l An Laus der Aissenjchajl". Die öeulschen Urososssren in Aonstantinope. von Dr. Wilhelm Feldmann. 4- Kanstantinopel. Ende November. Tar"Iil-Füun, da Haui der- Wissm schast. So nennen unsere tllrlischen Bu beSgfnofffrt in blühender E Pracht die Glätte, die wir mit einem langweiligen mittelalterlichen Fremdwort ali Universi tät bezeichnen. J,n Herzen von Stambul, nicht weit vom NriegSministertum, dessen ffeuerturm die große Türkcnstidt .nit ihren Moscheen, Palästen und zahllosen Häuschen beherrschend überragt, liegt di Gebäude, das diesen arabischen Namen trägt. Früher wohnte hier eine reiche ägyptische Prinzeffin. Seit zwei Jahr zehnten etwa dient daS Hau der Wissn schast. Von ihm soll jetzt die große Er muerung des türkischen Vildungswese S ausgeben, zu der die Tür! i den Beistand ' Deutschlands erbeten hat. Zum Tar-ül-Fünun gelang! man mit der elektrischen StrOhenbahn durch die Hauptstraße von Ctambul, Diwan-Jolu, , an der daS Untcrrichis-Ministerium eben der Tllrbe des Sultans Mahmud liegt. Diese Nachbarschaft hat Anlaß zu einem boshaften Witz gegeben. der einst viel . lacht wurde. Man erzählte, ein Fremden- .11 r. r.- , unrer PTiege i.iaj an oiq icuc vim 7 Stambul immer zu versprechen und d.,l Fremden zuzurufen: Hier ist das Grab des Sultans Mahmud und dort ist das Grab des Unterrichts.- Und man gab zu verstehen, daß der Führer mit seinem Ver sehen durchaus das Richtige treffe. Heute wird daS niemand mehr behaupten wollen. D jungtllrkifche Unterrichts-Minister Schükri Bei, ein Schulmann von Beruf, übernahm sein wichtiges Amt vor zwei einhalb Jahren mit dem festen Entschluß, die längst geplante Erneuerung Schul wesen in der Türkei endlich anzubahnen. Und .k hat blöher mehr getan, ais man in so kurzer Frist, bei so vielen Schwie rigkeiten - und Hindernissen erwarten konnte. Schükri Bei war von Anfang an davon überzeugt, daß es geboten -sti, fremden Rat für das Reformwerk in Anspruch zu nehmen, und der Min,istcrrul war damit auch grundsätzlich einverstanden. Aber welche, Macht soute um Beistand ersuü,t werden? Das war die große Frage, bei deren Behandlung der Minister deZ Aeuhern das entscheidend Wort zu spre chen hatte. Lange Monate hindurch blieb die Angelegenheit in der Schwebe. Ich hatte damals bei einer Unterredung mit dem Untcrrichts-Ministcr den Eindruck, daß Schükri Bei persönlich die Berufung eines deutschen Beirats. wünschte, und 'aß die Mehrheit des Ministerrats feine Auf sassung teilte. Aber .die Berufung unter blieb zunächst aus sinanzpolitischen Grün den. Man wollte Frankreich , nicht ver stimmen. Der große Krieg Hai auch diese Frage gelöst, und seit dem 8, März, besitzt der i.-i.lls.JC- 1fMUtä,()DmifT?i rnn hlllf . llUllUjC MllttHiUJia'v tvv fciufc I schen Müschawir" (Beirat) in der shm- pathischen .- Person des Gehnmrats Schmidt, der früher die deutsche Schule in Bukarest leitete und dann neun Jahre fang' als Schulrefcrent des Auswärtigen Amts in Berlin tätig war. Ucberraschend schnell ist es Jschmidt Bei Efsendi". wie die türkischen Torwächter den deutschen Herrn mit dem schwer abzusprechenden Namen nennen, gelungen, sich in seine schmierige Stellung einzuleben und das Vertrauen der Türken zu gewinnen. Er tragt den Fcs mit solcher Sclbstoerständ lichlät, als hätte er nie einen Hut geira gcn. und der Fes steht ihm ausgezeichnet. Geheimrat Schmidt ist keineswegs mit einem fertigen Programm in der Tasche hier angekommen. Er wollte zunächst nur sehen, um Rat spenden zu können für die Fälle, in denen man feinen Rat erbit ten würde. Er hat stets im Auge, daß er als Müsckiawir" nur zum Beraten, nicht zum Beschließen, da ist. Der Minister gab seinem MUschawir bald Gelegenheit, im C-lj.I. f um leine rnepgen inoruae zu pcnajiin !, und vergleichend auf deutsche Verhältnisse '.i hinzuweisen. Bei solchen Unterhaltungen f muhte der Unterschied zwischen Lehrweise I nd Oraanisation der deutschen Universi- 't, täten und lm Betrieb des Dar-ülLü,,un . gestreift werden. 'Ter turiiWe unicr- richts-Minister erfuhr bei dieser Gelegen . hit jedenfalls, daß die deutschen Lehr. Grundsätze der Kritik und der Anleitung Izt eigener Arbeit von deutschen Gelehrten ' schon an fremden Universitäten mit Er i folg eingeführt worden sind, und daß die ' deutschen Hochschullehrer sich in manchen Ländern, zum Beispiel an der Universität Buenos-Aires. beim Vortrag der Landcs spräche bedienen. ? Für den Glauben der Türken an ihre Zukunft spricht auch die Tatsache, daß hie ; Omanisch Negierung mitten in einem , 'chweren Kriege den denkwürdigen . Be Äß gefaßt hat. jdie Reform des Bil 'mngswescns sofort in Angriff zu nehmen, 'im Laufe des Sommers arbeitete Unter- - ichts-Mimsicr Schükrt ei, natürlich im ' Unverständnis mit dem Ministcrrat. das i ieformprogramm aus. z dessen Durch--1 ührung siebzehn deutsche Gelehrte an die ' ' lniöersität Konstantinovel berufen wor- ftti sind. Ich glaube zu wissen, daß auf . Virkischer Seite der Wunsch bestand, eine , rheblich größere Zahl von Fächern mit ' 1 eutschen Professoren zu besetzen. Aber - Deutschland war bei oller Bereitschaft zur . rfllllung türkischer Wünsche wohl kaum '.!dcr Lag?, zumal in ttricgszeit, eine - frosjfte Zahl. von Hochschullchrern adzu J den. Die Bedingungen, zu denen das i rkische Untenichts'Ainiflcrium die deut ,c Prosessoren verpfl,?et hat, sind be .'nni. Der Vertrag gilt für fünf Jahre. ' ii erste Jahr wird als Vorbereitungs '.'iyt betrachtet und soll hauptsächlich zur i Erlernung der türkischen Sprache dienen. ' e Professoren halten ihre Vorlesungen liirlischer Sprache. Sie übersiedeln zu .zinn bei WintrsciNksters nach j!n . l;ilincp;, 7 snsei uoii d?n sirbzkh d'uksck!', Gclh? ' siiii) seit langem in dr Tiirtci onsäs 1 AIs Prof:sjor der Geschichte wurde ' der frühere deutsche Generalkonsul in Smyrna, Mordtmann, ein Sohn des ein stigen hamburgischcn Gesandten bei der' Hohen Pforte, verpflichtet. Er Is in Fachkreisen als hervorragender Kenner der osmanischen Geschichte bekannt. Der langjährige Erste Dragoman des deutsc'en Generallviisulis in KonNaiiliuüpcl, Dr. Nord, dessen Abhandlungen über türkische Rechtsfragen sehr geschätzt sind, hat die Vorlesungen über europäisches öffentliches Recht übernommen. Er begann seine Lehrtätigkeit als erster der deutschen Pro fessoren am 8. November in der Rechts fakultät, die ncuerdinas nach Pera in das HauS der Union franyaise" verlegt wor den ist, mit einer Einführung in daS deutsche bürgerliche Recht in türkischer Sprache. Von den fünfzehn aus Deutsch land berufenen Gelehrten wird einer, der bekannte Berliner Orientalis Professor Dr. Giese, in der Lage fein, ,,ch sofort der türkischen Sprache zu bedienen. Bis jetzt sind sechs dieser Henen hier eingetroffen. Der Lehrer der Philoso phic, Professor Lizentiat Dr. Günthers Jacoby, war bisher Privatdozeirt an der Universität Greifswald. Er besitzt für seine hiesige Stellung den besonderen Bor zug, daß er bereits zwei Jahre in Amerika und ein halbes Jahr in Lavan als Hoch schullehrer tätig war. Pädagogik und Psychologie hat der bisherige Privat dozent am Kolonialinstitut in Hamburg, Dr. Anschütz. der bekannte Assistent des jüngst verstorbenen Begründers der ezpe rimentellen Pädagogik, Ernst Meumann, übernommen. Für anorganische Chemie wurde Dr. Arndt, bisher Privatdozent an der Universität' Brcslau, für organt sche Chemie der bisherige Privaidozent an der Technischen Hochschule in Charlotten bürg, Dr. Hoesch, verpflichtet. Zoologie wird Professor Dr. Zarnick, bisher außer ordentlickzer Professor an der Universität Würzburg, lehren. Professor Zarnick, den seine Gattin als Privatassistentin un terstützt, beschäftigt sich besonders mit Scetieren, zu deren Studium er hier reiche, bisher kaum je verwertete Gelegen heit findet. Er erhofft für später die Gründung einer zoologischen Station in Konstantinopel, nach dem Borbild der Station in Neapel, und die Einrichluno von Kursen für deutsche Studenten. Als sechster ist der Professor der vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft. Dr. Berg strLsser, bisher Privatdozent an der Uni vcrsität Leipzig, kürzlich in Konstantine pel angekommen. Weitere vier Herren werden in den nächsten Tagen hier eintreffen, nämlich: der bekannte Erforscher der Geschichte alt orientalischer Böller, Professor Dr. Leh-mann-Haupt, bis zum Kriege ordentliche Professor der Geschichte in Liverpool; der bisherige Privatdozent der Geographie gn der Universität Marburg. Dr. Obst, der als Afrikäforscher bekannt ist; der durch seine Kordillcrenforschüngen bekannte Eeo loge Dr. Pcnck, bisher Privatdozent un der Universität Leipzig, und der bisherige außerordentliche Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Tübingen, Dr. Schönborn, der wiederholt zu Fragen der großen Politik in viel beachteten Abhand lungen Stellung genommen hat. , Der Zeitpunkt, des Kommens der übn gen fünf Herren ist leider noch unbe stimmt. Der Botaniker Dr. Leick. bisher Privatdozent an der Universität Greifs wald, ist im Felde verwundet worden und wartet seine Genesung ab. Der Professor der technischen Chemie. Dr. Fester, der als ordentlicher Professor an die Univer sität Tientsin berufen war. steht noch im Schützengraben. Der schon erwähnt Professor der u"altaischenSprachen, Dr. Giese. bisher Professor 6m orientalischen Seminar in Berlin, steht als Hauptmann beim Gouvernement Brüssel. Der Volks Wirtschaftler Professor D. Hoffmann, bisher ordentlicher Professor an der Tech nifchen Hochschule in Hannover, und der Professor der Finanzwissenschaft, )r. Fleck, bisher , Direktorialassistent am In stitut für Seeverkehr und Weltwirtschaft in Kiel, werden ebenfalls noch für kurze Zeit verhindert sein. v , Jedem deutschen Professor so? ein ti!' kischer Hilssprofessor beigegeben werde... Man fürchtete, daß eS schwer fallen werde, für diese Stellen geeignete Persönlichkeiten zu finden, die zugleich ausreichende? Fach wissen und genügende Kenntnis der deut schen Spracht besitzen. Es fehlt aber durchaus nicht an solchen Persönlichkeiten. So konnten den Professoren der Chemie drei, türkische Hilfsproscssoren beigegcben werden, die"mehrcre JaHre lang bei Ejc zellenz Fischer in Berlin gear' jtet haben. Zum Hilfsprofessor der Pädagogik wurde ein Schüler Reins. Ali Haidar Bei. aus der bulgarischen Rosenölstadt Kasans, ernannt, der drei Jahre in Jena studiert hat. HilfSprofcssor der Flnanzwisscn schast wird Tekin Alp, der bekannte Ber trcter'dcr pantiirkifchen-Bewegung, wer den. Als Hilfsprcfessor der Philosophie ist Dr. Ahmed Emin Bei. augenblicklich Kriegsberichtersiatter des .Tanin" bei der Heeresgruppe v. Mackenscn, auserschen. Die glückliche Ermittlung geeigneter tiirkischer Hilfsprofessoren ist von größter Bedeutung, da die osmanifche Regierung, entgegen der frühcren Bestimmung über das Vorberntunasjahr.' neuerdings den Wunsch geäußert hat, daß die deutschen Proscfforcn ihre. Lehrtätigkeit in bc fchränktem Umfang sofort beginnen. Trotz der unvermeidlichen Schwierigkeiten soll dicker Wunsch der türkischen Regierung nach Möglichkeit erfüllt werden. In dem Vorlesungsverzeichnis für das Winter Semester, das im Z:ar-iilFiinlN am 27. November eröffnet wurde, sind die deut schen Professoren mit ihren Fächern denn auch schon aufgeführt. Diese Frage kann wohl nur in der Weise gelöst werden, daß die deutsche Gclchrten orlksuugcn aus arbeiten, - dic dann von hi, 'türkischen Hilssprofcssoren vorgctrag? werden. Aber es handelt fich nicht nur um die Aranzösijclje Wenn ich schon die ginzenlose, haß erfüllte Verblendung geschildert habe, der alle, wa? deutsch ist, bei der öffentlichen Meinung Frankreichs begegnet, so konnte ich doch darauf hinweisen, daß ich gerade au dem Munde einfacher Leute gelcgcnt lich eine mildere, gerechtere Beurteilung gehört habe. Ich tat dies um fo lieber, als ,ch in den Kreisen der französischen Wissenschaft vergeblich auf die Stimme der Vernunft gehorcht habe. Dies mag frei lich zum Teil auch darauf beruhen, daß die gemäßigteren Elemente, die ihre Ob jcktivität und klare Einsicht nicht völlig eingebüßt haben, es gegenwärtig nicht wa gen dürfen, mit ihrer Meinung an die Öffentlichkeit zu inten. Die anderen, zu denen leider gerade die Bekanntesten und Gelehrtesten gehören, haben dadurch um so freieren Spielraum, und' sie haben ihn nach Kräften ausgenutzt. Au,ch hier be obachtet man wieder dieselbe Einmütigkeit, die schon bei der Propaganda der Presse in Erstaunen setzt. Da Ziel ist ihnen allen gemeinsam. Es genügt den französischen Gelehrten nicht, daß uns Bcrtragsbrüchig keit, Treulosigkeit. Falschheit, Heuchelei, Lügenhaftigkeit, Grausamkeit, Kultus der brutalsten Macht und ethischer Materialis muS vorgeworfen wird, sondern es kommt ihnen darauf an, dieses alleS zu shstemati sieren, zu zeigen, daß alle diese Eigen schaften nicht etwa nur zufällig oder ver einzelt in diesem Kriege zutage getreten sind, sondern daß sie den deutschen Na tionalcharaktcr ausmachen und daher not wendig und unausrottbar sind. Es soll bewiesen werden, . daß sich diese Eigen schaften in unserer Geschichte, unserem Staatenbau und öffentlichen Leben ebenso deutlich gezeigt haben und noch zeigen, wie in unserer Dichtung, , Wissenschaft und Philosophie, ja, daß sogar die Beson?er heit unseres religiösen Empfindens diesel den Züge unseres Wesens kennzeichnet. Zur Förderung dieses - Beweises dient ein bedeutender gallisch-rationalistischer Scharfsinn, aber eine gewiß noch bedeu tendere Unkenntnis unserer Sprache, un screr Sitten und unserer Geistesgeschichte. Die Argumente reichen von Tatsachen zu gröblichen Irrtümern und Mißverstand nisscn. und endlich oft zu zweifellos be wußten Entstellungen und Fälschungen. Bon den Schriften französischer Gelchr ter über den Krieg ist manches auch in Deutschland bekannt geworden. Ich be schränke mich dcher hier darauf, einiges zu erwähnen, was ich in Frankreich selbst von Vertretern der Wissenschaft habe vor tragen hören. Es wird um so eher in tcressant sein, als das gedruckte Wort immerhin doch noch vorsichtiger formuliert wird, als die mündliche Rede. In dem großen Amphitheater des,Pa riscr Nationalmuseums für Naturge schichte im Jardin des Plantes wurden mehrere Vorträgt unter dem Gesamttitel .Die deutsche .Mentalität" abgeholten. Emile Boutroux. einer der bekanntesten französischen Philosophieprofessoren, Mit glied der Academie Francaise. des Institut de France und der Berliner Akademie der Vorlesungen. Sehr wichtig sind die nfbirnm hie den deutschen Vioiessoren Gelegenheit geben, die Wirkung 'hrer Vor- lelungen zu kontrollieren, can oais nicht vergessen, daß es' hier weniger auf die Vermittlung von Wissen. "M auf die Erziehung zu methodischer Wissenschaft licher Arbeit ankommt, iir Wxt lMiinnen soll ieder Professor ein Institut erhalten. Es ist aber bei den beschrankten Mitteln, die zu Gevote liehen, nicht so leicht, die erforderlichen Räume, Lehrmaterial und Hilfspersonal zu fchaf fen. Der P?vstssor für experimentelle Psychologie bmucht. um nur ein Beispiel anzuführen, allein sechs Raume. Ein ganz ansehnliche? chemisches Laboratorium war bereits von den erwähnten Schülern Fischers im Dar-ül-Fünun eingerichtet worden. Aber zwei weitere Laboratorien sind erforderlich, da organische, anorgani sche und technisch) Chemie getrennt werden müssen. Eine wissenschaftliche Bibliothek fehlt ganz. Die Deutfch-türkische Ber cinigung hat jetzt aber 80,000 Mark ;ur Begründung von Fachbibliotheken für die deutschen Professoren zur Beifügung ge stellt. Die Bücher bleiben Eigentum der Universität Konstaninopel. Sie werden später wahrscheinlich in einem Lescsaal nach Berliner Muster vereinigt und bil den den Grundstock für die zukünftige Universitäts-Bibliothek. ES fehlt naturgemäß auch nicht an ri tischen Einwendungen gegen die Reform maßnahmen. So wird gesagt, daß die Erneuerung besser bei der Volksschule he gönnen hätte, um mit der Universitöts Reform erst später ihren Abschluß zu sin den. Darauf wird entgegnct. daß jede Schulentwicklung außer der selbstvsF änd lichen Grundlage ei Ziel brauche, wenn die innere Organisation des gesamten Schllluxsens Bestimmtheit erhalten soll. Die HochschulRcform sei zunächst auch aus mehr als einem Grunde allein mög lich. Ihre Bedeutung für die Reform der mittleren und höheren Schulen liege auf der Hand. In den nächsten drei bis vier Jahren werde in der erneuerten Uni versität ein Stamm von Oberleh.-ern herangebildet werden, die sich dann auf die Mittelschulen verteilen würden. Im übrigen fei die Reform der unteren und mittleren Schulen, die von jeher ein Hauptpunkt des jungtürkischon Parteipro gramm? war, längst beschlossen. ?ie werde erfolgen, sobald günfligere Zcitum stände es gestatten. Von türkischer Seite Ist Bedauern dar über kaut geworden, daß die deutschen Professoren sich nur für fünf Jahre der pflichtet haben. Die Türken hatten ge hofft, so wurde weiter betont, die deut schen Gelehrten würden sich dauernd dcm Dar-ül-Fünun widmen und nicht nur vorübergehend als Resorner in Konstan tinopel "weilen. Dieser turkische-Wunsch entspricht, wie mir versichert wird, durch ans den üicigungen der deutschen Pro-fessoren. Gelehrte über von Dr. lzans vorft. Wissenschaften, sprach dort über ,(Zr miuii'm et Ifurnaiiitß", wobei es na türlich darauf hinauslief, das Deutsch tum in Gegensatz zur Menschheit und Menschlichkeit zu setzen. Das Deutschtum, behauptete er gleich zu Beginn seiner Rede, sei durchaus identisch mit der Sucht, zu erobern und sich die ganze Welt zu assi milicrcn". Taß dies im politisch-natio nalen Sinne wahr fei, dürfe als hinläng lich erwiesen gelten. Niemand zweifle mehr daran, daß es d'aS Bestreben der Deütschen sei. die Welt und die Mensch heit zu unterjochen. Er wolle nun nach weisen, daß derselbe Grundzug deutschen WesenS im gesamten geistigen und ethi schen Leben der Nation zum Lusdruck komme. DaS Mittel, alle geistigen Werte den engen persönlichen Interessen zu un terwerfen, stehe dem Deutschen stets zur Vcrsiigung in seiner ureigensten Ersin dung der Intuition. Wenn ihm irgend eine geistige Tatsache, ein ethischer Wert nicht passe, so sei der Deutsche eben stets in der Lage, sie einfach abzuleugnen, in dem er sich auf seine .intuitive Erkennt nis" berufe. Um sich Gott zu assimi lieren", d. h. ilm so zu erkennen, wie es ihm bequem sei, brauche er nur intuitiv in sich selbst hineinzublicken. So sei es ihm ein Leichtes, über die göttliche Msch! nach Gutdünken zu verfüge und sich für das allein auscrwählte Bolk zu halten, das Gott zur Herrschaft über die Welt gesetzt hätte. Genau so sei es mit der Wahrheit. Der Deutsche sei überzeugt, daß er allein, krast seiner Intuition, im stände sei, die ganze Wahrheit zu erkennen und die einzelnen Wahrheiten daraus'ab zuleiten. Der Inhalt der absoluten Wahrheit aber bestehe für ihn im wesent lichen in der Superiorität Deutschlands. Auf dieselbe Weife verkehre der Deutsche die Gerechtigkeit m ihr Gegenteil, indem er den Grundsatz Macht geht vor Recht" auf den Thron erhebe, und vergewaltige selbst die Schönheit. Denn die Schönheit sei, nach der germanischen Theorie, der Ausdruck des Absoluten, und dieses wie derum könne nur der Deutsche kraft seiner Intuition erkennen. Gegenüber diesem allen entwarf Boutroux, vom Publikum immer wieder durch lauten Beifall unter brochen, ein rührendes Bild von dem idealen Verhältnis, das die ganze übrige iNenschhcit, insbesondere aber die fran zösischc, zu ihrem Gott, der Wahrheit, Gerechtigkeit und Schönheit habe. Es ist gewiß nicht leicht zu glauben, j daß ein namhafter Gelehrter, der oben- drein zu den franzosischen Unsterblichen gehört, allen Ernstes derartige Dinge vor getragen haben soll. Aber ich kann leider dafür einstehen, daß mein Referat die Grundgedanken der einstündigen Rede Boutroux' durchaus getreu und ohne jede tendenziöse Färbung wiedergibt. Dies ist umso erstaunlicher als Boutrouz viele Beziehungen in Deutschland hat, sich noch kurz vor dem Kriege bei seiner persön lichen Anwesenheit gern von uns hat feiern , lassen, 'und weil er seinerzeit in Heidelberg studiert hat. WaS er dort profitiert haben mag. ist freilich nicht recht einzusehen, denn, wie seine Rede deutlich bewies, beherrscht er die deutsche Sprache fo mangelhaft, daß ihm immerfort die allerelcmentarsten Mißverständnisse be gegnen. So erwähnte er bei seiner Dar stellung unserer Gottesidee, es sei ihm schon im Frieden am Berliner Dom die Inschrift aufgefaNen: Unser Glaube ist's, der die Welt überwunden hat." Mit gleich überraschender Unkenntnis der Bibel und der deutschen Sprache verkehrterer diese Worte in ihr Gegenteil und über setzte sie so ins Französische, daß sie nun bedeuteten: Unser Glaube ist's, der die Welt unterworfen hat." Der transzen dente Sinn des Spruches war diesem Philosophen völlig verborgen geblieben. Seine Unkenntnis des Deutschen enthüllte sich ebenso deutlich, als er so weit herab stieg, die Niedertracht des deutschen Volks charakterS durch zwei kindische Sprachver gleiche darzutun. Er erklärte nämlich, daß wir für die französische önörosits" nicht einmal einen Ausdruck besähen. Da für hätten aber die Franzosen kein Wort für unsere Schadenfreude". An dieser Stelle ging ein hörbarer Schauer des Entsetzens und Abscheus, gleich einem lei sen Rauschen, durch das ganze Publikum. Herr Boutroux übersetzte nämlich falsch zoie de nuire", während die Schaden freude nicht die Lust zu schaden bedeutet, sondern das Vergnügen, das man bei dem Schaden eines anderen empfindet. Taß die Franzosen für diese' allgemeinmensch liche Empfindung keinen Ausdruck be sitzen, sollte Herr Boutroux bedauern. Denn daß sie den Franzosen gut bekannt ist, bezeugt uns einer ihrer größten Psy chologen, La Rochefoucauld, wenn er sagt: Haus l'aclvereitä do nern incilleurs arnis nous tronVona toujows qutlque cliose qni tic nous dönlait p." (In dein Mißgeschick unserer besten Freude finden wir immer etwas, das uns nicht mißfällt,) Wenn man diese Fälle noch als Irrtümer selten lassen will, die allerdings schon bedenklich genug sind, so kann eS wohl nichts andres als eine be wußte Fälschung sein, winn Boutroux im Faustzitat: Vom 5zimmel fordert er die schönsten Sterne und von der Erde jede höchste Lust" die letzten Worte einfach mit les joies les plus bnsses" die nied rigsten Lüste übersetzte. Denn dazu, um hoch und niedrig zu unterscheiden, müßten doch seine Kenntnisse wohl aus reichen. Als Kuriosum möchte ich noch, erwah ni. daß der Redner seinen lebhaskn Er folg gerade einem deutschen Witz ver dankie. Als er von der Intuition sprach. zitierte er nämlich Heines Scherz darüber, wie die verschiedenen Nationen verfahren würden, wenn sie em Kamel beschreiven wolltkn. Der Nranose würde in die Me- nagerie gehen und ein amüsantes Feuille ton darüber schreiben, der Engländer -große Reisen nach Afrika unternehmen und eine gründliche Abhandlung versassen. Der Deutsche aber würde in seine Stu dierstube gehen, sich in die Tiefe seines Inneren versenken und gu ihr durch in Deutschland. tuitive Anschauung das Wesen des Ka melS ntivickkln, um kS hu im In rmm dicken Buch niederzulegen. Das Pub likuin brach dabei in lebhaften Beifall aus, offenbar ohne sich über die Deutsch freundlichkeit" dieser Kundgebung klar zu sein. Womöglich auf noch tiefer Stufe stand eine andere EonfSrence", die an demselben Ort und in demselben Rakimen von Professor Edmond Perrier gehalten ivuroc. r i,i jviemDre os iinsmui und Präsident der Academie dos inioniv und nid fiiv in'n btt nslm haften französischen Naturforscher. Er begann damit, daß er die Deutschen für eine Mischrasse erklärte, die von den Ur bewobnkrn Euratofl ui de Eiszeit und den Hunnen abstamme. So sei es denn f i r n . p . . . .l oegrelttim, vag ue vssen eruari hätten, din Krieg ohne Mitleid und Menkcklicbkeit kllbren. mordbrennen, ver- gewaltigen und vernichten zu wollen. Nun kam eme esseltvolle Antithese der eul turo" und der Kultur". Die cultive könne man in die drei Worte zusammen fassen: Freiheit. Gleichheit. Brüderlich keit, die Kultur" dagegen in die Worte: stumpssinniger Gehorsam, brutaler Egois muS und stupider Hochmut. Mit der un glücklichen Liebe, die heutzutage viele Na turforfcher für die Philosophie hegen, vertiefte sich nun Perrier in dieses ihm offenbar völlig verschlossene Gebiet und nahm den deutschen Idealismus her. Er verstieg sich dabei zil folgender einfachen Schlußfolgerung: da die deutsche Philo fophie von Kant, Schiller, Schilling idealistisch sei bis zu dem Grade, daß sie die Wirklichkeit hochmütig zu beherrschen vermeine o geve ti sur oen s;eutcoen eben keine Realität und leine Wahrheit mehr. So verstehe man denn, daß lügen, fifrrrttfrt si-kl-n und morden in Deutsch- land kein Verbrechen ser. Diese Possen, für die Perrier nicht einmal Originalität beanspruchen kann, da sie schon anfangen, Allgemeingut deS halbgebildeten Teils der französischen Nation zu werden, würzte er noch mit erbaulichen Anekdoten. So hatte zum Beifpiel em franzosilcher Ve lehrter vor dem Kriege einmal eine fast voll-ndeie Arbeit kurze Äeit in einer Ber- liner Bibliothek unbeaufsichtigt liegen lassen. Nun hatten die AeulWen, lyrer Philosophie getreu, diesen Augenblick be nutzt, um ihm die Grundgedanken seiner Schrift zu stehlen, und sie vor ihm in einer deutschen Zeitschrift zu veröffent lichen. Die französischen Gelehrten möch ten dies nach dem Frieden nicht vergessen, und nur ja in Berlin keine Manuskripte herumliegen lassen. Endlich verkündet der verdiente Gelehrte noch, die Deutschen hätten sich auch die Lehre des Darwinis mus in der Weise zu eigen gemacht, daß sie. in ihrem Kultus der rohen Kraft und in ihrem Glauben an die eigene Stärke, daraus das Recht ableiteten, die anderen Menschen wie Haustiere zu behandeln. Weit würdiger als die vorhergehenden, gestaltete sich ein Bortrag, den der Baron Denys Cochin in den Galeries George Petit in der Rue de Söze veranstaltete. Dieser sympathische und gemäßigte Den ker. der im neuen französischen Minister kabineit in den Rat der Alten" berufen worden ist, gehört nicht eigentlich zur zünftigen Wissenschaft. Er hat sich aber durch im Reihe philosophischer Schriften in der Gelehrtenwelt einen solchen Namen geschaffen, daß er sogar unter die Unsterb lichen der Akademie Francaise aufgenom mcn worden ist. Er hielt sich in seiner Rede über Ten deutschen Gott , eine Verirrung des religiösen Gedankens", von allen Schmähungen und absichtlichen Entstellungen fern und war der einzige, der wirklich Gelehrsamkeit, Schorfsinn, und Geist zur Begründung seiner Ansich ten ins Feld führte, die dadurch um so deutlicher beweisen, wie schwer es im e gebenen Augenblick auch für die gemäßig ten Elemente in Frankreich ist. die deutsche Art mit rechtem Verständnis zu beur teilen. Der Raum fehlt mir, um auf seine interessante Rede näher einzugehen, die manche Bemerkung über deutsches We sen enthielt, die ich als fein und lehrreich anerkennen mußte, obgleich sie nicht gerade schmeichelhaft für uns'waren. Der Grund gedankt beruhte aber zweifellos wiederum auf einem Mißverständnis. Unsere Aus drücke unser Gott" und der alte Gott" können scheinbat in Frankreich nicht richtig verstanden werden. Daß sie nichts anderes ausdrücken, als Elemente eine jeden Gottesglaubens. nämlich das Vertrauen auf Gott, der sich schon früher oft (daher .der alte") in unserem Leben, an uns selbst (daher unser") so sichtbarlich be währt hat. das begreift der Franzose nicht. Wenn er diese Ausdrücke französisch in die Worte zusammenfaßt I viu tlieu allemand", so verlieren sie natürlich diese Niiattce. und der Franzose wird dazu Verleitet, zu glauben, daß wir uns einen ganz besonderen nationalen Gott halten, eine Art Wotan, und noch einen alten oder alttestamentlichen dazu, damit er uns die Länder unserer Nachbarn Verspreche und Verschaffe. Von diesem Mißverstand nis ging auch DenyS Cochin autz und ver glich die vermeintliche deutsche Gottesidee mit jener Urform des religiösen Gedan kens. die sich bei gewissen australischen Völkerschaften gefunden hat. wo der an gebetete Totem zugleich den Geist des Stammes verkörpert. Aehnlich, meinte der Gelehrte, hätten auch wir in verhäng nisvoller Weise die ftaatlich-nationale Idee mit der religiösen verquickt. Da durch würden wir verführt, uns einerseits in gefährlichem Grade für daS auser wählte Volk zu halten und andererseits ilftprhaiiöi ieden Wert nur noch auS dieser religiös staatlichen Idee abzuleiten. Darin beruhe auch unser grundlegender wegen sah zu dem französischeff-Wesen, für dessen durch Descartes geformte Gedankenwelt immer daS Individuum den Ausgangs punkt bilde. . Auch hier wiederholte sich der Fall, daß ,!n?m drutscken Gedanken lauter, spon- taner Beifall zuteil wurde. Cochin ver- dich nämlich die Entwicklung des deut schen Volkes mit dek Faustidee. Er leg.tt Die Zerßötung von Hörz. Das Todesurteil gegen die Stadt. , Dreitägiges Bombarl ment. Brennende Straßenzeilen. ' Zerstörte Kirchen rnid Paläste. Die Not der Bewohner. verhinderte Flucht. Der Schrecken aus der knft: Bomben und Flisgerpfeile. von Iosef Segens. ff. u. k. Kriegipressequar- t i k r. 25. November. Nichts ließen Ue Italiener unversucht. um wenigstens eine Stadt aa der Jsonzo front in ihren Besitz zu bekommen. Dz alle ihre Anstrengungen vergebens waren, Görz zu erobern, Görz, das lebendige, ver urteilten sie eS zum Tode. Auf den Tag genau haben sie die Vollstreckung dieses Urteils vorausbe stimmt. Ein zu eg?nn der vierten Jsonzoschlacht gefangener ita- lienischer Unteroffizier hat mir schon vor Tagen gesagt, wenn sie biS zum 18. No vember Görz nicht nehmen können, so würden sie die Stadt durch Bomben ver nichte. So kam es auch. Genau am 18. November begann die zielbewußte systema tische Vernichtung. Daß die iHienische Heeresleitung feit längerem dieses Zer störungswerk vorbereitete, geht äugen schcinlich daraus hervor, daß Mienische Batterien ihre Stellungen nur zu dem Zwecke wechselten, um besser die Stadt be schießen .zu können. Das jüngste Gericht kam am 13. November über Görz. Mit Morgengrauen um die fünfte Stunde war die Feuerhölle los. Vier Stunden lang prasselte sie in Feuergarbcn über die Stadt nieder, dann war es still, totenstill. Nach- mittags zwischen 5 und 7 llyr brach neuerlich der Feuerreaen los, und nach die sem Tage blutete die unglückliche Stadt. aus 3000 durch Granaten geiqiagenen Wundem Dasselbe schaurige S"'el wie dcrholte sich auch am nächsten Tage. Kaum kam die Morgendämmerung heran, als auf Görz sich wieder dunkle Trauer senkte. In einer einzigen Stunde fielen 400 Gra naten ein, und auch am dritten Tage noch wütete der Wahnsinn. Aus allen Ge schützen, die bereit standen, donnerte es eine Stunde lang wieder auf die Stadt nieder. Die italienische Heeresleitung hat Görz ein für' allemal zum ode verurteilt, un in der Pein einer dreitägigen Bombardierung vollstreckte sie ihr Urteil. Die Leidensgeschichte von Görz ist eine Chronik, die von Zerstörung und Vernich tung erzählt. ),e italienischen Geschütze schössen meistens mit Brandgranaten. Dort, wo eine solche Granate einschlägt, ist nicht nur alles zu Staub zermalmt, sondern auch zur Asche gebrannt. Ganze Straßenzüge werden von den züngelnden Flammen erfaßt. Auf das Rathaus flog mit einer Brandgranate der rote Hahn. Im Flammenmett stand das S'minar. Vom brennenden alten Luzzato-Palais fiel der Feuerschein auf die nahen Cypres ser des alten Friedhofes. Auf das Ka stell fiel Granate um Granate. ie Ker zenfabrik Bader schmolz wahrhaft im Brande. Das größte Hotel, das Rar! Hotel st abgebrannt. Sechs Granaten haben es getroffen. Die Via Morelli. die Via Labarta schienen brennende Straßen kulissen zu sein. Die Italiener zerschossen das erzbifchöfliche Palais. Sie zerschossen das alte Palais der Grafen von Cam ?ord. sie legten den Feuerbrand in das Vereinshaus der Slovenen. Keine der Kirchen blieb unverletzt in Görz. Die Turmuhr der Jesuitenkirche fiel vom Luft druck ein Granate auf das Pflaster Rouck und Flammen erfüllten die Stra ßen. ' Die Bia dcl Ponte Nuovo, die baumcgesäumte Skaße zur Jsonzobrücke. wurde zur Allee des Todes. An der Piazza Grande, dem weiten alterwürdi gen Platz, blieb kein Haus unverletzt. Der ist heute ungangbar, denn er ist Übersät von den Trümmern der eingesillrz ten Hausmauern. Die Granaten warfen mit den Trümmern der Häuser ganze Barrikaden auf dem Platze auf. Die Quadern des Pflasters sind aufgerissen. Halbe Zimmereinrichtungen, Möbelftücke sind hingestreut. "Hier auf der Piazza Grande ist sonst alljährlich am 30. No- vember am Sankt-AndreasTage der Jahr- markt. Bon der Ebene un von den Ber gen eilt hier das Volk zusammen zur fro ben alten Ficra". Der Sankt-Andreas- Tag steht vor der Tür, aber di Piazza Grande wird nicht ein Uiiatz ver greuve, sondern ein Tal des Jammers sein. Seit Wochen leben die Einwohner von Görz im Kanonenfeuer. Seit Beginn der dritten Jsonzoschlacht. seit dem 18. Okto ber, fielen fortwährend Granaten auf die Stadt nieder. 58 Civilpersonen sind ge storben, 50 wurden verwundet wahrend dieses langatmigen, aber immer wieder einsetzenden Zerslorungswerks. isn diel er Zeit verirrte sich der Tod nur gelegentlich in die Straßen von Görz. Dann und wann kamen versprengte Geschlltzkugcln wie böse Vagabunden. Doch jetzt war es anders. Die Vernichtung war zum Pro gramm erhoben. Jetzt gaben die Italiener ihren Geschützen absichtlich die Richtung ,n das Weichbild der Eladt. Bom 18. no vember n war der Schrecken Herr der Stadt. Die Bewohner verschlossen sich in ibren Läufern vor den Granaten. Die Einwohner der oberen Stockwerke flüchte ten in die Keller. Aber auch daS war ver gebens, denn die Granaten mordeten nicht nur auf den offenen Straßen, sie töteten auch mitten in den Häusern. In der Via Castello schliefen in einem Zimmer 4 in der. alle vier tötete eine Granate. Im Vaternolli-Haus lag ausgestreckt der Leich- nam einer alten Frau. Zwei Soldaten hielten bei ihr die Totenwacht. So hau- fig war der Tod in der letzten Zeit Gast in Görz, daß nur rastende Soldaten die ausführlich dar. wie Faust sich aus dcm Denker und Forscher zum Mann der Tat entwickelt habe und endlich, erblindet, auch dann noch die Lemuren zu Tat und Arbeit ansporne, als sie ihm schon das eigene Grob graben. Auch bier vergaß das Vublikum die deutsche Provenienz dieses Gedankens und hielt mit seinem Bcisall nicht zurück. freiwillige Totenwache übernehmen könn- ten. In dieses Aodtenztmmer fiel eine Granate und neben der Toten lag ein neuer Toter. Einem Wächter war von einer Granate der Kopf vom Rumpf ge rissen. Aber wer könnte alle dies Schreck- nisse aufzählen, wer könnte jetzt l ion be- stimmen, wie viele am Schrecken gestorben, wie viele durch Granaten, wie viel: durch Feuer? Manch einer war tot Schrecken wahnsinnig geworden. Alle Arten des Grauen hatten sich gesammelt. Men- schen, die wegen der verschlossenen Hgu- tore auf der Straße geblieben waren, irr ten jammernd von Tor zu Tor, fast Wahn- sinnig vor Angst, um Einlaß zu erbetteln. Kein Herd war warm an diesen Tagen in Görz, und sehr viele hatten nichts zu essen. Alle Geschäfte waren geschlossen, alle Märkte verlassen, kein Mensch wagte sich auf die Straßen. Besonder hart traf die die armen Leute, dtt keine Borrate zu Hause hatten. Aber auch das. ist noch nicht alles, auch daS läßt sich noch übexdie ten, veun kaum hatte der Donner der a- nonen sich gelegt und die Menschen sich wieder aus die Straße gewagt, erschien plötzlich über die Stadt in Luftaeschwa- der. Die großen italienischen Kampsflie ger blieben nicht zu einer Flott vereint, jogvern sie zerstreuten sich über die ganze Stadt. Aus ihren Maschinengewehren gaben sie gcnze Salven ab und warfen -büschelweise Fliegerpfeile in die Straßen. Es war so, als wäre ein utppisch-phanta-stischer Roman zur Wahrheit geworden. An der Piazetta schöpft ein Frau aus dem Brunnen Wasser. Ein Fliegcrpfeil trifft sie. Vom Scheitel bis zur Sohle bohrt sich in einer Sekunde der totbringcndc ' Pfeil. Ueber denselben Voror!platz eilten drei Kindlein an der Hand einer anderen Frau. Ob der italienische Flieger es wußte, dajj er eine Mutter und drei kleine Kinder getroffen? Hier auf der Viazetta Pflegt daS dörflich behagliche Görz im Sommer allsonntäglich große VoWöälle ' abzuhalten. Sang und Tanz, Spiel und Geschäker, Obst und- Wein erfreuen hier das derb fröhliche, friaukische Volk. Ob der italienische Flieger auch dann noch seine Pfeile hierher herabgesandi. ivenn er das gewußt hätte? Die unglücklichen Görzer waren in ihrer Stadt wie in einer belagerten Festung eingeschlossen. Sie konnten nicht flüchten, denn auch die aus der Stadt führenden Wege wurden von den italienischen Geschützen ständig unter Feuer gehalten. Tollkühne Tapferkeit war nötig, um zu flüchten; denn auf jene, die sich auf die Heeresstraße begaben, warteten hundert Tote. Eine, die diesen Leidens weg zurückgelegt, erzählt mir: Es war schrecklich; wohin wir nur blickten, überall schaute uns der Tod entgegen. Unr: Fenster zerschellten und Flammen loderten i unsere Zimmer. Mein Bruder wurde durch ein Schrapnell verwundet. Meine Schwägerin wurde zweimal ohnmächtig." Eine andere Frau sagte mir: Das Lär ,?,en der Kanonen war kaum zu ertragen, und jetz' erscheint eS mir ganz sonderbar, daß ich 5 nicht mehr höre." Das ist das Schicksal deS zu Tode bom bardierten Görz, und von diesem Trauer spiel meldete die italienische Heeresleitung, daß die italienische Artillerie im Artille rieduell die Görzer Kasernen" bombar dierte, daß sie die zahlreiche in Obstkultu ren und Gärten versteckte feindliche Ar tillerie" bekämpfte und schließlich, daß sic Truppcnkolonnen" beschoß, die in großer Eile aus Görz zurückfluteten. Aber es ist ein trauriges und empörendes Art"!eric duell, wenn auf den Kanonendonner nur das Jammern und Weinen von Frauen und hindern antwortet, und sonderbare Kasernen sind wahrlich die in Görz zu sammengeschosscnen Kirchen und alten Pa löste. Was die zurückflutenden Truppen anbelangt, so waren eS fliehende C'vilein wohner von Görz. Wie schade um das schöne Görz. So wußten also die Italic ner es doch, daß in der Umgebung der Stadt schöne Obstkulturm und wunder bare Gärten liegen, und trotzdem deschos fen sie sie? Merkwürdige Festungen find die Blumenhäuser. Wissen es also die Italiener, daß Görz die Stadt der Leil chen ist und daß die unglückliche Stadt einst daS öfterre'hifche Nizza genannt worden war? Sie selbst sagen ks, daß sie es wissen, und trotzdem vernichteten sie die duftende Stadt der Veihzen und Kir schenblüten. Darauf sollen sie nicht ant Worten, daß das der Krieg sei; denn das ist schon unnütz: und traurige Zerstörungs Wut der Besiegten. , Die Entstehung des Schönherr'schc Werkes Ter WeibSteufel". Einen interessanten Beitrag zur Entftehungsge schichte des jetzt diel angefeindeten und vielfach von der Zensur verbotenen Schön herrschen Werkes Der Wcibsteufel" ver öffentlicht jetzt ein Wiener Blatt. Es geht daraus hervor, daß sich die von Schönherr geschilderten Ereignisse vor einigen Iah ren in der Nähe des SommeraufenthalteS des Dichter! zutrügen. Allerding. kan. es nicht zu einem Totschlag, vielme'' wurde der Konflikt durch einen zufälligen Un gliicksfall ohne Schuld der Beteiligten ge löst Die Kristenalm im bayrisch-iiroli-schen Grenzgebiet ist der Schauplatz der Begebenheiten' gewesen. Der Mann" aber hatte sich die Frau' dadurch errun gen, vah er sich durch trt Reis, nach Magdeburg und Hamburg die WeWLufig keit aneignete, die ihn vor den Burschen deS Gebirges auszeichnete und di: ihn die stattlichste und jüngste Schönheit der Ge gend gewinnen ließ. Der Jäger war aus dem Steirischen gekommen und machte sie dem Alternden dann streitig... Englands mittlere Temperatur nimmt ftit einem Jahrhundert stetig zu. firfmtmvafmg'tfJej--m''!? mirAmwmäfsrmim Wsgrsoiy- 3. vv,i-rxi;.9rira-'i v.- 'J"- .--.w--' w1-" -..sp'-r-,.t v-.-. .-i' .fi " MAS-"??