Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 03, 1915, Image 5

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' iUWWAMSS6O'S' AM66SMM6iB5?(I.
B,
uon Wiiuisliiinitirit,
erstatt der Alliirten
Der .Spion.
Novelle von Gulds Areutzer.
, o?hr!g0t. Hg,llsp!egkl. 1914.) '
vianikla Tscharowitsch, der Militär
Lttach der illyrisckxn Gesandtschaft am
Hofe des weißen Zaren, erhob sich vom
Frilhstilckktisch. griff nach einer letzten
Cigaretle, schnallte den Pagasch um und
zog den Mantel an. Heute würde es ein
interessanter Vormittag werden. Denn
draußen ouf dem Marsovoje'Pole (Mark
seid), dem Petersburger Srerzierplatz, war
eine Gefechtsübung in größerem Verbände
angesetzt die Attacke einer kombinirten
KavalleriebriMde pen rier Infanterie
lxitaillone; auch Artillerie sollte eingreifen.
Interessant fabelhaft interessant!
Vielleicht bedeutet der heutige Vormittag
eine Wendepunkt und vom siaubllber
dunsteten Skarsovose Pole ließen sich mit
geschickter Hand Fäden knüpfen und ntU
tnspinnen, biö sie in den Konstruktion
lwrea; und Gcheimdexartcments deö ruf
fischen KriegsministcriumS endeten!
Indem klingelte es; viermal scharf hin
ineinander.
t m i rr Mit M,. f
V eiro ren wrmte vcr Junner aur.
Viermal das konnte doch nur...
ch, S-.W! ja lächerlich, an Absurditäten
zu denlcu! indisch war es!
Doch die Karte, die der Diener herein
brachte, bestätigte:
Wera Mitwilowna Prad?n!eff! Zfyil
sächlich Wer Michailowna!
Bitte sie in den Salon!" sagte er t
ser und ohne Zögern.
Zwischen d;n Zähnen murmelte er eine
yalbe Verwünschung, legte Mantel und
Pallasch wieder ab und ging zum Salon
hinüber. Unterwegs grübelte er in jähem
Argwohn, ob sie vielleicht Irgendeine Rache
gegen ihn im Schilde führen möchte. Aber
. es war albern, damit eine Wera Michai
lowna Pradeniesf in Verbindung zu drin
gen die gefeiertste Schauspielerin Pe
tersburgk, das vergötterte Idol der Kava
litte und Coulissensnobs. Tie dachte an
keine niedrige Veraellungi die hatte nur
kühl und fast spöttisch gelächelt, als er
sie vor drei Wochen um eine Beendigung
ihr bisherigen Beziehungen bat. ' Hatte
gelächelt und noch eine halbe Stunde mit
ihm geplaudert und zum Abschied leicht
hin gesagt: Vielleicht hast Du recht. Bra.
L i?i?la . . . nicht erst warten, bis das Glas
zur Neige geleert Ist.'
So hatte sie damals gesprochen, ehe sie
ging. Nun kam sie noch einmal.' Er 6e
griff das nicht...
Bls der Rittmeister Tscharowitsch den
Salon betrat, stand Wer Michailowna
vor einer kleinen Vitrine neben der Thür.
Lächeliid streckte sie ihrem ehemaligen
Freunde die Hand entgegen, die er an
seine Lippen zog. .Bist Du mir böse,
Walodja, dakz ich Dich noch einmal aufs
suche?" '.
.Wie . kannst Tu so etwas sagen.
Wera?I" murmelte er.
Sie lies, sich nieder. Bitte, gieb
mir eine Ciarette." ' . ,
Dienstbeflissen zog er das schmale gol
dene Etui. ,
Schweigend rauchten sie. TaS Clgaret
nhflhiff fnifltf stuf snnst nhft trtat S
-71, - - - " -
ganz still.
Wera Micliilowna Pradenief schien
lange zu überlegen. , .
Und aus dieser webenden Lautlosigkeit
heraus begann sie endlich zu sprechen.
Walodja heut sind es genau drei
lochen, dah Du Dich von mir trenntest.
Äanch andere Frau hätte sich vielleicht
' dagegen gewehrt, hätte sich an die zwei
Jahre gemeinsamer 'enger Bezichungen ge
klammert, aber ich gab Dich frei." j
Ja das thatest Du. Weil Du. eine!
seltene Frau bist: anders als alle anderen."
Ich gab Dich frei, weil Du von Tci
riet Z,llnst sprachst, an die Du jcht den
ken mühtest weil Du kurz vor der Ver
lobung mit einer Dame ständest, denn
familiäre und gesellschaftliche Beziehungen!
iir Deine Karriere von !ngender Be
iMiiniiniiiiii:iiiiiiii!iiiimiiiiii:iiiimiim!iiiii!iiiiiiiniiiiiiii!ii iiiiiiiimmiKiiiiiiiiiimiiiiiimiiiiimim
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rikgoneriaik
Wir erwarteten s,egeölcwuht die
Aiikunst der dtiitschc,, Barbaren vor
. Liittick
Presse,
deulung feien. ,
Du hast mir damals als Entgelt einen
Check Über hunderttausend Rubel zur Ver,
fiigung gestellt. .Ich wies ihn zurück,
heute, Walodja, würde ich diese hundert
tausend Rubel nicht wieder ablehnen."
Dieser letzte, so gleichmüihig hingeworfene
Satz riß ihn jählings hoch.
.Wenn Du mich ein paar Minuten ent
schuldigen willst ... Ich werde den Scheck
sofort noch einmal ausschreiben." .
Ich! plötzlich lächelte die schöne reifere
Frau wieder in sich versunken, wie in
lauerndem Werten.
Möchtest Du nicht wenigsten vorher
erfahren, was ich Dir diesmal als Re
vanche zu bieten habe? Ich stehe Dir
nicht als Bittend? mit leeren Händen
gegenüber, Walodja. Ich weiß einen Ge
genwerlh, der sich in Zahlen wohl nicht:
abschätzen läßt." ' - !
Ihre Worte waren wie in hastender
Strom, dessen Rauschen man hört, dessen
Melodie man nicht versteht. . ,
OraniSIaw Tscharowitsch nahm zögernd
wicoer Platz ihr gegenüber, die noch
immer reglos in ihrem Sessel lehnte.
, Aber daö unerklärliche Lächeln um die
fkingezeichneten Lippen da drüben war er
loschen. In Wera Michailowna Prade
nieffs sonst so kühlen Augen flackerte sah-
Ics, gcsabkliches Licht.
Was ich Dir jetzt sage, ahnt kein
Mensch in ganz Petersburg, Walodja
Als ein todtverschwlegenes Kcheimnis habe
ich es bis heute gehütet. Du aber muht
dies Geheimnis erfahren, und wehe Dir
kommt ein Laut davon über Deine
Lippen! Ich heiße nicht Wera Michai
lowna Pradeniesf doch ich wählte die
sen Namen an demselben Tage, an dem
mein Bruder wegen politischer Umtriebe
feincS Ranges als Leutnant der Grodno
Husaren entkleidet und auf Lebenszeit in
die Bleibergwerke von Tomsk verbannt
wurde."
Der Jllyrier starrte sie mit großen
Augen an.
Dein Bruder? Wera Michailowna
Du hast einen Bruder? Tu erwähntest
ihn nie."
Stumpfe Müdigkeit Lberrann ihr Ge
sicht; die Stimme klang brüchig, fast opa
th'sch.
WcShalb sollte ich es thun?i Sr war
ja lebendig begraben er würde nie mehr
zu den Mnsch'en zurückkehren. Seit zehn
Jahren ist das so. Walodja! Und Immer
schweigen müssen! Nie all die Qual und
Sehnsucht herausschreien dürfen! Nie
jemanden an der Seite haben, der Er
lösung zu bringen vermöchte! Jetzt aber
habe ich einen Menschen gesunden, der
meinem Bruder die Freiheit wiedergeben
wird. Gewaltiger Mittel wird es bedllr
sen, ihn aus der sibirischen Hölle heimlich
in? Ausland zu schassen. Eine Legion
käuflicher Kreaturen Polizei nd fio
saken und Aufseher und Bauern muß
bestochen werden. Und dazu sollen mir
die hunderttausend Rubel dienen, die Du
mir vor drei Wochen botest."
Dumps und dlisttt hatte sie zu sprechen
begonnen allgemach aber wuchs die
Stimme, klang wie tönendes Erz.
Und der Rittmeister Tscharowitsch
starrte in ein Gesicht, aus dessen zarten,
helltonigen Wangen kreisrund gezirkelte
Flecke hektischen Fiebers brannten. - -
Er hatte nie von diesem Grodno-Husa
ren gehört, den ein tragisches Verhängnis
in grausiges Unheil verstrickt. Er grübelte
auch nicht, wie die Rettung bewerkstelligt
weiden könnte.
Er , glaubte Wera Michailowna und
sehnte sich nach ihrer Liebe und athmete
ruckhaft unter dem dämonischen Zauber
dieser' Rahe, dieser Schönheit, dieser,
Erinnerungen, die sich über die Leere der
letzten drei Wochen mit nnnbetbörender
Farbengluth hinwegranktcn.
Er stammelte abgerissen: Das Geld...
Omaha Xriliüiir,
ich sagte j, selbstverständlich... so
fort..."
Da war Wera Michailowna Pradeniesf
wieder die kühle d,Sz,pl,ni:te vornehme
Dame der großen Welt.
Ich danke Dir. Und nun sieh, waö
ich o!S Revanche zu bieten habe."
AuS ihrer Handlasche zog sie ein eng
zusammengerolltez. dünnes Pergament,
entfaltete eZ, reichte es ihm.
Verständnislos, mit ungläubig scheuem
Staunen tasteten sich seine Augen darüber
hin. Da waren Striche Zeichnungen
Halbbögen schraffirte Linien
Zahlenkolonnen von minutiöser Kleinheit
und schwindelnd winzigen Bruchberech-
Nunc.kn.
Und gleichsam wie in Bestätigung ver
stört aufschießenden Wahnwitzes wehte von
jenseits des Tisches eine eisige, spöttisch
überlegene Stimme herüber: Die Zeich
nungen und Daten des Verschlußstückes
der neuen Feldaitillkiiegeschlltzk, die in der
russischen Armee demnächst zur Emsuh
rung gelangen!"
Das Schweigen sank mit tausend gei
sterhaften Stimmen.
Der Jllyrier war zurückgewichen. Das
Pergament zwischen seinen Händen flog.
Wera Michailowna..." murmelte er
halberftickt.
Sie hob in lässiger Abwehr die Schul
tern. 5?c1ne Komödie, Walodja. .Legt der
Militärattachö der illyrischen Gesandt
schaft seinem Kriegsministcrium dies Per
gament vor, dann ist ihm eine glänzende
Karriere gesichert. Oder meinst Du, Ich
weiß nicht, welches Eure Aufgabe hier ist
weig nicht, wie die Balkanstaaten sie
berhaft daran arbeiten, die geheimen Ein
zelhciten der russtschen Heeresbewaffnung
zu erfahren?
Eure Regierungen haben sich .in den
panslawistischen Narrcnwahn nicht hinein
reißen lassen Sie hassen den Koloß,
der sie einmal alle zertreten will. Run,
Herr Rittmeister Tscharowitsch auch
ich hasse dieses Rußland um mcines un
glücklichen Bruders willen. Ich hasse es
vollkommener, als ich eS verrathen kann.
Aber wenn einmal an der Newa die blu
tige Schicksalsstunde schlägt, dann will
auch ich meinen Theil dazu beigetragen
haben. Und dann erst dann werden
mein Bruder und die letzten zehn Jahre
gerächt sein!" 1
Der Jllyrier hielt die Hände um das
Pergament gekrallt. Tausend Gedanken
zitterten durch sein Hirn; tausend Frag.en
brannten auf seinen Lippen. Nur eine
einzige sprach er aus: Aber diese Zeich
nungen wie hast Du sie an Dich ge
bracht?"
Sie sah ihn hart und finster an. Die
Nüstern ihrer schmalen, leicht gekrümmten
Nase zuckten in mühsam gebändigter Er
regung.-.
Ich habe mich weageworsen an einen
Menschen, vor dessen Nähe mich ekelt. Er
ist einer der AbtheilungSchcsS des Kriegs
Ministeriums. Heute Nacht mischte ich
ihm einen Schlaftrunk in den Wein. Eine
Stunde später saß ich an seinem Schreib
tisch, den ich mit seinen eigenen Schlüs
sein geöffnet hatte. Ich wußte, daß er
zur Nachprüfung dort in einem Geheim
fach die Zeichnungen des neuen Fcldge
schütze aufbewahrte. Ich habe sie bis 'in
die geringsten Einzelheiten kopirt. Die
Originale liegen wieder in dem Geheim
fach diese Durchschläge sind bis in!
Detail genau. Ihr könnt Euch bedin
gungslos daran halten. Damit laß es
genug sein. Gilt dies Pergament ver
illyrischen Regierung hunderttausend Ru
bek, dann fülle den Check aus,, und ich
nahm kein Geschenk von Dir!
Als der Rittmeister Tscharowitsch am
Nachmittag vom Marsowoje Pole in seine
Wohnung zurückkehrte und sich gerade
überschlug, daß er noch den direkten Nacht
zug nach Goritz erreichen könne fand
er die Wohnungsthür weit offen; auf dem
Flur in eine Ecke gedrückt stand sein Die
ner, bewacht von zwei Polizisten.
Die Zimmer waren ein einzige wüste
Chaos Schränke aufgesprengt, Echub
laden herausgezogen, Teppiche hochgcschla
gen, Sessel umgestürzt, die schon gepackten
irii
wutiuiMfr, ü. Feli., 1915. Stile ö.
Wir licsien den Feind an unsere
ForlS herankomme nd
beiden Koffer gewaltsam wieder aufge
rissen und Wäsche und Garderobensillcke
in wirrer Unordnung verstreut.
Gott mit diesen kleinen Vasallen
siaaten machte man kein große! Aufheben!
Im Wohnzimmer drängten sich ein
paar Offiziere und Beamte der politischen
Polizei.
Der Attache stand wie vom Donner ge
rührt und starrte mit iiberweüen Augen
in dieZ Tohuwabohu.
Eisiges Schweigen ringZum. Mühsam
raffle er sich auf, zwang die Angst nieder,
die ihn ankriechen wollte.
Was was bedeutet . . .'
Ein weißhaariger alter P.idpolkownik
war dicht an ihn herangetreten.
-Sie beabsichtigten heute noch zu ver
reisen, Herr Rittmeister?"
Aller dings, Herr . . . Oberst,'
Ich bedaure, Ihnen diese Erlaubnis
nicht geben zu können."
Der Jllyrier brauste auf.
Mit welchem Recht. Herr Oberst . .
In dem von Trunk und Lastern zerstör
ten Bulldoggengesicht des alten Tronpiers
war ein philosophisch beiläufiges Lächeln.
Vor zwei Stunden wurde das Kriegs
Ministerium benachrichtigt, daß Sie sich
aus unerklöiliche Weise von den Konstruk
tionszeichnunaen der neuen russischen Feld.
geschütze Durchschlage verschafft hätten. Es
war keine Zeit zu verlieren; daher mußte
die Durchsuchung der Wohnung in Ihrer
Abwesenheit vorgenommen werden. Ich
bcdaurc das selbstverständlich im übri
gen fanden wir dies Pergament hier in
dem doppelten Boden des großen Rohr
plattcnkofsers." In der Rechten, die er
bisher aus dem Rücken verborgen, hielt er
eine schmale dünne Rolle. Wera Michai
lowna Pradeniesf hatte sie heute Vormit-
tag ihrer Handtasche entnommen.
Um Branislam Tscharowitsch taumelte
das Zimmer. Seine Stimme war, als
fiele in Hammer emf splitterndes Holz:
Und wer wer hat das Kriegs
Ministerium davon benachrichtigt?"
Die Beantwortung dieser Frage liegt
außerhalb meiner Kompetenz."
Da wurde der Rittmeister fahl bis in
die Schläfen.
Das war Wera Michailownas Werk.
Damals vor drei Wochen war sie von ihm
gegangen lächelnd die Stunde der Rache
vorbereitend. Hatte sich an einen unge
liebten Mann weggeworfen, um einei
Schuldbeweis zu erlisten: hatte das Mär
chen deS verbannten Bruder? ersonnen
und den Geliebten, der ihrer überdrüssig
geworden, auf tückischen Boden gelockt.
Wera Michailowna Pradenieffs räch
gieriger Haß hatte den Mann vernichtet,
der seinen Ehrgeiz gegen ihre Liebe ins
Spiel geworfen. Sie wußte das Spiel zu
gewinnen.
Der Rittmeister Tscharowitsch fühlte
einen würgenden heißen Druck in der
Kehle. Blanke Funken tanzten ihm vor
den Augen. Fröstelnde Schauer jagten
seinen Körper hinab. Vorbei alles zu
Ende gescheitert an dem tödllich ver
mundeten Stolz einer Frau ... und
irgendwo im Schemenhaften dämmerte
drohend Sibiriens Wüste auf, die schon so
manche strahlende Zukunft erstickt hatte, die
auch Branislam Tscharowitsch Leben mor
den würde.
Vorbei zu Ende keine Kopeke mehr
die nächste Stunde werth..
Und wie aus dicken, ziehenden Nebel
schwaden die verbrauchte Stimme des
alten Offiziers: Herr Rittmeister Tscha '
rowitsch im Namen seiner Majestät ,
des zzaren ... ''
Weiter kam er nicht unter einem ge
waltigen Stoß, der seine Brust traf, tau
melte er zurück.
In der nächsten Sekunde heiser aufbrlll
lende Männerstimmen . . . und das Klir
ren von Sporen ... das grelle tschcp
pernde Aufschlagen von Pallaschen
rasende Hetze durch eine Flucht verwüsteter
SDiume. Sie erreichten den Jllyrier
nicht mehr. Die zehn Schritte Vorsprung
hatten ihm genügt, sein Schlafzimmer zu
gewinnen, mit fliegenden Händen hinter
sich abzuriegeln.
Und während die Offiziere an der vcr
schlössen Thür rüttelten, während sie mit
Mimmimiiiimiiiiiii
,;jDie Forts fon lüllich hallen sich. noch ummer:;
zogen uns ans strategischen (Minden
ein wenig zurück, aber die fforts von
Lüttick, Kalten sicb noch."
Ein Frkundlchasisdiknst.
Tine lustige Eischichte von Paul Bliß.
Doktor Bachmann war sehr schlechter
Laune. Wüihend lief er in seinem Zim
mer auf und ab und erwog alle nur er
denkbaren Möglichkeiten, wie er feine
äußerst fatale Lage in Zukunft besser zu
gestalten vermöchte; aber so viel er auch
nachsann und überlegie, er fand keinen
Auöwcg aus diesem Labyrinth von quä
lenden Sorgen.
Voll Ingrimm sagte er sich: eigentlich
geschieht mir ja ganz recht, weshalb auch
mußte ich mich in dies elende Nest setzen!
Ja, es war nicht sehr klug gewesen von
dem guten Herrn Doktor Bachmann, sich
hier als Arzt niederzulassen, um so mehr
unklug, als der alte graue Saniiätsrakh
alle Patienten an der Strippe" hatte.
Aber, der junge Doktor hoffte eben auf
sein Glück und auf die siegende Kraft der
Jugend, mit der er den alten Herrn aus
dem Felde zu schlagen dachte, um wenig
stens einen Theil der reichen Praxis für
iia, zu gewinnen. Toch wie anders war es
gekommen! Wie hatte diese stolze Hoff
nung sich als gar sehr trügerisch ermiesen!
Nun war er schon drei volle Monate hier,
ud in dieser ganzen Zeit hatten sich wirk
lich genau drei Patienten eingesunken,
ausgerechnet drei, also für jeden Monat
einer, und von denen war der eine ein
Trinker lum nicht zu sagen Säufer), der
andere ein Armenhäusler und der dritte
so arm, daß er heute noch nichts bezahlen
konnte. Das waren seine Einnahmen. Da
von sollte er nun leben (sogar standesge
mäß leben), sollte Miethe und Auswartung
zahlen, sich gut kleiden und sogar auch noch
Steuern zahlen ach, es war ja einfach
um sich aufzubaumeln!
Wüthend lief er hin und her und harrte
der Patienten, die da nicht kamen. Lacher
lich! Weshalb er eigentlich nur Sprech
stunden hatte! Er hielt ja doch stets nur
Selbstgespräche. Und dabei sollte jetzt die
Ouartalsmicthe gezahlt werden, ganz zu
schweigen von all den ander Rechnungen,
die ebenfalls der Bezahlung harrten.
Wo hernehmen? Seine Ersparnisse
waren aufgebraucht, Zuschüsse von Hause
gab es keine, Kredit hatte er ebensowenig
wie also Siath schaffen?
Da plötzlich ging die Klingel.
.Ah!" Erwartungsvoll stand er da
und harrte, wen die Aufwärterin melden
würde. Aber auch diesmal war die
Freude wieder umsonst, kein Patient war
es, sondern nur der Briefträger, der einen
dicken Brief brachte.
Lächelnd, restgnirt öffnete er daS Ku
vert und entfaltete einen langen Brief,
den sein Freund Bcrger ihm schickte. Der
gute Junge hatte sich vier Jahre in der
Welt herumgetrieben, hatte sein Erbtheil
mit Eleganz durchgebracht, nun war er
müde" geworden, wollte sich jetzt irgend
wo in der Residenz festsetzen, von den
Erträgnissen seiner Feder leben und sich
eine reiche Frau suchen. Das alles theilte
er seinem alten Jugendfreunde ach
mann in diesem Briefe mit.
den Säbelknäufcn das Schloß zu sprengen
suchten, während einer der Polizisten zur
Küche stürzte, ein Handbeil zu holen . . .
fiel drinnen ein Schuh: wie abgehackter
Peitschenknall, Man hörte dumpf auf
schlagendes Geräusch, das Zersplittern
irgendeines heruntergerissenen Kristallfla
konP . . 7 danach wurde es still ganz
still. Da übcrrann daS vertrunkene Ge
ficht des alten Padpolkownik wieder da?
stille Philosophenlächcln.
Laßt Euch Zeit. Kinder ... der Mann
da drinnen hat keine Eile mehr!!"
Acht Tage später erlebte Petersburg ein
gesellschaftliches Ereignis ersten RangeS.
Der alte Fürst Gawrila hatte ganz
plötzlich zu einem glänzenden Ball geladen.
Hunderte on Gästen drängten sich in den
prunkvollen Sälen des Palais. Die Blü
then des Adels und der Plutokratie. der
Kunst und Wissenschaft eine blendende
Revue der Schönheit, .des Geiste, de
Als der verzagte Doktor diese lange
Epistel durchlas, kam etwaS von dem
alten tollen Jugendübermuth in seine
Seele, und es ward die Hoffnung in ihm
rege, daß dieser Freund ihm auf' irgend
eine Art bcistehcn konnte. Kurz ent
schlössen setzte er sich hin und schrieb dem
Freunde einen langen Brief, in dem er
ihm seine hoffnungslose Lage schilderte
und um seinen Rath und Beistand bat.
Es verging denn auch kaum ein Tag.
als bereits Antwort vom Freunde kam;
in sehr ulkiger Weise schrieb er, daß er
ihm zwar kein Geld schicken könne, weil er
selber nur auf Pump lebe, doch versprach
er, ihm mit einem Schlage aus seiner fa
talen Situation erretten zu wollen; das
Wie möge er ihm nur überlassen.
Doktor Bachmann lächslte stillvergnügt
und dachte: jedenfalls wird er wieder
einen feiner berühmten tollen Streiche in
szeniren wollen.
Darüber vergingen ungefähr vierzehn
Tage, für den Doktor natürlich vierzehn
patientcnlose Tage; doch da geschah mit
einemmal etwas, das beinahe wie ein
Wunder aussah.
Eines Tages kam ein sehr vornehmer
Herr, begleitet von einem ebenso vorneh
men Diener, in dem Städtchen on und
miethete vier Zimmer in dem ersten Hotel.
Der Wirth verlor vor Aufregung so
fort den Kopf und wußte nicht, was alles
er thun sollte, um dem illustren Gast das
LogiS so angenehm als möglich zu machen.
Der Fremde aber erklärte höflich, doch
in sehr bestimmten Ton: Bitte, machen
Sie sich gar keine Umstqnde. Daß ich hier
bin, ist nur ein Zufall. Ich war auf der
Reise nach Paris, wurde aber unterwegs
von meinem alten Uebel befallen, so daß
ick hier die Reise unterbrechen mußte. Ich
könnte ja nun meinen Leibarzt tclcgra
phisch herrufen; leider aber ist er krank;
also schicken Sie mir sofrot Ihren besten
Arzt her, den Sie hier haben."
Der Wirth machte einen tiefen Diener
und verschwand, um sofort den alten
Sanitätsrath herrufen zu lassen.
Inzwischen aber war die Neuigkeit be
reitö wie ein Lauffeuer durch die Stadt
gegangen, die Neuigkeit, daß ein Für't oder
Prinz im Hotel wohne; es sei ein äußerst
vornehmer Herr, das bewiesen schon der
aristokratische Diener und das , sehr ele
gante Gepäck; wer er aber sei, das wisse
keiner genau, er reise inkognito unter dem
Namen Hermann von der Mark", und
sogar die Wappen und Initialen auf den
Koffern seien verklebt, damit niemand sie
erkenne. So war das Städtchen in großer
Aufregung, denn feit undenklichen Zeiten
war ein so vornehmer Gast nicht vage
Wesen.
Nach enier halben Stunde erschien der
alte Sanitätsrath. Er untersuchte den
Patienten, der ihm seine Krankheitserschei
nungen sehr eingehend mittheilte, machte
dann ein sehr ernstes, gelehrtes Gesicht,
verordnete Ruhe, verschrieb ein langes Re
zept und kündigte seinen Besuch für mor j
gen früh wieder an. I
AIS aber am anderen Morgen der Wirth
kam, sich nach dem Befinden des hohen
Reichthums und der politischen Korrup
tion. Und als die Lakaien die Sektkelche
gefüllt hatten da erhob sich der HauS
Herr und verkündete seine Verlobung mit
der gefeierten Interpret! klassischer
Frauengestalten . . . mit Wera Michai
lowna Pradeniesf Rußlands größter
Tragödin, Rußlands schönster Frau, Ruß
lands Schützcrin!
Denn sie war eS gewesen, die gestern
fiir die Liga zum Ausbau der russischen
Flotte hunderttausend Rubel gezeichnet
sie war es gewesen, die den illyrischen
Spion verrathen sie war es gewesen,
die ihr Vaterland vor einer Katastrophe
bewahrt hatte!
Und während der goldiiberladene Prunk
saal des Palais Gawrila widerhallte von
den brausenden Huldigungen Hunderter
begeisterungstrunkener Stimmen . . . stand
Wera Michailowna Pradeniesf mit halb
geschlossenen Lidern und lächelte ... in
sich versunken gesättigt unnahbar.
im um: mm immmmmimmmmiimmm imimmmmim,
Nngnst 1915. Einzug der deutschen
Sieger in , Berlin. Die FortS von
üiHticli baltcn sich noch immer."
Herrn zu erkundigen, erklärte der Diener
sehr reserviert, daß der Herr eine äußerst
schlechte Nacht gehabt habe, und daß die
Medizin gar keine Linderung gebracht
habe.
Dartiber war der Wirth ganz untröstlich
und schickte sofort zum Sanitätsrath, der
denn auch sofort wieder erschien, ober
äußerst ungnädig empfangen wurde, weil
das Leiden sich noch verschlimmert hatte.
. Der alte Herr wollte sich keine Blöße
geben, aber er wußte absolut nicht, was er
von den Angaben deS Patienten halten
sollte 7 indessen verschrieb er wiederum ein
Rezept und empfahl von neuem Ruhe und
Schonung.
Doch auch das war ohne Erfolg, den
am Abend des Tages erklärte der Fremd
sehr energisch: Schaffen Sie mir eine
anderen Arzt, oder ich fahre sofort ab."
Tarauf wußte der geängstigte Wirth
sich keinen anderen Rath, als sofort den
jungen Doktor Bachmann holen zu lassen.
Zwar versprach er sich ja keinen Erfolg
davon, aber man konnte eö wenigstens
versuchen.
Als der Bote zu Bachmann mit der Ve
siellung kam. war der junge Arzt der
maßen verblüfft, daß er sich kaum fassen
konnte, indessen sagte er sich sofort: Don
nerwetter, diese Kur, falls sie gelingt, kann
dein Glück machen!" Also eilte n in'ö
Hotel.
Athemloö vor Aufregung trat er in da
Krankenzimmer, ging leise an da Bett
und stand plötzlich still, als sähe er eine .
Geist.
Der Kranke aber richtete sich hoch, reichte
ihm lachend die Hand und sagte: Guten
Tag, Bachmann, jawohl, ich bin's! Halt's
Maul! Mach keine Dummheiten und spiel
deine Rolle gut, denn ich bin gekommen,
dir zu helfen!"
Der junge Doktor hatte zwar sofort en
Jugendfreund erkannt, aber alles andere
begriff er immer noch nicht ganz.
Der Freund aber erklärte weiter: Na
türlich behandelst du mich jetzt. Der alte
Knabe wird überhaupt nicht mehr em
pfangcn. Du machst mich jetzt gesund,
und dann sollst du mal sehen, wie von nun
an die Patienten zu dir gelaufen kommen!"
Aber was fehlt dir denn. Mensch?"
fragte Bachmann noch immer erstaunt.
Nichts fehlt mir! lachte der andere. ,
Deshalb eben kann ich ja meine Rolle
so gut spielen! Jetzt verschreibst du mir,
was du willst. Das werde ich vorschrifts
mäßig fortgießen, und in vier bis fünf
Tagen bin ich dann durch deine Hülfe ge,
fund. Berstanden?"
Doktor Wachmann lachte, dennoch aoe
that er, waö der Freund ihm geheißen.
So vergingen also fünf , Tage. Und
am sechsten war der fremde Herr gesund
und wohlauf.
Auch diese Neuigkeit ging wie errt Laus
ftucr durch das Städtchen. Und wie mit
Wunderkraft gehoben, 'war der gute Dok
tor Wachmann plötzlich der Held des Ta
5.
AIS aber am siebenten Tage der fremde
Herr aar im offenen Wagen mit dem jun
gen Doktor spazieren suhr, da war es bei
allen maßgebenden Einwohnern ausge
macht, daß der neue Arzt unbedingt ein
Kapazität sein müsse.
Am achten Tage reiste dann der Fremd
wieder ab, geheimnisvoll, wie er auch ge
kommen war..
In den Sprechstunden des Doktor Back
mann aber drängten sich von nun an die
Heilung suchenden Patienten.
Unzuverlässige TheaterTircktoren.
Noch nie war die Liste der Theaterdk
rektoren, vor denen die Deutsche Bühnen
genossenschaft warnen zu müssen glaubt,!
so zahlreich, wie zu Beginn dieses Quar
tals. Nicht weniger als 66 Direktoren
darunter such einige weibliche BUHnen
leiter wurden auf die schwarz List"
gesetzt. Natürlich befinden sich unter ihnen
schon sehr viele, die seit Jahr und Tag
auf der Liste stehen, aber eS sinddoch in
letzter Zeit sehr viel neu hinzugekommen,
deren finanzielle Situation es anqerathen
erscheinen läßt, bei VertragsahschlüsseiZ!
sehr vorsichtig zu sein. , "
YäßvVrkUnm
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