Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 01, 1914, Image 5

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    Tägliche OmsZ T'ibünt
Iio Sonne.
? von QUifle eyr,n.
' Nein, (I Ist Icht oulzu'haltea mit Um
Jleinen Unhold,' rief die junge Mutler
.e-diildig aul und stampfte mit dem
fr'ifctkfchufjleii Fufcchen unwillig aus den
F.iPotwn:
'i-rft war sie ein unerhörter, kleiner
0ch;tli und NUN ist sie ein Kispicl"
Lser Ulbsd, der un tyrannisirt."
Und in der Zhal. die Klein stellte vst
fest ganze Hau aus den stopf, so voller
UtKrmuth. Eigensinn und Immcrwähreii'
d'. Unrast war sie. All Baby hatte sie
oft, fast ohne Unterbrechung, Zag und
7'zcht geschrien; und die angsterfüllte
Mutter hatte wiederholt den ihrem Hause
befreundeten Sanilstörath rufen lassen
ti.d diesen gebeten, da! Kind, da durch
ciil Schmerzen leiden und krank sein
müsse, gründlich von neuem zu unter
sieben. Lächelnd hatte der Arzt den Wunsch
der jungen ÜJliitt wiederholt erfüllt, aber
d Resultat der Untersuchung war stets
da gleiche geblieben: Gesund, gnädige
trau, kerngesund und kraftig ist die
Kleine, es fehlt ihr nicht da geringste:
ilein sie gehört zu den sogenannten
''schlimmen Kindern" und Sie müssen
)eduld haun, diel Geduld! das wird
ich spater allel geben."
J Co hatte der Arzt die Besorgn! der
Zu,,g?n Mutter zu beseitigen gesucht, sie
e;m,ahnl und i5"eu6 aus die Zriunft ver
rrieien.
Tech nun war die Kleine ja bereits
drei Jahre alt, und immer rock gehörte ste
z,i bn schlimmstcir slinMi" Da war
richt , ertrai.'n, Tische, Süihle und
Wändr l,ckriz?l: sie, und beschmierte die
Tafeten mit den Farben au dem Fat
lenkafiei, wilch'Z der närrische Bakr der
kleinen dicscr. sf.jen den W.llen der Mut
t?r, ejrsdSjeirtt hatte.
Wollte Ma'NZ die Farben fortnehmen,
r.rnn begann das Jlind ein Zetergeschrei,
als es es ct Tpieße stecke. .Laß sie
doch. U sie thun, was sie will'.' rief der
Tatcr vst, wenn Mama mit de: Kleinen
rang,
Xu wirst schon sehen. In dem Kinde
steckt ein ük-iie; ein Kunst,en!e! Wie oft
l,abe ich in den Biographien großer ctiinst
In gelesen, das? diese als Kinder immer
unbändig gewesen sind; wild und unge
be'dig wie unsere Kleine! Du wirst ti er
leben, fit wird dereinst wenigstens eine
Rosa Bonheur vdcr eine Angelika Kauf
mann."
So der hvssnungksrohe und stet gedul.
tife Vater ....
Aber Klein Ella derdarb nicht nur die
Tcveleh. die Politur der Möbel und deren
?llmastbezüae, sie zerbrach auch alles, wa!
ist in die ' Hände kam. Dak fch-" ;;
Spielzeug ersreuie sie dann erst amL.vi
s.rn sblo ti zerbrochen zu ihren Fühe
leg. Reizende, goldumrandete Tellerchen,
feine Schalen. Tassen -- alles zertrllm.
merU Le öus Muthmillm; rii ihren Pup
p! die Leiber aus und die schönen schwar
iiti vdcr blonden Locken aus - genug,
.'nichts war sicher vor der kleinen rast und
ruchlosen Zerstörerin.
, Mama schalt und strafte weidlich. Aber
wal hals das? . . . Trci Jahre! Du lieber
Colt! . . .
Zuweilen aber hatte, das Kind auch Ion
temvlative Anwandlungen. Tann setzte
sie sich, mit dem Käficht der tapetenbedeck.
itil Wand z,ia.khrt, stumm hin, und
blickte mit groben Augen unverwandt die
Tapete an.
.Siehst Tu." wandle der Vater sich
dann zur Gattin: Jefei studirt sie die
Arabesken und Figuren! In ihrem Kopfe
faulen bereits die Fresken vorau!, die der
einst unter ihrer Hand entstehen werden."
Aber Mama zog die Augenbrauen in
die Höhe und zuckte ungläubig, fast, der
awilich mit den entblößen Schultern.
EineS Tages war die junge Frau mit
htm Ausräumen ihres Antignitätenschran
keö beschäftigt, und Klcin-Ella verfolgte,
heute besonders ruhig, jede Handbewegung
der Mutter mit ihren großen, glänzenden
Vugcn. Soeben kjatte die ßcfctere ine
f.-ine, wunderschöne Base von dem Stell
hi Schrankt genommen, um dieselbe
dem Staube zu reinigen, als sie abberufen
wurde. Die unvorsichtige junge Frau
, ttt hinas und lieh das Kind bei dem ge!
Der Zigkuncr.
CMz So Mk,Hchbttg'5hZrP.
'' Auf dem alten, guinumrankten Balkon,
von dem eine kleine, schmale Hokztreppe in
'killen verwilderten Mrtm führte, lag kühl
bet Schatten einer stämmigen Kastanie
und verdunkelte die halbe Blasihür und
das mittelgrosze Zimmer. Das einzige
Fenster, das ihm noch Licht hätte geben
können, war von wildem Wein tibcrdeÄt.
Ab und zu fchliipste ein Sonnenstrahl
durch das Blättergewirr und tanzte iiber
die leichtgeadtrten, schwarzdewimperten
Augenlid deö Langschlasers. der sie
rasch hob und wieder schloß. Jetzt sinckte
und rekelte er sich, daß die fichtene Bett,
stelle knackte, gähnte herzhaft, blinzelte
Verschissen ins Tämmergrüne und griff
Mit der Hand siber den Nachtisch nach der
Taschenuhr an der altmodischen, goldenen
Kette. Zwölf Uhr! Ja. ja, e, war ge
stcr spät geworden! Mechanisch löste er
ein Blatt von dem Abreißkalender und
war dann mit einem Satz aus dem Bette,
fuhr in die Hosen und sah nach dem
Briefkasten. War denn heute kein Brics.
keine Karte für ihn eingelaufen und
war ; doch sein Geburtstag! Sein
dreißigster. Er dachte nach. Nein, da
war niemand auf der Welt, den sein
Wohl und Wehe noch anging. Die Eltern
waren todt., Geschwister hatte er nicht.
Seine Freunde? Die hatten ihn links lic.
atn lassen, als er nicht gleich vorwärts
' kam. nicht .so elegant gekleidet erschien, sie
p'ckt mehr freihalten konnte, und das
Mädchen. daS er vor Jahren geliebt,
daS hatte sich von ihm losgesagt, nachdem
er den .Oberlehrer" Wfgkgeben und die
Aussicht auf ein reiche Elbe verloren
hatte. Pah! Es ging auch so.
Nach'kmkgkr Zeit lk'pfte es, und die
öffneten Schrank Im Zimmer allein.
Kaum ab, hatt, sich die Thilr desselben
hinter der Davoneilenden gefchlosse, als
das Kind auch schon um de Tisch, aus
welchem die Lose stehen geblieben war,
entzückt herumzuhiipfen und die Händchen
i.uch dem in veischkdcncn sZarkn ftrahlin
den Gegenstand auszustrecken begann.
Lllal Kopf reichte noch nicht bis zur Höhe
des Tisches, allein die Base stand dicht am
Rand desselben. Die Kleine stellte sich
aus die ssubspitzen. reckte die Aermchen
ei Brisf und tn tasend Scherben zer
tnimmert lag das Werthstück am Fuß
boden.
Diesmal jedoch kachle Clla nichl. Er
schrocken blickten ihre Augen aus die
Trümmer. Und schon stürzte auch, ganz
entsetzt, die Mutter ins Zimmer, durch
de Klang des zerspringenden Porzellans
von dem Unheil in Kenntnis gesetzt.
Mit geröthctem Gesicht und ornsun
feinde Blicken herrschte sie die Kleine an:
.Was hast Tu wieder angerichtet? Du
unartiges. Du schreckliche! Kind! Jetzt
aber bekommst Tu die Ruthe!' Und sie
eilte, da Strasinstrument zu holen. Ella
aber huschte inzwischen behend zur offenen
Hüt hinaus.
Die junge Fr: mußte, mit der Ruthe
in der Hand, das Kind durch dir stlucht
dr Zimmer suche. Sie fand es erst im
letzten der Räume. Dort sah KltinElla
aus einem Fusz bänkchen an der Wand, dem
Fenster geaenliber, durck welche die un
lergehende Sonne hrremleuchtete
Zorngluhend eilte die Mutter auf das
Krnd zu, bearbeitete dessen Handchen tuch
tig mit der Nutk und hielt ihm eine ernstl
h'ste Etrafredk, deren Inhalt kaum eine
dnizehniahrige begriffen und beherzigt
haben wurde.
Die Kleine weinte nicht ob der Nulhen
streiche. Sie suchte sich diesen weder zu
e-ilziehen, noch sah ste die schellende Mut
tu an; ftatk blickte ihr Äuge nach dem
gegenüberliegenden Fenster. '
.Du machst Dir yar nichts aus der
Strasc?" rief nun die ganz kmpörte junge
Frau. .Du hörst mich schelten und bit
tst nicht ab? Du blickst die erzürnte
V,uiter nicht einmal an? Na wart''.
Ich werde Dir geben! .... Wo schaust
denn eigentlich h,n?' '
.Ella sieht die Sonne an' Zlang et
hierauf beinahe feierlich in langsamen und
r schwer betonten Lauten von den Lrp
den des Kindes.
Bestürzt verstummte die Mutter. Wie
die plötzliche Offenbarung eines Wunders
wirkte diese überraschende Aeußerung des
Kindes aus die eben noch so letdenschast.
lich erregte junge Frau. Erstaunt blickte
sie auf die Kleine nieder, die Ruthe enk
sank ihren Händen und langsam wandte
dak Haupt nach dem dom Sonnenlicht
durchflutheten Fenster. Das majestätische
Gestirn war im Sinken begrisfeg. Die
ruhige Erhabenheit und , Schönheit des
Sonnevunterganges hatte das Herz der
jungen Frau noch niemals in dem Maße
geruhn und ergriffen, wie heute. Alle
kleinlichen, Regungen der Menschenseele,
Jcrruß, Aerger, Zorn und deren Aeuße
runoen erschienen ihr mit einem Mal so
verächtlich und verwerflich, und sie schämte
,ch deren. Sie hockte sich zu der Kleinen
nieder, ergriff deren gerathete Händchen
und bedeckte diese mit chren Küssen.
.Gclt. Ella," stieb si faft schluchzend
hervor, .Du hast die 'Sonne lieber wie
Deine MameiZ Die Sonnt zankt nicht
mit Dir. schilt und straft Dich nicht
und sie ist so gut und schön!" ....
Da schlang das Kind seine Aermchen
i;n den Hals der bereuenden Mutier und
stammelte:
.Mama auch schön! Mama lieb
Ella auch Mama lied hat!'
Won diesem Augenblick an begann die
junge Frau eine andere ErziehungS
Methode zu verfolgen, dere Prinzipien
,,-be, Geduld und Nachsicht waren.
Und so hatte denn die Sonne, die Se
gcnspenderin. die Keimerweckerin. in dem
Herzen der jungen Mutier den verborgen
Wummernden Keim der rechten Liede tt
welkt; jener Liebe, die allcS versteht, alles
erträgt und duldet, die alleS. verzeiht und
tvt deren Frucht sich sodann die echte Ge
genliebt dessen ernten läßt, der sie em
pscngen und genossen hat.
Wirthin brachte ihm lai Mittagbrot.
Es schmeckte ihm nicht. Nichts war ihm
heute, ncht. Nun fing es auch noch an zu
regnen, qerade als er fort wollle. deinen
Neamscbirrn den hatte wieder
irgendwo siehe lassen. Was war auch
an dem alten Sommeriiberzicher zu der
derben? Und sein Hut? Der wurde wie
neu durch den Regen. Er rollte seine Bo.
aenseiten zusammen, blickte noch einmal
auf ein dickes Manuskript., sein Drama.
sein Scherzenskind und Glückstrsum. und
lief, die Thür hinter sich tn Schloß W
len. Wenige Schritte durch einen Flur
und dann über einen Hof, holperig, wie
ein ausgewaschene! Flußbett, und nun be
fand er sich in der Wilhelmstraße. '
Mit dem schwebenden, schwankenden
Gang, den seine langen Gliedmaßcn be
dingten, strebte er hastig vorwärts. Den
verträumten Blick etwas nach oben gcrich
tet. sah er nicht vxr sich, tras plötzlich mit
der linken Schulter hart auf einen Wider
stand, einen Damcnschirm, der seiner
Trägerin bei dem scharfett Anprall aus
der Hand fiel, und auf dessen Stock sein
linker Fuß, Niedersahrend. trat.
Aber, mein Herr!" rief sie entrüstet.
, Das lieft ihn stehen bleiben. Verwirrt
fab er mit seinen auten. dunkelblauen Au
gen in ein Paar sehr kluger, grauer, zog
iah und tief deN Hut und enthüllte dabei
eine hohe, etwas zurückspringende Dichter
stitn, in die bei der Verbeugung iefbrv.ii
ne Haar bauschte. Er stammelte eme
Entschuldigung, hob den Schirm auf. 'den
tt schloß, und den abgcvroichenen ISnl?,
wobei ihm sein Manuskript entglitt, das
am Boden entblätterte. Er rante es zu
sammen, und sagte, treuherzig , wie in
Kind, da Unbeil anaericbtet:
.OK. das thut mir leid! Ds Wi wir
wirklich leid. Ja. wa mimea wik da
nur?"
.Ja. wa machen wir d, nur?" echoe,
sie in seinem Tonfall und sing herzlich zu
lachen in über das große, wunderliche
Menschenkind vor ihr. und ohn zu wissen
warum, lacht k mit. und durch das ge
meinsame Lache einander nah gebracht,
klieben sie mitte aus der Straße im
schönsten Regen stehen, er Schirm. Äriss
und Papierrolle an sich drückend.
.Wa haben Si da?" sragte ste neu.
g!eric.
.in Manuskript.' da !ch zur Zeitung
bringen wollte."
.Das werden SI in dem Zustande
wohl nicht einreichen können?!"
.Da, glaub ich selber." Wieder lach,
ten beide.
Wollen wir nicht lieber untertreten?"
kragt sie wie selbstverständlich, als es jetzt
heftiaer zu regnen begann.
.Sie könnten ja bet mir eintreten und
den Regen dort abwarten. Ich wohne
nahebei und zu ebener Erde." schlug r
vor und hielt, erschrocken über seine Kiihn
he it. inne. Es ging ja Über den Hos;
daran hatte er nicht gedacht.
Prüfend sah sie ihn an. von oben nach
unten und von unten nach oben. Tann
Ilomm es belustigt in ihren Augen auf,
und sie sprach halb befehlend:
Schön! Treten wir bei Ihnen ein!"
Durch den strömenden Regen wander
len sie seiner Wohnung zu.
,Oh. oh!" macht sie und balanzirte
mit den eleganten Stiefeletten auf dc1
unebenen Pflaster des Hofes. .Wer da
Hühneraugen besitzt!?"
Nun legte er die Hand auf den Drücker
und öffnete.
.Ist die Thür nicht verschlossen?'
staunte sie.
' .Was sollte man mir wv! stehlen?
All mein Reichthum besteht in Büchern, in
nichts als Büchern."
Jawohl. Bücher standen auf hohe
Regalen, auf dem Schrank, aus dem Der
tiko; Bücher lagen auf dem Tisch, auf der
Kommode, lagen auf den Stühlen, aus
dem Diwan, sogar beim Bett aus der
Erde.
Mit verschmitztem Cpitzbubenlächeln er
spähte sie das alles, das ungeordnete La
ger, über das er verlegen jetzt den Ueber
zikher breitete, den Schlafrock mit dem
großen Winkeleisenriß, das noch nicht
weggeräumte Geschirr, und um ihm Zeit
zu lassen, einiges zu ordnen, trat sie
auf den Balkon hinaus.
.Sollte man solch' ein Stück Romantik
in dem nüchternen Berlin sür möglich hal
ten!" rief sie. .Es gefällt mir auineh
mend bei Ihnen!" Sie warf den langen
Seidenmantel zurück und hing ihn über
den Lehnstuhl. Er hatte indessen den Di
wan freigemacht, und sie ließ sich mit der
Unbefangenheit der vornehmen Weltdame
nieder und begann, sich der langen Hand
schuhe zu entledigen. Einer Eingebung
folgend, streifte sie vorsichtig zugleich mit
den Handschuhen auch die funkelnden
Ringe, die ihre Finger schmückten, ab und
barg alles in der perlgrauen Krokodil
ledertasche, die sie neben sich legte. .Nun
theilen Sie mir Näheres aus Ihrem Le
ben mit," sagte sie, .es interessirt mkb.
Berliner sind Sie nicht, da! weiß tjch
schon."
Und er erzählte von den Eltern, die in
der kleinen Residenz gewohnt, von seinen
Studien, wie er den Doktor gemacht und
bei der Vorbereitung auf das Staats
ezamen zu der Ueberzeugung gekommen
sei, er tauge nicht für den Lehrberuf; von
seiner Lberndnchmenden Lieb zum
Schriftenthum, seinen ersten Versuchen
und Enttäuschungen und dem festen Glau
ben an sich. Er sei eine Stehaufnalur
und hoffe sich mit seinem Theaterstuck
doch noch durchzusetzen.
Sie hatte ihm zugehört, den Kopf in
die Hand gestützt. .Das ist es?" fragte
sie und nickte nach dem Manuskripte hin.
.Sie werden es mir nachher vorlesen.
Aber nun lassen wir unsere materiell:
Hälfte auch zu ihrem Rechte kommen:
Haben Sie etwas zu trinken?"
Ich konnte Ihnen Thee bereiten'
.Schön, aber Sie müssen uns etwa
dazu holen; denn ich gedenke Hierzublei'
ben. Ihn Vorlesung soll mir heut da
Schauspielhau ersetzen. Ich habe ein
Billett dasür in der Tasche. Es wartet
dort jemand auf mich in der Loge, den ich
kennen lernen soll, wie zufällig! Zwecks
einer Heirath." fügte sie achselzuckend hin
zu. .Es ist der Sohn einer Freundin
meiner Tante. Der Betreffende ist reich."
.Ich wollte, ich wäre es auch." entfuhr
e ihm, .aber ich bin nur ein ganz armer
Teufel, mit Aussichten gleich Null.' Er
seufzte.
.Da wollen wir erst sehen! Aber
schalten wir zunächst all diese Dinge auS,
und genießen wir die gewisse Gegenwart.
Sie werden jetzt etwas Kuchen kaufen und
in paar Bisquits. Es regnet faft icht
mehr. Also los!"
Er stürmte dahin und verwünschte im
stillen sich, seine Langschläfer und sein
unordentliches Zimmer.
Inzwischen laö sie einige umherliegende
Gedichte von ihm, schuf auf dem Tisch
Platz, goß -das brodelnde Wasser auf den
Thee und stellte die zwei henkekloscn Tas
sen. die sie heiß ausspülte, zurecht.
Da kehrte er auch schon mit dem
Kuchenpaket zurück.
Jetzt sagte er: Oh, HI" beim Anblick
der Tassen. '
."La. ti de LokSm" .ins Deutsch
übertragen."
.Nein, wenn ich schon ein Zigeuner
bin.' entgegnete er, .sollen Sie doch bei
Mir nicht aus solcher Tasse trinken!". Er
hob aus dem Schrank eine Kiste mit
wem messingenen BorlegeschlößcheN. lff
neke sie und entnahm behutsam au Wat
tenhllllen zwei Sövrestassen, Zucker und
Kuchenschale.
Service zu zweien: ein HochzeiiZge
schenk Ihrer Eltern?"
Ja, nach dem Tode meine Vater!
ward t nicht mehr benutzt, und weil r!
meine Muiter so hoch hielt!" ...
Eriiimrungkn heiligen die Geräthe,'
fiel sie ein. Ich danke Ihnen.' '
Sie tranken den Thee, plauderte nd
schwiegen, und ein seltsames Gefühl he
schlich ihn, alt habe er in dämmernde
Nebeln längst versunkener Vergangenheit
sich schon einmal so diesem schmalen,
länglichen Gesicht gegenüberbefunden.
Und dann la! er sein Ctüek.
'-'S 'lauschte leuchtenden Auges, rnchr
Der Gekcgcuyeilskauf.
Von ckotyar Schmidt.
Reparaturwerkstatt! Ein und Der.
kauf gebrauchter Möbel!' ftand aus dem
Schaufenster zu lesen. Ein kleiner Tisch
let hatte hier seinen Laden und hinter
dem. Laden di, dunkl Werkstatt. Etgki.t
lich waren e nicht nur Möbelstücke:
Tische, ettgestell. Schränk. Stühle.
Lardinenstann. Selch" "d begleichen,
wa man in Fragmente aus dem Hau!
halt geringer Leute durch die Scheibe in
dem ngen Raume aufgestapelt sah. Da
recht! an d'r Seite um Beispiel besand
sich ein kupserner Kessel und daneben in
Maßkrug u Sf6n.nl rrit zinnernem
Deckel, woraus in bunter, pausbäcl'gek
und blondbärtiger Gambrin! zu schauen
war. der in Äla schäumenden Bieres
zum Mund führte. In der linken Ecke
de Schaufenster erblickt man in Resiall
einer gußeisernen Schildkröte einen Spuck
naps: durch einen Fußtritt aus den Kopf
der Kröt öffnete sich der Rlf, um nach
Empfang dessen, wa ihm gebührte, sich
wieder zu schließen. Dahinter trug tht
schwarze Söul au Palisanderholz den
bestaubten Gipskopf de Apollo von Bel
Ledere, der nur ein wenig an der Nase
lädirt war.
Mitten unter all dem eriimpek ncchm
ein verglaste Mahagonischränkchen sich
wie ein seltene Ziirstück aus. Diese
Vitrine, du lieber Gott, war ja nun bei.
leib nicht etwa in Objekt, das den
Kunstkenner hätt reizen können, immer
hin aber in behagliche Ding au! Ur
großvater Zeiten. Ein Antiquätenhänd
lkk hatte ei hierher nach der Vorstadt in
Kommission gegeben, aus guten Gründen
und mit wohlberechnender Publikums,
Psychologie. In seinem reichhaltigen und
im Zentrum de großstädtischen Jrem.
denveikehr gelegenen Geschäft, wo wirk
lich od vermeintlich Kunstverständige
um theure Geld Kupferstiche. Brokat
stoffe. Truhen, Dvgenstllhle, Renaissance
leucht kauften, würde das harmlose
Schränkchen keine allzu noble Figur ge
macht haben. In dem Trödelladen aber
unter all dem kitschigen Kram kam es
sicher zur Geltung. Der schlaue Ge
schästsmann hatte sich nicht getäuscht.
Bon tausend Leuten, die vorübergingen,
blieben mindestens zehn bei der Glas
Vitrine stehen. Also that auch eines Ta
ges ein gewisser Lehmann.
Aha, dachte er. feine Sache!... Maha
goni! . . . Biedermeier! was Alles . . .
das ist ja jetzt sehr modern. Der Schafs
köpf von Tischler weiß gewiß nicht, was
für ein Kleinod sich da unter seinem dum
men Schnickschnack verirrt hat. Diele!
Kleinod bekomme ich um ein Butterbrod.
.Haben Sie zufällig einen gebrauchten
Eisschrank zu verkaufen?" fragte er den
Tischler.
Der mußte verneinen, wollte sich aber
gern bemühen, einen solchen Gelegenheits
kauf zu vermitteln, wenn man ihm bloß
ein paar Tage Zeit . . .
.Nein, nein.' unterbrach eifrig Herr
Lrhmann; .ich mühte ihn sofort haben,
denn meiner Frau zerläuft die Butter im
Küchenspind.
Und schon Halter er wieder die Klinge in
der Hand. Doch wie von ungefähr, zwi
schen Thür und Angel, drehte er sich noch
einmal um.
und mehr im Banne seines Vortrage!,
und die Rothe seelischer Erregung färbte
Ihr Antlitz. Nach jedem Akte sprachen sie.
Und jetzt war er mit einem Male sehender
geworden. Anders gestaltend, fand er be
schwingte, freiere Worte. Bilder überstürz
ten sich, und au tiefinnerften Gründen
brachen ungeahnte Quellen heißer Ergrif
fenheit: sein eigenes Phantasiwrrk erlebte
er nun erst. Dabei erfüllte ihn das große
Beglllckisein, ein so volles Verständnis für
sein eigenstes Ich bei ihr zu finden. Und
sie redeten von seinen Hoffnungen und
Plänen, und er fühlte Jünglingsfeuer i
seinen Adern: es gab keine Hindernisse,
er würde sie besiegen, sich durchringen.
Es war spät gelvorden. Sie erhob sich
und lieh sich den Mantel umlegen. Er
m.ußte ihr den Arm bieten, als sie über
den Hos schritten. Plötzlich lachte ste lcisl
in sich hinein: sie hatte ihre Tasche liegen
lassen. Er wollte wissen, weshalb sie
lachte, aber sie meinte geheimnisvoll:
Später, später werden Sie ti wissen!"
Als er sie nun di! zu ihrem Hause be
gleitet hatte, blieben sie vor der Thür
stehen, die sie aufschloß. Dann aber
zögerten sie noch immer, ausemanderzu
gehen, und da fiel e ihm von ien Lippe:
Dieser Tag, der für mich trübe begann,
indem r mir meine weltverlorene Ein
samkeit recht fühlbar werden ließ: kein
Brief, kein warme! Glückwunschwort,
keine Blume es ist mein dreißigster
Geburtstag! ist nun für mich zum
hohen Feiertag, zum Freudenfest gewor
den, durch Ihr Güte für mich men Zi
geuner.'
Oh, wenn Ihr Geburtstag ist. muß
ich Ihnen ja och graiulireri," wehrte sie
der ihn Überkommenden Rührung, streckte
ihm beide Hände entgegen nd sögt ein
fach: .Bon Herzen Glück, lieber Freund!
Und da ich Sie schon ohne Blume, mit
leeren Händen entlassen muß, sollen Sie
wenigstens einen Wunsch auksprecken dür
sen; wenn die Erfüllung bei mir steht,"
Einen Kuß!" wollte er bitten, aber
die Stimme versagte, nur seine Lippen
zuckten nach ihr.
Doch, sie mußte ihn wohl verstanden
haben.
Sie hob sich uf die Zehenspitzen, legte
die Hände auf feine Schultern nd küßte
ihn. Dann aber war sie im Nu ent
schlüpft und die Thür geschlossen. Nur
durch das Schlüsselloch klang noch f
dämpft ein Gute Nacht, lieber , Freund!"
Allein n vermochte nicht zu antworten.
Er' stand und athmete ein pdarmak tief
aus. Herrgott! Wie ist da Leben
schön!" entrang es sich ihm jubelnd ritich
einer Weile, während er immer noch ihce
schlanke, biegsame Gestatt zu sehen
wähnte.
Plötzlich lachte er übermüthig , aus:
.Und ich. Narr, weiß noch nicht einmal,
wie sie heißt! Nur ihre Nummer habe ich,
ihre HauZnummer!.'. v - .v
Ein, alte Clanduhk au Ebenholz tr.lt
Alö'äZäulen? Hatte i die diel,
leicht aus Lager?" Leider auch nicht,
aber wenn Sie siir alte Sachen schwär
wen, da gucken Sie sich mal das an!"
Stolz deutete der Meister mit dem leim
beklebten Zeigesinger auf das SMnl
chen; .Fcht WaMnoni, aarantkrt Bieder
meier . . '. Sieben Mark!"
Es war dies das Doppel! des Preise,
den der Antiquitätenhändler beanspruchte.
.Hm," meinte Herr Lehmann. ich habe
eigentlich keinen Bedarf dafür, aber Ich
will mir' überlegen . . . vorausgesetzt,
daß Sie mit sich handeln lassen . . ."
Der Tischler machte ein Gesicht, au!
dem man nicht erkennen konnte, ob ja
oder nein, aber genommen hätte er auch
sechzig . . . .auch sünfzig und darunter,
Herr Lehmann versprach, in einigen
Tagen wiederzukommen. Auf dem Heim
weg bedachte er da! Wenn und da Aber,
Theurer als er geahnt hatte war da!
Ding, und schließlich absolut entbehrlich.
Indessen, man durste nicht immer iiinltr
anderen zurückstehen. Die b.-sreun?elk
Familie Schulze hatte eine Biedermeier
kommod und die befreundete Familie
Müller einen Biedermeiertisch, und sie re
deten viel davon nd zeigten es jedem Be
sucher. Häufig genug höc:e er die Por
würfe sc'ner Frau:
Wir .üun nickt! für Innendekoration,
unser Milieu ist nicht reizvoll, wir haben
kein Kultur."
Zudem und das gab den Ausschlag
irgend etwas mußte so wie so gekauft
werden, denn am Ende des Monats jährte
sich zum zehnten Male der Tag, an dem
Lehmann feine Frau zum Traualtar ge.
führt hatte. Ob nun aber gerade eine
Vitrine das Nichtige sein würde? Kaum
zu Haus angekommen, nahm er sich vor,
auf den Strauch zu schlagen. Er trat
an jene! Tischchen im Salon, worauf
einige Porzcllansächelchcn standen: eine
Ente und eine Katze, immittirtcS Kopen
hagen; eine echte deutsche Kuh, die auf
dem Rücken eine große Oefsnung und im
Maul ein kleine! Loch hatte, und die vom
Fabrikanten weniger als Zierstück denn
als Sahnenkänncken gedacht war; eine
Vase, gewonnen beim Würfeln zur Zeit
der Kirschblüthe in Werder, ein hohler
Damenstiefel, der von Bcrufswcgen als
Aschenbecher hätte dienen sollen, und eine
kleine Statuette aus bronzirtem Thon, den
blinden Homer darstellend. .Diese Nip
peö," sagte Lehmann nachdenklich zu sei
ncr Frau, scheinen mir hier nicht gegeig
riet placirt zu sein. Erstens macht das
Kameek. die Anna, beim Abstäuben jedes
mal etwas kaput, und zweitens brauche ich
doch das Tischchen immer zum Skat. Ich
denke, wenn man bei Gelegenheit mal bil
lig zu einer . . . einer ... na, Teusel,
wie nennt man es doch . . .?
Er that, als fände er das Wort nicht.
Vitrine!" unterbrach ihn jubelnd Frau
Lehmann.
Ganz recht. Vitrine! . . . womöglich
im Biedermeiersiicl . . . wenn nur das
Zeug nicht so theuer wäre!"
Und um sich nicht anmerken zu lassen,
wa er im Schilde führte, begab er sich
schmrtnzklnd in's Nebenzimmer.
Auch Frau Lehmann hatte Mühe, ihre
Gedanken zu verbergen: eine Vitrine!...
die Biedermeierviirine aus Mahagoni, die
beim Tischler nebenan im Schaufenster
stand! Ah, jetzt endlich, nach langem
Grübeln wußte sie, was sie ihrem Manne
am zehnjährigen Hochzeitstage schenken
würde!
Damit ihr ja niemand zuvorkäme,
machte sie sich gleich aus den Weg.
Ach hören Sie, siir das Glasschränk
chen. das Sie da im Schaufenster haben,
hätte ich eventuell Verwendung."
Der Tischler kratzte sich den Graukopf:
Tja, liebe Dame, mit dem Stück, das
ist so 'ne Sache. Ich hab eö eigentlich
schon so gut wie verkauft; eben war ein
Baron da, der hat mir achtzig Mark da
für geboten; morgen spätestens wollte er
den Handel perfelt machen."
Hm, achzig Mark! . . . allerdings, da!
ist eine Stange Gold. Aber meinetwe
gen . . . schön, ich biete Ihnen ebenfalls
achtzig Mark. Nur bitte ich Sie. sich bis
zum Freitag zu gedulden, weil ich erst
eine Schuld für meinen Mann einkas
siren will . . ."
Und wenn mir der Baro morgen
dreiun.dachtzig-geben will?"
Die Begierde, die Vitrine zu besitzen,
die Befürchtung, sie nicht zu bekommen,
spornte Frau Lehmann zu einem außer
ordentlichen Entschlüsse an.
Nun denn, so biete ich Ihnen vierund,
achtzig bis Freitag."
Der Tischlerversprach sein möglichstes
zu thun, vorausgesetzt, daß bis dahin der
Herr Baron nicht ein noch höheres Ange
bot machen würde. .
Und richtig, schon am folgenden Tage
erschien wieder der Herr Baron, der. wie
der kluge Leser bereits errathen hat, kein
anderer war öl! Lchniann.
WaZ?" rief er entsetzt, neunzig
Mark? Gestern haben Sie nur siebzig
verlangt. Mann Gottes!"
Tja,' rwiderie seelenruhig der Tisch
lek, ,.daö war gestern. Inzwischen sind
vierundzwanzig Stunden vergangen. Je
älter, desto theurer! Das ist ben nicht
anders mit antiken Sachen."
Nach vielen Hin und Herreden erbat sich
Lehmann eine abermalige Bedenkzeit. So
ging es fort, denn Frau Lehmann wollte
dem Herrn Baron durchaus nicht die Vi
trine im Biedermeierstil gönnen.
Mittlerweile rückte der Hochzeitstag
iininer näher heran, und jeder der beiden
Gatte überbot in heimlicher, unbewuß
ter Konkurrenz de anderen, bis endlich
Lehmann die Vitrine um einen Hundert
markschein erstand. Dieser Tag brachte
beiden zugleich aber auch die verblüffende
Aufklärung der ungewöhnlichen Preisstei
gerung. Da gelobten sie sich einander
nie wieder überrasche zu wollen, weder
zur Silberhochzeit, noch zur goldenen,
und sie nahmen mttsammen die Porzcl
lansachen, die Ente und .die Katze, die
Kuh und ,den Damenstiefel, die Vase und
den Homer, und stellten sie hinein in die
Bltriri.' ; . ? ,
Jora.
Lins lustige NilitZrgeschicht.' von u?t Vleblg.
?er Herr Cfcnsl und mit ihm die Her
ren Staloffiziere halten das Kasino der
lassen. Da, Likbebmahl hatte den söge
nannten todten Punkt überwunden. Man
schwamm im Seit, Burgunder. Rhein und
Moscl. Alle! war tn srvhlichster Stirn,
niuiig. Toch du kau, h.ute gar nicht
au sich, heraus. Hans Bauer, der rang
altcsie Oberleutnant des ttrensdier.Reg,
nients v. Leuthen, saß sinnend schon lane
vor einem Glase cdl. Er mundete ihm
heute nicht.
Prosit, alter Junge, na narum so
traurig,!" Lächelnd ins der Regiments
adjutant v. Bekiiwitz die Worte seinem al
ten Freunde zu. Doch dieser nickte nur
stumm hinüber. Ein kurzer Schluck, dann
wieder das tiefsinnige Brüten. Bergwitz
jammerte der alte Zrl. und schon hatt, er
neben ihm Platz g,ommcn.
Sag. wa, plazt Dein Königlich Preu
ßischeö Oixrleutnanlherz?"
Erstens habe ich gar kein Her, mehc.
zweitens, es ist ja ausgeschlossen, einfach
ausgeschlossen!"
Aber, alter Junge, was meinst Tu
denn eigentlich? Na, Du hast wohl heute
Deinen Moralischen; wa ist denn nur
los?"
Das ist vorzüglich, das ist blendend,
Tu machst die Rcgimeiitbbcfehle und weißt
nicht den Grund, warum ich einen Mora
tischen habe. Mensch, ich verstehe Dich
nicht." Stier ging der Blick zum Adju
tantcn hinüber. Der Adjutant schien trotz
der vorgerückten Stunde Gcdanlcn lesen
zu können.
.Ach. Du meinst die Besichtigung? Ja.
Du mußt doch als ältester Ober die Kom
pagnie sührm. Hauptmann v. Lcttom ist
fort. Du bleibst daher übrig. Zu den
Strafarbeitern, zur Schicßschule. zum Rc
servcRegimcnt, alles wolltest Tu nicht.
Na also, jetzt rächt es sich."
Mensch, aber eS geht nicht, ich kenne
keine Menschcnsccle in der Kompagnie.
Weiß überhaupt gar nicht, wo die stolze
Tritte liegt."
Na, das ließe sich ja feststellen. Doch
nun ertränke Deinen Kummer, altes
Huhn, die Sache wird schon schief gehen!"
Sie wird auch schief geben, mir ist cZ
egal, ich gehe jetzt nach Haus. Katschma
reck. Polorowicz, Adamcck, Sczymczack,
Jesus Maria!"
Wie von einer Tarantel gestochen, fuhr
er, in die Höhe, doch Bergwitz drückte ihn
wieder nieder. . . '
Tu wirst ja garnicht oder nur einige
Sekunden besichtigt."
Ausgeschlossen, das ist gar nicht mög
lich. Ich gehe, Du kannst Deinem altcn
treuen Kampfesbruder nicht mehr helfen.
Versicherungsagent, gebrochene Knochen,
Hochstapler. Zuchthaus!"
.Junge, Tu redest irre. Wetten, daß
Tm nirfrt bxsichtiat wirst?"
Irrsinniger Wtni. fco eine auexie
giebt eS qar nicht. Doch ich wette, denn
dann 'mache ich wenigstens ein Geschäft
und kann meinen Meinsau oroeniiiq gra
tiS beziehen." ... ' .
Bon, ich wette, van ,u nicyi rein
Die Weite wurde abgeschlossen, und
swr Mnhm wankte die leibliche Hülle
des Oberleutnants Bauer gegen Morgen
heimwärts. Der Geist war schon längst
schlafen gegangen.
Veraessen war die BNicyligung, oie ,n
drei Tagen bevorstand.
.Wachtmeister Krause!" Herr Ober
leutnant!"
WsfV Muchimeiiier. ick komme wegen
w" töiis siir die Besichtigung. Besonders
für Excellenz muß es ein sehr friedliches
Pferd sein. Na. also Vorschlag."
K?rlinnni v. Berawik ging Mit dem
Wachtmeister der L Batterie der reitenden
Abtheilimg des Feld-Artillerie-RegimentS
No. !K den Stall entlang, i i,no uou
wurde ein Pferd besprochen.
.Ein sehr guter Jteri, lamm,romm unv
gute Gänge."
Sie schritten weiter. Man kam an
einem schönen großen Rappen vorbei.
Der Wachtmeister verging oas Pinv.
Wie ist er denn!"
Mi, klebt. Serr Oberleutnant. Doch
sonst ein famoses Pferd. Ein sicherer Rei
ter wird sehr am mir ,yr serng.
Aber...'
Min lieber Krause, eine preußische
Excellenz kann wohl ein friedliche Pferd
gebrauchen, doch nie und nimmer ein
Lamm. Ezccllcnz pfeift mich. Herrn
Oberst, Sie und alle nacheinander an. Die
anderen Pferde suchen ie oann aunnr
heraus. Ich muß fort."
u Befebl. Herr Oberleutnant! Also
die Dora für Excellenz.' .
Etwas ungläubig schaure oer Wacurme?
K,r Tftiis ticrn Adjutanten nach. Doch
gehorchen, das war die Parole, und die
Mutter der ersten thal dies rmmer. -m,
raus mit dem Batteriebuch!
Es war ein sehr molliger Morgen, wie
sich Oberleutnant Bauer ausdrückte, als
er am Bcsichtigungstage mit der stolzen
?i?!tn y,e ffnfprne verkiek. Seine Kom
pagnie sollte die letzte sein, die Exzellenz
besichtigte. War es ein Glück oder war
es ein Unglück? War Exzellenz guter
Stimmung, ja dann ging es schnell, war
es aber nicht der Fall, dann . . . Doch
jetzt hatte er rrenug. Langsam ging es
dem Exerzierplätze zu. Er war erreicht.
Man darrte der Befehle. Noch wurde die
vierte Kompagnie besichtigt. Doch da war
es schon zu Ende. Man trabte heran.
Die Kompagnie stand. Grundgiitiger
Himmel! Was nun werden würde, das
wußten Petrus und die heiligen Äötter
in, Olymp. Doch mir die Ruhe behalten.
Mit vornehmer, ruhiger Eleganz kam
der Stab angetrabt. Exzellenz schneidig
voran. Du rothbehvstes Menschenkind,
wenn Du doch von diesem Platze plötzlich
verschwinden würdest, das wäre die ein
zigste Retiung. Katschmareck, Poloro
wicz, SczymsczacZ und immer wieder
und wieder die edlen Nacken der' östlichen
Landksbrüder. '-':.-...
Exzellenz hatte die Kompagnie eneickit.
Oberleutnant Bauer meldet und die Auf.
stellimg war vorzüglich. Jetzt sollte
Besichtigung geschritten werde. Ein
slehendcr Blick zu Bergmitz. dieser hatte
nur ein schelmise Lächeln. Der Befehl
wurde gegeben. ZLauer wiederholt ihn.
Di Kompagnie trat an. Doch wo blieb
di' Rettung? L5r7,'r:tz. Tritt mich odc?
ich bin verloren! Bis in die Mulde dort
bringe ich di 120 Grenadiere, dann fterb
ich mit hnen.
Kaum war dcser Kedanke dem Hirn de
geplagten Ober entsprungen, da ertönte
leise in der Ferne, fast hörbar, ein
Signal. Doch Bauer war zu unmusika
lisch; er horte nicht, was es bedeutete.
Sicher ein TodrSgesang. Lebt wohl ihr
Froiitschwein. guten Morgen Bezl.U.
kommaiido!
Batterie Galopp!" Die Batierie rief,
und Dora kam. Also wieder lebrt. rouf
auf die Höh und im Galopp dem Dorfe
zu. Vorbei beim marlirtcn Feind...
Jetztis Signal: Batterie baalt!"
Dora siebt, lsxellenz wirft ernen mu
standen Blick auf den na,kiilcn Feind,
dann noch ein kurzes Verweilen, uno jetzt
zurück zur stolzen Dritten. Ach. da
schmeckt schlecht bei der Hitze. Die Spo
ren thuen so weh. Arme Dora!
Ezzellei'z war bei der dritten Hon
pagnie angelangt. Die Cchutzcnlmikn
waren entwickelt, e tobte der menschen,
mordende Vampf. Exze'lknz Mahl da
Eignal: das Ganze halt!"
Die Hornisten fließen in die Hörner, die
Trommler trommelten, was das preuk-,!
sche Trommelfell vertrug, las Ganze
hielt.
Auf das Signal: Die Herren Of fiziere,
trabte Hans Bauer zur Kritik heran.
Meine Herren, bitte flehe Sie be.
quem!" Die Herren standen bequem.
.Die Kompagnie. Herr Oberleutnant hat
mir gut gefallen. Die Entwickelung bt
wies, daß ein guter Geist in den Leuten
steckt. Die Haltung war gut. Sagen
Sie dies Ihrem Herrn Kompagnie-Ehef."
Sich zu den anderen Herren wendend,
fuhr Exzellenz fort:
.Ich hatte schon immer die Absicht, mir
das Verhalten des markirten FeindcS an
zusehen, denn die Gefahr liegt nahe, daß
es dort unkriegsmäßig zugeht. Zu meiner
Freude fand ich dort alles in bester Ord
nung. Ewar die Zeit ,u kur, bemessen.
als daß ich dort länger verweilen konnte. ,
iwr) wie gesagt, ich bin zufrieden mir der .
3. Kompagnie. Ich danke Ihnen, meine
Herren!"
Der Divisionär, der BriKidier, und
alle, alle sprachen noch. Wa! Sie gesehen,
das war gut. Bergwih schrieb die Kriti
ken mit.
.
Am Nachmittag ging eS feuchtfröhlich
im Kasino her. Die beste Stimmung
herrschte aber am Tische l.': Ob'rit.
nants Bauer. Der Regimenisadjutant v.
Bergwitz und Oberleutnant Schmidt vom
Feld-Artilleric-Regiment No. 99, der treu
und unerschrocken am Morgen im Dorfe
die Signale geblasen .hatte, halfen dem
glücklichen Pompagniesührer die Wette in
Sekt aus tragen.
Die anhängliche Dora staunte nicht
schlecht, als gegen Abend eine besondere
Ration ihr zuertheilt wurde und spät, ja
ganz spät eine wankende, dunkle Gestalt
erschien und sie streichelte.
Das war ihr in all den Jahren beim '
Kommiß nicht zu theil geworden.
' 'iSSSTi
Nascwkishcitcn.
A? der Sammelmappe eines Thoren.
Wer sich nicht erinn:rn kann, wann er
ei Narr gewesen, ist eben noch immer
ein Narr. ?
Jeder in der SJMt, er mag sich noch so
erhaben dünken, ist entweder ein Mensch
oder noch weniger. ,
Wozu braucht man Jemand: .Lug
ner" zu nennen: entweder er ist ein LLg
ner, dann weih er's ohnehin, oder er ' ist
kein Lügner, dann weiß er, daß du einer
bist, wenn du ihn Lügner schimpfst. .
Wer niemals arbeitet, kennt auch nicht
die Freude des Feierabends.
Wie lange wäre die Welt schon öde
und leer, wenn Jeder, der die Zeit todt
schlägt, hingerichtet würde.
Es giebt Männer, die bor der Ehe bis
spät in die Nacht bei ihrer Auserwählten
bleiben, die in der Ehe bis spat in die
Nacht ihrer Auserwahtten fernbleiben .
Erst kriegt man sie ?icht auö dem Hau?,
dann nicht in das Haus.
Kein Ehemann bestreikt, daß feine
Frau besseren Geschmack besitit als er. .
Der ärmste arme Teufel ist der Mensch,
der keine Phantasie besitzt. ' t
ffislifi. ist süfc aber nur ftuiietiirciif i
der Kern ist gallenbitter ... der Kern der
Rache ist eine unangencyme Erinrurung.
Wie wohl d Liebesbriefe ausfalle
würden, wenn der Schreiber daran dächte,
daß sie einmal im Gericht verlesen wer
den könnten. ... , ;
Reichthum allein macht ich? slUck
lich' ... da ist eine schöne Redensart
der Reichen. ' '
Die Milch der frommen DenkungSart,
kommt meist abgerahmt auf d Markt
des Lebens.
. 1? , -n
Wer durch Vie Blume spricht, hofft,
süße Früchte einzuheimsen. 2'
Den Unterschied zwischen Hysterie und
Patriotismus erkennt ma erst, wenn
man die Ereignisse im Spiegel dek G?
schichte betrachtet. , t
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Eine Frau ist. selten Wer, all s Man
sie hält. "- "T'y
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