Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 04, 1914, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    4Af gitu IW1" Mr 111
Woderne Festungen.'
Ihre UViiur. und die Alözlichkeit ihrer Cinnalzme.
, f ' '
tk Festungen ölfftcii Baustil, b,stan.'lad iinb bekanntlich wer lüfcfal
I lll I t ,, I A i i , .. I . . . . v . .
n i" der foanistinifcu ziiens,stui!'a und
m,niKn JHiwiierien. tfmt och fv heuie
tihilUnt alle NelNiiia' ist birrniinr m
Jluilrin. Ti, A'HtaM ist tim lirn-r "Ühi.t
CP ca. 4 'mi t Hol,e und U Uiorr
Ktaele mschlesien. Vor diesem Mauer
fiinci in ,, 'iüflfffrflrabcii w ca. 10
Vieler Bretts oriittanctl. Xer ,Z!igi,,g
nt I.!dt ei fpsa butch fuflrnniniif ihnte.
Hm die 3niiuifff!iiiifl herum zidifn sich die
1 einzelnen SKarwii ,
. 3l dcm erste Nayonbczirk dürfe kei
nerlei aniesi aiw iiiitt rotroin, iiir
Zweiten Ranmibezitk mir provisorische
Faefimtrfsbeniten, 'nährend im dritten
Rayg,, bezirk Massivbauten von befiiininta
Höl aufgeführt loerbrit können. '
Außerhalb dieser drillen 'Jiaiwngreiuf
liegen unter der Erdoberfläche bie einzel
nei; Borwerke. Xiefclben Ijalxn im jitfi
fco ca. 8 Metern. Hin Innern dieser
Vorwerke ist ein bombensichere,, gefchln'
Jene Gewöll eingebaut. Hier sib bic
schweren Feitungägffiliiitje untergebracht.
Um diese! inner Gewölk herum fültt
ein nach oben zu offener Gang von ca. 10
Bieter Breite.
Xie Festung Jliiflrin bat bieft allen
Feflungsdaute noch bis heute Wiaitn,
wahrend die anbeten Festungen, i. Ist. Po.
5, Aoranu u. f. w. geschlissen würden
sind. Ader trotz dieser aller, erhaltenen
nestllNflswerkc ist Siiifirin durch neue
Festungswerke ;n eine moderne Fcstu,g
umgehandelt worden.
Tit modernen Feflunasbautiu von
denen speziell an der russischen Grenze
noch bis in die letzte Zeit hinein eine große
Anzeihl ausgeführt worden sind, find in
l drer Sauart absolut verschieden f..io,c
fuhr! worden.
Von den Ziegelbaiiten früherer Jahre
hat man ganz abgesehen und verwendet
heute lediglich nur Eisenbeton. Tie ein -zclncn
Forts sind sämmtlich unterhalo der
tfrdobeisläche angelegt. Jedes neue Fort
hat mehrere Etagen unter ber Erd-. Xie
Decke der Forts ist al Toxpclkccke ai,
geführt und jede einzelne mit stark.'!,
tahlschienen ormirl. Zwischen den t,-i-den
Decken ist eine isolircnd? Luftschicht
angeordnet. Ueber der obersten Z-P ,s!
eine Erdüberschiittung von ca. 1 Meter
Stärke oiifgebrach!,'
Tik Jeftunsisgcschiihe, welche aller;
schwersten Kalibers sind, sind ähnlich, wie
ans modernen Schlachtschiffen, rneliixn
gelagert, so daß es ihnen ermöglicht wild,
alle Richtungen vom Fort ans zu Mtrei
chen. waS bei Festungen älterer Bauart
.nicht der Fall ist. Z.'B. konnten wir
lesen, daß die AußenforlS der Feft,,
Lüttich nickt imstande warrii. nach nid";
warte, d. h. nach dem' ladtinnern zu
feuern.
Während in der ersten Ewge die Ver.
kkeidignnas Geschiitie unterste bracht sine,
oclmoen sich in der zweiten itane die
Ausenthaltsräuuie und Echlafaelegnlieit.'n
für die Mannschaften. Xie unterste
Etage enthält bie VJi k tt i t in n ö - und Pul--veikammern,
sowie die i'orrn tlirrau've siie
die Lebensbedürfnisse der '.!)!afcha, .!.
Jedes Fort ist mit einer drahtlos:
Fiir.kensteilion ausgestattet, außerdem
die einzelnen Forts uiitereinandkr durch
nterirdische Xelepbonaiilagen verbinde,
Celbsiverftändlich hat aiich jedes ',Ior!
Echeinwerser-Anlagrn. welche eine Lichte
k,är tinn rn 5,0 I kZir!i K-fihm
Der Zugang zu diesen Fort g, schieß
bon der Z.l!i!te aus d,ach eine Treppen
.anläge, welche bis zur untersten itag?
Eührt. Die sehr schweren Geschosse wer
en mittels eines elektrisch betriebenen
Auszuges ans der unteren ltage bis tut
mittelbar vor die FestuügSgeschuge hawz-,
portirt.
. .Die Einnahme eines solchen . modernen
Forts bietet einer Belagerungsarmee tech
nisch die denkbar gröszten Cchwierigkei.cn.
Erstens bietet es, da es absolut dem Erd
boden gleich ist, keinerlei Ziclobjekt und
'zweitens ist eS in dem Falle, dah die i
lagernden Batterien sich eingeschossen ha
ben, so stark nach oben hin gesichert, oaß
die einschlagenden. Granaten dem Fort
selber nur wenig Schaden zufügen können.
ajie Mogitchieti ocr tnnaqnte ein.
modernen Forts ist nur in dein Falle e
geben, daß es den belagernde Batteri'it
gelingt, durch die Schußkanäle des Forli,
bie Geschütze selber zum Schweigen
.bringen. Aber auch diese 2JIogUchfnt v
, eine, sebr äennae. wenn man bedenkt, da
'die Schußkanäle nach jedem abgegebenen
Schufz sich automatisch durch starke Pan
zerplatten verschließen. Die Wirkung des
Feuers der Fortgcschllhc, soivie bic Fest
stellung des Standortes der belagernden
Batterien, geschieht mittels Teles'ops.
welche technisch ähnlich ausgestattet sind.
' . ' rr.t.ri.. r... iriA.r.
Ivii uiz Jtmiuy uiuuucii tun uaiiu'
bvolks.
; Diese modernsten Fortanlagen find
erst in den letzten ' fünf Jahren
entstanden. Tie modernste und tech
nisch 'vollkommenste Festung ist die
Insel Helgoland. Der Bau dieser mo
dernen Festung hat einen Zeitraum von
acht Jahren in Anspruch genommen. Die
sämmtlichen Bauarbeiten wurden von der
Firma Schneider in Berlin während die
ser Zeit ausgeführt und die endgiltige
Fertigstellung der Arbeiten geschah erst
Ende vorigen Jahres.
Neben ben auf bem Lande üblichen
, Fortarmirungen ist die Festung Helgoland
noch mit einer Eztrawasfe ausgestattet
worden. Diese Wafse, über die aus hu
grciflichen Gründen nichts näheres gesagt
werden kann, ist dazu berufen, einer an
senden Flotte gefährlicher zu werd,
als eine gröszere Anzahl von Schlachtfchtf
im bie imstande ist. '
''- .. . . . . u
"-J oft UND wie lairoer mag rvvlil vuv
heute so kleinlaute England diesen Tausch
bereuen. Was kann heute be.i nglänbcrn
bet Besitz von Sansibar nützen? Und wie
werthvoll wäre heute der Besitz von Helgo
land für die Engländer. Allzu viel Klug.
s,eil baben die sonst so gcschäftstiichtig'n
Engländer bei diesem Tausckacschäst nicht
bewiesen. Damals war England
der
lachendcThcil und heute ist es Drusch-,
,i,it. nm K, !,
' i
lenninen wir nun der Eroderungs
Möglichkeit der FestunotAntiMkiie.
'.1ntireN?n gilt a!ö stärklle F.slua Äel
gieii, hat aber nicht ei einzig? moderne!
,r0kk. Zi( Landekvertkeidianna von Bei
ien hat hier densel'eil Fehler gemach!, der
,ia n ane jinegen chon so pst verhäng
tMvoll bemerkt r gemacht hg!, Sie hat
in der Bcrvollkommiliina der Belage
rungsgeschiij,e und der Entwicklung der
moderiistcn Nkikgswassen nicht gleichen
watn gehalten.
Xie Einnahme von Antwerpen wird
kaum länsier als Tage in Anspruch ney
weit und auch diese kurze Zeit läfjt sich
unkt Verwendung von Lustkreuzern und
ohne sonderliche Opfer an Menschen von
siiite de Aitgreiser noch erheblich vcr
kürzen. Ebenso wie e Antwerpen ergeht.
v,rd es auch der englischen Festung Toner
ergehen. Jlein? feindliche Flotte, und sei
sie auch noch so stark, wird diese sichere
Schiilsal abwenden können. Tcr deutsche
Wichet, den die auslandische Presse so
gi'rn mit einer Schlafmuge verglich, und
zwar in Wort und Bild, hat nicht geschla
ke. sondern ist sehr wach gewesen und Hit
dadurch allen höhnenden Nationen erne
Karte '!ufz zum knaeken gegeben. Nach der
ZeitungSmkldung sind bie Deutschen im
Besitz von Ostende und wo bleibt die a
gedrohte Beschießung von Ostcnde burch
die englische Flotte? Wollte nicht England,
ehe Ostende in die Hände der Deutschen
sällt. basselbc von der See aus dem Erd
bodcn gleich machen?
Der Besitz von Ostende ist der werth
vollste Stützpunkt für die Operationen
gegen England und endlich ist die Zeit gc
kommen, daß diese! inlrigirendc Krämer
Volk an. eigenen Leibe den so protzenhaft
heraufbeschworenen liricg erfahren wird.
Und wen werden sie dann anrufen, um
diesem himmelschreienden Unrecht, nns
ihnen geschieht. Einhalt z thun? Was
werden den Engländern ihre wenigen und
noch dazu unmoderne Festungen gegen
die mit den modernsten Waffen kämpfen-
den Deutschen nützen.' Gar nichts!
, Selbst Rußland gib!" heute schon offen
zu, daß die ihn, von seinen Allierten auf
gbürdete Arbeit, in Teutschland einzusal
lnt und Berlin zu nehmen, eine äußerst
schwielige ist, Aus diesem Zugeständnis
wird sieb, wenn die Nüssen erst auf die
eigentlichen Befestigungk Lini'en Deutsch
lands gerathen, seht bald das eine Wort
herausschälen unmöglich"!
Rußland mit seinem Herr von Spionen
kennt sicher unsere modernen Fortanlagen
und weiß sie auch gebührend zu würdigen,
Wic kläglich nimmt sich die Aeußerung des
kiiglisehen Zlrieeininisters aus, daß er im-
stände ist, in sccks Monaten sage und.
! schreibe W(),000 Äann auf die Beine zu
briiigen, gegenüber der nässten Thatsache,
daß Xeutichlaud innerhalb acht Tagui
verschiedene Millionen mobil gemacht und
auch komplett ausgerüstet zur Front ge
schielt hat. Das alte Sprichwort: Zeit
gewinnen, beißt alles gewinnen, kann in
einem Kriege, welcher tagtäglich Millionen
kostet, nicht z Ehre kommen, da heißt
es schnell handeln, siegen und Frieden
schließen, damit die jetzt für die Ehre d:s
Batcrlai,!cs kämpfenden Soldaten wieder
ihrem friedlichen Beruf nachgehen können.
Aber vielleicht laßt sich d,e beutsche. Heeres-
leitiing im Interesse des lieben Englanb
erweichen unb stellt für sechs Monate ihre
Feindseligkeiten ein, denn es ist geradezu
eine Gemeinheit, baß dos deutsche Heer
dem englischen nicht Zeit läßt, sich für
einen ttricg bis auf die letzte Ausrüstung
vorzubereiten und es ist dann fern Wun
der, wenn die Deutschen überall siegen.
Der Fall der belgischen und französt
schen Festungen ist den Berbllndeten doch
all' zu plötzlich und unerwartet gekommen
und zu spät kommt die Einsicht, daß die
Teutschen seit 7071 doch ganz erheblich
zugelernt haben. Wären die Festungen
ebenso mit modernen Forts ausgestattet,
wie es die deutschen thatsächlich sind, so
hätte bie Einnahme der Festungen sicher
so lange Zeit in Anspruch genommen, wie
bie Heeresleitung der Alliirten in ihrem
Programm vorgesehen hatte und Deutsch
land hätte bebeutenbe Opfer an Zeit und
Mensehen bringen müssen, um sich in den
Besitz bieser Ftstungen zu setzen. ;
Wir, aber,als Deutsche und deren Ber
bünbete können uns aufrichtig freuen, daß
wir unseren lieben Nochbarn nicht nur
überlegen sind in ber Luft, sondern auch
zu Lande und hoffentlich auch zu Wasser.
. ' ; 0. T.
Beschuldigung gegen König Peter.
Aus Serajewo wird der Wiener
Reichspost" von einer angesehenen Per
sönlichkeit geschrieben: Der vor vier oder
fünf Jahren verstorbene Pfarrer von
Semlin, Matthäus Strao, hatte folgendes
Erlebnis: Wenige Tage vor der Ermor
bung bei Königs Alexander unb ber Jlo
nigin Draga im Jahre 1003 erschien bei
ihm in später Nachtstunbe ein älterer
Herr, der ihn bat, ihn für bie Nacht zu
beherbergen. Seinen ?!amen zu nennen,
weigerte er sich. Als der Psarrcr ihm er
klärte, er könne einen Wann, der nicht
einmal seinen Namen Nenne, nicht als
Gast aufnehmen, er möge lieber in einem
der Semliner Hotels nächtigen, da er
widerte dieser, daß er seine guten Gründe
habe, nicht in einem Hotel abzusteigen,
er bitte ihn daher, ihn diese Nacht auf
zunehmen, er werde ihn gut. bezahlen.
Tarauf drohte der Pfarrer mit der Poli
zei, und der Fremde verschwand eiligst.
Als dann Peter Karageorwitsch als
ttönig in Belgrad einzog, da reizte den
Pfarrer die Ncugierde. den neuen König
zu sehen, und zu seinem Erstaunen er
kannte er in ihm den Fremden, der wenige
Tage vor der schauerliehen Blutnacht im
Belgrader . Äonak ihn ; uiti in Nacht-
quartier gebeten hatte.
Belanntlich
hat Muniq Peter stets erklärt, ,cm der, E:
inordnng des letzten Obtcnovies vollkom-
mcn unschuldig scin.
MriiiiWttt dir
mit dkin Angriff lins LDli!?
(tzitte znirilärische MegrUndung.)
von einem ehemaligen GeneralstabsGffiier.
Jrrtbiimliche Zluffnsfung des grisien Publikums. Vergleich de russischen
mit dem französischen .rikgoschauplat,.
denselben. Prrhttliiits der gkgcniibkrstkhcnde,, StrritkrSstk. Beschaffen'
hcit der russischen ziommuiiikationeNi Psyche dr russischen Soldaten und
Qnalitiitkil seiner Heerführer. tfinslusj event, politischer Entwicklungen,
Im großen Publikum, welche! auf bic
recht spärlichen unb au lebiglich russischer
Quelle stammenben Berichte anglophilek
Zeitungen über die Ereignisse auf beut
östlichen europäischen Kriegsschauplatz an.
stemiesen ist. tauchte in den letzten Tagen
öfter die Frage auf, warum die öster
reichischen Streitkräste nach erfolgler Mo
bilisirung in einer anscheinenden Unthä
tigkcit verharren, während die Teutschen
nach dem Falle LiittichS energisch und er-
folgreich die Offensive ergriffen haben.
Unwissende oder Uebelmollende haben da
ran sogar schon die Folgerung geknüpft,
daß die österreichische Armee vielleicht
minderwerthig sei, der ihre Führung
nicht auf der Höhe der neuesten strategi
schen Prinzipien stände. Tiefe irrigen
Annahmen zu widerlegen nd.darzuthnn,
daß dieses Verhalten vielmehr das Ne
sultat eines zwischen der deutschen und
österreichischen Heeresleitung forgsältig
erwogenen Planes ist. wird der Zweck der
folgenden Ausführungen sein.
Bumst etwa graut Theorie.
Tel Kardinalqrundsak jedes Feldzugs-
planes in großen wie in kleinen Ber-
Hältnissen welchen der größte Stratege
oller Zeiten Napoleon Bonaparte auf
stellte, und welchen er bei allen seinen
xeldzugen unverrückbar im Auge behielt,
ist:
i. Nasche und völlige Niederwerfung
der feindlichen Sireitkräfte.
2. Tann direkter energischer Vorstoß
gegen das Herz des feindlichen Reiches,
das heißt. Einnahme seiner Hauptstabt.
Ans ben ersten Blick erscheint nun das
Verhalten der österreichischen Haupt
armee an der russischen Grenze diesem
Pnnziv geradezu entgegengesetzt, bei eini
ger Erwägung ergiebt sich aber, baß mit
Rücksicht auf bie eigenartigen geographi-
chen Verhaltnisse des rufst, chen Kriegs
chauplakes, ferner auf die langsame
Konzenkrining der russischen Hauptmacht
und schließlich ans bie Psyche bei nifsi
schen Soldaten selbst, ber österreichische
Gencralstab birekt im Sinne bes oben an
geführten ersten Punktes hanbeltc.
Ein Vergleich ber geographisch - stra
tegischen Situation auf dem westlichen
mit jener auf bem östliche Kriegsscha
platz wird die Behauptung luestnlich un
terstützen.. Parallele zwischen dem sranzöfischcn
und russischen .rieg?schauplat?e.
Die Bcbingungkii für bie Aufgabe des
deutschen Heeres, Frankreich zu besiegen,
sind auf bem westlichen Kriegsschaupla
viel günstiger als für bie Oesterreicher auf
bem östlichen Kriegsschauplatz gegenüber
ben Russen.
Drei Vorbedingungen sind bereits ge
geben: 1. Die französische Armee ist bereits
konzentrirt und ihre Aufstellung im
Großen bekannt.
2. Das Hauptziel der deutschen Armee,
Paris, die Hauptstadt und , das Herz
Frankreichs, liegt durchschnittlich ca. 150
bis 200 Meilen von den ursprünglichen
deutschen Aufmarfchräumen entkernt.
3. Nachbem ber rechte (nördliche) deut
sche Flügel zur französisch belgischen
Grenze eingeschwenkt hat (was bekannt
lich jetzt im Gange ist), kann der Vor
marsch auf Paris konzentrisch, d. h. auf
zusammenlaufenden Linien angetreten
werben.
Aus diesen Vorbedingungen erglebi sich
von selbst die Richtschnur für die Aktion
der deutscher! Streitkräfte, nämlich: So
fortige energische Offensive, um die fran
zösische Armee zu erreichen und auf dem
kürzesten Wege nach Paris zu gelangen.
Der Verlauf der Ereignisse in Belgien
liefert den Beweis für die Richtigkeit des
Offensiv-Prinzipes. '
Ganz andere Verhältnisse und Vorbe-
dingungcn herrschen dagegen auf dem öst-
lichen Kriegsschauplätze:
1. Die russische Armee ist noch nicht da,
sonbern erst in Konzentrirung begriffen,
kann daher nicht mit für den Feldzug
entschcibeitbem Erfolge angegriffen wer
ben. Außerdem sind die verbündeten öster-
reichischen - deutschen Streitkräste nu-
mcrisch nicht stark genug, um die räumlich
weit getrennte drei russischen Aufmarsch
räume (siehe Artikel im Sonntagsblatt
vom 16. August), welche durch starke
Festungen gedeckt werden, rechtzeitig in
bie Hanb, zu nehmen und bereut die Kon
zentrirung wirksam zu verhindern.
2. Ein so scharf ausgesprochenes Ope-
rationsziel wie Paris giebt es auf dem
russischen Kriegsschauplatz überhaupt nicht.
Mit Paris fallt auch Frankreich, wie
das Jahr 1871 bereits bewiesen hat.
Mit bem Falle von St. Petersburg
oder Moskau ist bagegen Rußland noch
lange nicht bezwungen, wie Napoleon im
Jahre 1812 zu feinem Schaden erfuhr.
Hinter den beiden Städten dehnt sich
noch ein ungeheures Hinterland aus, auf
welches sich das russische 'Heer, wenn ge
schlagen, noch immer stützen und auö dem
es jederzeit neue Hilfskräfte heranziehen
kann.
3. Angenommen, es wäre den verbün
deten Deutschen und Oesterreichern in der
kurzen Zeit vom (!. August (Oesterresch's
Kriegserklärung) durch sofortige Offrü-
we das schier Unmögliche gelungen, die
Provinz . Nussisch-Polcn mit ihren erst-
klasiigen starken Fenungen zu , besetzen,
bevor och die Mobilisirung des russischen
Heeres durchgeführt war. Tie Haupt
Offensive der Verbündete dann au
öjlkrrkichischc Arnirk
Verschiedene Cpernlionozifle auf
Russisch. Polen gegen das Innere des russi
scheu Reiche würde sich naturgemäß ae
gen St. Petersburg oder Moskau oder
über Kiew gegen Sudrußlanb rimten
müsse, je nachdem, wo sich die russische
Hauptmacht befindet. Die Vorrückt,,,
würde sich daher rein frontal, d. b. in
einer Ln,e, oder sall d,e russischen nu
merisch stärkeren Streitkräste in Grup.
pen vertheilt wären, Zogar exzentrisch, d. h,
aus auseinanderlausenden Linien gestal
ten müssen.
Die Aussichtslosigkeit eines derartigen
Unternehmens wird aber noch sehärser
durch den Umstand beleuchtet, daß mit der
innahme von Est. Petersburg oder
Moskau noch lange lein den Feldzug tnt
scheidendes Resultat erzielt wre. (Es
wird hier ausdrücklich betont, daß scdia
lich die militärische Aussichtslosigkeit in
Betracht gezogen ist, hingegen von andern
das Resultat etwa beemflußenden Fak
toren, wie eventueller Staatsbankerott
Rußlands, Revolutionen oder Hunger?
noth etc. abgesehen wird,)
Tie Zahl im Kriege.
Ein weiterer Faktor, der die Haltung
der österreichischen Armee beeinflußt, ist
das gegenwärtige Stärkeverhältnis der
feindlichen Parteien auf dem östlichen
Kriegsschauplatz
Soweit aus den bisher vorliegenden
Nachrichten zu ersehen ist, sind von den
16 Korps Oesterreichs drei von der süd-
lichen Grenze der Monarchie gegen Ser-
dien enaagitt. ein Korps würd: zur Un
terstütziing des deutschen linke Flügels
dirigirt und 12 stehe an der galizilchen
Grenze,
Deutschland hat seinerseits anscheinend
fünf Korps seiner Feldarmee zur Ko-
Operation mit Oesterreich bestimmt, so
daß insgesammt beim Beginn der Opera-
tionen 17 Korps zur Bersiigung stanben
Der österreichischen Heeresleitung ist es
nun bekannt, baß schon zu Frie'oenszeilen
m ben brei westlichen russischen Militär
bistrikten Warschau, Kiew unb Wi!:;a 18
Korps dislozirt sind. Diese Truppen
stanben immer auf halbem Kriegsfuß,
um jede feinbliche Invasion beim Kregs
beginn abzuwehren. da sich der russische
Gcneralstab bewußt' war, daß eine solche
wegen der Langsamkeit der russischen Mo-
bilisirung zu gewärtigen sei.
Bekanntlich wurden die Truppen in den
Militär-Distrikten Kiew und Warschau
schon beim Ausbruch des Oesterreichisch
Serbischen Krieges mobilisirt, so daß sie
bis zur Kriegserklärung Deutschlands an
Rußland einen Vorsvrung von einer
Woche gewannen.
Es kann daher angenommen werden,
daß die 12 Korps (Warschau, Kiew) in
derselben Zeit auf Kriegsfuß gefetzt wur
den, in welcher die österreichische Haupt
Armee (ebenfalls 12 Korps) mobilistrte
und in Golizien aufmarschirte.
Die Russen blieben aber
vorerst in ihren MilUär-Di-strikten
st e b,e n, würben nicht kon
zenirirt, sonbern überliehen den Grenz
schütz den vorgeschobenen Kavallerie- und
Kosaken Divisionen und warteten das
Herannahen der im Innern ihres Landes
mobilisirten Streitkräste ab.
Die österreichische Armee sah sich daher
nach vollzogenem Aufmarsche einem gleich-
starken Gegner, der aber in zwei durch
starke Festungen geschützten Aufmarsch
räumen (Warschau-Brest-Litowsk-Jvan-gorod
im Norden, Kiew-Dubno-Rowno-Luck
im Osten) verblieben war, gegenüber.
Rußlands schlechtes Kommunikations
netz. .
Für eine Offensive des österreichischen
Heeres nach Rußland hinein ist ferner die
Beschaffenheit der russischen Kommuni
kationen (Eisenbahnen. Straßen) von
nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der
Verfasser war jahrelang selbst so
Wohl an der polnische wie podolischen
Grenze Ruhlands in Garnison und
konnte daher feine hier wiedergegebene
Betrachtungen an Ort und Stelle sam
mein. Die russischen Eisenbahnen besitzen eine
größere Spurweite als die österreichischen,
d. h. die beiden Räder an jeder Are sind
um ca. drei Zoll weiter von einander eni
fernt und dementsprechend auch jeder
Schienenftrang von dem andern weiter
gelegt. Nur die für den internationalen
Verkehr wichtige Linie Wien-Warschau-St.
Petersburg besitzt normale Spurweite
und dieselbe wurde gleich bei Kriegsbe
ginn, wie aus den vorliegenden Nachrich
ten zu ersehen war, durch Sprengung der
wichtigsten Brücke an der österreichisch
russischen Grenze dauernd unterbrochen.
Nachdem die österreichische Armee im
Falle einer Offensive beinahe unmittelbar
nach Überschreitung der Grenze auf die
obenerwähnten starken Festungen trifft,
ist die Mitsührung schwerer Belagerungs
geschühe schon mit der ersten Linie unbe
dingt nothwendig. Der Transport dieser
Geschütze ist aber nur per Eisenbahn mög
lich und man kann sich daher leicht den
Zeitverlust vergegenwärtige, welcher mit
der Adaptirung des österreichischen Eisen
bahnmaterials auf die russische Spurweite
verursacht wird. Daß die Russen ihr
Waggonmaterial sofort in das Innere des
Reiches zurückgezogen haben, ist selbstver
ständlich.
Dieser . Umstand verzögert,, daher im
Ansang auch etwas die Schnelligkeit der
Bonüclung der Feldarmee, da der Muni
tionsnachschub für dieselbe aitih an die
Eisenbahnen gebunden ist, -.-x.
Eirt Blick aus die Karte genügt, um ,u
zeigen, wie diel dunrer da russische Ei
senbahnned aegeniibee dem KalizienK ist,
Viele Galiz,sch Bahnen finde an der
rufIchc Grenze einfach keine Fortfegung
Beschaffenheit der Landftrahen.
Geradeza kraß kann der Unterschied
zwischen österreichisch, und russischen
Lanbstraß'n genannt werden. Wahrend in
Galizien schon ou strategischen G'ünden
in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viel
uk den uaueuuij &mu wuim, so da
jetzt ein dichte Netz ant erhaltener Weg
(vhausscen, Landstraßen, Bezinsstraßen
die Provinz bi unmittelbar an die Grenze
überzieht, sieht e sofort nach Ueberschrei
tung der russischen Grenze sowohl in Rus
sisch.Polen al noch mehr in Pooolien
ganz ander au.
Mit Auknohme der räumlich von einan
der weit entfernten unterhaltenen Reich
straften sind die Kommunikationen zweiter
Klasse durchaus elend. Meisten ohne spe
ziellen Unterbau., führen sie als regellose
Fahrstraßen über da Terrain hinweg,
sind, beinahe Nakurwcge und hangen tn
solgcdesscn hinsichtlich ihrer Passirbarkcit
außerordentlich von den Witterungsver
Hältnissen ob. Für leichte Gefährt, wie
allgemein bei der russischen Landbevolke
riing üblich, ziemlich praktikabel, sind diese
Art Wege für andauernde Belastung durch
schwere Fuhrwerk direkt nicht geeignet.
Torau erhellt, daß die vorrückende
österreichische Armee für ihre Houptkolon
nen, speziell für Artillerie-Marschkolonnen
auf die wenigen Chausseen angewiesen ist
was naturlich eme Verzögerung des Vor
marshes mit sich bringt.
Rrsumt'.
Wcnil man daher alle obenangesührlen
Faktoren kurz zusammengefaßt in Be
tracht zieht, so giebt sich, mit Rücksicht
auf die vorlaufige Aufgabe der osterreich!
schen Armee, Deutschland den Rücken zu
decken und den Russen das Eindringen in
Oestcrreich-Ungarn zu verwehren, folgende
Richtschnur für ihr Verhalten in der ersten
Phase des Krieges:
Erstens: Das zunachstlieqende Opera
tionsziel der Oesterreicher ist die russische
Hauptarmee selbst. Daher kein Vorstoß
ins Blaue hinein, sondern abwarten, bis
dieselbe in erreichbarer Nähe, d. h. nicht
zu weit von der eigenen Operations-Basis
(in diesem Falle die deuisch-galizische
Grenze) festgestellt wird.
Zweitens: Schwächung dieser russischen
Hauptarmee durch einen entscheidenden
Schlag, so daß dieselbe bis zur Entschei-
dunq der Dinge aus dem westlichen liriegs
schauplatz entweder operationsunfähig gk
macht wird, oder wenigstens längere Zeit
zu ihrer Reorganisation nöthigt.
Sobald die deutschen Streitkräfte in
Frankreich frei werden, kann hierauf an
die große strategische Offensive nach Ruß
land hinein geschritten werben.
Psyche des russischen Soldaten.
Soweit hat die Abhandlung für die
Ausklärung der Zurückhaltung der öster
reichischen Armee auf dem östlichen Kriegs
schauplatze nur militärisch und geograpjn
schen Grunde zu Hilfe genommen.
Für die Umsicht und die edes Detail
umfassende Erwägung der verbündeten
deutsch-östereichischen Heeresleitung bei
Festsetzung des Feldzugsplanes spricht laut
Ansicht des Verfassers auch der Umstand,
daß bei der Bestimmung, wie sich die v ier-
leichische Armee in der Anfangsphafe des
Krieges mit Rußland zu verhalten habe,
anscheinend auch die psychischen Eigen
schasten des russischen Soldaten als Jndi
viduum, ferner die Qualitäten der rufst-
schen Heerführer in Betracht gezogen wur-
den.
Ueber die militärische Eignung des Rus
e zum Soldaten sind bereits Bände ge.
chricben worden und es genügen daher
nur kurze Streiflichter.
Der russische Soldat rst im allgemeinen
tapser, zah und genugsam. Er denkt lang
am und handelt dementsprechend langsam,
ührt aber das Unternommene dann mit
Zähigkeit durch.
In der Geschichte der letzten 100 Jahre
hat sich der russische Soldat hauptsächlich
durch seine hervorragenden Qualitäten in
der Defensive einen Namen gemacht. Die
Stellung, die ihm zugewiesen ist, hält er,
bis er entweder den Tod gefunden oder
den Befehl zum Rückzug erhalten hat.
Von selbst giebt er sie m der Regel nicht
auf.
Es soll damit absolut mcht gesagt sein,
daß der russische Soldat nicht auch angrei
en kann. Aber er verfügt zebensalls mcht
über benselben Willen zum Siege, ben un
gestünten, nicht zu erschütternben Drang
nach vorwärts, wodurch sich der deutsche
Soldat vor allen andern auszeichnet.
Der Russe hat nicht dieselbe Zähigkeit
im Angriffe, wie in der Vertheidigung, er
läßt sich durch anfängliche Rückschläge
leickKr zur Aufgabe des Angriffes derlei
ten. als der Deutsche. Die Erscheinung
trat wie schon früher, so auch im russisch-
spanischen Kriege 1904 hervor, bc onders
in der einzigen Angriffsfchlacht von rufst
scher Seite aus, in der Schlacht am Scha
, Wie schnell kam der russische Angriff
zum Stehen und vernxindelte sich schließ
lich in eine Niederlage.
Eine wettere dem russischen Soldaten
anhaftende Eigenthümlichkeit ist ein gewis-
ser Mangel an Disziplin. Er führt einen
erhaltenen Befehl unweigerlich durch
aber nach seiner Auffassung. Er ist
von der Art und Weise, wie er den Befehl
auszuführen gedenkt, nicht abzubringen
unb erbulbet, lieber jebe Strafe.
Daß diese Eigenmächtigkeit des Indivi
duums für das auf ein einheitliches Ziel
gerichtete Zusammenwirken der großen
Masse unmöglich von, Vortheil sein kann,
liegt auf der Hand. ,
Befähigung' der russischen Heerführer.
Man muß über 100 Jahre zurückgehen,
um einen 'russischen Heerführer zu finden,
der den Namen eines Feldherren verdient.
Suworoff hat sowohl gegen die Türken
als Franzosen sein Genie bewiesen und
seine Soldaten zu Thaten geführt, wie sie
seitdem nicht mehr in der russischen Ge
schichte verzeichnet wurde. '
Skobekcsf, der sich, hauptsächlich gegen
die Türken im vorigen Jahrhundert aus
zeichnete, war eher .ein rücksichtsloser
Draufgänger, der wenig Fcldherreneigen-
Wften ausweisin tonnte.
Gernst aber kann die bübnin nd Lei
lung der russisch, Heere getrost siü recht
mmberwerihig zeichnet werden.
Den russischapanisch, Slt'ui tan
UM hat nickt der russisch Coldat. son
dern da russisch Kommando verloren,
darüber find sich &'. Gelehrte langst
einig.
Mangel o Initiative, fehlerhafte Beur
tkeilitng dee allgemeinen Lage, häusig Be
sehll.Abänderiingen waren die Kardinal
fehler, welch sich die russische Führer u
schulden omme ließen. Darau ful
tirten dann zusammenhanglose Operatio
nen, die einem energischen zielbewußten
Feinde gegenüber ungünstig fallen
mußten.
Von den damaligen Führern sind im
jetzige Kriege zwei al die Verhältnis
mäßig tüchtigst befundene abermals an
der Spitze der russischen Armeen. Gene
tal Suchomlinom, wahrscheinlich al Chef
de Geneialstave und General Rennen
kamps al Führer einer der Armeen.
Tie jetzige russische Heereöleitung, sowie
der russische Soldat haben daher ihre
Qualifikationen zu einem Angriffskriege
im größten Stile noch zu erbringen. Es
ist entschieden leichter fünf Villionen Sol
daten auf die Beine zu bringen, als diese
Riesenarmee zu leite und zum Siege zu
führen.
Diese Erwägungen scheinen bek der Fest
setzung des anfänglichen Verhalten der
österreichischen Armee beim Kriegsbeginn
vielleicht auch maßgebend gewesen sein. .
Tie Entwicklungen in Russisch?!?
als politischer Faktor.
Tie Entwickelung der politischen Lage
in Russisch-Polen ist zwar vom militari
schen Standpunkt aus für dt Verhalten
der österreichischen Armee nicht maßgebend,
Aerlm am Hage
SelbstnlebteS von
Eine ängstliche Spannung, die die Her-
zen zuschnürte, lag am 1. August über der
Bevölkerung Berlins. Das Ultimatum
Deutschlands an Rußland, eine bündige
Erklärung, daß es abrüste, zu geben, lief
um 3 Uhr Nachmittags ab. Jeber wußte,
daß Krieg ober Frieden von dieser Ant,
wort abhing. Die Möglichkeit, den Krieg
abzuwenden, war ja noch vorhanden, und
diese schwache Hoffnung erhöhte die ner
vöse Ungewißheit bis zur Unerträglichleii.
Das geschäftliche Getriebe der Stadt war
natürlich gelähmt. Jeder harrte auf die
erlösende Antwort aus Petersburg.
Von Stunde zu Stunde vergrößerten
sich die Menschenmassen, die zum König-
lichen Schloß zogen, in welchem der Kaiser
am borhergehenden Tage Wohnung ge
nommen hatte. Der Platz ringsum war
von Tausenden und Abertausenden besetzt,
sodaß an ein Vorwärts ober Rückwärts
nicht mehr zu denken war. Die Unruhe
stieg von Minute zu Minute, je näher der
Enbzeitpunkt des Ultimatums ruckte. Diese
Unruhe drückte sich jedoch nicht in Kund-
gedungen aus, sondern in den Gesprächen,
die sonst ganz fremde Menschen mttetnan-
der führten. Im Schloß war keine Bewe
gung zu bemerken. Einige Würdenträger
und Prinzen fuhren in das Hauptportal
und wurden mit Hurrahrufen begrüßt. Als
die Nachmittagsstunden abliefen, ohne daß
etwas Offizielles bekannt gemacht wurde,
da fühlte jeder, daß die Würfel gefallen
eien: plötzlich, ohne andere Veranlassung
als die allgemeine Entspannung aus der
Ungewißheit erbrauste Deutschland,
Deutschland über Alles" aus wohl hun
derttausend Kehlen. Immer wieder er-
klangen die patriotischen Gesänge, wie
Die Wacht am Rhern' und .Heil Dir
im Siegeskranz" über den Lustgarten und
Schloßplatz.
Plötzlich trat Stille em. Aus dem
Schloßihor trat der Kaiser umgeben von
Generälen und hohen Beamten. Tiefernst
ah er aus. Mit erhobener Hand gebot n
der Menge, sich ruhig zu verhalten, und
dann verkündete er den versammelten Bür
gern, daß alle seine Bemühungen, den
Frieden zu erhalten, erfolglos geblieben.
In bewegten Worten forderte er jeden
Diurschen auf. in dem bevorstehenden
ch! eren Kampfe feine Pflicht voll und
ganz zu thun. Das Schwert tt dem
deutschen Volke gegen seinen Willen in die
Hand gedruckt worden, aber im Vertrauen
auk seine gerechte Sache und auf Gott
würden die Deutschen es zu schwingen der-
stehen.
Unter dem tiefen Eindruck, der tat er
lichen Worte blieb dirs riesig Menschen
masse minutenlang vollständig still. EZ
wurde sich wohl jeder des Ernstes der Lage
bewußt. Endlich wurde das drückende
Schweige aekeocken und feierlich erklan-
gen die patriohschen Weisen über den gro
ßen Platz. Der Kaiser zog sich in seine
Gemächer zurück zu nstm, schweren Be
rathungen. Die Volksmenge verlief sich je
doch nicht und blieb biZ tief in die Nacht
mein.
DaS Stadtbild war gänzlich verändert.
Autodrofchken und Wagen und Pferde wa
ren von den Militärpersonen gänzlich in
Anspruch genommen. Der elektrische Bahn
dienst war disorgamsirt. Vom zweiten
Mobilisationstage an gab es keinen Perfo
nen oder Güterverkehr auf den Eisenbah
nen. Die Räder der Maschinen in den
Fabriken standen still. Aus dem friedfer
tigen, geschäftigen Deutschland war ein
Volk in Waffen geworden, Millionen
drängten sich zu den Fahnen. Die zum
Frontdienst untauglich befunden, bewach
ten Brücken, Bahnkörper, Eisenbahnstatio
nen. Jede Frau und jedes Mädchen wollte
das ihrige beitragen und meldete sich zur
Pflege von Verwundeten.
Vor dem Kaiserlichen Schloß versam
melten sich täglich Tausende, um den Kai
er zu sehen, bis er selbst die Bevölkerung
bat, diese Kundgebungen, deren Geists er
aucuunnie, zu untciiai,en, oenn er murje
eine Entschlüsse in Ruhe fassen können.
Dem russischen Gesandten Ware die
Pässe eingehändigt worden, und eine parke '
Schutzmannschaft bewachte das Botschofts
gebäude Unter de Lindenünd verhin-,
kann aber als poliiischer Faktor Eiiisluk'
aus de Zeitpunkt de Biiinej der Cf
fensive haben.
Wie ziemlich ungenaue Nachrichten der
Mjirn Tage besagen, soll der Zat sei
Versprechen, den Polen Autonomie zu ge
währen, insofern gutgemacht höbe, als
die russische Civil und Militär Be
Horden au Warschau angeblich zurü.kgezo
ge wurde und einer polnischen Regie,
rung Platz gemacht haben. Tie jetzt groß
tentheil konzentrirte kiissisck,, Aeme ist
aber selbstverständlich In Russisch Pole
derblieben und benutzt die Provinz bor
läusig al OperalionsBasiS, fs daß als
bet Licht besehen, die mit großem Applomd
ausposaunte Autonomie eigentlich nur aus
dem Papiere steht.
Für die österreichische Offensive ist nun
die Klärung der Frage einigermaßen wich
tig. ob sich die Polen auf die Seite Oester,
reich schlagen, oder auf den gewiß ge
schickten Schachzug de Zaren hineinfallen.
Im ersten Falle könnte sie auf dar Bei
stand der Bevölkerung zählen, im anderri
wäre natürlich die obligate Sicherung der
selben, wie bei jedem Vormarsch irr Fein
desland geboten. i
. ' )
Zum Schlüsse wären noch die in elnigett
Zeitungen enthaltenen Andeutnngett von ,
inneren Wirren in der österreichischen Bio'
narchie, welche angeblich die Mobilisirung
verzögert haben sollen, zu erwähnen. Wenn
ek auch vonseiten einiger landesverrätheri
scher Slaven versucht worden sein sollte.
Propaganda für Rußland zu machen. sa
hat dies auf die Armee nicht den gering
nen Einslu, benn v,e elt lenk als Homo
geneS Ganzes über den Parteien und fußt
auf ihrer Jahrhunderte alten ruhmreichen
Tradition und der Treue zum angestamm,
ten Kaiserhaus?. i
der Kriegserlilärung.
Arthur Schüler.
derie jede feindliche Kundgebung. . Schlag
auf Schlag erfolgte dann die Kriegserklä
rung Frankreichs und Englands. Von
Frankreich hatte man nichts Andere? er
wartet, aber die Kriegserklärung Englands.'
empörte das Volk, das nicht verstehen
konnte, warum die .englischen Vettern zu
Feinden geworden waren. Einige Ueber
reizte machten ihrer Wuth dadurch Luft,
daß sie einige Fenster des englischen Bot
schaftsgebäudes iy der Wilhelmstraße ein .
warfen, ehe berittene Schutzleute es ver
hindern konnten. Das war , die einzigi
Ausschreitung, die trotz aller Provokatio
nen stattfand. Dieselbe dauerte nur we
nige Minuten und wurde in allen Zeitun
gen schwer gerügt.
Die große Masse hatte das Kesseltrei
ben, das England gegen Deutschland be
trieb, immer noch nicht verstanden, denn
auf daS Gerücht hin, Japan hätte Ruß
land den Krieg erklärt, brachte das'Volk'
dem japanischen Geschäftsträger eine mo
numentale Ovation dar. Der Neid und
die Feindschaft gegen Deutschland hat
merkwürdige Bündnisse geschlossen: Eng
land-Serbien! Rußland-Japan! Eng
land-Rutzland! Das sind Bündnisse, die
durch Haß und Neid zusammengekittet
sind, und solche Bündnisse können auf die
Dauer nicht bestehen.
Kaiser Wilhelm hak am 6. August in'
seinem Aufruf an das deutsche Volk das ,
Gefühl zum Ausdruck gebracht, von totU
ehern jeder Deutsche beseelt ist und daS den
Deutschen die nöthige Kraft zum Siegen
verleiht: Mitten im Frieden überfällt uns
der Feind. Darum auf! Zu den Was:
fett! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre'
Verrath am Vatetlande. Um Sein oder'
Nichtsein unseres Reiches handelt es sich,
daS unsere Väter sich neu gründeten. Um
Sein oder Nichtsein Deutscher Macht und
Deutschen Wesens. Wir werden uns weh'
ren bis zum letzten Hauch von Mann und"
Roß. Und wir werden diesen Kampf be
stehen auch gegen eine Welt von Feinden.
Noch nie ward Deutschland überwunden,
wenn es einig war. Vorwärts mit Gott,
der mit uns fein wird, wie er mit unseren
Vätern war!"
Aus Peking wird geschrieben: Die
Zeiten ändern sich und mit ihnen die
Haartracht! Von dem jetzigen chinesi
schcn Gesandten in Berlin Dr. Fen wird
erzählt, daß er im Jahre 1S12 vergaßt
beim Betreten der Gemacher des Prinz!
regenten die mit einem Zopfe versehenes
Kappe aufzusetzen, sc daß man bemerkte,!
daß er sich den Zopf vor Jahren hatte ab
nehmen lassen, weshalb er sich einen tat
scrlichen Tadel zuzog. Und heute? Offi
ziell ist der Zopf abgeschafft, und kein
Regierungsbeamier, kein Offizier, kein
Soldat darf ihn tragen. Speziell im
Norden trägt aber die Majorität der Bc
völkerung noch ihren Zopf, und nur we
nige trennen sich von dem gewohnten
Schmuck. Viele Handelsherren drohte
den jüngeren Angestellten mit Entlassung,
wenn sie sich den Zopf nehmen lassen soll
ten. Die Regierung, deren Edikte und
Erlasse nichts fruchteten, will nun ener-'
gisch vorgehen, und vor Kurzem sah
man in den Pekinger Straßen die Poli
ziste mit Scheeren umherlaufen, um den
armen Rikscha-Kulis den Zopf abzuschnei
den. Viele Kulis zogen es vor, das Ge
werbe des Rikschaziehens statt deS Zopfes
aufzugeben. DaS Vorgehen der Regie
rung gegenüber diesen armen Entrechteten
ist sehr unlogisch. Sie werden gezwun
gen, der Wohlhabende wird ersucht, nd
so zeigt sich, daß die Regierung selbst auf
der Bahn deS Fortschrittes noch nicht so
weit ist, um den eigenen Zopf, d. i. Nicht
Gleichberechtigung der einzelnen Klassen,
gewahr zu werden.,
Der Schlaf ist ein Dämpfer, den
daS Dunkel über die Saiten unserer
Seele spannt. Wir machen iin Schlaf
keine Wahrnehmungen, sonder,, die unbc
wußten Wahrnehmungen husch, ,, u
ftig tiber die Tasten und w:.' .. ,.,
der Idee bemerkbar. Das Rcalr ii, m''
smin Motiv dec sklbslUMM 'sjbiC. ,
'-" ' '" - Xi