Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 25, 1915, Image 5

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Wtuiibffirnmuiig aflen Deutschland ii bf r,
so muß Ich gleich betonen: tntt Verbot
dei deutsch' Sprache hat keine NkUk Gi
' luntiori gischasf'N. es hat nur die schon
beftchi-nfce und fast unvermeidlich zu einem
S'eti)slinini beranwachsende Verschärft,
derbittert und lawiiiknartig an zerstörende
v Kraft gesteigert. Tenn die jtcf, mittlere
Thasache, die absolut einsache Tl.! lache.
für die e ebenso, um ist, eine 'jJiiinon
; Belege beinibringen wie einen einzigen
Belag, die Thatsache, aus die allein e an
kommt und die man sich durch kein diplo
malische G'wlisch je vüc verdunkeln
der ebsck chcn lassen, Ist diese: schon
(eil Jahren ist die Aernlch.
tungdeluntekPreubenlFiih
rung stehenden Deutschen
Reiche der eingestandene
der uneingtstandene Wunsch
unddie immer fester wer
dende Absicht aller poIMfi
ktnden Engländer und jeder
- gebildete Engländer Politisir! von früh bis
Abend. Tie Entwicklung, die Eduard
VII. mit Hilfe der von ihm a kaufZen
Presse und einer Reihe klug ersonnener
Meihregcln herbeiführie, besteht lediglich
darin, daß uZ dem-mehr oder weniger
unbewußten Traum dem mein aller
dmgZ eine andere Richlung hätte geben
? sönnen über Nacht die bestimmte Ab
ficht, fc Entschluß und schließlich die
andhinü .vard. rucfet fand die alte Ni
valität. die von 1S14 bis 1870 und bis
1000 bei dielen Gelegenheiten sich veira
' then hatte, Worte und Gestalt.
Da ich hier nicht von hoher Politik,
fondern von a7zemcin verbreiteten Stirn
nrnitini cS sn n'.r.::ir r.'.on mir Aeleae
aus dem alltäglichen Leben zu wählen.
Bon eigenen Erlebnissen habe ich schon o
leri gesprochen; um den Kreis zu erwei
tern, ziehe ich 'eute die Erfahrungen an
derer heran. Gerade heute frii z. B. er
halte ich einen Brief von einer deutschen
Dame, die vor acht Jahren mehrere 9Jlo
nate in einer englischen Familie in Eng
' land zubrachte. Sie habe sich, erzählt
sie, in freundlichster Umgebung dort wohl
gesuhlt; nur habe der Haueherr ein
sonst zartfühlender und ritterlicher Mann
oftmals beim Frühstück, während er
seine Zeitungen durchflog, zwischen den
Zähnen gemurmelt: 'e inuf.. sonn
innke np our mimla to crush Cer
many." Immer stellte ti sich dann her
- i . l n :r. fr tt J.
aus, cob rrgenoeme neue e'ining .ruiiu
land gemeldet war: ein bedeutender Zu
wachs der Ein und Ausfuhr oder eine
v neue chemische Erfindung oder ein neue
Passagierdampsschiff. größer als di. groß
ten englischen... Die Antwort darauf
au! dem Munde etacs sonst harmlosen
Privatmannes: crush Gcnnnny! Drei
weitere Briefe von Damen, die innerkalb
der letzten zehn Jahre in England weilten,
erhielt V- mit fast buchstäblich dem glei
eben Inhalt: die eine hatte im äußersten
Norden zwei Jahre gelebt, eine andere in
'London, die dritte an der Südivestliiste.
Von besonderem Werthe ist der Brief
eines Schweizer Gastwirthes. . der. wie
' er sagt. als Wirth und noch dazu Cchwei
zer keine Politik treiben darf der aber
Ohren zum Hören hat? ein solcher Mann.
' dessen Haus europäischen Nuf g'nießt, ist
. in der Lage, großen Reichthum an Ersah'
lilng anzusammeln; er sieht und hört
Menschen aus ollen Ländern und Gesell
. schaftNniftn; meine Kriegsaufsähe" reg
ten ihn an. mir zu bezeugen, daß auch er
niemals einem einzigen auf Krieg lüster
nen Teutschen begegnet sei, daß dagegen
er seit zeh,. Jahren und mehr alle Eng
' länder und auch alle Engländerinnen Tag
" für Tag in der' Halle seines Gasthauses
; von der Nothwendigkeit und Ilnabweis
, barkeit eine Krieges, Englands gegen
1 Deutschland reden hörte, hex zur rrnllfon
inenen Vernichtung des Deutschen üleichej
führen müsse. Er legt mir sogar Briefe
feiner Gäste an ihn bei. Welche die deutsch'
feindliche Gesinnung bezeugen. Einzig
ein paar Irland kenne er, die aufrichtige
Sympathie für ein politisch starkes
Deutschland bikunden, während sie von
den Engländern als von einer Verbre
cherbande" rede. Also auch dieser neu
trale' Beobachter bezeugt: schon seit Iah
ren steyen cue cngianoer unicr oer jiien
Idee eines Vernichtungskrieges gegen
Deu. blond. Besonderen Wntb besitzen
die Mittheilungen eines hochoejahrtcn
deutsckcn Freundes und Gönners, eines
allocrebrten jtunstmäcens. Während der
letzten vierzig Jahre hat er. wie wenige,
4 die Gelegenheit besessen, andauernd chcrz
"licycn Bcriei)r mir Bonienmni n,,,,,,:
Familien zu pflegen: sein Zeugnis deckt
, sich genau mit dem -der vier Damen und
- M Gastwirthes sowie mit dem mcinigen.
i' Einer der höchsten Offiziere der englischen
Armee, Träger eines alten gräflich? Na
mns. seinem deutschen Freunde übrigens
warmstens- zugethan, sagte diesem vor
. , kAichen Jahren: Meiu Bester, es geht
einmal nicht anders, lo nuiHt.cripplß
(jcrraany, beforu slie ncta too Rlronu;
for , " Ein anderer Adliger drückte sich
vor drei Jahren noch drastischer aus: Wu
iniitt throttlo (ifrniany, es ist unsers
Pflicht, Teutschland' zu erdrosseln
Diese kleine Auswahl vu? verschiedenen
' Lebenslagen mag für heute genügen, jene
zroße, grundlegende Thatfache vor Augen
zu führen, von der man in allen Blau
und Weiß und Gelbbüchern der Welt kein
$ Sterbenswörtchen erfahren wird: es han
F ' bin stch um eine allgemeine ecicniiirn
mung dcr Engländer; diese Stimmung
erweist sich uns als zugleich verblüffend
z , einfach und haarsträubend zynisch; da
, , gegen darf man nicht ihre unermeßliche
' Naivetät übersehen, denn das ist der ret
tende Zug daran. Nur so läßt es sich er
'' klären, daß England sasi auf alle Deut?
f scheu, die es kamen lernten, eine große
' I Änuchung ausübte. Auf meinen Aufsatz
, o...s!.. fr
.England' habe ich Dulzcnde ton Briesen
tr"m; !Hhfr, OlrrffinMcitte,
kaufleute. Gelehrte, ttünstler. VergnU
giins.öieiskndk..., alle sagen dasselbe, sie
seien ,fo gern In England eewesen," sie
haben sich dort innig wohl gesuhlt". Ein
deutscher Offizier, der erst am VoraiXiid
des Nriegks von dort ziirüekueruse
wurde, schreibt mir aus dein Cchühengra
ben: Ich habe mich in England gar ncht
als Fremder gesuhlt, so gastlich bin ich
drüben ausgenommen worden." Es han
delt sich, wie man sieht, nicht um Haß,
durchaus nicht, sondern um die Hrpivse
einer Nothwendigkeit. Jener gräfliche
Ossizier liebt seinen deutschen Freund,
bewundert Deutschland, verehrt den 5la!
ser; er sagt stch aber, wenn England nicht
Deutschland kleinschlägt, schlägt Deutsch
land England klein. Daß Deutschland
an ftiKCj nicht dachte, am allerwenigsten
an öl rieg gegen England, mit dem es sich
berufen glaubte als dem ihm nächst
verwandten Volke , edelste germanische
jiultnr über die Welt zu verbreiten, das
ist nie irgend jemandem gelungen, einem
Engländer beizubringen. Denn die poli
tische Theorie Englands lautet seit zwei
Jahrhunderten: wir Jnselvolk haben nur
solange Macht, als wir Allmacht besitzen.
Natürlich ist .Allmacht' nur ein Ideal,
ein zu Erstrebendes, doch es wird unab
lässig erstrebt; es findet in der thatsäch
lichen Beherrschung aller Meere ein bedeu
tendes Pfand; und was noch fehlen mag,
wird durch kluge Verbindungen und syste
matisch hcrbeigi-fuhkte Schwächung ande
rer, auch durch wirksame Vortäuschnng
und Ncnommirerci möglichst wettgemacht;
die Hauptsache ist, daß jedem Engländer
von ttindesbeincn an beigebracht wird,
sein Vaterland sei von Gottes Gnaden
zur Weltherrschaft berufen, und daher sei
auch jedes von England an anderen Län
dern verübte Unrecht jeder Verrath,
jeder Vertragsbruch in Äirllichlcit die
Ausübung eines Rechtes. Es läßt sich
auch viel dafür anführen, daß ein Volk,
das keinen Landbau mehr hat und dessen
Industrie bedenklich gegen andere zurück
zubleiben beginnt, daß ein Volk, das also
immer mehr aus Handel und Finanz
allein sich zu bcreickrn angewicfen ist,
diesen Handel und diese Finanz monopo
lisiren muß, um überhaupt noch leben zu
können. Sieht dieses Volk einen Nack,bar
zum Mitbewerber heranwachsen, dessen
Landbau blüht, dessen Industrie die fei
nige an Lcistungsähigkeit schnc" iibcrflü
gelt, dessen Tchifffahrt ihn unabhängig
macht, und dessen Finanzlraft, wissen
schaftlich verwaltet, von Jahr zu Jahr
zunimmt, so kann ihm schon bange wer
den. 'Freilich, es gäbe einen Ausweg: es
dem Rivalcn an Bildung, an Fleiß, an
Unternehmungsstnn gleichthun; wahr
scheinlich sagt aber ein unbeirrbarer In
stinkt dem Engländer, daß er dessen nicht
fähig ist. Was bleibt ihm denn? Die
rohe Gewalt: zertreten, vernickten. ver
krüppeln, erdrosseln. Und weiß er sich
allein hierzu nicht stark genug, nun, so
ruft er die Völker zusammen, mit denen
er durch Handel und FinanZ verbunden
ist, oder denen erils Tyrann gebietet: die
Nüssen, die Franzosen, die Serben, die
Portugiesen, die Canadier und Afrikaner
und Australier, die Neger, die Araber, die
Hindus, die Japaner, und hetzt sie, alle
auf den gefürchteten Deutschen.
Ist eine solche Grundsilmmung und die
aus ihr mit mathematischer Nothwendig
kcit erwachsende Folge' nicht ungleich inte
rcssantcr als ein Blaubuch? -
'Bis jetzt scheint der Deutsche unfähig,
sich vorzustellen, welche aive. leiden
schaftslofe Nuhe den Engländer bei diesem
Gcdankcngang beseelt.. Von Haß gegen
Deutschland ich wiederhole es war
vor dem' Kriege keine Rede, oder höchstens
in den sehr ungebildeten Greifen, die sich
ihre Weisheit aus dem Skandalblättchen
.Daily Mail" holen. Der Engländer er
blickt ein einfaches Problem: Tu oder ich;
und wie Im bürgerlichen Leben, so auch
hier zieht er den Rock ans und ruft:
Corne oii. Kr' stellt for it! kom.'i' nur
her, der Kampf soll entscheiden! Das ist
die zugrunde, liegende Stimmung, die
Stimmung des ehrlichen Volkes von oben
bis unten nur zeitweilig verdunkelt
durch die Preßkanaille. Die Gedanken des
deutschen Kriegers, der für Herd und
Heim und Eigenart kämpft, sind dem ge
mietheten Söldner fremd, ebenso aber auch
dem hinter ihm stehenden Wolke: für sie
all handelt es sich um eine reine Macht
frage; der Unterlegene wird sich unterwer
fen müssen. Ich erlebte es einmal, daß in
einem sehr großen Hiihnerhof, wo Litt
befiederte Paschas der Bewältigung ein.es
so zahlreichen Serails nicht mehr vollauf
gewachsen waren, zwei kräftige junge
Hähne neu eingeführt wurden; den gan
zen Tag über wurde gekämpft, am .Abend
liefen alle sechs Hähne von Kopf bis Fuß
blutüberströmt herum;, am folgenden
Morgen aber sah ich sie friedlich nebenein
ander picken, und der Verwalter versicherte
mir, der liampf sei für immer beendet:
der stärkste Hahn habe sich die, Hennen
ausgewählt, die ihm gefielen, dann der
zweitstärkste desgleichen und so weiter,
dem sechste fiel das Loos zu, sich mit den
Resten ein gemüthliches Leben einzurich
ten. wozu er sich in philosophischer Fas
sung anschickte. Genau nach diesem Mu
ster hat sich der Engländer den jlamps mit
Deutschland gedacht: Wo rnust crush
Oerrnnny enthält cl Korollar: Or we
nnist lut Gnnnnny crush u. Dr. Karl
Peters wurde kürzlich befragt, ob die
Engländer, wenn sie von den Deutschen
besiegt winde,-, die Niederlage lange
nachtragen würden?. Er antwortete:
Im Gegenteil! Im englischen Sport
lebe gilt das Gesetz, daß mit dem Ehake
hands die Gehässigkeit der untereinander
ringenden Parteien zu Ende ist." Darum
ist der Engländer ebenso erstaunt über die
Empörung der Deutschen gegen ihn.- die
sich jetzt kui'dthut, wie der Teutsche er
staunt war über die Z!ri,gcrtlärittig der
Engiandkr: daß gegenseitige Sichmißgil
stehe ist vollkommen.
4 hoch mau auch in mancher 2!fjie
huna die slulliir Englands einzuschalen
geneigt sein mag. und ohne Frage erreicht
sie nach gewißen Slichtungen l, eine
Hiihe, die noch kein anderes Volk zu er
liimmen vermocht hat, hier in !,er Po
litik ist Denlen und Fühlen der Eng
länder fast so primitiv wie die eines
Nongones,ers: die rohe Macht der Faust
entscheidet, wacher von zwei Nachbarn
t;m andern all Cüate dienen sr. Der
.Reiiöbotc" veröfsentlictite neulich den
Brief eines angesehenen britischen Missio
kori an seine deutschen Freunde, t wel
chem er d'cse seiner christlichen Bruderliebe
versichert, den Vernichllingikrieg gegen
dai Teutsche Reich aber als so unum
gänglich hinstellt, daß selbst die Quaker
so erzählt er die son,l grunl sätzlich
keine Fencrwasfe in die Hand nehmen, sich
jetzt freiwillig zur Armee melden. Was
mich wieder veranlaßt, aus meiner
Sainmlung von Briefen aus die NriegS
aussähe" denjenigen eines begabtesten
deutschen Künstlers herauszusuchen, der
England und dessen jtolonien gut kennt,
der sie klebt und dem Erfahrungen aus
allen fünf Welttheilen Stoff zum verglei
chenden Urtheil bieten; er schreibt: Man
trifft in England auch in gebildetsten
reifen viele Menschen,, die et Ge
misch von Scharfsinn, Dummheit und
Raibitat verrathen, desaleichen ich in kei
nem Lande der, Welt gesunden habe; mir
gelang es nie festzustellen, wo die eine
dieser Eigenschaften ausbörte und wo die
andere anfing." Das ist ja die auszeich
ncnde Eigenschaft der primitiven, wilden
Völker: zugleich klug, dumm und naiv zu
sein. Alle drei Ingredienzien sind nun an
jener Grundstimmung der Engländer in
Bezug auf Deutschland betheiligt: wer sie
richtig beurtheilen will, muß in ihr mci
sterlichcn Verstand, gottverlassene Be
schränktheit und userlose Naivität gcwah
ren.
Allerdings, aus diese naive Grundstim
mung pfropft sich das Truggcbäude der
heuchlerischen uaenpolitik und die von
ihr inszcnirte niederträchtige Preßhetzc;
diese konnten aber kaum ihre heutige vnu
faltung uns Hurfchaft erreicht haben,
wenn sie nicht den breiten Boden bereitet
vorgefunden hätten, und khn bereitete die
allgemeine Grundstimmung, von ver aucin
ich heute rede. Analog verhält sich's in
Franlrcich: auch dort benutzt und bcarbci
tct eine skrupellose Regierung die seit Ge
schlechter vorhandene runvstimmnng,
nur ist diese in Frankreich weit vcrwiclel
ter als in England und nichts weniger
als naiv.
Nach einem richtigen Instinkt handelt
der Deutsche, wenn er die Revanche", den
Nevanchcacdankcn" sagt; kein deutsches
Wort giebt den Gedanken- und Gcfuhlsin
halt des französischen' Begriffs Revanche-
genau wieder, xicbanche tu nicht vtacye
-y--- -,- -,. , XtUH lui viyt. liw-.tii V'v
Hinter zcder nocls so abgeleiteten Behcsche Grundstilnmung beschaffen ist. Wh
tuna von Racke iiaat Grimm birgt sich s hi, ,nni;f. nnm tinrfi nv.hm nrriifitel
tuna von Raebe (sagt Grimm) birgt sich
die Vorstellung des Vcrsolgens, des Ver
jagens; die göttlich gerechte Vergeltung für
begangene Unthat liegt als Vorstellung zu
Grunde. Gegen die elementare Gewalt
dieser mächtigen Scclenstimmung, die für
uns Germanen in Kricmhilden's Rache"
ewigen Aufdruck gesunden hat, erscheint die
.Revanche" als ein blasser, bkiloscr,
künstlich giichtc,t,cr, jnrisprudentischer Ge
danke. Auch von Haß weih La Revanche"
wenig oder nichts; dafür ist sie diel zu
anämisch. So versteht man, daß die ge
bräuchlichste Anwendung des Wortes sich
auf das Spielen bezieht: ich gewinne eine
Schachpartie, der Gegner fordert von mir
als sein Recht 1e lui ilonner Ja rc
vancho", ihm die Gelegenheit zt geben,
nun-seinerseits' mich zu besiegen. Hier
entdeckt man die genaue Bedeutung des
Wortes: zu Grunde liegt die eitle Vorstel
lung, der Sieg des Gegners sei Zufall, bci
nochmaliger Kraftprobe werde er unter
liegen. In der Phantasie dcS Franzosen
hat er unbedingt von vornherein, und ehe
noch der erste Zug geschehen ist. gesiegt;
trifft das nun nicht ein, so liegt entweder
Falschste! dc. Gegners oder momentanes
Versehen oder 'Tücke des Schicksals vor;
er ist nicht besiegt, es täuscht der Schein,
die Revanche" wird schon den Gegner
eines Besseren belehren. Niemals we
der im Spiel noch in der Wirklichkeit
wird der Franzose loyal zugeben: ich bin
der Unterlegene. Auf die Stirnseite seine
Schlosses in Versailles ließ der Franzo
senlönig in Niescnbuchstaben einmeißeln:
A toutes li pluires dp la Fninro":
wogegen der Deutsche ausrief: Die That
ist alles, nichts der Ruhm!" Zur That ge
hört (gegebenenfalls) die Rache, zur Gloire
gehört die Revanckze: es sind zwei getrennte
Welten.
Zur Vergcgenwäriigung der Art. wie
die Franzosen so etwas machen, wie sie
die Hirne der Kinder von klein aus auf
Gloire und Revanche modeln, will ich dem
Leser eine Erinnerung ans meiner eigenen
llindheit erzählen. Anfang der sechziger
Jakre des vorigen Jahrhunderts war ich
Schüler im Lycöe (Gymnasium) vonÄer
failles. Am letzten Vormittag vor den grö
ßen Sommcrferien gab es ftintf Unter
richt, sondern der Klassenlehrer hielt einen
großen Vortrag, uird zwar jedes Jahr und
in allen Klassen war es derselbe Vortrage
die Schlacht bei Vaterlos! Diese Schlacht
die war die These sei eine der groß
ten Ruhmcsthaten der französischen Was
fen und eigentlich einem Siege gleich zu
achten. Mir klingt noch in den Ohren die
endlost Liste der Völker, die dort gegen
den großen Kaiser verbunden standen,
,Les Anglais. les Ecossais, lcs Gallois.
lcS Jrlandais, leS Prussicns, les Hannov
riens. lcs Brunsvickois, les Hcsfcs. lcs
Saions, les Nverlandaiz . . .'; Minuten
lang ging das fo weiter; wir Buben
glaubten alle Völker der Erde anfmarschi
ren zu sehen; es folgte die oratorische
Frage: Et vi-kvie Ah ccs niulü
tivli'g?' Kunstpause; dann kurz, euer
gisch: .Leu Fniiicnisl" Ein Mann ge
gen tausend: so standen sie bor unseren
Äugen. Mußten sie auch unterliegen, das
war keine Niederlage; wie man früher von
den Spartanern in den Thcrmopylen re
bete, so werden künftige Jahrhunderte von
de Franzosen bei Watcrloo sprechen. Wer
es nicht erlebt hat. wird sich kaum vorstel
Ucn, aus welchen Siedepunkt der Bcgeijte
rg srai,.-i,'sische Peredsainkcit die G,,mil
ther. hinaus zu schrauben vermag. Nun
wurde aber . bi-se ewig rühmenOverthk
Wassenthat Von den Gegnern doch als Nie
derlae Frinkreichs gedeutet und bewertet,
und o folgte miiiiittilbor ans die Beleh,
rung über .La Gwire' die ergänzende
lllxr .La Revanche". Dazumal sprach
man von La revanche ponr V,!ater!oo".
und zwar sollte diese nicht Übel auksallcn.
Eine riesige Landkarte wurde a!,fgerollt,
und an, ihr demonsmrte der Lehrer, der
Rhein bilde die natürliche Grenze Frank
reichs von Basel bis zur Mündung; so
bitt'n's die t,?!fit Oaisi't 'fyillfii, und
so habe es der große Napoleon wieder her
gestellt; Frankreich dürse nie nachlassen,
bis es sich diese Grenze wieder erobert
habe. Dieser RevancheGedanke sei das
heilige Vermächtnis an die heranwachsende
Generation.
Sa weit unser Schulvortrag, Man
glaube alx-r nicht etwa, diese Forderung
der .frvntlrkz In l:!!' sei mir in hen
Schulen, etwa auf Befehl von oben, ge
lehrt worden; vielmehr horte ich immer
und überall dävon reden; kein Franzofe
lebte, der nicht die Revanche für Water
wo und die Rheingrenzc beständig im
Munde geführt hätte. Ende der sechziger
Jahre, traf ich häufig mit einem französi
fchen Genie-Osfizier zusammen, du die
Etolc Polytechuique ab.sowirt hatte als,
eine vorzügliche Bildung besaß, außerdem
als Ersinder auf dem Gebiete der Feuer
Waffen bedeutenden Ruf genoß; dieser her
vorragende Mann war von der Idee ier
Rheingrcnze derartig besessen, daß er tag
täglich, wovon auch die Rede sein mochte,
eS immer wieder verstand, ans sein Lieb
lingbthema iiberzulcn,ken. Der Rhein,
sagte er, sei die natürliche, die eigentliche,
die nothwendige Grenze Frankreichs. Von
Haß gegen die'Deuischen. ja seilst vo Ab
neigung war bei ihm gar keine Rede; aber
da sie nicht freiwillig diese Grenze heraus
gäben, so bliebe nichts übrig, als sie ih
nen im Kriege z entreißen. So war denn
auch dieses gelehrte und sonst human em
pfindende Hirn von drei fixen Ideen wie
bchpnotisirt: la ploire dc In France, la
revaiiclie pnnr VVatorlon, la frontiöre
nsttnrclln iu Itliin.. Und wie er, lo
dachte die ganze .Armee. Ich hatte die
üble Gewohnheit, meine freien Stunde
In den Kasernen zuzubringen . altes
Soldalenblut; meine Privaifreundschaften
reichten allerdings in den meisten -Fällen
nur bis zum Feldwebel, mit diesen trieb
ich mich in den Pferdeställen herum oder
saß mit ihnen in der Kantine und lernte
sie so gut kennen:' Krieg mit Deutschland.
Revanche, Eroberung der Rheingrenze bil
beten daö beständige Gesvräch; und warf
hin und wieder ein vorsichtiger Mann ein,
das deutsche Heer übertreffe das franzö
sische an Zahl, fo hört? ich immer wieder
behaupten: ein Franzose genüge für vier
Deutsche; dieses Berhältnis stand ganz
fest und gehörte zum militärischen Glau
bensbekeniitiiis.
Man sieht, wie eigenartig die französi
ist -x auf die Zerstörung des Nebnduh
lcrs . siebt die französische nur sich selbst.
ILi.V Vliy.lJVV a""( --p--.
die ciaene .doirc". dic eigene natürliche
Grenze"; der eine ist aitti-dcutsch aus Neid
und Berechnung, der andere aus gekränkter
Eitelkeit. Der Franzose haßt den Deut
schen nicht; meistens hat er ihn gern und
staunt ihn an wie ein seltenes Thier im
zoologischen Garten so unbegreiflich
gebildet, so mit Idealen belastet. Jeder
deutsche Jüngling, der in Paris studiri
hat, wird hundert hübsche Züge zu erzäh
len wissen. Wekn der Franzose überhaupt
reist was selten vorkommt , dann ist
Deutschland fein liebstes Ziel; ich kenne
Pariser, die mit fast jedem Torf in Bay
ern vertraut sind; sie suchen sich die abge
legcnstcn Orte ans, um sich von dem Wirr
warr zu erholen, und rufen bewundernd
gus: Quel hon pay! quellcs bonness
Kens!" .Die Franzosm sind nicht, wie die
Engläirder, unerbittliche Politiker, und
ihre Auffassung von Handel und Gewerbe
ist der englischen entgegengesetzt: Fleiß
statt Kühnheit, Sparsamkeit statt Speku
lation, sichere Beschränktheit statt Behcrr
schun des Weltmarktes. Aus der franzo
sischen Presse lernt man den echten Fran-
zoscn nicht kennen: Zeitungen wie der
Matin" stehen ebenso wieie Nowoje
Wremja' unter der Botmäßigkeit der
.Times", es ist alles ein großes Finanz
unternehmen; -neun Zehntel der Pariser
Journalisten stammen aus Frankfurt am
Main oder aus Polen; die berühmte alte
französische Journalisienschule ist so gut
wie entschwunden; Leute wie Sainte
Bcuve, Jules Janin, Scherer, Prövost
Paradol u. -f. w. können heute nicht mehr
duräidringen: die wenigen echten, die noch
ibr Dasein fristen wie L.wmenceau,
Drumont, BarrdL. können es nur als
volitische öikköp c und halbe Narren,
Man urtheile darum nie über die Fran-
zofcn nach ihren Zeitungen. Was diese
Zeitungen aber bearbeiten, das ist jene ge
schilderte Griindstimmiing; wie Sir Ed
ward Grey mit seinen Engländern
dank der ibriaen machte was er will.
so Delcassö und Poincarö mit der, be-
thoncn Franzosen.
Ost bedauere ich es, daß bedeutende Er
eignisse die Erinnerung an das unmittcl
bar Vorangegangene gewöhnlich löschen;
dadurch wird Geschichte schon im Augen
blick ihres Entstehens gefälscht. Ueberall
und immer hört man heute bei Feind
und bei Freund von dem Kriege dcö
Jahres 1870 wie von einem Anfang re
den: die Deutschen haben sich Elsaß und
Dentsch-Lothringcn erobert, und das soll
der Anfang einer Spannung gewesen sem.
die schließlich in den heutigen Krieg mün
dete. So liegen aber in Wirklichkeit die
Dinge nicht. Vielmehr hatten die Franzo
sen vor 1870 einen Revanchckrieg gegen
Deutschland und die Einverleibung aller
deutschen Lande westlich des Rheins fest
beschlossen. Es ist nicht wahr, daß Napo
leon III. die Feindschaft aus dynastischen
Gründen aufgestachelt habe, vielmehr hat
er ich glaube, gegen seine bessere Ein,
sicht sich in der Noth die allgemein vor
handene und drängende Stimmung zu
Nutze gemacht; mehr nicht. Und nun frage
man sich, was das heißt, wenn heute von
so vielen Seiten Deut chland als der Stö
renfricd hingestcvt wird, weil es die gut
deutschen Lande Elsas und Lothringen.
ihm dar nicht g.ir lanr Zeit gewalisam
entrissen, sich wilder aneignete, während
d'e Fkanzsr!lkii!gestidn,ermaßer de
Absicht hatt'N, nicht allein Elsaß und
Lothringen zu behalten, sonder sich di
guuze Rheinpsalz und zwei Drittel der
Rhciiiprovinj kinuivcrleiwn? Wie hätte
e da mit dem .Nati.'nalilalkprinjip" und
mit dem so viel ber!,ne freien Selbst
bestimmiwotrecht der Einwohner" ausge
sehen' Hat men fhon ' g' merkt, daß
Speyer, Worin. Mainz, Trier. Kollenz.
Bonn, Köln, Kk,lcld u. s. w. französische
Städte sind S alle, nebst einem hub,
s,f"N Etück Hr-Ilnnd frld rrnnj IHflnirn
wollte Frankreich, feiner ' natürliche
Greuje" zulief), auf einen Happen hinun
tcrschlucken; Ich hal auch ie ander in
meiner Kindheit g.chört, als daß Belgien
nur zritweiliz von Frankreich getrennt fi
und ihm demnächst wieder zufallen würde.
Das alles wäre wenn Frankreich 1S70
den Sieg davon getragen hätte ohne
irgendein Bedenken, ohne irgendeine Frage,
ja. ohne auch nur mit den Augenwimpern
zu zucken, gesch.hen. und alle Welt hätte es
in der Ordnung gefunden, alle die weise
Moealisatoren und Menschcnkkck.tlcr aa
der Themse, an der Seine, am Tiber, am
Genfer Su u, f. w. Cchwntzer sind sie
alle, ignorante und lllqendolle Schwätzer,
Erfinder von pksrasrnreichen Unwahrheiten,
svstematische Irreführe! der öffentlichen
Meinung, Geschichtsfälscher. " Bei diesem
ganzen Gcthue von Elsaß'Lolhringen
ein Geihue, da leider bis in's Herz von
Deutschland hinein seine Wirkung ausge
5?5M5M525iI!7iMWM5cI5
Lriegö'Mjo aus Südamerika.
Englands Tkutschcnhcbe in Brasilien.
Das Blatt der Teutschen in der Kolo
nie Blumcnau (Staat Santa Eatharina,
Brasilien) .Der Unvaldbote", giebt ein
Stimmungsbild ans Rio de Janeiro, dem
wir folgendes entnehmen: .
Die Hetze gegen Teutschland wird von
England ans mit immer größucr Wuth
betrieben. Selbst die amtlich.m Tclcgram
mc, die der englische Geschasisträzcr hier
veröffentlicht, strotzen von Unwahrheitci
aller Art. Seitdem man erfahren hat, daß'
Deutschland mit dem geplanten Angriff
auf England, der für ganz unmöglich und
undenkbar gehalten wurde, Ernst zu ma
chcn droht, ist die Wuth der Engländer
gegen alles Deutsche aus Höchste gestiegen
Auch die hiesigen Engländer sind wü
thend. Sie haben gemerkt, daß ihre soge
nannten amtlichen Berichte überall mit
ungläubigem Lächeln entgegengenommen
werden. Man hat wahrscheinlich hier, wo
man ein urtheilslofcs Publikum vor sich
zu haben glaiibte, noch stärkere Farbe
aufgetragen, als anderswo, hat aber die
Erfahrung machen müssen, daß die eng
lifchen Rachrichten allgemeine Heiterkeit er
regen. Der Geschäftsträger Robertson
mußte schon manchen beißenden Spott
über sich ergchen lassen. Die Engländer
selbst sind wüihcnd aus ihn, obwohl er
doch eigentlich unschuldig ist. da er nur die
Nachrichten weitergicbt, die ihm der biedere
Mr. Grey herteb-graphirt. Von verschie
denen Seiten sind die amtlichen Berichte
der englischen Gesandtschaft als direkt hu
moristisch bezeichnet worden, und sie sind
auch wirklich einzig in ihrer Art.'
Es ist natürlich, daß jetzt auch das Mär
chen von der deutschen Gefahr wieder aus
gewärmt wird. Die Engländer schämen
sich nicht, auch zu diesem Mittel zu grei
fen. um die Deutschen in Brasilien ver
haßt zu machen. Kürzlich hat auch der
frühere englische Gesandte in Brasilien,
Haggard, seinen Senf dazu gegeben, und
zwar, wie man aus feinem Geschreibsel
sofort irkenne kann, Wider besseres Wis
fen, wahrscheinlich sogar auf höheren Be
fehl. Etwas Positives weiß Haggard na
türlich nicht vorzubringen. Er weist auf
dieroße Zahl der in Slldbrasilien an
sässigen Deutschen hin, die nach Angabe
,des deutschen Gesandten, den Haggard da
nach fragte, etwa 00,000 Seelen stark
sind'. Haggard sicht darin heute natürlich
eine furchtbare Gefahr für Brasilien, da
diese große Zahl einen großen Prozentsatz
der weißen Bevölkerung ausmacht und die
Deutschen den Brasilianern nicht nur phy
sisch, sondern auch intellektuell weit über
legen sind.' Die Brasilianer mögen sich
bei dem alten Schwätzer, der übrigens
nicht ernst genommen wird, für das Zeug
niß der Jnferiorität bedanken, das er ih
nen in so liebenswürdiger Weise ausge
.stellt hat.
Haggard führt aber noch andere Bei
spiele ins Feld, um zu zeigen, wie groß
die deutsche Gefahr bereits geworden ist.
Der deutsche Gesandte hat ihm auch er
zählt, daß er von Deutschland 10.000
deutsche Schulbücher mit Zustimmung der
Bundesregierung zollfrei eingeführt habe.
Herrn Haggard macht das große Sorge,
während der brasilianische FinaiiMinistcr
sich offenbar gefreut hat, daß aus diese
Weise eine, so große Zahl von Schul
biicherii, woran hier wahrhaftig kein
Uebcrfluß ist, so billig ins Land kam.
Haggard versucht ferner, die hon hundert
mal widerlegte Behauptung aufzufrischen,
daß die Deutschen ihre Kinder nicht por
tugiesisch lernen lassen und in ihren Schu
len d portugiesische Unterricht verboten
sei. Er wagte das allerdings nicht be
stimmt ,u bebauvten. weil das eine au
große Unverschämtheit gewesen wäre.
Wahrend seines zayreiangen usenryaris
in der deutschen Kolonie von PctropoliS
hat er nämlich beobachte können, daß ge
rade das Gegentheil der Fall ist. daß
nämlich leider viele deutsche Eltern ihre
Kmdcr gar nicht mehr deutsch lernen las
sen. In vielen anderen Kolonien ist es
nicht anders, und Mr. Haggard weih das
ebenso gut wie wir selbst.
Zum Schluß orakelt der frühere Ge
sandte, wie es einmal werden wird, wenn
Deutschland England besiegt hat. Dann
wird ei auch einen Konflikt mit den Ver.
Staaten nicht fürchten. Letztere werden
im Ernstfaste entweder einem Konflikt aus
dem Wege gehen und den Deutschen freie
Bahn lassen, oder sie werden besiegt.
Dann wird in Siidbrasilien dos famose
Antarktische Delltschland" entstehen. Ma
chen doch die Detschen aus ihren diesbe
ziiglichen Plänen schon jetzt keinen Hehl,
Man hat den Hinweis aus die deutsche
lilt M bei diesem ganze (Whn ist
nur Neid und Haß nd Zücke am Werte:
weil du Tculshe s,H stark rnou, dg.
mm füll feine Kr ,s zernazt werden, weil
de TeutsVn Sache eine gereck te war, da
rum soll frine Etkk l'eschü'llht werden,
weil d,r Teutsche aufrichtig und wnbll
handelte, darum s"ll er c,!s llmet Si.iiür
und Zertretet der Mins hnirechke deirie
stellt weiden.
2lcin sieht, wie wklichi'oll daö' genauere
Sliidiuin i(X ollinein ve:bre!,Ieii
Gruiidst immunen der verschiedenen olU(
ist: ihre Zkcnntnii beleuchtet die Bkrqan,
yvtytt und d'e K'w.mtt; sie tVI'nifj
aber auch die ?,uk,ist: Stalsmännek,
Regierungen. . s.'gar RegierungSsormeu
wechseln, die Gruiidslimmnngn dageg'g
sind durch den Eharnkkr und die Tenl,
?lknh-ien des lxtiessendc Volkes vkian
laßt, und wenn sie sich überhaupt ändern,
so geschieht das nur unter dem onlkiltcn'
den Drucke ßroßer Wandlungen, äußerst
langsam. Darum wird der wcife Staats'
mann derjenige, d'r weiter blikt als
bis aus die Nase der anderen Excellenz
sie bci ollen Entschlüsse jn Ncchnung l
zen. Auch für uns olle ist es wichtig,
Hier anstatt Worte Erlcnntnij, zu besitzen:
wir werden nicht mehr erfsaunt fein, wenn
Franzosen nd Engländer nach der Loail
itires Wesens Handel; wir werden zugleich
billiger urtheilen nd schärfer handeln. Zu
diesen zwei Richtunqen des Gemüthes an
zuregen, war die Absicht und die Hoff
nung dieses Aufsatzes.
Bayreuth. 21. Dezember 19U
Gefahr, im Falle, daß Deutschland siegt,
von Beginn des llriegej an nutzen
gesucht, um die BrasilianFl gegen Deutsch
land einzunehmen, und das ist zum Theil
auch gelungen. Bci einigem Nachdenlen
mußten sich aber doch verständige Brass
lianer sagen, daß es heller Wcdsinn ist,
zu glauben, daß Deutschland, naclidem es
siegreich ans dem Kampfe hcr?orgegangen,
sofort neue Erobcrungspläne au5siihren
könnte. Selbst wenn solche in Teutschland
jkmalö bestanden hätten, wären sie durch den
jetzigen Krieg unmöglich gemacht oder doch
wenigstens um Jahrzehnte hinanLgescho
den. Man beule sich die ungeheuren Opfer,
welche der Krieg kosten wird, hauptsächlich
an -Menschenmalerial; dann wird wohl
niemand bclauptcn können, daß auch mir
eine einzige der jetzt in den Krieg verwickcl
te Nationen in absehbarer Zeit daran
denken könne, auf Abenteuer auszugchen,
Sowohl die Sieger wie auch die Besieg
ten werden sich von den Wunden die dieser
Krieg schlagen wird, nur sehr langsam er
holen, und es gehört nicht viel Scharfsinn
oazu, um voraussagen zu tonnen, daß die
Wer. Staaten wenigstens in Südamerila
infolge des Krieges ein feines Geschäft ma
chen werden. Bisher war es ihnen nicht
möglich, mit ihren Ausfuhrartikeln hier
ins' Geschäft zu kommen. Jetzt wird sich
das ganz von selbst machen, und es wird
den europäischen Konlurrenten nach dem
Kriege wohl kaum gelingen, den Amcrila
nein das einmal eroberte Handelsgebict
wieder abspenstig zu machen.
Ztiminungsumschläge in Chile,
Mitte Januar hatte der Pariser
.Tenips" freudestrahlend berichtet, daß die
deutsche Straßenbahn-Gesellfchaft in St.
Jego de Chile wegen Zerwürfnisses mit
den Ortsbehörden den Äctrieb eingestellt
habe. Ganz stimmt die Meldung nicht.
Tie Sache spieU in Valparaiso wo die.
Allgemeine Elcktiizitäts-Gesellfchaft die
Straßenbahn betreibt. Der Stre,itgcgen
stand, bei dem die Gcsellschaft nach dem
Beitrag vollkommen in ihrem Recht war,
ist von gewissenlosen Hetzern zur Sinn
mungsmache gegen die Deutschen ausge
beutet worden; und bei den leicht erreg
lichen Chileiren, vor allem aber bei dem
internationalen, wohl größtentheils eng
lischen HafenstadtpLbel auch mit Erfolg.
Ein Bericht, der inzwischen aus Balpa
raiso eingelaufen ist. Anfang Dezember
vorigen Jahres aufgesetzt, gibt über die
Angelegenheit nähere Aufschlüsse:
Noch sind wenig Wochen in's Land ge
gangen, seit die Rufe viva Alemania!
und viva Chile! in Valparaiso zusam
menklangen, als am 8. November die sieg
reichen fkreuzer von Santa Maria im hie
sigen Hafen lagen, und jetzt dröhnt es
schon baza Alemania! (nieder mit
Deutschland!) durch die Straßen der
Stadt. Der Stimmungsumschlag ist
schnell gekommen, aber wer. Chile kennt,
wird sich über derartige Umschläge kaum
noch wundern.'
De,r Grund für diese Aenderung der
ösfcnklichen Meinung ist eigenartig genug.
Die Berliner Allgemeine ElcktrizitätsGe
scllschaft versieht seit Jahren den hiesigen
Straßenbahndienst. Sie hat nun. gestützt
auf ihren Vertrag mit der Stadtverwal
tun, den Tarif von 10 auf 20 Centavos
erhöht, da der Kurs feit Ausbruch des
Krieges nicht nur was der Vertrag
vorsieht unter 9 Pence, sondern fast
auf 7 Pcnce gesunlen ist. Verschiedene
Valparaiso'er Blätter, besonders das ion
servative Organ La Union, führen nun
seit langer Zeit aus innerpolitischen Grün
den einen erbitterten Kampf gegen die
Straßenbahngcfellschaft, deren Rechjsbei
stand der liberale Senator her Stadt ist.
UDie Union hat darum die Gelegenheit zu
einem gewaltigen Schlage benutzt, vie
brachte am 1. Dezember, dem Tage, an
dem der neue Tarif in Kraft trat, einen
Artikel, der nicht viel weniger bedeutete,
als den Aufruf zur Revolution. Das heiß
bllltige, leicht beeinflußbare Volk in Chile,
durch die schwere Krisis, die mit der Lahm
legung des .Salpeterhandels über das
Land hereingebrochen ist, ohnehin schon
nervös und zu Gewallthätigkeiten ausge
legt, war noch leichter als sonst durch einen
feurigen Entrüstungsartikel gewonnen. So
blieben die Folgen denn nicht aus. Das
freie. Versammlungsrecht Chiles wurde
über das Maß ausgenutzt. Tausende und
Abertausende strömten aus einem der
Plätze der Stadt zusammen. Es wurden
Reden gehalten, zunächst gegen die deutsche
Straßenbahngesellschaft, dann aber auch
immer heftiger gegen die Deutschen über
Haupt. Der Straßcnmob, der den Haupt
bestandtheil der Versammlung bildete, be-
g.hrte tri.'d auf. & dem l,jo 1
Ti(ioti KlVctri.V. (nieder mit der
T.trß'i,bnhges,lls.hst!) wurde lmmer
wilder da Ujo Al m;nia! s ie Masse
formten sich zum Zuge und strömte don
den, Platze in die Straße der diahL Die
Polizei war linaniigend gerüstet und fcnb
tun 'Mafjon gegenüber machtlos. Uferlos
ergoß sich der Etrom nach dem Handeln
trum de, Stadt. Unterwens trafen die
Mosseg auf einen Straße,!lahil!oage. Er
wurde angehalten. Die Leute, die ih be.
nutzte, mußten schleunigst das "WU
fuciien. und nun siel der wild gewordene
Mob über den Waaen der. Die Neust
wurden eingeschlagen und auch sonst wurde
viele zertrümmert. Nachdem der k,tzte
Damm so gebroche, war. gab e kein Hal
ten wehr. Da Loo diese, ersten Wagen
mußten auch die anderen theilen, denen die
Menge begegnete Weiter ging der Z,q
vor da Gebäude der Ctraßenbahngesell.
schast. Ei Hagel von Steinen flog gegen
da Hau, an dem auch nicht ein Jensiee
heil blieb. Und je mehr die Menge sich
Herrin der Situation fühlte, um so zügcl
loser wurde sie. . Ungehindert strömte sie
weiter, und mm ricktcte sich ihre 23i,ih
kgen olle, was deutsch ist. Die Deutsche
Uebersecische Bank, die Kosmosaesellschaft
und zahllose andere deutsche Gesckiästö.
Häuser wurden ausgesucht, und überall
flogen die Steine durch die Fenster. Die
Krone wurde dem tollen Treiben aufgesetzt,
al der Mob vor daö deutsche Gencralkon
sulot zog, und auch diese mit Steinen
bombardirtc.
.Diese Kundgebungen", wie es die chilc
nische Prcsse nennt, wurden wahrend der
nächsten Abende fortgesetzt. Zwar hatte
die Polizei am folgenden Abend bessere
Bortehrunge getroffen, aber auch diese
waren noch unzureichend, und wieder wur
den verschiedene Fenster an deutschen Häu
fern, so auch an der Teutschen Zeitung für
Chile, eingeworfen und neue Straß.-n
bahnwagen zertrümmert. Erst am dritten
Tage war die Polizei durch das Militär
unterstützt, stark genug, um dem Pöbel
wirksam entgegentreten zu können. In
fantcrie und Kavallerie war aufgeboten,
und auf den Hauptplätzen waren Maschi
ncngcwehre postirt. um die.Menge nöthi
gcnfalls in blutigem Ernstlzur Ordnung
zu zwingen. Glücklicherweise kam es nicht
soweit, da es der Polizei und den Trup
pen gelang, einen Umzug der Demonstran
ten zu verhindern und die Versammlung
rechtzeitig auseinander zu treiben. Aber
wie ernst die Lage war, das wußte jeder
mann, und nüchterne Leute waren allen
Ernstes aus eine Revolution gesaßt.
Daß so schnell aus dem Hosianna ein
Kreuzige für die Deutschen werden konnte,
hat feine guten Gründe. Gewiß hat Chile
vieles, fo vor allem das Militär und das
Untcrrichiswesen, Deutschland nachgebil
det, und in den leitenden Kreisen wird
man auf ein gewisses Verständnis für
Deutschland rechnen können. Aber die
Sympathien und Antipathien des Volkes
gehen ihre eigenen Wege. , Und da darf der
Deutsche die Augen dem nicht verschließen,
daß das Volk, der rta bileno an,
auf feiten von Deutschlands Feinden steht.
Was schon di Rasseverwaiidtschast ihm
nahe legt, das ist durch die französischen
uttb unsfT-ficn '
...jj..,... uu,uujlVIIUHU(IU(li Ul
jahrelanger zielbewußter Arbeit ausgenutzt
und ausacbaut worden, hat hn hi W,nr
Havas fast den, ganzen Nachrichtendienst
an oer luvameriraniichenjestluste in der
Hand. Wurden so die Nachrichten schon
frühcr nach Möglichkeit zu Gunsten Frans
reich gefärbt, so ist das jetzt im Kriege
natürlich doppelt der Fall, nachdem das
einzige deutsche Kabel zerstört ist. Svalte
über Spalte wird in dc chilenische Blät
lern mit halb wahren oder unwabren
Nachrichten über die Erfolge der Feinde
Deutschlands gefüllt. Was an Nachrich
ten gus deutscher Quelle , weitergegeben
wird, ist außerordentlich wenig und' ver
schwindet völlig unter der Masse des ande
ren. Was Wunder, wenn der urtheilslofc
Lcfer. der glaubt, was er gedruckt sieht
und der natürlich die Ereignisse nicht auf
der Karte verfolgt in den seltensten
Fällen wohl eine hat , nachgerade zu
dem Glauben kommt, es ginge mit Deutsch
land zu Ende. Geliebt hat man in Süd.
amerika das deutsche Volk nie. aber man
sah, was es leistet, und hatte Respekt. Ge.
lingt es den Feinden mit ihren Lügennach
richten auch den zu zerstören, so steht es
schlecht um die deutsche Sache in Chile, so
lange nicht das endgültige Ergebnis des
Kampfes auch den Südamerikanern zeigt,
was Deutschland bedeutet. s
Es ist von deutscher Seite vieles gethan
worden, um dieser Entwicklung entgegen
zuarbeiten. Seit Anfg des vorigen
Jahres gibt die Deutsche Zeitung für
Chile eine spanische Ausgabe, die Revista
des Pacifico, heraus. Sie erschien früher
halbmonatlich und seit dem Ausbruch des
Krieges täglich. Als bei Ausbruch des
Krieges das deutsche Kabel zerschnitten'
wurde, gelang es ihr. sich die drahtlose
Zclegraphie dienstbar zu machen. Wäh.
rend des Krieges wird ein weiteres deut
sches Organ in spanischer Sprache. La
Gaceta Militär, herausgegeben. Aber die
Organe sind zu neu, in chilenischen Krei
fen zu wenig bekannt, als daß sie durch
schlagend wirken könnten. Der Chilene
liest natürlich nach wie vor seine hiesigen
Blätter, die von. Meldungen der Agcnce
Havas strotzen. Und wo wirklich einmal
ein deutschfreundlicher Leitartikel erscheint,
da kann auch er nur halbe Willung thun,
iVftlITl?tt Yirn4 Yla rtrtlsAaM i. krt .
grammen das Gegentheil zu sagen.
Es bedarf Zaum der Erwähnung, daß
diese Stimmung pon den in Chile ansässi
gen Engländern - Franzosen kommen bei
ihrer geringen Anzahl weniger in Vc
tracht ausgenutzt wird. So war es
typisch, daß unier.den Demonstranten am
Abend des 1. Dezember eine Gruppe vo
Engländern gesehen wurde und daß. wäh
rend der Moh die Fenster des deutschen
K ncralkonsulats einwar?. neben dem ol.ajo
Alenianial nicht weniger laut yi? Ing.
kterra! geschrien wurde.
Hier ist viel versäumt worden und es
ist unmöglich, daß die wenigen tausend
Deutschen im Lande die Riesenausgabe.
die es z löse gibt, allein bewältigen.
Auch drüben werden immer mehr Stim
men dafür laut, und die Thatsachen sptt
chen die deutlübste Sprache dafür, daß hicr
Wand'cl geschaffen werden muß.