kkmren aus einem Bor
gang, der den gewöhnlichen Menschen nur
schmierol riechen und uß ovmcyren
mackt. beweist der Mknscbkieit böbere Sen
dung und enthüllt des Künstlers mystisches
AMI. , ,
,
Menzel ist am 8. Dezember 1815 in
BreSlau als Sohn eines Lehrers, der spä
ter nach Berlin zog und hier eine Stein
druckrei betrieb, geboren worden. Als des
Bakers Gehilfe und nach des Vaters Tödc
als siebenzchnjähriger Mnster hat Wenzel
seine., Lausbahn, die er als Erzellcnz und
europäische Berühmtheit beschloß, damit
angefangen. Flafchenschilder, Geschäfts
reklamen und Notentiicj zu lithographie
ren. Von solcher handwerklichen Grund
läge erhob sich der Jüngling mit der nacht
wandelnden Sicherheit des Genies zu den
köstlichen Illustrationen für KuglerS Ge,
schichte Friedrichs des Großen. Diese ge
schlisfenen Epigramme aus Schwarz und
Weiß, jede Linie mit Leben geladen, Wir!
lichkeit in ihrem äußersten Spannungzu,
stand und zugleich Ornament von monu
mentaler Größe, sind die Vollendung der
zeichnerischen Absichten Chodowieckis, sind
aber auch die flammenden Anreger einer
Zeichenkunst, wie sie heute Liebermann und
Slcvogt üben. Es ist offenbar, daß ein
geistiges Geschehen, das sich mit so blind
findendem Instinkt wie Wenzels Zeichnun
qen zum Kugler und nicht minder seine
späteren zum Ärmeewerk oder zu den Wer,
ken des philosophischen Königs unbrück
bar in die Entwicklung einreiht, seigem
Trä?er kosmische Bedeutung gibt. Jllil
strationen neigen zur Sterblichkeit; selbst,
wenn sie von der technischen Vollkommen'
heit und verführerisch koloriert wie die
Tafelrunde" oder das FMcnkonzert"
sind. Die Oclbilder de! späteren, zum
Mechanismus erkälteten Wenzels sind Jl.
lustrationen solcher sterblichen Art. ,Die
Zeichnungen des jungen Wenzels aber, die
das Stoffliche und alle noch so iitfadiaiUe
Historie überwanden, werden als nervöses
ftrat ttcnit etcia neuen.
. .-.- -: i --.'
gut. yigux machen und einen persönlichen
Erfolg haben.. Wer in wenigc Jahr,
ai ii yjiann, eine derartige Entwick-
lnna durcbinack?n Innntf htr liisid ... r.:
nen staatsmännischcn Talenten zweifellos
auch das der Revrälentatllzn rin txau;.
tät, die gerade für die neue Türkei nicht
is.L .IllllH . B itL '
utuciinuiHBlU Ijl.
Birlleickt noffi erflnunff in v.. m.i
r t i V ' . ' " UCU1
fei in der Beurteilung TalaatBe!S durch
seine Landsleute Das Sprichwort: .Nie.
wand kann in seinem Baterlande Prophet
in..t..-l ..,. - - - y"Y'ji.
jununi iiijjr m oie,cm MUk nicht zu.
Damit Will icb tiirifit hnrniif nk!,r. k.c.
V.'. r n --( ""IK'ni, VUi
die große Masse des einfachen türlischen
,vvvc in ,u,aai einen neuen Pro
pheten siebt, sondern nk kl, i.:.
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in der Einschätzung diese Mannes durch
Tlt Anllilai t-. s L ... t ( . . . . '
vbiui,ucihi, wunoei8 oie xoutilch inter
essierten Kreise eingetreten ist. Bor ein!
gen Jahren räumte man ihm fin.
gewisses .administratives Talent" ein. das
uvri ,c, .iyrann,a,es wevahren" keines
Wegs recktierti!,!. mir ; r,..:.
r c . .----a--- rn uiil HCI
sen der ..En ente libs'" th, in
jungtürkisch.n Partei selbst murrten viele
prgcn ota uiurparor- und gefielen sich
in hi. :rx ... (Tn-.-t . '
" " xuenoung von dem
eisernen Besen", der alle diese Talaats"
demnächst wegräumen würde. HeUti. ist
die Entente verstummt; die Jungtürken
u suimunjein, roenn ue von Talaat spre
chen. Die Erkenntnis ifi ifinrn nufnm
mtxt, daß dieser rocher dc brotizq" eine
rast sei, daß sie den Dauererfolg ihrer
Partei zum rosicn ?,
danken haben und daß es viel angebrachter
in, tu ,gen: oie,er eine Talaat" als .alle
diese Talaats". Nn iifWiiiofo
. ' ; -v..vin iiiun
darin, Talaats besondre Regierungs'alente
s ruimien. m ..ercie d Orient" und
im .Club de Constantinoplc", wo die Mi
nister und die Debütierten isnmm,nknm.
men. werden allerlei frappante Züge von
.uiuai erzanir. iein Wevachtnis und seine
Orientierunasaabe kikn tKnrnmenni n
tausend Angelegenheiten, die an ihn her
anireren, ,eien lym zederzeil alle Einzel
heitcn gegenwärtig. Sehe er eine Person,
die vor vielen Monaten von thm firnif.
gen wurde, so sei er imstande, sofort zu
c. t . ., .
iuacii. H jijK? Angeiegenyeik it lnzwi
lchen dies und das geschehen."
, Kurzum, es bildet sich bereits eine Ta
laat-Legende. Tyrann?" Usurpator?"
Niemand denkt mehr daran, sich gegen die
sen Willensmenschen aufzullbnen. Willig
beugt man sich seiner Autorität und feiner
Begabung. Wir brauchen eine starke
Hand," heißt es heute. Oder man hilft
sich mit Witzworten, die bei schwarzem
Kaffee und Zigaretten geprägt werden:
.Unser Sultan ist ein konstitutioneller
Herrscher: TalaaiBei aber ist ein autolra
tischn Sultan,"
I" den türkischen Ministerien hat man
die Gewohnheit, mehrere Personen gleich
zeitig zu empfangen Für die durch all.r
lei Bittsteller arg bedrängten Minister bil
det dies eine Zeitersparnis. Hat ein Be
suchet eine vertrauliche Mitteilung Zu ma
ch!N, so rückt er an den Minister näher her
in, flüstert ihn, einig? Worte zu und er
bält die Antwort ebenfalls im Flürierton.
Diese Normen macken MMbrrfKnhiifi
eine freiere AMpracht imm'olich. Talant-
er war zevoey ,o iieöenSwurSig. mir Ge
legenheit zu geten, ihn ohne Zeugen zu
lvrechm. So oewan ick Einblick in n,,,n
ches,' was aus 'Tafoclä, Persönlichkeit und
eint üiegierungötaligkeit ein Meres Licht
wirst.
Interessant war mir an diesem Sinniz,
mann vor allemwie er es zuweg gebracht,
mit einem Sprunge an die Spitze der
Regierung zu treten und die gesammte
staatliche Malckine zu beberrscb, obni
durch die gewöhnliche administrative und
oipioinaniaze isazuie gegangen zu sein.
Es ist bekannt. bn6 5nsnnf!Kr! hnr W
junzillrkischen Revolution Postbeamter
war. . -
Die tbeoretiscke und tn-ittiMi &lnniu
künde" sagte mir Talaat.Bei , teat
mir nicht ganz fremd, als mir meine jetzi
gen Funktionen übertragen wurden. Schon
siele Jahre vor dem Umschwung habe ich
mich zusammen mit meinen Freunden in
Saloniki darauf vorbereitet, dereinst an
der Hebuna unseres L,,?,? i nrbtHen.
Selbstverständlich wandte ich dabei dem
luoium ver vlaaiswiiienieyaittn meine
lonsere Ausmer!amkkit zii. Was die
Praris betrifft, so babe icki vieles meinem
krllh'ren Beruf zu verdanken. Ich hatte
e, Gkikgenveil, den ganzen Belnev eines
ZweiaeS - der staatlicben Organisation
gründlich kennen zu lernen. Im übrigen
ist die beste Lehmeisterin der Regierung?
kunst die Praxis, und in dieser siehe ich
nun ,azon setl sieden Jahren. '
Das Kesvräck wandt, Tust nn W
Frage zu. wie es Talaat-Bei gelungen sei.
die ministeriellen Bureaus mit einem
neuen, modernen Geist zn erfüllen.
Wenn Ich aus dem Gebiet der Berwal
tunasresarm inia, Krko!a riirtt Kik
bemerkte her Minister so verdanke
ich es nur dem festen Willen, daß gut ge
arbeitet werde, und daß man auf dem rich
tigen Wege auch Ausdauer betätige. So
einschneidende Personalverändcrungcn, wie
sie Envcr-Pascha in der Armee durchqe
führt hat. sind in den Ministerien nicht
vorgenommen worden. Immerhin waren
auch hier Umgestaltungen unerläßlich. So
war z. B. das Ministerium des Jnnery
unicr oem alten Regime einsam eine er-
lorgungZansialt. Es hatte diele Funktiv'
nare. die aar nicht ins Bureau kamen., k
nicht einmal in Konitantinovel wohnten.
S brachten die Proviiizeionverneure ihre
Söbn bier unter. h,'h!,'lteii sie ahn M
sich. Im Korrespondenzbureau gab es nur
Plag sur vierzig Angeltellie; trotzdem de
zogen 160 Personen Gehälter als Titu-
lorbxamt diekk Bkxitima. Vnift 9inr
nabme einer gründlichen Revision sah ich
mA a?:wunan. von 400 "7nnf tionSr-n
nur 80 auZzumählen und die iibriaen zu
entlassen. In meiner Abscnicdbrcde setzie
icki ihnen nijofiitaühfr hnh bis Hitl.iffiipn
nicht etwa wegen ihrer Unsjhigkeit ttselge,
Die Völkerwanderung.
"giltbcv aus den! serbischen Aeüözug.
von Wilhelm tZegeler.
Serbischer KriegSschauplajl,
im November.
Sie werden nicht kommen. Faßt Mut,
Kinder. Glaubt nicht den vielen Geruch
ten. Sie irauen sich nicht wieder in unsere
Berge. Sie haben von dem einen Mal
genug. Und man beruhigte sich. In
Belgrad feierte man neue Siegesseste und
lebte in Sauö und Braus. In Semendria
rüstete man sich zur Weinlese. In dem
kleinen Donaudörfchen Tekija waren
selbst die serbischen Wachtposten über
zeugt, daß der Krieg zu Ende fei, und
gaben sich dem Vergnügen des Angelns
hin. '
Und dann kamen wir doch! Große
Armeen brachen von Norden, Osten.
Westen über das Land herein. Ihrem
Anmarsch voraus zog das eiserne ,Un
weiter. ES hagelte Stahlschlossen. die
ganze Häuser begruben. Es kamen Nächte,
in denen man im tiessten Keller feines
Lebens ss wenig sicher war wie auf dem
freien Feld. Da faßte die Leute der
Schrecken. Jeder nahm mit, was er in der
Eile griff, und floh nach Süden. Die
Besonneneren benutzten Pferdund Wagen.
Biele liefen so davon. Nach einer schweiß
triefenden Flucht von mehreren Tagen
atmete man endlich wieder auf. Bis hier
her würde der Feind nicht dringen. Und
der Himmel schien den Hoffenden recht zu
geben. Die Kossova blies, welche aus
hundert Kilometer Runde alle Wolken
zusammenjagie und über das Land aus
schüttete. ES spann sich ein undurchsichti
geZ Negennetz zwischen Verfolgern und
Flüchtlingen. In normalen Zeiten hätte
man von -ein großen unwetterlata
strophe gesprochen und Sammlungen ver
anstaltet. So pries man die unaufhör
lichcn Wollcnbrllche, unter denen 'die
Flüsse aus ihren Uicrn traten, die
Brücken fortschwammen, das Moravatal
sich in einen Sumpf und der steinharte
Lehm der Berge in zähen Flicgenlcim
verwandelte.
Aber auch durch diese Moräste, durch
diesen wie Pech klebenden Töpfcrton. in
dem jeder Schritt vorwärts dem Mann
durch eine äußerste Willensanstrengung,
dem Pferd durch einen Peitschenhieb ab
gezwungen werden muß, haben sich
unsere Heere ihren Weg gebahnt.
In Bclusic. das ungefähr in der Mitte
zwischen Kraguievac und Krusevac liegt,
trennten mein Gefährte und ich uns von
dem Generalkommando, wo wir freund
lichste Aufnahme gefunden hatten. Wir
wollten so schnell wie möglich nach Kruse
vac, von dem eS hieß, es würde "noch
morgen genommen werden. Der General
hatte die Liebenswürdigkeit, uns seinen
mit zwei straffen Füchsen bespannten
Gummiwagen zu . überlassen. Stolz
sichren wir davon, nachdem er uns ge
beten halte, wenigstens seine Füchse cheil
zurückzuschicken. Wir versprachen eS ihm
sondern desbalb. weis es keine Arbeit für
sie gebe. Die Nichtenifcrmen waren die
Jüngsten, Tüchtigsten und Wandlungs?
fähigsten. Die Proviiizqouvkrneure bagc
gen mußten sast ausnahmslos durch neue
erfetzt werden."
Ueber die bisherigen Leistungen des
neue" Fiegimes'auf dem Gebiete der inne
ren Bermaltung drückte sich TalaatBeI
mit bemerkenswerter Bescheidenheit aus:
Leider vermochten wir bis letzt unsere
Absichten nur zu geringem Teile zu ver
wirklichen. Die Hauptfc!w,krigke,t, mit
der wir zu kämpfen haben, ist der Mangel
an geschulten einheimischen Kräften. Wir
haben daher beschlossen, nach Beendigung
des Krieges für alle Bcrwaltungszweige
Fachmänner ans Teutschland
kommen zu lassen. Wir hoffen, daß dank
dieser Mitarbeit, die auf unser ganzes
BcamtenkorpS erzieherisch wirkeiknuh,
nun tatsächlich eine neue Entwicklungs
cpoche für die Türkei anbrechen wird.
Wem der Geist der Zungtürkischen Par
tei und die Persönlichkeit Talaats nicht
fremd war. der weiß, daß die Richtung
dieser kommenden Entwicklung nicht sich
elbst überlassen bleiben wird. Talaat :st
nicht der Wann, dem eS nach dem Rezept
des Grafen Taafe genügen bürde, sich
durch den Parteikampf durchzufretten",
um fortzuwursteln". Er stand denn auch
nicht an, mir in der für die ganze nächste
Zukunft der Tuxrei entscheidenden Frage,
ob die Regierung daS System der Jen
tralisation oder Dezentralisation befolgen
wolle, eine klare Antwort zu erteilen:
Im Prinzip.' sagt Talaat. kann cS
keinem Zweifel unterliegen, daß ein Reich
um f stärker ist. je fester seine Organisa
tion zentralisiert ist. Bei uns läßt sich
edoch daS System der Zentrallsation nicht
restlos durchführen. Wir sind entschlossen,
nach Beendigung des Krieges gewissen,
vom Reichszentrum entfernten Gebieten
weitgehende Autonomie zu verleihen;
mir denken dabei besonders an 'Acmen.
Für die übrigen Teile der Türkei dürfte
nach meiner Ansicht die Zentralisierung zu
iräglicher sein."
Tro seines überragenden Einflusses
war TalaatBei bis jetzt eifrig bestrebt,
nack außen hin nicht zu sehr in den Bor
dergrund zu treten. In der auf einen sieg
rcickien Frieden folgenden Periode wird
nach Ansicht der informierten Kreise Kon
klantmovels die Stellung der lungturki-
schcn Partei se gefestigt fein, daß Taliat
durch Uebernahme des Großvezirats zum
sichtbaren Haupte der türkischen Regierung
werden dürfte. Man muß sich daraus ge
faßt machen, daß mit dem Augenblick. we
die Waffen ruhen, der Kampf der Mächte
auf diplomatischem Gebiet um s heftiger.
entbrennen wird, daß speziell Konstantins
pel zum Schauplaj wildester Intriguen
werden wird. Talaat wird dieser Situa
ttion vollkommen gewachsen sein. Man
kann daintt rechnen, daß ein noch recht
lvaer Abscknill der türkisäien Politik den
Stempel seiner Persönlichkeit tragen wird.
leichten Herzen. Die Furchtbarkeit der
serbischen Wege hatten wir erst zur Hälsb
kennen gelernt.
In Krem trafen wir den General noch
einmal. Hier war die Brücke über die
Kalcnieska zerstört, die, sonst ein kaum
stchtvarer Wasserslreisen, letzt zwischen
ihren steilen Ufern zu einem reißenden
Fluß angeschwollen war. Man hatte
Wagen ins. Wasser gestürzt, darüber
Bretter gelegt und so einen Weg für daS
Fußvolk gefchafsen. Die Kolonnen mußten
die Furt daneben passieren.
Der General hielt mit seinem Siabe
am hohen Ufer und lieh die Bataillone
an sich vorüberziehen. 5klack, klack. klack
klang ihr Marschschritt im Schlamm.
Guten Morgen, Regiment!" rief der
General. Main. Exzellenz!", hallte es
zurück. Wißt ihr schon, daß N,sch ge
nommen ist?" Ein kurzes Ausruhn im
rhythmischen Keuchen, ein rauhes Hurra.
Wir haben gestern 2000, nebenan haben
sie 5000 Getangene gemacht." Hurra,
hurra! .Nun müssen sie doch bald alle
sind," klingt hell die Stimme eines Ber
linerS. .Erzellenz, jiebt et keene Liebes-
jaben?" ruft eine andere. .Nur Geduld.
Kinder. Die Feldpost kann nicht so
Ichneu nach. , Weiter. Neue Bataillone.
Die Spitze der Kolonne nähert sich der
Furt.
Ein Kranz von weißen Häusern um
rahmt die Höhe. Die Sonne scheint
sommerlich heiß. Die schwarzgrauen
Negenschwärme der letzten Tage haben
sich in lustig flatternde Watteflocken ver
wandelt. Serbische Gefangene lagern
müde umher: eine dumpfe, reglose,
braune Masse. Hoffnungslosigkeit ist das
unsichtbare Banner dieser Schar. Am
Ufer arbeiten Pioniere, um eine neue
Brücke zu bauen. Hell und scharf klingt
die Stimme ihres Hauptmannes. .Hier
macht ihr ne Rinne. Zwei Spaten lang.
Stellt euch nicht dusslig an. Ich bitte mir
aus, daß die Geschichte wagerecht liegt.
.Besorgt euch ne Wasserwage." Pioniere
messen, graben, springen hin und her,
Pioniere sägen. Pioniere schleppen Balken
heran. Pioniere werfen große Steine in
die Furt. Müde, doch nicht ohne Teil
nähme sehen die Serben zu. Aus dem
grauen Haufen blitzt manchmal em leben
diger Blick. Da und dort zuckt in einer
Hand die Lust zuzugreifen.
Jetzt hat it Kolonne die Furt erreicht.
Ein Munikionswagen mit sechs Gäulen
davor ist der erste. Die Gäule' stutzen.
Die Peit che knallt. Hop ho! Hüohot!
Borsicht da! Immer rechts heran.- Links
ist em Loch. Bremse los! Vorwärts! Die
Gäule bäumen sich. Hoch spritzt das
schlammige braune Wasser. Mit einem
Krach fällt der eiserne 'Wagen in die
Tiefe. Alles in Splitter? Nein, er ist
heil. Im 5iarriere geht es den fteilen Äb
hing des jenseitigen Ufers hinan. Neue
Wagen. Jedesmal ein Atemholen, wenn
die Eisenlasten polternd in die Flut
stürzen. Einmal zerbricht eine Deichsel,
steigt kerzengerade hoch, stögt dem Fahrer
ins Kreuz, der fliegt vom Bock, um
klammert 'den Pferdehals, peitscht, flucht,
hiiohott, vorwärts! Hopho! hinüber.
Dse Zuschauer rufen Bravo!" Die
Serben haben sich erhoben und reefen die
Hälse. Gulaschkanonen folgen. Die Erde
dröhnt von ihrem Fall. Fontänen schau
men auf. Zischend erlischt das Feuer
unterm Kessel. Nun gibt's aber Wasser
suppe!" ruft einer. Alles lacht. Tut nichts.
Sie kommen hinüber. Tragtiere folgen,
von rothosige Panduren geführt. Eins
fällt mit seiner Last ins Loch und legt
sich auf die Seite, als wollte es ersaufen.
Streckt richtig die Beine hoch und duckt
den Kopf nieder. Da springen ein paar
serbische Gefangene herzu und helfen.
Mit Püffen, Ziehen und Zurufen bringt
man den Mulus wieder, auf die Beine
Ein Serbe steht bis zum Bauch im Was
ser. raucht ruhig seinen Zigarettenstum
mel weiter und sieht dem Treiben zu.
Schwere Geschütze folgen. Das Wasser
scheint sie verschlingen zu wollen, aber die
acht Gäule reißen sie wieder empor.
Ochsengespanne folgen. Sie planschen
schwerfällig ins Naß, bleiben in der
Mitte stehen und saufen. Peitschen knal
len. Knüppel dreschen. Flüche hallen.
Alles wird rabiat. Aber die Ochsen blei
den stehen und saufen.
Eine Stunde später befinden wir uns
allein in einem steilen Hohlweg. Der
Wagen steckt bis an die Deichsel im Dreck.
Wir haben unsere Siebensachen schon
längst auf den Buckel geladen und selbst
weitergeschleppt. Den eiyen Gummireifen
hat der Kutscher als Trophäe um den
Hals gehangt. Wir beschimpfen den
Kutscher, der Kutscher beschimpft seine
Pferde. Diese aber verzichten hartnäckig
auf die Fortsetzung des Vergnügens.
j.Sie haben recht," brummt der Kutscher,
So eine Sch... habe ich noch nicht er
lebt. Da sind die russischen Wege daS
reine Asphalt gegen." Wir schieben, ziehn.
Vergeblich. Als einziges Mittel bleibt
uns, daß wir einige Serben zu Gesänge
nen machen und veranlassen, uns zu
helfen. Nichts .leichter, bei Gott, als das.
Ueberall begegnen einem in-ezrößeren oder
kleineren Trupps diese windschiefen Ge
stalten, in zerlumpten englischen Mänteln,
mit zerfurchten Gesichtern, ein halb treu
herziges, halb verschmitztes Lächeln um
den Mund, und alle mit unendlich müder
Gebärde. Sie haben nur den einen
Wunsch, Ins Gefangenenlager zu kom-
men. wo die Gulaschkanone dampft. Sie
ist das Panier der Unfreiheit, aber auch
des satten Magen. Und am Ende will
die arme Kreatur leben. Das ist eine
internationale Eigentümlichkeit.'. .Kommt
mal her, ihr Kadetten!" ruft der Kutscher.
Faßt mal mit an!" Willig greifen sie
zu. Die klebrig glänzenden Schmutzschri
den, an denen von den Speichen nichts
mehr zu sehen ist. drehn, der Wagen hebt
sich, wir keuchen mit unseren Siebensachen
auf dem Rücken hinterher. So lösten wir
das Problem, trotz eines Gummiivagcns
ins Innere Serbien? zu gelangen.
Noch eine Stunde später, aber kommen
wir zu der Ueberzeugung, daß der Wagen
diese Nacht unser Obdach sein wird.
Schon glänzt, der erste Stern am reinen
Himmelsschild. In großem, geruhsamem
Rhythmus schlingt sich der blauschim
mernde HochgebirgLkranz um die Tal
und niederen Gipfel. Raben ziehen mit
Krah, krah über uns hin. Elstern kreä
schen. Aber kein Hundcgebcll. Kein
MenschAilaut. Einsamkeit. Da es schon
nacktet, lodern in der Ferne dunkelrot
neblige Schwaden don Wachtfeuern auf.
Die Gäule ziehe mit frischem Mut wie
der an, und baldern lagern wir im Kreis
einer Maschincngewehrabteilung.
Wir fragen den freundlichen Haupt
mann, der sein GlaS Tee und seine
Grieben mit unS teilt, nach den serbischen
Soldaten. Wie sie kämpfen? Tapfere
Gegner. Ohne Frage. Aber unserer Ar
tillcrie halten sie nicht stand. Und sie
leiden Mangel an technischen Ausrü
siungen. Er glaubt. eS wird nicht mehr
lange dauer. Jeden Tag bröckelt mehr ab.
Allerdings besteht ein großer Unterschied
zwischen den Reserve und den aktiven
Offizieren. Bon diesen sind bisher wenige
zu Gefangenen gemacht. Und sie sollen
ibre Truppen noch fest in der Hand
haben., Aber wir wären ja schon viel
weiter ohne die beillosen km,!" nist r
aus; in Serbien war bis jetzt nicht der
oioar. lonoern der Vrea un er schlimm
ster Feind." ,
Frlllnnoraens echl'i wii?i fliw-
Straße scheint etwas besser. Doch bald
neyen wir vor einer gesprengten. Stein
brücke. Sie sllbrt übet ,!n? arnnnim
Meter tiefe Schlucht. Ihre Mitte ist ein
gesackt, aber die oberste St'inMiirtt WiiU
noch. Für Fußgänger ist daS Uebcrfchrei
ren erlaubt, für Wagen verboten. Wir
fragen den Posten, wie er sich zu der
orage ncur. wenn man den Wagen aus .
spannt und die Vkerde einzeln Kinllk??
kiiW3 ..X. fc.i a.: ft,ri....i.
jfmuucv ijm kr ikiuc kliilruino
nen. Die Sache ist etwas kitzlich, da die
Brücke in ihrem jetzigen Zustand schmaler
als die Radsvur itt. Aber sie türf.
Wieder helfen uns serbische Gefangene.
Enviicy kommen wir ins fruchtbare
Moravatal. Tabakfcldcr wechseln ab mit
Weinbergen. Mittags sind wir in Kru
coac.
Die Stadt hatte vorgestern M0 Ein
wohner und zählt beute 40.000. unae-'
rechnet die einquartierten Regimenter.
!sie ,,t nichts anderes als em ungeheures
Flüchtlingslager. Von Dorf zu Dorf
waren die Unglücklichen dem nacksnkan-
dcn Heere vorangelaufen, von der Furcht
gezagi, ver tf-nno et eine Rotte von Un
holden, von der Hoffnung vorwartsgetrie
ben. das endlich siegreiche serbische Heer
wuroe irrn zurusMagkn. In Krusevac
war es mit ibrer Kraft ,u Ende. ?strW
Furcht noch Hoffnung hatjemchr Gewalt
über sie. Sie ließen sich freiwillig ein
holen. Und nun geschah das Unerwartete. Die
gefürchteien Bersolgct erwiesen sich als
srievsertige Leute. 23 Kommandant ließ
sofort feststellen, daki die vorbandnen
Kerstörunaen von den serbiscbsn 3r',,',v
herrührten. Strengste Ordnung wurde
yergeuem . und vor die zerschlagenen
Ladenfenster ein Posten aufgestellt.. ,..
Aber' wie' will man Ordnung bringen,
in dies Menschengewimmel. Zu Taufen
den sah ich die Flüchtlinge auf freiem
Felde kamdiereN'. Der Sack mit if,
Habseliakciien wär ihr Kopfkissen, ein
wenig Matsstroy ihr Lager. Glücklich die.
welche ein Obdach haben. Sie, hausen zu
Zehn. ZU Zwanziä'ln' den klcinen. .siiiiii'N.
Tagsüber wogen sie in dichten Haufen die
slralzen aus uns nieder, stehen mui..
herum, laufen bei irgendeinem blöd'.n
Gerückt ausaereat zusammen, umlaarn
die Ortskommandantur und bringen mit
ihren Fragen, Bitten und hysterischem
Weinen die Offiziere zur Berzwciflun?.
Man kann sie beim besten Willen noch
nickt nacb ause lassen, da ibr Strom
den entgegenkommenden' Kolonnen die
Straße verstopfen wurde. Armes, von der
Scholle lZattissnrs Valk! Kinzia hc
zahlreichen Zigeuner fühlen sich in ihre:
Element, üe laufen mit arokcn Säcken
geschäftig umher, machen gute Ernte und
blicken aus die unfreiwilligen ,Nomaden,
herab wie Künstler auf ihre dilettanti
schen' Nachahmer. . . .. ,. ..
Karl Kriedrilg Heitmann gc
fassen. .
Karl Friedrich Heitmann, der als un
gedienter Landsturmmann vor fünf Mo
naten einberufen, mit dem Ersatz eines in
Litauen stehenden Infanterieregiments in
die Feuerlinie gekommen war. hat den Tod
fürs Vaterland gefunden. Bei nächtlichem
Wachtdienst traf ihn ein Kopfschuß.
Karl Friedrich Heitmann hat ein Alter
von 40 Jahren erreicht. In Hamburg ge-
boren, wandte er sich zuerst dem kanf-
männischen Beruf zu. Er unternahm
große Reisen, die ihn durch die meisten
Lander Europas führten, hospitierte an
den Universitäten in Heidelberg und Ver-
lm, folgte dann seinen schriftstellerischen
Neigungen und ging 1004 als Sonderbc
richterstatter zur Weltausstellung in St.
Louis. Er blieb in Amerika bis 1908,
lernte Mittel und Südamerika kennen
und war in New Fort bei der Staats
Zeitung" als Journalist tätig. Im W'n
tcr aus 1909 traf er wieder in Berlin ein.
Als der Konflikt zwischen Oesterreich und
Serbien ausbrach, ging er sur die B. Z.
am Mittag" nach Belgrad und Konstn,
tinopcl. Vom Herbst 1903 gb war er in
London, das er zu Beginn des Auqusts
1914 verließ, um in die Heimat zurllckzu
kehren. Seine letzten Arbeiten waren
Ä,childerunqen aus seiner Landsturmzeit,
die von echtem Humor und vom Geiste
reudiger Pflichterstillung durchdrungen
waren.
Da? nordische Blaukehlchen legt die
"000 Kilometer lange Strecke zwischen
Aegypten und Hslgcland in etwa 'J Stun
den zurück.