i3stfiifif CmaU Tribfitu Montag, dca 15. tfffmmr 1915. Sie Aattseradltt. Slontnn von Julius Knopf. K"- -4-! (IC. Fortsedung.) Aierzelznte Napiitl. Vier 2cige und vier Mächte wachicn t'ttglna und Dr. lliüft ain Lager des Sterbenden, dessen schwache Lebens flamme verlöschend auf und nieder juckte. Ctuiidcn. ctriclitcni ui- xechjelten mit kurze-. Augenblicken :eudelebter Hosung für die junge ijrau, öle oai retzke, das schmerz chste noch immer nicht zu fasten bti mochte. R'un, bi der Aerlusi so mi l;e schien, wuchS ihre Liebe zu l)eri scher Größe. Jedesmal, wenn 9it chard aus uimih-aern Halbschluiiimer erwachte und die Augen öffnete, traf ein Blick den ihren und m uncr hiirtcr Celbilbelrrschung zwang !tc ginz ihren Mienen einen heiteren Uuedruck auf, wnle sie doch von den fceioert tagen ihrer Mutter her, wie scharf Schwertrante die Personen u :er Umgebung b.oachten und wie sii aus dem leisesten Zug von Äesorgnis der Mitleid ihr Todesurteil heraus lesen. Regina war eine ideale Kranken Pflegerin, deren gleichmäßige, freund l'che SHllhe und uiivcraiiöert zur Cchau ctragene Zuversicht die letjten tbenLtage ihre PIeglmi.3 mit ei ein rosigen Hosjiiungsschimmer er leuchteten. Ter Doktor, der die gefährliche Nlikkilng einer tranigen uberiench lichen Eelbslbcherrschuiig auf die !fi oenkraft fürchtete, bat Regina: .Weinen Sie sich aus, wenn Ni chcird schläft. Gehen Sie hinaus und lassen Eie Jrem Schmerz freien Lauf. Sie richkn sich ja zugrunde, lhne durch Ihre Aufopferung helfen zu tonnen. .Quälen Sie mich nicht, Doktor, ich kann nicht anders. Ich muß dem Aermslen akes sein Pflege rin. , Trösterin, Hoffnungsspenderin Ja, bis zum lc!)!,n Atemzüge soll er honen. Jin Krankenzimmer schellte es, Nichard war aus seinem kurzen Schlummer erwacht und hatte, als er sich allein sah, unruhig geklingelt. Regina zuckte erschreckt zusammen, richtete sich straff auf und war im wichsten Augenblick durch die Tür des Krankenzimmers verschwunden. Lang fum cinq ihr Nüst nach. Er ,fand den Patienten fiebernd, aber mit einem zufriedenen Lächeln ruf dem verfallenen Geiicht. Seine Augen leuchteten, seine ein gefallenen Wangen Iviren tief gero let, seine heißen, trockenen Lippen bc wegten sich. Als Nüst sich über ihn neigte, flüsterte er hastig: .Es geht mir besser, Walter, viel besser sehr gut sogar ich möch te mit Regina plaudern sag ihr, sie braucht mir das Sprechen nicht zu verbieten!" Rüst unterdrückte ein trauriges Lä cheln. Er kannte diese plötzlich er ivachende Nedelust der Kranken, die :hre letzten ttrafie zusammennehmen, um Wünsche ciuszusprechen. Anord nungen zu treffen, ' die dem Leben gelten, während der Tod schon am Kopfende des Lagers wartet. Darum nickte er zustimmend. War ,m sollte er vervieten. wenn ein Stärkerer mit dem Gebote des ewigen LchweigenZ hinter ihm stand. Er nahm die Hand des Sterben den, drückte sie leise und sagte freund lich: .Sprich nur ruhig, Frau Regina darf Dich anhören." Und sich von itm Kranken abwendend, sah er der Pflegerin mit tiefem Ernst in die Au gen. Regina hatte den Blick verstanden. Ein stummes Bitten, Rüst ging hin aus. Run saß sie wieder allein em La ,. Nur mühsam unterdrückte sie ihre Tränen. Sie fühlte sich plötz lich so mutlos, so verzweifelt und so h!lfsloS der nahenden, stärkeren Ge walt gegenüber. In diesem Augenblick hätte sie ju kelnd ihr Leben hingegeben, um Rt chard zu retten. Aber der Tod fragt nicht, wem er genehm kommt. ' Mit einer mutlosen Bewegung strich sich Regina über die Augen. Da begegneten ihre Blicke denen des Freundes: Äegi," flüsterte er zärtlich, .nicht traurig sein, bald bist Du des an strengenden Pslegeanites ledig. Ich fühle es, ich werde wieder gesund bald!' Er versuchte, mit seinen feuchten, zitternden Fingern ihre warme, fräs ti'ge Hand zu streicheln. Regina lä chelte ihm zu. Dann begann er zu sprechen, erst langsam, zögernd, dann immer eifri ger werdend, mit hastenden, über stürzenden Worten: Rcgi, in diesen langen Monaten, da Du so tapfer an meiner Seite ausgehalten und den nörgelnden Pa tienten so treulich gepflegt hast, ist mir eini klar geworden. Ich kann Deine Nähe nicht mehr missen, nicht j?i,t, nicht später. Unterbrich mich nicht," flüsterte er nervös, als sie ihn beruhigen wollte. Dann fuhr tt fort: . .Sieh, Liebste, immer können rvirj j. . . teiftVie 5 & M so wie jetzt nicht zusammen sein. Du die Gcbertn, ich der Empsan gende. Du tist Dich für mich ge opfert, um mich zu pflegen, ohne an das Später', an da .Was dann?" zu denken. Meinst Tu, das; ich Dir dai vergessen könnte? Vlaubst Du, ich könnte nach unserer Rücklehr in Berlin wieder allein bleiben, Dich nur von Zeit zu Zeit sehen, nur selten Dein Plaudern hören, meinst Du, da ginge? und Du selbst? Willst Tu den entmutigenden Kamps ums Dasein wieder aufneh men, Dich quälen und plagen ohne Gliicksgesühl - ohne Lebens' zweck?' Sie fah ihn mit großen, fragen den Augen an. War das ein Schwerkranker, ein Sterbender, der so sprach? Sie wurde wieder irre an der ärztlichen Diagnose. Sen den aber suhr fort, lebhafter nvcy als zuvor: Laß uns zusammen bleiben, 9ie gk. für immer " und dringender bat er: .werde mein Weib!' (5r versuchte, sich auszurichten, sank aber, von plötzlicher Mattigkeit überwältigt, zurück, rasselnd psisf der Atem... Erschreckt beugte sich Regina über ihn. Willst Tu mem Weib sein?' Ein Hauch nur, kaum vernehmbar. Da vergaß die ivnge Frau die grauenvolle Tragik seiner Frage, der gaß, daß ein Sterbender sie begehr te nur ein Gedanke be chaftiate sie diesem Manne die letzten Au genblicke zu verklären. Sie hob das 5nssen und umschlon fest seine dünne, abgezehrte Hand. Dann blickt sie ihm tief in die Au gen. um Bück, bedeutungsvoller, als ein Schwur. Sanft küßte sie ihn auf Stirn und Augen. Da richtete sich der Kranke mit jähein Ruck vom Lager auf. Se kundenlang umklammerte der Ster bende das lebensfrische Weib. Dann ein Zucken, ein Seufzer und schwer sank der Kops in die Kissen. Im selben Augenblick trat Dr. Rüst ans Bett, er war unbemerkt ins Zimmer gekommen. Totenstille. Regina rührte sich nicht. Mit zit ternder Hand schloß der Arzt dem Freunde die Lider. Ein Griff nach dem Puls. Tann legte er des Toten Hände übereinander. Regina saß noch immer steif. aufrecht, unbeweglich . neben dem . it"t L.mteä, keiner Trane fähig. Selbst ihre Gedanken stock ten. Ihre Augen sahen den Toten. ihre Gankm weilten noch bei dem sterbenden der sie gckum, der ,e die Seme genannt hatte, der sie nicht lassen wollte im Leben und im sterben. Da hörte sie wie aus weiter Ferne eine Stimme. Langsam richtete sie sich auf, me chanisch nahm sie einen frischen Beil chenstraufz aus der nachststehenden Vase. Schweigend verstreute sie die zarten Bluten über die Bettdecke. Die junge Frau gönnte dem Arzt, der ich an den Fenstervorhangen zu schaffen machte, keinen Blick, kein Wort. Unhörbar, wie er vor zwei Minu en eingetreten, entfernte er sich aus dem Totenzimmer. Seine Stunde, die ihm Regina nah brachte, war noch nicht gekommen, das fühlte er. Er durfte ihren Schmerz nicht stö ren; aber die traurigen Pflichten der irllichkeit, die wollte er ihr ab nehmen. Regina sollte in ihrer Trauer nicht mit den brutalen, nüchternen Obliegenheiten, die der Todesfakk erheischte, behelligt wer dn. So ging er nun selbst, um die nötigen Formalitäten zu erfüllen. Sie war allein mit dem Toten. Ein heißer Tränenstrom löste den Darren Schmerz., Sie sank m die Knie, preßte die heiße Stirn gegen die kalten Eisenstäbe der Bettstelle und weinte lange. Niemand störte sie. Am nächsten Tage kam sie nur ür kurze Minuten in den Salon, um mu 't. mi uver das lös gräbnis zu sprechen. Er machte keinen Versuch, zu trö ten, denn er fühlte, Worte würden ungelegen kommen. In diesen schweren Tagen der band sie nichts mehr mit dem Le ben, das keine Forderung an sie teilt, dem sie nichtS schuldete, das hr nichts mehr gewähren konnte: al lcs war kalt und tot in ihr. Apathisch gegen Leben und Ster ben, verbrachte sie die Zeit big zur Beerdigung in ihrem Zimmer. Zur festgesetzten Stunde erschien Dr. Nüst, um Regina zum Kirch Hof zu geleiten. Auch die Pensions Vorsteherin, eine energische Schwel zerin in mittleren Jahren, deren Bil dungsgrad lediglich auf Sprachkennt nissen beruhte, schloß sich ihnen an. Regina hatte ihr den Plag im Wagen ongeboten, um ein Alleinsein mit dem Doktor zu vermeiden. Sie wollte nicht hören, wa er Ihr sagen mochte. Sie gehörte dem Toten, der Lebende hatte keinen An spruch an sie. So flirl verbiß sie sich in ihren Schmerz, daß sie nicht einmal an die Zukunft dachte. Sie lebte nur in dem überreizten Emp sinken, Richard Weib zu fein. Ihm, der sich in der Sterbestunde mit ihr verbunden, mußte sie die Treue be wahren fcii zum letzten Atemzüge.' tn'ir. rj..i. i.i.f'.t . ' yiui a;un ic nc gern er ihr auch wiederholt hätte, daß sie ihm vertrauen möge, d:ik sie ihn als Freund anerkennen möge er schwieg. Schwieg on der Bahre bei Freundes, als er Regina vorsichtig an die offene Gruft geleitete. Richt einmal den leisesten Händedruck ge stattete er sich, als sie zitternd im tiessien Schmerz an seiner Seile stand, während der Geistliche die Gedenkworte für den Berstorbenc,, sprach. Es war eine kurze, nüchterne Fei er, der nur noch ein paar neugierige Fremde beiwohnten, die der Bädeker stcrn zum Luzerner Friedensial, der weltberühmten BegradniLslatte, ge führt. Inmitten des wunderbaren Toten Parkes, aus besten immergrünen Bu schen die schneeweißen Marmordenk mäler sich wirkungsvoll abhoben, h.:l te Dr. Rüst den Platz für die letzte lltuhestatte des Freundes gewählt. Umschattet von einer Gruppe ge heimniövoll im Winde rauschender Lebensbaume, lag das Grab auf ei ner Anhöhe, die den Leidtragenden den einen Ueberblick über Luzern ge währte. Während der Zeremonie sah Rüst fluchtig nach dem Hügel des Gutsch, auf dem sie, noch vor wenigen Ta gen gemeinsam gesessen. Wie hatte sich Richard Senden an dem An blick der schönen Gegend berauscht. Und heute schon hielten die Schat ten der ewigen Rächt ihn umfangen Menschcnlos! Und es drängten sich ihm all die melancholischen Nachdenklichkeiten auf, die den gebildeten Menschen, dessen Seele der kalte Ezistenztampf noch nicht ganz vergletschert hat, am Gra be eines guten Freundes uberlom men. Me nein und nichtig er schien ihm das Leben, wie wenig wert allen Muhcns, Sorgens, Stre bens! Wie schal Ehrgeiz, Lorbeer. Ruhm! Wozu schlug man sich so hartnäckig mit dem . Leben herum, wenn die Ströme der Arbeit, der Aufregung, der Erbitterung, schließ lich doch in das schwarze, starre Meer des Nichts münden? Lohnte sich der 5kampf, lohnte sich das Leben, das auf ein Tüpfelchen Freude einen Berg des Leids türmt? Und mit Pindar seufzte er: .Ach, eines Schatten Traumbild ist der Mensch!' Mechanisch warf er ,die drei Hand voll Erde in die Gruft. Ein letzter Gruß des Lebens ein den Tod, des Lichtes an die Finsternis. Da berührte ihn während der Dauer eines Augenblicks Reginas Mantel. Warm und voll ergoß sich das Leben wieder über ihn, und die Schwermut fiel ab. Ja, es war doch schön, unsagbar reizvoll, dieses Leben trotz alledem. Denn ne ben ihm stand das lockende, berau schende. heiße Glück und das wollte er sich erkämpfen. (Fortsetzung folgt.) Immer derselbe. Herr Professor Dämlich hat be schlössen, ein Fußbad zu nehmen. Nachdem alle Borbereitungen getrof fen sind, stellt der Herr Professor, ohne fein Studium zu unterbrechen, seine Füße samt der Fußbekleidung, deren er sich zu entledigen vergessen hat, ins Wasser. Einige Momente währt dies beschauliche Bild, dann ruft er plötzlich: Minna, bringen Sie mir meine Gummischuhe!' Boöhaft. .Wie sind Sie eigentlich zu Ihrer Frau gekommen, Herr Zwickel?" .Sie fiel als Mädchen in den F7uß, aus dem ich sie herauszog und anö Ufer trug." .Da waren Sie sich jedenfalls der Tragweite Ihrer Handlung nicht be wußt!' Stilblüte Die Polizei be kam bald Wind, daß der Berdäch tige in keinem guten Gerüche stehe. Sehr richtig. Professor: Es ist eine empörende Feigheit von Ihnen, einen Menschen zu überfal len. der ohne Schutz und Schirm ist.' Räuber: Wissen Se, da könnt' ick lange warten, bis ick Ihnen mal mit 'm Schirm treffe.' Erklärt. .Warum kritzeln Sie denn die Unterschrift fo?' .Das sieht dann so aus, als ob ich einen Schreiber hätte!' Pariert. .Aber Mann, Du willst schon wieder in die Kneipe?" .Allerdings. Seitdem ich jedes Jahr mit Dir nach Salz bürg fah ren muß, werde ich den Durst nicht mehr los!' Auffallend. Schaffner: .Mein Herr, das sind Damencoupös da in dem Wagen!" Passagier: Damenccupös?... Es ist doch so still darin!' Vcs Nllzzcvlclckic, Mmtetr. 9.'aVrji'iI)!t Hon 'ütuno Hcinvce. Jüngst überraschte mich ein Tete granim aus Saßnitz mit folgendem Wortlaut: .'.luö dem Milizen Ruß land herausgeschmissen, eintrefft tittttmet Xonnctätiij c Uhr abends. Hart.' Infolge einer BerkehrZflockunz verspätete ich mich und langte, ob gleich ich ein Auto nihm. erst 0 Uhr 00 vor dem Statuier Bahnhof an In der Borhülle gz ein mittekgro :r ivrr mu im'n i-mzen uri geduldig auf und ab. Auf dem Kopf halte er eine ausfallend hohe Persianeriiiütze, in der Hand etwas Blinkendes, einen metallenen Gegen stand, dessen Name und Art ich nich gleich erkennen konnte. Mit einem Auge fah ich. daß es Freund Hart war. Seine russische Kopfbedeckung hatte ihn bereits zum Gegenstand einer allgemeinen, h,i!b neugierigen, halb mißtrauischen Aufmerksamkeit gemacht. Sie sehen ja aus wie ein Tarta renoberst m Zivil , sagte ich nach ver erfien .gruijuiig lachend zu ihm. Wir gingen ein pirn Schritte. Ich komme allein", sagte er. als erriete er meine (bedanken. .Mein Junge sitzt in Woloada gefangen, Frau und Tochter sind in Kiel bei einem Schwager. Ich und mein Teekessel." Wir gingen durch die Invaliden strafte und bogen m die Chaussee straße, Richtung Oranienburger Tor, ein. Es war ein milder. Uarer Winterabend. .Wir gehen im Leben bisweilen wundersame Wege. ISUO holte ich mir aus meiner Heimat in Westfa len eine Frau und machte meine Rückreise nach Petersburg gleichzeitig zu meiner Hochzeitsrc, ,e. Wir fuh ren damals über Lüdeck. Stockholm nach Finnland und rrrelchlen über Abo. Hango und Heliinascrs Pe tersburg. Das war eine herrliche Fahrt. Wie oft hibe ich mir vor genommen, sie bei meinen zahlreichen längeren oder kürzeren Aufenthalten in Teutschland zu wiederholen. Ich kam nie dazu. Immer zwangen mich geschäftliche oder andere Berpflich- tungcn. den kürzesten Weg über Eydtkuhncn einzuschlagen. Jetzt, nach dierundzwanzig Jahren, habe ich mci ne Hochzeitsreise wiederholt, anders als ich sie mir -vorgestellt hatte, dem Zwange gehorchend, als Landes ver wiesener Teutscher. Aber ich will Ihnen die ganze Sache von An fang erzählen. Auf Befehl des Petersburger Stadthauptmanns Fürsten Obolenski hatten wir Petersburg innerhalb be stimmter Frist zu verlassen. Die Auflösung des Haushalts bereitete zunächst nicht geringe Schwicrigkei ten. Bon deutschen Untertanen nimmt keine Speicheret Möbelstücke zur Aufbewahrung an. Wollte man nicht alles stehen und liegen lassen, so mußte man eben die ganze Ein richtung zu einem lächerlichen Preise verkaufen. Sie können sich denken, daß die Händler in Ausnutzung der Notlage und aus nnem durch den Krieg hervorgerufenen Mangel an Bedarf so taten, als ob sie aus Gnade und Barmherzigkeit kauften. Tonnerstag früh 9 Uhr sollte ein Sonderzug für Flüchtlinge vom Finnländischen Bahnhof abfahren. Wir trafen um 7 Uhr ein. Bald entwickelte sich ein fürchterlicher An drang. Ter Bahnhof sah wie ein Feldlager aus. Mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel füllten die Deutschen rasch die achtzehn großen Waggons, aus denen der Sonderzug bestanden. Viele waren von russt schen Offizieren, Studenten und Be amtcn, die zum Freundes und Be kanntenkreis gezählt hatten, zum Zu ge geleitet worden. Um 9 Uhr wa ren längst nicht alle untergebracht. Aber der Zug mußte abfahren, Hun derte blieben zurück. Nach einstündiger Fahrt hielten wir in Bjeloostrow, der Grenzstation zwischen Nußland und Finnland. Der Aufenthalt war endlos. Kein Mensch, wußte, warum. Hinausse hcn konnte niemand. Die Fenster waren durch Bcstreichen mit Farbe undurchsichtig gemacht, die Türen ver schlössen. Endlich stellte sich heraus, daß die Deutschen sich einer Revi sion des Handgepäcks und einer Leibesvisitation unterwerfen mußten. Geschriebenes wurde zerrissen. Wer viel Geld hatte, dem nahm man es gegen Quittung ab. Ueber fünfzig Rubel Taschengeld waren nicht er wünscht. Einem Landsmann erleich- terte man seine Brieftasche um 2000 Rubel. Daß Goldmünzen sofort las siert wurden bedarf keiner besonde ren Erwähnung. Vierzehn Stunden, von 10 Uhr vormittags bis 12 Uhr nachts, bau erie die Untersuchung. Die Insassen der Wagen, die bereits erledigt wa ren, wurden auf dem Bahnsteig ent lassen. In der Wirtschaft konnte man Tee und' Kaffee bekommen: für alkoholische Getränke besteht in ganz Rußland 'das Ausschank und Ver kaufsverbt. Reisetaschen und Fut terkörbe mußten nach und nach ihren leckeren Inhalt lassen; was sollten die Leute auch während des gräßligen an Bord, um die Nacht auf dembefanden, wurden auch Soldaten zum chkn HeruniluiigernS auf dem Bai?n steig andere! tun, all essen? Ge waliigcz leistete hierin ein deutscher Förster, der seit Jahren im Innern Rußlands mit Wildkulturen und Bcrmessungen beschästigt gewesen war, eine Hünengestalt von stau nenkwerten Maßen, mit mächtigem, rotem Bart, durch den sich viele wei ße Fäden zogen. Wenn er leise sprach, glaubte man vag ferne Grot Icn eines aufziehenden Gewitters zu hören. Ticscr Rübezahl entwickelte einen Appetit, dem man nur mit bewundernder Scheu zusehen konnte Aus sauan Uaaiud huüe tt but gebratene Hasen, von denen er sich zwei in kurzer Zeit einverleibte. Tie Revision seine! .Handgepäcks" hatte außerdem HO Pfund Brot und drei Schinken Im Gesamtgewicht von 50 Pfund ergeben. Die russische Polize belegte nichts davon mit Beschlag; mein Landiimann wicS glaubhaft nach, daß er dieses .MundLvorratS" für eine Reise von sieben bis ach Tagen bedürfe. Tie Polizisten fa hen an ihm empor, grinsten sich an und gingen weiter. .Wie soll das bloß zu Hause werden!' wandte er sich zu mir und schickte unter seinen buschigen Brau en einen so sorgenvollen Blick zu mir herab, daß ich laut auflachte. Was soll man nun in Teutschland ma chen, wenn da wirklich Hungersnot herrscht, wie die russischen Zeitungen schreiben? .Einen Jäger wie Sie ernährt der deutsche Wald immer noch Er griff sich einige Male durch den Bart und nickte gedankenvoll. Nachts 12 Uhr erfolgte die Wei reifayri, nacnoem uner jug zur allgemeinen Freude als Schnellzug erklärt worden war, der vor seiner Endstation, dem finnischen Hasen Raumo, nur noch in Wyborg und Tammcrssors halten wurde. So kam es auch; aber heraus durste niemand. Auch kein 'Fenster durfte während der vierzchnstündigen Fahrt geöffnet werden. Den Wagen füllte eine fürchterliche Luft. Ter dicke Qualm zahlloser Zigaretten, die Aus- dunstungen vieler auf einen engen Raum beschrankter Menschen, die Tüfte. die erbrochenen Speisen und den Windeln kleiner Kinder ent strömten, all das vereinigte sich zu einer wahren Symphonie der Ge räche. Ter riesige Förster und ich standen dicht an die Fenster ge drängt und atmeten mit offenem Munde die durch verschiedene Ritzen spärlich hereinstreichende Luft ein Endlich. 2 Uhr nachmittags, Rau- mo! Tie Tür fliegt auf. Ein finni scher Polizist erklärt: .Die Insassen sind frei!" Man steigt aus, hilft sich gegenseitig und zieht unterdessen mit tiefem Behagen die langentbehrte frr sche Luft ein. ' 1 Auf dem Bahnhof in Raumo hat- ten sich einige Bertreter der ,H,!fs Vereinigung für vertriebene Deutsche" eingefunden, die uns, besonders Fa mitten, mit Rücksicht darauf, daß der Dampfer nach Stockholm erst am nächsten Tage gehe, empfahlen, für die Nacht gegen billiges Entgelt, im Falle liänzlicher Mittellosigkeit auch umsonst, Burgcrquartiere zu be ziehen. Der Ausschuß der Hilfsver einigung tage im Rathause und weise an Hand emer Liste Bürger nach, die sich bereit erklart hatten, Faml- lien zu beherbergen. Wir zogen also zum Rathause. Die würdige Ruhe und der getragene Ernst der Herren von der Hilfsvereinigung. die um einen langen Tisch faßen, machten einen ausgezeichneten Eindruck. Nur die Verständigung verursachte einige Mühe, da sie außer ihrer Mutter spräche, dem Finnischen, das dem Fremden mit eigentümlichem Rhyth- mus ins Ohr fallt, nur noch etwas Schwedisch, sonst aber weder Nus- isch und Teutsch, noch Englisch und Französisch verstanden. Ich zog mit Sack und Pack in zwei finnischen Droschken nach der Vorstadt von Raumo, Porni-Tulli. Ein Heer mit dem echt finnischen Namen Lehtinen sollte uns aufneh- men. Ich war angenehm überrascht, vor ein hübsches Landhaus inmitten eines gut angelegten Gartens zu kommen. Der Besitzer, ein alterer Junggeselle, und seine Haushälterin Hildn empfingen uns mit wohltuen der Freundlichkeit. Im Hause herrsch- peinliche Sauberkeit: beim An blick der Küche, die ein wahres Schmuckkästchen war, geriet meine Frau in helles Entzücken. Man setz e uns köstliche Neunaugen vor und Tee. An ein Tischgespräch war na ürlich nicht zu denken, denn unser liebenswürdiger Wirt sprach nur Finnisch. Als Schlafzimmer wies er uns sein eigenes und das beste ohnzimmer rm Hause an. Als wir uns am anderen Tage verabschiede ten, um an Bord des Dampfers Runcberg" zu gehen, auf dem ich drei Plätze belegt hatte, suchte ich in die Zeichensprache all die herzli chen Empfindungen zu legen, die hm rn seiner Ncuttersprache auszu drücken mir nicht vergönnt war. Der Dampfer Runeberg' war mit Passagieren und Ladung am Nach mittag von Stockholm in Raumo eingetroffen. Am nächsten Morgen in der Frühe sollte er uns Deutsche nach Stockholm bringen. Wir gm Dumpfer zuzubringen. Eine Paß Vision fand auck, noch statt. Ge schlafen l,ben wir nicht viel, der .Runcbkkg" löschte die ganze Nacht seine Ladung. Inzwischen war strenge Kälte und stürmisches Wct ter eingetreten. Die See ging hoch. Ter Kapitän erklärte, aus seiner Absicht, noch in der Nacht in See zu gehen, könne nun nichts werden. Infolge des KriegSzustandcS , seien alle Seezeichen entfernt und alle Lichter gelöscht; er könne sein Schiff nicht der Gefahr aussetzen, aus scharen zu lausen. Auch eine Ab siihrt am nächsten Morgen sei bei diesem Seegang wenig wahrschein lich. Doch da! Geschick war unZ hold. Am anderen Morgen kamen zwei andere schwedisch: Dampfer, deren Fuhrer erklärten, der .Runeberg könne abfahren, die See sei drau ßen ruhiger, der Wind flaue ab. vormittags ii Uhr gingen wir in See. Wenige Stunden später waren alle mit wenigen Ausnahmen, zu denen auch ich zahlte, seekrank. Gut verpackt (die 5tälte hielt an, und es wehte noch immer eine steife Brk fe) habe ich den größten Teil der izahrt an Deck verbracht. Nach sicbzchnstllndiger Fahrt lie fen wir nachts 3 Uhr in den hell beleuchteten Hafen von Stockholm ein. Es war ein schöner Anblick, und wer sich einigermaßen wohlbe fand, kam an Deck, um lhn zu ge nicßcn. In Stockholm waltete ein Deut sches UnterstutzungLkomitee ,n lie bensmürdiger und hilfsbereiter Wei fe feines Amtes. Um unser Ge päck sollten wir uns keine Sorge machen; es würde rechtzeitig auf Rollwagen zum Bahnhof gebracht werden. Bei Morgengrauen wur den wir in eine alte, leerstehende Ka ferne in der Tjärhofgatan, Tiergar tenstraße, geleitet. 5i.ranke und stei ne Kinder schaffte man in bereitste henden Automobilen dahin. Tort wurde ein Frühstück, bestehend aus Milchsuppe mit Reis gereicht. Wer wollte, bekam um 1 Uhr ein kräftiges Mittagessen und um 4 Uhr Kaffee. Uebcrhaupt habe ich nachzuholen, daß Unbemittelten Fahrkarten dritter Klasse für die ganze Reise von Pe- tersburg bis Berlin unentgeltlich ausgehändigt wurden. Um 10 Uyr morgens fand eine letzte Paßrevision statt. Da der Zug nach Saßnitz erst abends 8 Uhr 30 Minuten ging, be nutzte ich die Zwischenzeit, mir wie der Stockholm anzusehen. Daß ich einmal gezwungen werden wurde, meine Hochzeitsreise nach vierund zwanzig Jahren gewissermaßen .per Schub" zu wiederholen, hätte ich mir nie träumen lassen. Tie älteste Feldpost Oesterreich Ungarn besaß sie laut ge schichtlichem giachmeis. Bor kurzem ging durch österreichi- sche und deutsche Blätter ein geschicht licher Rückblick auf das Feldpostwe fen, wobei der Verfasser zu dem Schlüsse kommt, daß Sachsen die er sie Feldpost besessen habe. Wie nun der bekannte PostHistoriker Franz Graf Thurn und Taxis feststellt, be sitzt aber von den heute kriegführen den Mächten nicht Sachsen, sondern Oesterreich Ungarn die geschichtlich älteste Feldpost. Maximilian I. benutzte seit 1430 bei seinen Feldzügen stets Posteinrich tungen. Die guten Dienste, welche die Grafen Taxis dem großen Kaiser und seinem Nachfolger Karl V. im Felde leisteten, waren wohl die Haupt Ursache der herrschenden Stellung, welche die Taxis und deren Ber wandte, , insbesondere die Grafen Paar, im habsburgischen Postwesen gewannen und durch Jahrhunderte innehatten. Die fortschreitende Aus- gestaltung des Postwesens brachte schon unter Ferdinand I. die Schaf- fung eines eigenen, vom Hofpostamie abhängigen Feldpostmeisteramtes" mit sich, dessen Kosten bald vom Kriegsstaat übernommen wurden. Obwohl die Feldposten, wie z. B. ei ne Verordnung Ferdinand I. vom 15. Juni 1548 ausführt, eingerich- tet wurden, damit jeder Zeit die Briefs und Schreiben von und zu un- ern Generalobriften mit dem ehisten und eillendsten befördert und überant wurt werden", beförderten sie auch außerdienstliche Briefschaften. Die zahlreichen Kriege bewirkten, daß man im Feldpostdicnste nicht außer Uebung kam. Der Umstand, daß die österreichi chen Heere im 30jähriqen Kriege und in den Kriegen gegen Ludwig XIV. von Frankreich auch innerhalb desGe bietes des deutschen Reiches mit öster reichischen Feldpostämtern versehen waren, gab Anlaß zu Reibungen und Streitigkeiten zwischen dem Reichs- Post und dem Hof- und Feldpost Generalate, da das Reichspost Gene ralat das Recht zur Beförderung der Sendungen innerhalb der deutschen Reichslande , für sich in Anspruch nahm. Die Poststreitschriften aus der Wende des 17. Jahrhunderts las en erkennen, daß die österreichische Feldpost auf einer hohen Stufe stand und stark benützt wurde. Wenn die zur Beförderung der Nachrichten be teilten Postillone sich auf Dienstritten Unsere Schliillmiij!kr-Vj1ttlt vllisacheS LauoNcit. 97. 1t .1. ?,u einem praktischen Hauskleid, M N'.I mi einfache Formen und bkiiokingt ftklbrr, die wciiiz Garnitur o,ifiism. 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Der Kur fürst von Brandenburg ließ noch 1674, obwohl er selbst persönlich Im Feld gewesen, seine Briefs nach jedeZ Orts Gelegenheit durch Carabiner Reuter bestellen". Kürsachsen erricht iete im Jahre 1683 ein Feldpostami nach österreichischem Muster. Ganz besondere Wichtigkeit legtl Prinz Eugen von Sadoyen dem Nachrichtendienst bei. Als österrei chifche Heere sowohl am Rhein all in Italien kämpften, verfiel er auf den Gedanken, das zentral gelegene Generalpostamt zu Innsbruck mit del Aufgabe zu betrauen, Korrespondenz mit den einzelnenFeldherrn zu führen, um sie über die Kriegs- und politi schen Ereignisse auf dem Laufenden zu erhalten. Das Innsbruck: Post generalat entledigte sich der Angab mit emsigster Hingabe zur vollstenZu friedenheit des Prinzen. Es unter hielt die regste Korrespondenz mit den Gesandtschaften und mit der Genera lität, zog die zumeist in Geheimschrift gehaltenen Nachrichten in bündige Be richte zusammen und expedierte diese durch die eigens eingerichteten Feld staffetten." Die 5?abl der Berickte ging in kurzer Zeit m die Tausende. Die österreichischen Feldpostillone lei steten, wie vielfach hervorgehoben wird, in Bezug auf Ausdauer und Tatkraft Erstaunliches. Oft ritten sie mitten durch die Feinde." Die österreichische Postanstalt im Felde" schritt mit der Zeit voran. Ihr Wirken bot anderen Staaten gute Beispiele und sie selbst übernahm ger ne Verbesserungen, die bereits ander warts eingeführt worden waren. Erst im Jahre 1853 entdeckte man zum erstenmal Ueberreste der so genannten Pfahlbauten, und zwar im Züricher See, später vielfach und in verschiedenen Ländern. Die Prä historischen Bewohner dieser auf Holzrosten ruhenden Wohnstätte scheinen bereits Getreide und Gemü se gebaut. Gewerbe betrieben unil Haustiere gehalten zu haben. I " ,, . 1 T i ' : ' hih 4 i I ft M rf 1 i' : ! fl I ii : 1 Z l: 4 : H ? s. - l: $ : 2 . : S : 1 : 1 1 d :